EINLEITUNG
In dieser Seminararbeit soll zunächst untersucht werden, in wieweit Elemente und Prinzipien der res publica Romana in heutige republikanische Verfassungen Einzug erhalten haben. Dies werde ich nach einer umfassenden (im wesentlichen deskriptiven) Darstellung der bedeutenden Verfassungsorgane der res publica eigenständig anhand des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland überprüfen.
Meine persönliche Beurteilung wird sich an diesem Ergebnis orientieren.
In der Antike gab es Republiken aristokratischer und demokratischer Prägung. Die Verfassung des republikanischen Roms enthielt demokratische, aristokratische und monarchische Elemente (BERGSTRAESSER 1975, 67-68); dies bleibt im folgenden zu zeigen.
Die Entwicklung zu unserer heutigen Republik- und Staatsform ist geprägt durch die Auseinandersetzung mit den (absoluten) Monarchien in Europa seit der Französischen Revolution von 1789. Im 19. Jh. entwickelte sich eine republikanische Bewegung, die in der Schaffung der republikanischen Staatsform die Vollendung der Volkssouveränität sah.
[...]
I N H A L T S V E R Z E I C H N I S
I. E I N L E I T U N G
I.1 Widmung
II. D A R S T E L L U N G DER RES PUBLICA
II.1 Einführung und Problematisierung des Staatsaufbaus
II.2 Die Tugend der Bürger und die Bedeutung für die Republik
II.2.1 Das Volk
II.2.2 Die Nobilität
II.2.3 Der Magistrat
II.2.4 Der Senat
III. V E R G L E I C H ZU HEUTIGEN REPUBLIKFORMEN
III.1 Strukturprinzipien, die in der bundesrepublikanischen
Verfassung niedergelegt sind oder in modifizierter Form wiederauftreten und auf denen der res publica beruhen
III.1.1 ...im Vergleich zum VOLK
III.1.2 ...im Vergleich zur NOBILITÄT
III.1.3 ...im Vergleich zum MAGISTRAT
III.1.4 ...im Vergleich zum SENAT
IV. A U S W E R T U N G
V. A N L A G E N
V.1 Literaturverzeichnis
V.2 Schematische Darstellung der res publica Romana und der bundesrepublikanischen Verfassung
I. EINLEITUNG
In dieser Seminararbeit soll zunächst untersucht werden, in wieweit Elemente und Prinzipien der res publica Romana in heutige republikanische Verfassungen Einzug erhalten haben. Dies werde ich nach einer umfassenden (im wesentlichen deskriptiven) Darstellung der bedeutenden Verfassungsorgane der res publica eigenständig anhand des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland überprüfen.
Meine persönliche Beurteilung wird sich an diesem Ergebnis orientieren.
In der Antike gab es Republiken aristokratischer und demokratischer Prägung.
Die Verfassung des republikanischen Roms enthielt demokratische, aristokratische und monarchische Elemente (BERGSTRAESSER 1975, 67-68); dies bleibt im folgenden zu zeigen.
Die Entwicklung zu unserer heutigen Republik- und Staatsform ist geprägt durch die
Auseinandersetzung mit den (absoluten) Monarchien in Europa seit der Französischen Revolution von 1789. Im 19. Jh. entwickelte sich eine republikanische Bewegung, die in
der Schaffung der republikanischen Staatsform die Vollendung der Volkssouveränität sah.
Neben den verschiedenen Formen der parlamentarisch-demokratischen Republiken bildeten sich im 20. Jh. auch der „Typus“ der Räterepublik (Rätesystem) und der sog. Volksrepublik heraus. In Deutschland wurde lange der Begriff „Freistaat“ für die Republik bevorzugt, wie dies noch heute in einigen Bundesländern der Fall ist.[1]
I.1 Widmung
In aufrichtiger Dankbarkeit widme ich die erste Seminararbeit meines Lebens Stefan Ewert und Joachim Kasch[2].
II. DARSTELLUNG DER RES PUBLICA
II.1 Einführung und Problematisierung des Staatsaufbaus
Das Zusammenwirken von Magistratur, Senat, Volk sowie Nobilität machte das staatliche Leben in Rom aus, daher werden diese Institutionen/Gruppierungen noch gesondert betrachtet.
Die antike Staatstheorie, vor allem Aristoteles, kennt sechs Grundformen staatlicher Organisation, drei gute: Monarchie, Aristokratie und und die drei Formen ihrer Entartung: Tyrannis, Oligarchie und Ochlokratie. (a.a.O. 1975, 44-45)
Frei von typischen Fehlern und Gefahren sind auch die guten Formen nicht. Darin liegt die Ursache, dass die einzelnen Staatsgebilde dazu neigen, „kreislaufartig“ von einer Verfassungsform in eine andere überzugehen.
Die Demokratie wird von den Staatstheoretikern des Altertums nicht besonders gut beurteilt. Das liegt an den zahlreichen schlechten Beispielen, die demokratisch regierte Staaten wie z. B. Athen gaben.[3]
Die in ihnen zu beobachtende Tendenz, die Grundsätze der Freiheit und der Gleichheit aller vor dem Gesetz falsch auszulegen, der Willkür des einzelnen über Gebühr freien Lauf zu lassen, naturgegebene und staatliche Autorität zu missachten, überlegenes Können zu ignorieren und jede Lebensform, die von der Masse sich unterscheidet, als verdächtig anzusehen, läßt die Demokratie nur zu schnell entarten. Und damit sind die Voraussetzungen geschaffen für das Auftreten eines Tyrannen, der die allzu freie und ungebundene Bürgerschaft in tiefste Knechtschaft stürzt.
Wenn Cicero so die Demokratie sieht, spricht aus ihm nicht nur der Römer mit dem ausgesprochenen Sinn dieses Volkes für Autorität. Es spricht aus ihm auch der nachdenkliche Philosoph und Staatsmann, der sich mit seinem Urteil der politischen Erfahrung und Weisheit eines Thukydides, eines Sokrates, Platon und Aristoteles anschließt. Andererseits garantiert das demokratische Prinzip allein, wie die Staatstheoretiker des Altertums wohl wissen, die volle bürgerliche Freiheit und die grundsätzliche Gleichheit vor dem Gesetz. (a.a.O. 1975, 63-66)
Das Attribut libera läßt sich von der klassischen res publica nicht trennen.
Haben wir also die Grundlage für eine ideale Demokratie vor uns?
,,Wir selbst werden kein Bedenken tragen, Rom als Demokratie im modernen Sinne zu bezeichnen; denn die Macht liegt bei der Versammlung der freien Bürger. Sie wählt die Beamten und damit auch den Senat, entscheidet über die Lebensfragen« (BÜCHNER 1957, 12). Ein Bedenken erhebt sich jedoch angesichts des timokratischen Prinzips der Zenturienordnung.
Cicero bezeichnet (in seiner Schrift „De re publica libri“) das eigentümliche Gepräge des römischen Staates im Anschluss an Polybios als eine gemischte Verfassungsform.
Nach seiner Auffassung vereinigt Rom in sich die Vorteile der drei guten Verfassungsformen, während die Nachteile einer jeden vermieden sind.
An den entscheidenden Wendepunkten der Vergangenheit, als der König zum Tyrannen und als die Patrizier zu Oligarchen zu werden drohten, hat der römische Staat durch Vertreibung des Königs und durch die Erfolge der Plebejer im Ständekampf den Weg zum jeweils Besseren eingeschlagen. (a.a.O. 1975, 66-68)
II.2 Die Tugend der Bürger und die Bedeutung für die Republik
Dass die Verwirklichung eines solchen Staates möglich war, hat seine Ursache in den Bürgern selbst und ihren politischen Tugenden. Solche virtutes kannte das römische Volk in großer Zahl. Zu ihnen gehört die pietas. In enger Verbindung zu ihr stehen concordia und fides. Diese erstreckte sich auch zusammen mit einer gewissen clementia auf die unterworfenen Völker, sobald mit ihnen ein Vertrag abgeschlossen war. Denn Verträge waren den Römern der Republik im Grunde heilig. Die Einhaltung der Ordnung garantierte die disciplina; vor weichlichem Nachgeben und Verzagen schützte die constantia; vor Leichtsinn, Übermut und Maßüberschreitung bewahrten consilium, temperantia und moderatio. Die Masse der Bürger beseelte das Bestreben, im Frieden durch die bereits genannten Tugenden, im Kriege durch fortitudo sich um das gemeinsame Wohl verdient zu machen und so gloria und laus zu erlangen.
Die staatlichen Angelegenheiten nahmen das Interesse des Einzelbürgers in höherem Maße in Anspruch, als es heute der Fall zu sein pflegt. Besonders für den vornehmen Römer war eine vita activa im politischen Sinne eine Selbstverständlichkeit.
Die entgegengesetzte epikureische Haltung oder eine reine vita contemplativa waren in Rom verpönt. (MEYER 1948, 237-241)
Und selbst in Zeiten, als die Republik und damit die Wirkungsmöglichkeiten des Bürgers teilweise oder ganz eingeschränkt waren, fühlten sich hervorragende Römer, die auf irgendeinem Gebiete der Menschheit Bedeutendes zu sagen hatten, als Bürger in ihrer Weltordnung.
Das römische Gemeinwesen der Blütezeit war nicht irgendein ,,Staat“, nicht etwas Statisches, kein Zustand, mit dem man sich abfinden und in dem man sich zurechtfinden musste, sondern etwas Dynamisches, eine Sache des Volkes, die alle unmittelbar und stets anging (tua res agitud), eine res publica Romana.
II.2.1 DAS VOLK (MOMMSEN 1952, 143-152; 300; 316-328)
Die Hauptsäule des römischen Staatswesens bildete das Volk, das seine politischen Rechte in Versammlungen wahrnahm, bei denen wir vier Arten unterscheiden müssen:
comitia curiata, c. centuriata, c. tributa, concilia plebis; die sog. contiones dienten im Gegensatz zu den comitia lediglich dem Informationsaustausch.
Die aus ältester Zeit stammenden, auf der Grundlage der Geschlechter aufgebauten Kuriatkomitien wurden immer weniger besucht. In ihnen erfolgte fast nur noch die zu einem formalen Akt erstarrte nochmalige Bestätigung der höheren Beamten nach ihrer Wahl in den Zenturiatkomitien.
Zugrunde lag ein timokratisches, d.h. ein auf den Besitzverhältnissen und der davon abhängigen Wehrfähigkeit beruhendes Einteilungsprinzip. Für die einzelnen Klassen
(classis »Aufgebot«, calare »zusammenrufen«) waren bestimmte Mindestgrenzen an Vermögen und zumutbarem Aufwand für Bewaffnung festgesetzt. Die Eingliederung der einzelnen Bürger erfolgte durch die Zensoren. Aus den Reihen der angesehensten Römer wurden besonders würdige in die Reiterzenturien eingeordnet. Die Kosten für Beschaffung und Unterhalt ihrer Pferde trug der Staat. Zu ihnen gesellten sich solche Reiter, die diese Kosten aus eigenen Mitteln bestritten.
Die nicht in eine Klasse eingeordneten Bürger stellten Handwerksleute sowie Horn-und Flötenbläser für die fünf Klassen der Fußsoldaten. Der zahlenmäßig große Rest wurde kaum oder gar nicht für würdig befunden, zum Kriegsdienst herangezogen zu werden.
So stellte die Zenturienordnung eine Gruppierung der Bürgerschaft nach ihrer Verwendbarkeit im Kriege dar.
Gleichzeitig bestimmte sie die Zusammensetzung der politischen Volksversammlung, denn Wehrpflicht und Stimmrecht entsprachen einander.
Die Zahl der Bürger einer Klasse und damit die Stärke ihrer Zenturien[4] war sehr verschieden. Man glaubt, annehmen zu können, dass die unterste Zenturie in fra dassem fast ebenso viele Römer (mittellose) erfasste wie alle anderen Zenturien zusammen.
[...]
[1] Hier wären Bundesländer wie Bayer, Sachsen und Thüringen zu nennen. Der Begriff „Freistaat“ ist also keine besondere Betonung der Unabhängigkeit eines einzelnen Bundeslandes (wie gemeinhin an-genommen wird), sondern betont „nur“ den republikanischen Charakter der Landesverfassung.
[2] Mir ist es sehr wichtig diese erste Arbeit zu widmen, da sie für mich den gleichen, hohen Stellenwert wie die (baldige) Zwischenprüfung bzw. das 1. Staatsexamen hat.
[3] Vergleiche die sog. „Arche Athens“ bzw. das Hegemonialstreben in der Ägäis im 3. Jh. v. Chr..
[4] Das Wort centuria (»Hundertschaft«) ist in diesem Zusammenhang lediglich ein aus den alten Kuriatkomitien übernommener Begriff, der zahlenmäßig nichts mehr aussagt. Wenn beispielsweise die 3. Klasse der pedites 20 Zenturien bildete, so heißt das, daß die in diese Vermögensklasse gehörenden Bürger in 20 Abteilungen mit je einer Stimme aufgeteilt waren. Dabei entfielen auf die juniores, die für den aktiven Wehrdienst herangezogene junge Mannschaft, und auf die seniores (vom 46. Lebensjahr an; nur im Notfall zur Verteidigung der Heimat eingesetzt) einer Klasse jeweils gleich viel Zenturien.
- Quote paper
- Stefan Wagner (Author), 1999, Die Auswirkungen der res publica Romana für die heutigen Strukturprinzipien einer Republik-exemplarisch an der Bundesrepublik Deutschland dargelegt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1083