Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Hintergrund und Ausgangsituation im Deutschen Gesundheitswesen
Einleitung
Begegnung im Zug
Rolle der Family Health Nurse
Diskussion
Ausblick: Pflegeszenario 2020 in Deutschland
Zusammenfassung
Titel: Ein neues Handlungsfeld in der gemeindenahen und familienorientierten Gesundheitsversorgung mit präventiven Hausbesuchen im Aufgabenbereich der professionellen Pflege – die Family Health Nurse oder Pflegefachkraft für gemeindenahen Bereich.
Begründung: Versorgungsforschungsrelevante innovative Konzepte für die Weiterentwicklung der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung der Bevölkerung sollen hier am Beispiel des Steuerungskonzeptes „Family Health Nurse“ vorgestellt werden.
Europaweite Bestrebungen das pflegerische Berufsfeld zu erweitern, um die Humanressourcen effektiv zu nutzen, weil die gestiegenen gesellschaftlichen Anforderungen an das Gesundheitssystem, an eine vergreisende Gesellschaft, sowie die erhöhte Nachfrage bezüglich gesundheitlicher Versorgungsleistungen im primären Sektor nicht zweckmäßig sind. Es gilt Lösungen für die vielbeschriebene Diskontinuität zwischen den einzelnen Sektoren im deutschen Gesundheitswesen zu entwickeln, singulär reagierende und fragmentierte Infrastrukturen einschließlich der Kostenentwicklung in der Gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung erfordern neue Nicht-Medizinische-Konzepte, insbesondere eine Veränderung u.a. des professionellen pflegerischen Angebots. Zur Umsetzung der in GESUNDHEIT21, dem Rahmenprogramm der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geforderter Qualifizierung von Fachkräften für gesundheitliche Aufgaben wurde von der WHO im Bereich des Pflegewesens das Family-Health-Nurse-Konzept (FHN) entwickelt.
Die Konzeptidee der FHN baut auf den Schlüsselqualifikationen der Pflegeberufe auf und stellt eine Form der Weiterbildung, welche die Aspekte der ganzheitlichen Patientenorientierung, die aufsuchende Hilfe, das soziale und familiäre (wird hier sehr weit gefasst und schließt homosexuelle Lebensgemeinschaften oder Patchwork-Familien ebenso mit ein) Umfeld, die Prävention und die Zusammenarbeit im interdisziplinären Team verbindet. Einige Fragen betreffend der Umsetzung des FHN-Konzeptes müssen diskutiert und notwendige Voraussetzungen geschaffen werden müssen. So gibt es, bspw. für die Finanzierung, noch keine konkreten Lösungsvorschläge auf gesundheitspolitischer Ebene sowie die Integration des Konzeptes in das deutsche Gesundheitssystem und deren Verzahnung mit bestehenden Dienstleistungen. Das FHN-Konzept soll innerhalb der EU im Rahmen von Pilotprojekten, an denen auch die Bundesrepublik beteiligt ist, getestet und evaluiert werden.
Hintergrund und Ausgangsituation im Deutschen Gesundheitswesen
Das deutsche Gesundheitswesen ist bis in die Gegenwart von einer Anzahl charakteristischer Trends, Entwicklungen und Strukturen gekennzeichnet. Ein Trend ist die Ausweitung des Leistungsvolumens in den letzten drei Jahrzehnten. Eine zweite Entwicklung ist die Spezialisierung der Aufgaben und Tätigkeiten durch eine Vielzahl von Gesundheitsfachberufen, einschließlich der Pflegefachberufe. Ebenfalls beinhaltet es die Tätigkeitsdifferenzierung innerhalb einer Berufsgruppe. Drittens ist die erhebliche Ausdifferenzierung der leistungserbringenden Institutionen im deutschen Gesundheitssystem in der ambulanten und stationären Krankheits- und Gesundheitsversorgung, in der Rehabilitation und Pflege, daneben der kommunalen Leistungserbringung mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), und letztendlich der Gesundheitsförderung[1] und Prävention[2] anzuführen.
Ebenso muss auf die Heterogenität der Selbstverwaltung, die durch die Liberalisierung des Gesundheitswesens ausgebildet wurde, insbesondere auf die Kostenträger des Sozialversicherungssystems, hingewiesen werden. In Deutschland werden fünf große Gruppen der Sozialversicherungsträger unterschieden, die für die Finanzierung und Erbringung von Gesundheitsleistungen zuständig sind. Die Sozialhilfeträge für „pflegebedürftige und behinderte“ Menschen als doppeltes Netz in der sozialen Absicherung eine weitere wichtige Gruppe.
Die politische Verantwortung für diesen mittlerweile größten singulären Wirtschaftsfaktor, dem Gesundheitswesen, liegt beim Staat und den Organen der Selbstverwaltung, den sog. Körperschaften des öffentlichen Rechts. Das deutsche Gesundheitswesen wird von übergreifenden Strukturmerkmalen beeinflusst, davon sind von besonderer Bedeutung der „Föderalismus“ und der „Korporatismus“. Wesentliche Aufgaben der gesetzlichen Sozialversicherungen sind im deutschen Gesundheitssystem zusätzlich an Körperschaften des öffentlichen Rechtes delegiert worden. Dieser „Korporatismus“ erfüllt staatliche und hoheitliche Aufgaben. Körperschaften öffentlichen Rechtes sind z.B. die Krankenkassen oder Kassenärztliche Vereinigungen (KVen).
An dieser Stelle wäre auf die Pflegekammerdiskussion hinzuweisen. Aus berufsständischer Perspektive wäre wünschenswert, wenn die Institutionalisierung und Selbstverwaltung für die berufsspezifischen Belange durch eine Körperschaft – auch vor den viel diskutierten Nachteilen einer Pflegekammer – des öffentlichen Rechtes politisch von den Ländern gefördert und eingerichtet würde.
Krankenkassen werden durch Bundesgesetze reguliert. Sie übernehmen die Versorgung und Versicherung der Bürger mit Gesundheitsleistungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Durch die Verteilung der Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse zwischen Bund, Ländern und Kommunen (Föderalismus), sowie der Verantwortung der Selbstverwaltungsorgane (Korporatismus) – also eine Dezentralisierung dieser gesundheitspolitischen Regulierungsinstanzen – kommt es zu einer komplexen Vielfachsteuerung des deutschen Gesundheitswesens (Albers 1992, 63).
Die Spannungsverhältnisse die aus der Wechselwirkung der Kompetenzvielfalt, dem föderalen Staatsprinzip und der o.g. Trends resultieren, haben dazu beigetragen, dass das derzeitige Gesundheitssystem eine außergewöhnliche Komplexität bis hin zur Intransparenz aufweist, dass die einzelnen Leistungen nicht aufeinander abgestimmt sind, dass die große Zahl der Schnittstellen zwischen den Berufsgruppen, Leistungsorganisationen und -trägern zu erheblichen Qualitätsmängeln und vermeidbaren Mehrkosten führen und sich - mangels ausreichender Planungsgrundlagen, Zielbestimmung und Kooperation - auch eine Koexistenz von Über- und Unterversorgung beobachten lässt. Die Leistungserbringung wird zu sehr durch ihre finanziellen, personellen und technischen Inputs gesteuert und zu wenig durch ein prozess- und ergebnisorientiertes Management. Die Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Berufsgruppen, Sektoren und Träger weist erhebliche Defizite auf. Die informationelle Infrastruktur, wie u.a. die Gesundheits- und Qualitätsberichterstattung, gilt als unzureichend. Ferner fehlen teilweise Planungsgrundlagen, wie u.a. eine Pflegebedarfsplanung und eine Pflegepersonalbedarfsplanung, welche die Bestimmung von Bedarf, Wirksamkeit und Effizienz erschwert.
Disease - Management – Programme (DMP) sind derzeit in aller Munde. Sie erregen die Gemüter von Kostenträgern, Leistungserbringern, Politikern und Klienten. Sie alle reden mit, wenn es um die Versorgung chronisch Kranker im deutschen Gesundheitswesen geht. Ausgangspunkt der Diskussion ist der Dauerbrenner der „leeren Kassen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)“ bei zunehmender Überalterung der Bevölkerung und einer steigenden Zahl chronisch Kranker sowie chronisch Kranker mit multimorbidem Geschehen. In Zeiten der rasanten Gesundheitsreformen und Kostendämpfungen verursachen heute schätzungsweise 20 bis 30 % der Versicherten in der GKV 80 % der Kosten. Diese Zielgruppe der chronisch Kranken steht nicht nur im Mittelpunkt gesundheitlicher, sondern auch ökonomischer Diskussionen. Die Empfehlungen des Koordinierungsausschusses nach § 137 e SGB V dienten dem Bundesgesundheitsministerium als Grundlage für die 4. Änderung der Risikostrukturausgleichsverordnung nach § 266 SGB V (RSA). Danach können die Krankenkassen, seit dem 1. Juli 2002, DMP für 5 chronische Erkrankungen ihren Versicherten anbieten, z.B. für Diabetes, Koronare Herzkrankheit (KHK), Asthma und Brustkrebs.
Ein vorsichtiger Widereinstieg in die Prävention mit der GKV-Gesundheitsreform 2000 - § 20 SGB V "Prävention und Selbsthilfe " – erweitert die Möglichkeiten der Kostenträger um die Gesundheitsförderung/Prävention und die Hilfe zur Selbsthilfe. Präventionsleistungen sollen die Gesundheit und Heilung fördern und zur Verminderung sozial und krankheitsbedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen beitragen[3]. Die Stärkung von Selbsthilfeförderung und Eigenverantwortung, durch verbesserte Aufklärung und Information gehen in die Richtung wie §§ 37 a, 43, 65 b SGB V, die Eigenkompetenz und Ressourcen zu fördern oder wieder zu erlangen. Indirekt können die wieder eingeführten rahmengesetzlichen Vertragsbedingungen zur Beratung von bestimmten Klientengruppen z.B. auch für depressiv Erkrankte und nicht nur für die betriebliche Gesundheitsförderung oder für Selbsthilfegruppen eingesetzt werden. Hier können Folgekosten durch wirtschaftlich und effiziente Beratungsstrukturen eingeschränkt werden.
Für die Entwicklung von neuen Versorgungsformen wurde die „ Integrierte Versorgung mit den §§ 140 ff. SGB V“, als neues Vertragsinstrument geschaffen. Es eröffnet die Option innovative Konzepte der Leistungsketten einzuführen. Es erlaubt Verträge bzw. neue Versorgungsformen zwischen Krankenkassen und Leistungsanbietern, über die bisherigen Grenzen der ambulanten und stationären Sektoren hinaus, z.B. mit der Pflege, abzuschließen (BMGS 2003: Information zum Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2004). Diese Öffnung bietet die Chance, Leistungen, die über die GKV finanziert werden, z.B. Prävention, Gesundheitsförderung, Soziotherapie etc. in einen Vertrag aufzunehmen, mit anderen Leistungen zu vernetzen und zu vergüten. Darüber hinaus haben die Kostenträger die Möglichkeit, integrierte Versorgungskonzepte (auch nicht-ärztliche Konzepte) der Gemeindepflege zu erproben. Der neue Leistungs-, Finanzierungs- und Vertragskomplex soll eine besser integrierte, d.h. verbesserte klienten- und problembezogene Versorgung durch die sog. Integrationsverträge, gewährleisten. Der Gesetzgeber beabsichtigt, die Versorgungsleistungen und Ressourcen zu optimieren sowie Doppeluntersuchungen- und Interventionen durch eine verbesserte regionale Kommunikation und Kooperation der Angebotseite zu vermeiden.
Gegenwärtig bedarf es noch der Ausgestaltung, um vernünftige regionale Versorgungsangebote, die eine bessere Versorgung von chronisch Kranken mit integrierten Sektoren zwischen ambulant und stationären Leistungen, zu sichern. Dies eröffnet eine große Umsetzungschance für gemeindenahe, gemeindepsychiatrische und integrierte Versorgungsformen, wie z.B. durch das Family Health Nurse – Konzept der WHO. Eine Vision einer vernetzen und gemeindeorientierten Gesundheitsversorgung könnte durch eine freiberufliche Family Health Nurse gestaltet werden, die gemeinsam mit einem Primärarzt, Psychiater, Psychologen, Physiotherapeuten, Krankengymnasten, ambulanten Pflegedienst und weiteren Gesundheitsfachberufen einen entsprechenden Integrationsvertrag mit den Leistungsträgern abschließen könnte. Oder die Vision des "Gemeinschaftspraxen Modell" im Kontext von Gesundheitszentren (GMG-Entwurf) von Gesundheitsfachberufen, die einen Integrationsvertrag mit den Kassen unterzeichnen (Achenbach, 2001, 65, 96).
Einleitung
Auf der Zugreise begegnete ich Frau G., und wie das manchmal so ist, öffnet man sich, auch zur eigenen Überraschung, Fremden in einer vorübergehenden Gesprächssituation leichter als vielleicht Freunden und Angehörigen.
Begegnung im Zug
Frau G. beginnt zu erzählen, wie einige der Beziehungen in ihrem Leben sich verändert hatten: "Meine Bekannten rufen nicht mehr an. Ich werde nicht mehr zum Kaffee oder Mittagessen eingeladen. Ich bin isoliert. Es kommt mir so vor, als würde jeder das Thema vermeiden. Gleichzeitig wollen alle, dass ich mich toll fühle. Wenn ich einmal nicht so gut drauf bin, gibt es niemanden, mit dem ich darüber sprechen kann." Sie war sehr verärgert über die behandelnden Ärzte, den Pfarrer und den Medizinischen Dienst der Krankenkassen. "Diese Leute sollten doch wissen, wie man mit Jemanden umgehen muss, der so wie ich, an Krebs erkrankt ist. Es gibt kein Verständnis, nicht den geringsten Kontakt oder das geringste Mitgefühl, sie haben alle keine Zeit, schieben Termine vor, verbergen sich hinter ihrer Fachsprache oder berufen sich auf ihre Paragraphen."
Frau G. leidet an Morbus Hodgkin (Lymphogranulomatosis maligna). Sie ist Anfang sechzig, verwitwet, hat keine Kinder und lebt allein. Familienangehörige gibt es an ihrem Wohnort nicht, denn Frau G. und ihr Mann sind vor 3 Jahrzehnten aus Berlin nach Lengerich gezogen. Hinter der zu bewältigenden Krebsdiagnose verbirgt sich nicht nur eine spezifische Krankheit, sondern auch alle kulturellen Interpretationen und Stigmata, mit denen diese in unserer Gesellschaft behaftet ist. Krebskranke Menschen müssen ihr Kranksein nicht nur für sich, sondern auch für ihre Mitmenschen erträglich machen.
Frau G. berichtet über ihre Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem, den Brüchen in der Versorgungskette, dem mangelnden professionellen Verständnis und den fehlenden Infrastrukturen: "Wissen Sie, ich war immer jemand, der großen Wert auf seine Unabhängigkeit gelegt hat. Diese vielen Chemotherapien, damit meine ich, die wechselnde ambulante und stationäre Behandlung, die Operation, ich konnte wochenlang nichts Festes essen. Mein postoperativer Zustand war sehr schwankend. Bücken, mein Bett machen oder die Wohnung in Ordnung halten, dass ging nicht, weil ich mich so elend fühlte. Wenn ich in die Arztpraxis komme, haben die Damen wenig Zeit. Für mehr als 'Guten Tag' und 'Nehmen sie im Wartezimmer Platz, es dauert noch', reicht es meist nicht. Der Arzt sagt mir nur, wie ich meine Medikamente nehmen soll 'Pinseln Sie den Mund aus, essen Sie nichts Hartes; die Wunde sieht gut aus'. Sie macht eine Pause, um ihre Gefühle zu unterdrücken. Er fragt nicht 'Wie geht es Ihnen, wie kommen sie zurecht?' Nein, er fragt nur 'Was kann ich für Sie tun?'"
Frau G. lächelt und fragt: "Kennen Sie Richard Kimbel auf der Flucht? Ein Fernsehfilm, der vor vielen Jahren im Fernsehen lief und von einem Arzt handelt: So kommen mir die Ärzte vor, auf der Flucht vor ihren Patienten. Kaum betreten sie das Zimmer, schon sind sie wieder verschwunden. Im Krankenhaus war das auch nicht anders. Die könnten ja eine Frage stellen, die einer Erläuterung bedarf und Mitgefühl voraussetzt. Er oder der Pfarrer haben mich nicht darauf hingewiesen, das es die Möglichkeit der ambulanten Pflege gibt. Wo ich doch in meiner Situation, noch nicht einmal in der Lage war, mein Bett zu machen oder mir einen Tee zu kochen. Von der Katzenwäsche ganz zu schweigen! Und ich weiß, wovon ich spreche, meine Mutter war Ärztin und ich habe meinen krebskranken Mann viele Jahre gepflegt."
Frau G. kann ihre Enttäuschung und Wut nicht verbergen. "Da liest man, dass unsere deutsche medizinische und pflegerische Versorgung gut sein sollen und dass jeder die Hilfe bekommt, die er benötigt. Ja, an den grünen Tischen und in den politischen Gremien gibt es die, aber in der Realität?"
Sie macht eine nachdenkliche Pause und fährt fort: "Ich frage mich manchmal, was machen die Menschen, die nicht in der Lage sind, sich über ihre Krankheit zu informieren, zu lesen und ihre Rechte in Anspruch zu nehmen oder wie z.B. heute im Zug, den Schaffner um Hilfe zu bitten. Ich frage Sie, wer kümmert sich darum, wie man vom Krankenhaus nach Hause kommt oder in die Praxis. Wie es zuhause weitergeht, ob man einkaufen kann, die Wäsche waschen kann oder wer die Termine für einen vereinbart, weil der persönliche Zustand so miserabel ist? Wen kann man ansprechen? Wer hört einem zu? Wer informiert einen, wenn man nicht weiter weiß? Der Hausarzt sicherlich nicht, dann schon eher die Schwester vom ambulanten Pflegedienst, aber leider kommt sie nicht mehr. Die Gutachter von der Krankenkasse haben beschlossen, dass ich keine Ansprüche mehr aus der Pflegeversicherung habe. Wissen Sie, meine Pension ist bescheiden, auch wenn ich Beamtin war. Es reicht für die Putzfrau und mein Hobby, ich reise gern. Keine großartigen Reisen, aber ich liebe die Nord- und Ostsee und lese gern über fremde Kulturen und Länder."
Frau G. überlegt: "Ach ja, ich wollte von Schwester M. erzählen. Schwester M. hatte eine Zeitvorgabe und musste dann zum nächsten Patienten. Hin und wieder trank sie mit mir eine Tasse Tee, hörte mir zu und für sie war es in Ordnung, wenn es mir nicht so gut ging. Sie war sehr fürsorglich, obwohl es nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehörte, nahm sie meinen Müll mit hinaus und stellte die Mülltonne an den Straßenrand. Sie gab mir Tipps zur Ernährung oder zu Verhaltensweisen und beantwortete mir sehr verständlich Fragen zu meiner Krankheit. Sie rief für mich beim Arzt an, um ein Rezept für mich ausstellen zu lassen oder einen Termin zu vereinbaren."
Ihre Gesichtszüge nehmen einen entspannten Ausdruck an und sie spricht über ihre Vergangenheit: "Wissen Sie, ich erinnere mich an meine Mutter und ihre Arbeit als Landärztin. Sie besuchte ihre Patienten zuhause, nahm Anteil, hörte zu oder organisierte mit Schwester E. Hilfe. Als Kind freute ich mich immer über die selbstgemachte Marmelade, die leckeren Äpfel oder die Erdbeeren aus den Gärten der Patienten, die sie als Dank bekam. Manchmal konnten Patienten die Behandlung nicht bezahlen, dann zahlten sie mit Naturalien. Ach ja, Schwester E., die gute alte Gemeindeschwester kam regelmäßig zu meiner Mutter. Sie sprachen dann über die Patienten. Manchmal holte sie meine Mutter noch am Abend. Schwester E. unterstützte meine Mutter, ich kann mich noch erinnern, wie sie mich impfte. Und wie ich sie nach der Sexualität fragte, weil ich mich nicht traute, meine Mutter anzusprechen. Damals wurden diese Themen noch nicht zwischen Mutter und Tochter besprochen. Alle kannten sie und konnten sie immer ansprechen, auch wir Kinder. Ich weiß, diese vergangenen Zeiten kommen nicht zurück, aber für die Patienten wären solche Persönlichkeiten sehr wichtig!"
Die kurzen Ausschnitte aus der Lebens- und Krankengeschichte von Frau G. veranschaulichen Defizite und Missstände des deutschen Gesundheitssystems. Besonders die Schnittstellenproblematik zwischen dem stationären, ambulanten und dem öffentlichen Sektor wird aus der Betroffenenperspektive geschildert. Die Erzählung illustriert einerseits das persönliche Leid, dass durch komplexe Faktoren determiniert wird. Zum Beispiel durch soziokulturelle Normen, fehlende sozialpsychologische und kommunikative Kompetenzen der Gesundheitsberufe, mangelnde vernetzte Strukturen, unzureichende bedarfsorientierte Planung und Steuerung der Gesundheitsversorgung sowie durch neue berufliche Anforderungen und Rollen und ungleiche Zugangsmöglichkeiten. Andererseits beschreibt sie den notwendigen Reform- und Handlungsbedarf und gibt eine gesundheitspolitisch wichtige und einfache Lösung für das Problem der Diskontinuität und der fehlenden gemeindenahen Infrastrukturen vor. Die der guten alten Gemeindeschwester, die in Kooperation mit dem Hausarzt zum Wohle der Patienten/Klienten[4] zusammenarbeitet. Ohne, dass Frau G. die gesundheitspolitische Ausrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kennt, beschreibt sie die Bedeutung der primären Gesundheitsversorgung mit einem integrierten Familien- und Gemeindeansatz sowie das Family Health Nurse Modell.
Das Family Health Nurse Konzept:
Einen besonderen Raum in dem Strategiepapier "Gesundheit21", dem gesundheitspolitischen Rahmenprogramm der Europäischen Weltgesundheitsorganisation (WHO) für das 21 Jahrhundert, nehmen Überlegungen ein, wie man die Gesundheit der Bevölkerung unter dem Aspekt den zur Verfügung stehenden Ressourcen nachhaltig verbessern kann. In diesem Zusammenhang werden die Schwerpunkte: 1) Priorität für die Gesundheitsförderung; 2) Vernetzung der Gesundheitsdienst 3) Entwicklung der Humanressourcen, in quantitativer und qualitativer Hinsicht, mit effektivem Einsatz der einzelnen Gesundheitsfachberufe, betont.
Im Aufgabenkreis der professionellen Pflege wird ein Konzept empfohlen, das der Berufsgruppe eine Schlüsselposition zuweist. Vor dem Hintergrund der Rationalisierungspotentiale können die potentiellen Kompetenzen der Pflegefachkräfte im Bereich der Gesundheitsförderung und der integrierten Versorgung zweckentsprechender genutzt werden. Vorgeschlagen wird das Konzept der Family Health Nurse (FHN), eine Fachkraft der primären Gesundheitsversorgung (Public Health Nurse), das ein Dienstleistungsspektrum von der Pflege über Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention, Beratung und Koordination, Public-Health-Aufgaben und Gesundheitsbedarfsermittlung gewährleisten soll. Wenn es sich um die Planung der Betreuung handelt, kann die Einschätzung des Gesundheitsbedarfs auf der individuellen Ebene oder für die Familie vorgenommen werden. Der Bedarf kann auf der Ebene der Gemeinde eingeschätzt werden, wenn es sich um die Planung von Gesundheitsdiensten und Public-Health-Programmen handelt, welche die Gesundheit der Bevölkerung verbessern sollen. Die WHO konstatiert, Gesundheitsfachkräfte, wie die Family Health Nurse und der Hausarzt für den primären Bereich bilden den "Angelpunkt des Leistungsnetzes" für derzeitige und zukünftige Entwicklungen zwischen der primären, spezialisierten und stationären Versorgung und dem öffentlichen Gesundheitssektor. Als Eckpfeiler der primären Gesundheitsversorgung wird ein neuer Typus von Pflegefachkräften, die Family Health Nurse - in der direkten deutschen (ungenauen) Übersetzung "Familien-Gesundheitsschwester" – vorgestellt. Sie soll Benachteiligten bessere Zugangsmöglichkeiten zu wichtigen gesundheitlichen Informationen, Aufklärungen und Angeboten eröffnen. Insbesondere soll sie durch "aufsuchende Dienste" die Menschen erreichen, die nicht über das nötige Wissen verfügen, ihre Bedürfnisse nicht artikulieren können oder nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen. Als zukünftige Schnittstelle zwischen dem ambulanten und stationären Sektor, aber auch zu anderen gesundheitlichen und sozialen Leistungen sollen Brüche in der Versorgungskette geschlossen werden.
Die Konzeptidee der Family Health Nurse baut auf den Schlüsselqualifikationen der Pflegeberufe auf. Sie stellt eine Form der Weiterbildung dar, welche die Aspekte der ganzheitlichen Patienten/Klientenorientierung, der Familie, des sozialen Umfeldes, der Gesundheitsförderung im Sinne der Information, Beratung und Edukation, der Prävention, Kuration, Rehabilitation und die Zusammenarbeit im interdisziplinären Team verbindet.
"Die Familiengesundheitsschwester kann dem einzelnen Menschen und ganzen Familien helfen, mit Krankheit und chronischer Behinderungen fertig zu werden und in Stresssituationen zurechtzukommen, indem sie einen großen Teil ihrer Arbeitszeit im Zuhause der Patienten und mit deren Familie verbringt. Diese Pflegefachkräfte können sinnvolle Ratschläge zu Fragen der Lebensweise und verhaltensbedingten Risikofaktoren erteilen und den Familien in gesundheitlichen Anliegen zur Seite stehen. Sie können die gesundheitlichen Probleme der Familie schon früh erkennen und damit gewährleisten, dass sie auch frühzeitig behandelt werden. Mit ihrem gesundheitswissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Ausbildungshintergrund und ihrer Kenntnis anderer für Sozialfragen zuständiger Stellen können sie Auswirkungen sozioökonomischer Faktoren auf die Gesundheit einer Familie erkennen und die Familie an die richtige zuständige Stelle überweisen. Durch häusliche Pflege können sie eine frühzeitige Entlassung aus dem Krankenhaus erleichtern, sie können als Verbindungsglied zwischen Familie und Hausarzt dienen und an die Stelle des Arztes treten, wenn eindeutig eher pflegerische Sachkenntnis gefordert wird."
Quelle: Gesundheit21: WHO 1999, Dokument EUR/RC48/10, S. 169 – 170.
Sozial-, pflege- und gesundheitswissenschaftliche Konzepte stützen das FHN-Konzept, wie z.B:
- ein Lebenszyklusansatz, der die einseitige Ausrichtung auf bestimmte Lebensabschnitte (Life course) oder Lebensereignisse (Life events) hin zu einem integrierten Ansatz, bezogen auf die gesamte Lebensspanne (von der Geburt bis zum Tod) verändern soll
- die pflegewissenschaftliche Neuorientierung des (nordamerikanischen) Pflegekonzepts „Family Nursing“ oder „Family Health Nursing“, das die Gesundheitsförderung und die Krankheitsprävention familien- und klientenzentriert mit pflegerischen und klinischen Aufgaben verbindet
- den Settingansatz, die Stärkung der Familie, wobei mit Familie keine stereotype Lebensform, sondern unterschiedliche Lebensgemeinschaften gemeint ist. Die primäre Sozialisation in der Familie (sekundär: Kindergarten, Schule, Beruf, etc.) wird, besonders aus salutogenetischer Perspektive, als wichtige Ressource für gesundheitsförderliche Verhaltensweisen und Einstellungen identifiziert. Damit unterstützt die WHO die internationale Ansicht in der Literatur, dass Gesundheit, Gesundheitsverhalten, der Wert der Gesundheit und Risikoverhalten des Individuums im Kontext der Familie erlernt wird.
Rolle der Family Health Nurse
Family Health Nurse ist eine Pflegefachkraft, die eine einjährige postgraduale klinische Berufserfahrung erworben und ein dreimonatiges Praktikum innerhalb der Familie und der Gemeinde absolviert hat. Die erforderlichen Qualifikationen soll die FHN in einer anschließenden anerkannten Weiterbildung erwerben. Obwohl einige Elemente ihrer Rolle bereits in den Aufgabenbereich von ambulant tätigen Pflegefachkräften integriert sind, kann die Aufgabe nur von einer Pflegefachkraft übernommen werden. Die Fachkraft muss die Befähigung erlangen, eigenständige klinische und Managemententscheidungen zu treffen und verschiedene Lösungsmodelle prüfen zu können. Für diese Aufgaben muss sie besondere kognitive Fähigkeiten des analytischen und kritischen Denkens erlernen und ihr Wissen auf evidenzbasierte wissenschaftliche Leitlinien und Standards stützen. Außerdem müssen ihre Interventionen auf ethischen und sozialgerechten Prinzipien basieren, damit sie mit dem Einzelnen, der Familie und der Gemeinde sowie mit anderen Disziplinen und Sektoren unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes vertrauensvoll und kompetent zusammenarbeiten können (Fawcett-Henesy 1999, 5).
Wie aus der Definition hervor geht, liegt der Tätigkeitsschwerpunkt der FHN im engeren Sinn in der Intervention im Familienzusammenhang. Im weiteren Sinn umfasst die Rolle die gesamte Bevölkerung. Hauptaufgabe dieses neuen Typus von Pflegefachkräften wird es sein, während des gesamten Gesundheits-/Krankheitskontinuums auf die Bedürfnisse von Familien einzugehen. Wobei die Definition nicht nur die Familie umfasst, sondern auch Ein-Personenhaushalte, Alleinerziehende, homosexuelle Lebensgemeinschaften sowie Marginalisierte und Obdachlose. Die Aufgabe bezieht sich dabei auf 4 wesentliche Interventionsformen (Fawcett-Henesy 1999, 4):
- die Gesundheitsförderung
- die primäre Prävention
- die sekundäre Prävention
- die tertiäre Prävention
- und die direkte Pflege in Krisenzeiten.
Die facettenreiche Rolle und Position der FHN können durch Abbildung 4 im Kontext einer integrierten und familienorientierten Primärversorgung illustriert werden.
Abb. 1: Rollen und Aufgaben der Family Health Nurse unter dem Schirm von Public Health und primärer Gesundheitsversorgung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: WHO 2000, EUR/00/5019309/13, 3.
Die Family Health Nurses, die neue Formen der Public-Health-Pflege und Gemeindepflege entwickeln sollen, werden erheblich zur Verbesseung der Versorgung von Bevölkerungsgruppen, aber auch von einzelnen Menschen und ihren Familien beitragen. Sie werden von ganz entscheidender Bedeutung für den chancengleichen Zugang zur Gesundheitsversorgung sein, denn entweder betreuen sie die Klienten selbst oder überweisen sie an andere geeignete Spezialisten. Der Definition ihrer Rolle und Aufgaben zufolge werden sie das Recht – also die Befugnis – zu solchen Überweisungen haben (WHO 2000, EUR/00/5019309/12, 8, a.a.O. 169 f.)
Ein derartiger unmittelbarer und für alle gleicher Zugang zu kompetenten Fachkräften eröffnet die Wahrscheinlichkeit, dass man auf Menschen mit tatsächlichen, meist aber unbeachteten Bedürfnissen bereits in einem frühen Stadium aufmerksam wird. Ihre Probleme können umgehend behandelt werden sowie eine Belastung durch die Krankheit verringert und ihre Lebensqualität verbessert werden (Fawcett-Henesy 1999, 4). Das Potenzial, einen großen Teil dieser umfangreichen Aufgaben anzugehen, hat hypothetisch die in einem multidisziplinären Gesundheitsversorgungsteam arbeitende Family Health Nurse, wie sie im Rahmenkonzept Gesundheit21 definiert ist.
In Deutschland werden einige Aufgaben bereits von ambulant Pflegenden abgedeckt. Was aber neu ist – und hier liegt der Fokus in dem WHO Konzept – ist die Gesundheitserhaltung, Prävention, die frühe Intervention und die Vernetzung einzelner Systeme. Ein weiter neuer Aspekt ist die Familie mit ihrem Zuhause als Setting. Vor diesem Hintergrund kann die FHN wichtige Koordinations- und Integrationsaufgaben leisten. Besonders hinsichtlich des deutschen Gesundheitssystems müssen die Klienten und ihre Angehörigen, die schwächsten Glieder in der Versorgungskette, die Informationen über bestehende Angebote selbst sammeln und die Leistungen selbst koordinieren. Die Ausrichtung des Konzepts entspricht den Grundsätzen der primären bzw. gemeindenahen lebensweltbezogenen Gesundheitspflege. Die Familie als Klientengruppe (Pflegeeinheit) wird ebenso wie der Einzelne im Kontext seines Bezugssystems und der Umwelt, als wichtige Ressource für Einstellungen und Anpassung an Gesundheitsprobleme und ihrer Handhabung gesehen. Die Family Health Nurse kann m.E., als "Gesundheitsanwalt" für Einzelne und Familien in der Gemeinde, einer aufsuchenden und lebensweltbezogenen Gesundheitsversorgung verstanden werden.
Diskussion
Die Zukunft von gemeindenahen Versorgungskonzepten hängt eng mit der Entwicklung von Humanressourcen der Gesundheitsfachberufe und der Gesundheits-, Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Frauenpolitik, aber auch von der Entwicklung des Sozial- und Gesundheitsrechts der jeweiligen Länder zusammen. Dabei zeigen die europäischen Mitgliedsländer für eine Reihe von Grundproblemen eine ähnliche Politik. Kostendämpfung im Gesundheitswesen, Förderung des ambulanten vor dem stationären Sektors, Entwicklung neuer Versorgungsformen insbesondere nicht-medizinischer Gemeindepflegemodelle und Vernetzung der Gesundheitsleitungen sind zentrale Stichworte.
Das FHN-Konzept ist ein ganzheitliches, dynamisches und entwicklungsorientiertes nicht-medizinisches Gemeindemodell, das eine große Chance für die aus der z.B., Demografie mit dem „Phänomen der Überalterung einer Gesellschaft“ resultierender Folgeprobleme bspw. Multimorbidität, Psychische Störungen, einen kreativen und ökonomischen Lösungsansatz im Aufgabenbereich der professionellen Pflege bietet. Stationäre, ambulante und häusliche Pflege- und Gesundheitsversorgung, Gesundheitsförderung und Prävention lässt sich nicht trennen, die angesichts der Reformbemühungen in jüngster Zeit durch GKV-Gesundheitsreform 2000 (bspw. §§ 20, 37 a, 39 a, 43, 65 b , 140 ff SGB V) und der Novellierung der gesetzlichen Pflegeversicherung (Pflegequalitätssicherungs-Gesetz – PQsG bspw. §§ 7, 80, 113, 115, 120 ) eingeleitet wurden.
Die Grenzen des Konzeptes liegen zur Zeit u.a. in der Abgrenzung und Schnittstellenproblematik der Leistungsgesetze (SGB V, SGB XI, SGB VI, BSHG, Kommunen etc.), die auf einem Krankenversicherungswesen basieren und vorwiegend medizinische Leistungen definieren. Darüber hinaus z.B. in Ausbildungsgesetzen und der Bildungspolitik des Bundes und der Bundesländer, aufgrund des föderalen Staatsaufbaus mit unterschiedlichen Kompetenzen und Aufgaben im Gesundheitssystem, Trägervielfalt und Selbstverwaltung; in der Abgrenzung zu bestehenden Berufsgruppen (Hausarzt, Sozialarbeiter, Sozialpädagoge, Gemeindeschwester, Familienpfleger, Altenpfleger) sowie zu verschieden Infrastrukturen (z.B. ÖGD, Sozialstationen, Jugendämter, Familienberatungsstellen, Gesundheitsberatung unterschiedlichster Träger), um nur einige aufzuführen.
Zur Umsetzung der in Gesundheit21 geforderter Qualifizierung von Fachkräften für gesundheitliche Aufgaben wurde von der WHO das Family Health Nurse-Konzept entwickelt. Derzeit wird dieses Konzept innerhalb der EU und in der amerikanischen WHO im Rahmen von Pilotprojekten, an denen auch Deutschland beteiligt ist, getestet. Gleichzeitig werden in Deutschland EU-geförderte Projekte aus dem Public Health Bereich entwickelt und implementiert. Für die Qualifizierung entsprechender Fachkräfte wird z.B. Family Nursing im Bachelor –Studiengang vertieft und der Schwerpunkt Family Health Nurse im Masterstudiengang am Institut für Pflegewissenschaft an der Privaten Universität in Witten-Herdecke entwickelt. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe plant ein Modellprojekt mit wissenschaftlicher Begleitung durch die Private Universität Witten-Herdecke Institut Pflegewissenschaft zur Umsetzung. (In: Pflege Aktuell September 2003, 440) Es gibt zeitlich parallele Entwicklung zwischen der gemeindenahen und vernetzten Versorgung (Primärversorgung) und dem Pflegesektor.
Ausblick: Pflegeszenario 2020 in Deutschland
Zukunftsvision 2020 in Deutschland: Die in der Einleitung beschriebene Ist-Situation (Geschichte Frau G.) könnte in der Zukunft, wie nachstehend exemplarisch in einem Sollbeispiel als Pflegeszenario verarbeitet, folgendermaßen aussehen: Frau G., eine alleinstehende Frau mit metastasischem Brustkrebs, wird durch eine Family Health Nurse betreut.
Frau G. begann zu erzählen, wie sich ihr Leben verändert hatte: "Seit meiner Krebserkrankung hat sich mein Leben verändert, aber dank der guten Beratung und Betreuung durch Frau F., der Family Health Nurse, die mich regelmäßig besucht, konnte ich mit meiner Krankheit gut leben. Sie spricht regelmäßig mit meiner Hausärztin über meine Entwicklung, so dass ich nur in besonderen Aus-nahmen in die Praxis muss und Frau Dr. H. gut über mich informiert ist. Wissen Sie, meine Familie und meine Freunde sind mir sehr wichtig, da ich ja nie geheiratet habe, war die einfühlsame Aufklärung durch Frau F. sehr wichtig. Nun kümmern sich alle sehr fürsorglich um mich, meine jüngste Nichte zum Beispiel kommt regelmäßig vorbei um mit mir Uno zu spielen, mir vorzulesen oder einfach nur zu klönen. Diese Nachmittage sind einfach herrlich. Oder Martina, meine Schwägerin, sie ist seit einem Jahr verwitwet, kommt jeden Morgen um mit mir zu frühstücken .
Dieses Szenario beschreibt eine unabhängige Alleinstehende, die von einer Family Health Nurse betreut wird. Sie lebt aus freier Entscheidung allein, ist sehr aktiv, steht im Berufsleben und fühlt sich wohl. Ihr familiarer Kontext bezieht Brüder und Schwestern ein und für die nächste Generation sie eine geliebte Tante. Sie ist Diabetikerin des Diabetes-Typ 2 (nicht insulinabhängig). Der zweimal im Jahr durchgeführte regelmäßige Besuch der FHN, dient der Kontrolle ihres allgemeinen Gesund-heitszustands und Wohlergehens, der Überwachung ihres Diabetes sowie der Einschätzung ihrer Fähigkeit, unabhängig zu leben. Ihr allgemeiner Gesundheitszustand bleibt zufrieden stellend und sie kommt mit ihrem Diabetes gut zurecht, bis die FHN bei einem ihrer routinemäßigen Hausbesuche mehrere Probleme aufdeckt. Bei der Untersuchung des allgemeinen Gesundheitszustandes misst sie den Blutdruck und Blutzucker. Sie stellt fest, dass die Blutzuckerwerte weit über dem normalen Wert liegen. Eine weitere Befragung ergibt, dass die Klientin sich müde und nicht wohl fühlt sowie von einem Knoten in der Brust berichtet. Außerdem stellt sie fest, dass Frau G. nicht wie sonst gekocht und ihre normalerweise gut ausgewogene Diät gegessen hat. Gemeinsam beraten die Family Health Nurse und Frau G. das weitere Vorgehen.
Die Family Health Nurse bespricht mit Zustimmung von Frau G., die gesundheitlichen Veränderungen mit der Hausärztin. Sie vereinbart einen Untersuchungstermin im Gesundheitszentrum bei einem Diabetesspezialisten und einem Onkologen. Der Diabetologe stellt den Diabetes der Klientin mit Insulin ein. Der Onkologe diagnostiziert Brustkrebs. Frau G. vereinbart mit der FHN eine Bedenkzeit, in der sie ihr erschüttertes Selbstbild zu stabilisieren versucht und unabhängige Informationen zur Krebserkrankung einholen möchte. Für diesen Informationsbedarf gibt ihr die FHN Adressen von Selbsthilfegruppen sowie eine Adresse eines "Informationsnetzes für Krebsklienten und Angehörige (INKA)[5] " und Internetadressen[6]. Nach der Bedenkzeit bespricht das multiprofessionelle Team (Hausärztin, Onkologe, Diabetologe und FHN) gemeinsam mit Frau G. und einer Schwägerin, zu der sie eine tiefe Beziehung entwickelt hat, die notwendigen Schritte. Frau G. entschließt sich zu einer Mastektomie und beginnt eine Chemotherapie, Strahlentherapie und eine Langzeitmedikation, welche die Wahrscheinlichkeit eines rezidivierenden Tumors verringern sollen. Nach der Operation besucht die FHN Frau G. eine Zeitlang täglich, um sicherzustellen, dass sie ihre neue Lebenssituation bewältigt und ihren neuen Insulinplan und ihre orale Langzeitmedikation versteht und einhält. Für die Übergangszeit organisiert sie täglich, einschließlich am Wochenende, eine Hauptmahlzeit und sorgt für eine regelmäßige Haushaltshilfe, weil sie weiß, wie wichtig es für Frau G. ist, in ihrer Wohnung bleiben zu können. Die Genesung verläuft gut und Frau G. kann ihre Berufstätigkeit wieder aufnehmen. Sie arbeitet weiter und lebt ihr normales Leben.
Jahr 8-11
Bei einer der routinemäßigen Besuche klagt die Dame über Kreuzschmerzen, die in ihr rechtes Bein ausstrahlen. Die Hausärztin verschreibt Schmerzmittel und überweist sie zu dem Onkologen, der Rückratmetastasen diagnostiziert und nach Absprache mit Frau G. eine ambulante Strahlentherapie beginnt. Er informiert die Hausärztin und die FHN.
In diesem Zeitraum tritt Frau G. in den Ruhestand, bleibt aber sehr aktiv. Die Schmerzen nehmen jedoch allmählich zu. Die Family Health Nurse verfolgt die Fortschritte der Klientin. Sie überprüft in der Praxis der Hausärztin regelmäßig ihre Fallunterlagen und pflegt durch zunächst monatliche, danach wöchentliche Hausbesuche den regelmäßigen Kontakt. Sie vergewissert sich, wie die Klientin allgemein zurechtkommt und ob die verschriebenen Schmerzmittel ausreichen. Anhand einer Schmerzkurve, die von Frau G. geführt wird, erfasst sie systematisch den Schmerzverlauf. Ziel und Sinn der Schmerzkurve wurden Frau G. durch die FHN erläutert. Die Klientin dokumentiert die Zeiten und die Dosis der Schmerzmitteleinnahme und beurteilt ihre Schmerzen auf einer Skala von 0 (keine Schmerzen) bis 10 (unerträglich schwere Schmerzen). Durch führen der Schmerzkurve wird deutlich, dass die Schmerzen nicht ausreichend unter Kontrolle sind, weshalb die Family Health Nurse nach Rücksprache mit der Hausärztin und dem Onkologen einen Termin beim Palliativmediziner vereinbart. Frau G. schätzt ihre Unabhängigkeit und die FHN respektiert das Selbstbestimmungs-recht der Klientin. Aus diesem Grund schaut sie nur einmal in der Woche vorbei und bietet Frau G. an, sie jederzeit anzurufen, wenn sie das Gefühl habe, die Schmerzen nicht steuern zu können oder Fragen hat oder einfach nur Reden möchte.
In all diesen Jahren sind die Angehörigen, die sie häufig besuchen und besonders ihre Schwägerin eine große Hilfe für Frau G.. Mit Wissen und Unterstützung der Klientin hält die FHN Kontakt zur wichtigsten Person im Familienkreis, bespricht ihre Sorgen mit ihr und beantwortet alle sich ergebenden Fragen.
Jahr 12–14
Während der nächsten beiden Jahre verschlechtert sich die Gesundheit der Dame schrittweise, zu der Krebserkrankung kommen periphere Durchblutungsstörungen aufgrund ihres Diabetes hinzu. Der körperliche Zustand erlaubt Frau G. nur noch mit Hilfe einer "Gehhilfe auf Rädern" zu laufen, daher verbringt sie mehr Zeit im Bett. Da sie sehr abgenommen hat, besteht die Gefahr, dass sie einen Dekubitus entwickelt. Die FHN verbringt allmählich mehr Zeit mit der direkten Pflege, lagert sie im Bett, hilft ihr beim Waschen und sorgt nach Rücksprache mit der Hausärztin für eine erhöhte Schmerzmitteldosis, die mittlerweile gespritzt wird. Die Family Health Nurse beschafft die nötigen Hilfsmittel, darunter ein Spezialbett und eine Lagerungsmatratze, sie organisiert die Pflege rund um die Uhr, die hauswirtschaftliche Versorgung sowie Essen auf Rädern für eine Hauptmahlzeit. Durch das gewachsene Vertrauensverhältnis kennt sie die gesundheitlichen und sonstigen Bedürfnisse der Klientin und wirkt als "Angelpunkt" der Betreuung. Sie versteht ihre religiösen Werte, Einstellungen und Sorgen. Sie kennt die Ängste und Gedanken der Klientin, die sich diese über die Entwicklung ihrer Krebserkrankung mit der schlechten Prognose macht. Sie weiss auch, dass die Klientin stark gläubig ist und sich geistig auf den bevorstehenden Tod vorbereitet. Aus diesem Grund zieht sie den Pfarrer hinzu und erläutert ihm die Situation. Partnerschaftlich informiert sie Frau G. über die Hospizbewegung, die mögliche ambulante oder stationäre Sterbebegleitung. Die Family Health Nurse bleibt in engem Kontakt mit der Schwägerin, die ihrer Angehörigen täglich Gesellschaft leistet und erörtert mit ihr die Möglichkeit der Sterbebegleitung. Außerdem arbeitet sie eng mit der Hausärztin zusammen, berichtet ihr von der Entwicklung, dem Dialog mit dem Theologen und der Schwägerin sowie über die Option der ambulanten oder stationären Sterbebegleitung.
Jahr 15
Frau G. beschließt, dass es jetzt an der Zeit sei, in ein Hospiz umzuziehen. Die Family Health Nurse organisiert die nötigen Schritte, veranlasst den Umzug in Zusammenarbeit mit der Hausärztin und dem Pflegepersonal des Hospizes. Sie informiert das häusliche Pflegeteam über die Entscheidung der Klientin und die Beendigung der ambulanten Pflege. Sie gibt alle nicht gebrauchten Medikamente und Hilfsmittel an das Gesundheitszentrum zurück. Die FHN vervollständigt die Unterlagen, die sie während der Pflege der Klientin geführt hat. Sie besucht die Klientin im Hospiz, wo diese nach drei Wochen in Gegenwart mehrerer Familienmitglieder friedlich stirbt. Nach dem Tod besucht die Family Health Nurse die engsten Familienmitglieder von Frau G. dreimal, um bei der Trauerarbeit zu unterstützen und zu beurteilen, wie dieser Teil der Familie die Situation verarbeitet.
Kommentar zum Szenario:
Die FHN stellt in ihrer facettenreichen Rolle, sieben der Kernkompetenzen einer professionellen Pflegefachkraft unter Beweis. Sie ist Beraterin, Kommunikatorin, Organisatorin, Entscheidungsträgerin, Kollegin in einem multidisziplinären Team, Meinungsbildnerin, Managerin und Erbringerin von Pflege. Sie setzt alle diese Kompetenzen mit der Autorität und Verantwortlichkeit einer erfahrenen Fachkraft ein, um bedürfnisorientiert, effektiv und effizient die Dienstleistungen zu koordinieren (WHO 2000, EUR/00/5019309/13, 8 ff.). Dieses Szenario macht deutlich, dass die FHN das Selbstbestimmungsrecht der Klientin auf Unabhängigkeit, Aufklärung und Selbststeuerung ihres Krankheitsprozesses respektiert. Sie setzt ihre Kompetenzen partizipativ für ihre Klientin ein und ermöglicht lange ein selbstbestimmtes Leben. Ihr medizinisches und gesundheitswissenschaftliches Know How ermöglichen ihr für die therapeutischen Interventionen und die soziale Unterstützung sowie eine durch Forschungserkenntnisse abgesicherte pflegerische Betreuung zu sorgen. Das Wissen von den tiefen religiösen Überzeugungen versteht sie als holistischen Pflegeansatz und respektiert ihren therapeutischen Wert für die Vorbereitung auf den Tod. Die FHN versteht die Bedeutung des Verlustes und der Trauer, die wichtige Aufgabe der Trauerarbeit und unterstützt die Angehörigen nach dem Tod ihres Familienmitglieds. Sie reflektiert, dass sie selbst Trauerarbeit leisten muss, weil sie eine tiefe Beziehung in der langen Zeit der Betreuung und Pflege aufgebaut hat. Die von der Family Health Nurse in diesem Beispielszenario geleistete Arbeit knüpft an den größten Teil der 21 Gesundheitsziele an, insbesondere an Ziel 6 (Verbesserung der psychischen Gesundheit), Ziel14 (Multisektorale Verantwortung für die Gesundheit), Ziel15 (Ein integrierter Gesundheitssektor) und Ziel 16 (Qualitätsbewusstes Management).
Die Abbildung visualisiert die typische Arbeit und Aufgaben der Family Health Nurse in den einzelnen Settings.
Abb.: Einbindung und Settings der Family Health Nurse im chronologischen Verlauf am Beispielszenario
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: In Anlehnung an das WHO-Dokument 2000, EUR/00/5019309/13, 7
Ausblick: Chancen und Risiken
Anders als bspw. in England, wo die Pflege viele neue Aufgaben reklamieren konnte, die für die Medizin unattraktiv waren (z.B. Schmerzmanagement oder Diabetesberatung), hat die späte Entwicklung der deutschen Pflegewissenschaft dazu geführt, dass alle anspruchsvollen Aufgabenprofile bereits mindestens einmal von anderen Berufsgruppen besetzt sind. Das gilt nicht nur für Aufgaben, in die die Pflege neu hinein will bzw. die sie zurückfordert, wie die der Beratung, der Versorgungsorganisation und des Case- und Care-Managements - als Beispiel sei nur die Überleitungspflege genannt - sondern auch für genuinpflegerische Konzepte, wie die Stärkung der Alltagskompetenzen. Ein Beispiel ist die Sozialarbeit in der Gemeinde, die die Aufgaben nach dem zweiten Weltkrieg – hier sei an den politisch geförderten Austrocknungsprozess der Sozialstationen und der Gemeindearbeit durch die Gemeindeschwester erinnert – übernahm. Ein weiteres Beispiel ist die geriatrische Rehabilitation, hier entwickeln sich bspw. Übernahmetendenzen durch andere Berufsgruppen, wie z.B., dass die Ergotherapie Pflegeaufgaben übernimmt. Die Ergotherapeutin begleitet den Klienten nach Hause, nicht die Pflegefachkraft, um die Wohnraumanpassung zu besprechen. Ändert die berufliche Pflege selbst nichts, so bleibt der Pflege die körperliche Versorgung sowie die Vor- und Nachbereitung der Therapien. Vorstellbar wären Konzepte, in denen die berufliche Pflege Kontrollaufgaben übernimmt, z.B. die Alltagstauglichkeit der therapeutischen Konzepte in doppelter Hinsicht zu überprüfen: 1. in der stationären Einrichtung für den Alltag des Klienten, z.B. in der Rehabilitation und 2. mit dem Klienten und seinen Angehörigen für das Leben mit den Folgen der Krankheit zu Hause, als gemeindenahe Pflegefachkraft in der Empfehlung der WHO. Diese Aufgaben müssen in der berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit erst als Auftrag der Pflege ausgehandelt und zu einem Konsens geführt werden. Es bietet sich die Chance für die Pflege ihre Aufgaben zu erweitern oder gewachsene Strukturen, z.B. durch Sozialarbeit (Stichwort: Sozialmedizinische Assistentin (SMA) des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD[7] ) teilweise zurück zu gewinnen.
Im Rahmen der Präventionspolitik der Bundesregierung z.B. sei hier auf die Ergebnisse im Band 146 „Gesund altern – Stand der Prävention und Entwicklung ergänzender Präventionsstrategien“ des BMG verwiesen. Auf Seite 133 heißt es:
(…) (3.) Durch präventive Hausbesuche ist es möglich medizinische, psychologische und soziale Probleme und Risiken frühzeitig zu erkennen und durch deren Beeinflussung das Auftreten von Behinderungen zu vermeiden. Des Weitern kann durch die Analyse der Wohnbedingungen (Hilfsmittel, Barrieren) sowie der Infrastruktur im Wohnumfeld bestimmt werden, inwieweit diese ein selbstständiges Leben fördern oder erschwere. (4.) Für die Durchführung präventiver Hausbesuche werden speziell geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigt. In der Regel handelt es sich um Gemeindeschwestern oder Gemeindepfleger, die besondere Qualifikationen im Bereich der Gesundheitsförderung und Gerontologie aufweisen. Präventive Hausbesuche tragen langfristig zur Kosteneinsparung bei, da sich durch diese das Risiko des Hilfe- und Pflegebedarf verringern lässt.
Aber auch der 4. Altenbericht empfiehlt die Versorgung in der letzten Lebensphase präventive Hausbesuche, insbesondere vor dem Hintergrund, dass neue Anforderungen durch eine vergreisende Gesellschaft mit z.B. Hirnleistungsstörungen, Schätzungen sagen eine steigende Inzidenzrate von dementiellen Erkrankungen und mulitmorbiden Krankheitsgeschehen voraus, denen nur mit entsprechenden Infrastrukturen zu begegnen ist.
Literatur bei der Verfasserin
[...]
[1] Gesundheitsförderung soll hier aus phänomenolgischer und salutogentischer Sicht verstanden werden. Auf der Mikroebene ist die „ganze“ Person (mit ihren unterschiedlichsten Persönlichkeitsaspekten) gemeint: Gesundheitsförderung bedeutet ein umfassendes Verständnis der Möglichkeiten eines Menschen, die ein Selbstverständnis des Bedeutungszusammenhangs im situativen und sozialen Kontext meint, welches die persönlichen Fähigkeiten und Anliegen erschließt. Auf der Ebene der Gesellschaft: schließt die Begriffsdefinition die ontologisch und hollistisch orientierte Denkhaltung mit ein. Gesundheit als ein umfassendes Verständnis, dass nicht nur die Gesundheit des Einzelnen, sondern die von Familien, Gemeinschaften und Bevölkerungsgruppen mit einbezieht, aber auch Umwelteinflüsse aller Schattierungen berücksichtigt. Gesundheitsförderung bezieht sich primär auf die Entwicklung gesunder Lebenswelten (Benner und Wrubel 1997, Kapitel 5).
[2] Die theoretischen Interventionszeitpunkte zur Prävention gehen von einer Phaseneinteilung mit 1. Gesundheitsförderung zum Zeitpunkt der Gesundheit, um Krankheit zu verhüten; 2. primärer Prävention, um erkennbare Risikofaktoren vorzubeugen und richtet sich an potentielle Risikogruppen; 3. sekundärer Prävention, sie zielt auf Behandlung und Heilung von Erkrankten und 4. tertiärer Prävention, sie richtet sich an die Intervention von Folgeerkrankungen und Behinderung.
[3] Die theoretischen Interventionszeitpunkte zur Prävention gehen von einer Phaseneinteilung mit 1. Gesundheitsförderung zum Zeitpunkt der Gesundheit, um Krankheit zu verhüten; 2. Primärer Prävention zum Zeitpunkt erkennbare Risikofaktoren vorzubeugen und richtet sich an potentielle Risikogruppen; 3. sekundärer Prävention zielt auf Behandlung und Heilung von Erkrankten (z.B. psychisch Erkrankte) und 4. tertiärer Prävention richtet sich an die Intervention Folgeerkrankungen und Behinderung zu vermeiden.
[4] Der favorisierte Identifikationsbegriff "Patient", wird abgeleitet von lat. pati: (er)dulden, leiden. Der Begriff verdeutlicht das hierarchische Abhängigkeitsverhältnis zwischen Behandelten und Behandelnden, aber auch die gesellschaftliche Werthaltung, welche die Rolle der Betroffenen prägt. Der Begriff "Klient" leitet sich ab von lat. clinare, cliens, der Auftraggebende. Er eignet sich m. E. für ein modernes und verändertes Patientenverständnis eher, denn er beschreibt einen Pflegeempfänger, der selbstbestimmt und aktiv an seinem Gesundungsprozess mitarbeitet. In den folgenden Ausführungen wird deshalb die Bezeichnung "Klient" verwendet.
[5] INKA ist keine Utopie, sondern ein Forum für Krebspatienten und Angehörige. INKA ist ein modernes, patientenorientiertes Informationsprojekt; es bringt durch praktische und verständliche Angebote Licht in den Informationsdschungel. Sehr viel Wert wurde auf die Gestaltung der Medien gelegt, die den Gefühlszustand der Betroffenen aufnehmen (http://www.inkanet.de).
[6] Ein Beispiel für zuverlässige bzw. evidenzbasierte Informationen im Internet ist das Kooperationsprojekt www.therapie.net.. Das Projekt unterstützt die Eigenverantwortung und die Kompetenz im Entscheidungsprozess, medizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen. Ziel ist es, neue Formen und Wege der Information zu entwickeln. Es ist ein, für Laien verständlich aufgearbeitetes Informationsforum.
[7] Die Ausbildung zur SMA ist eine Weiterbildung im Öffentlichen Gesundheitsdienst, auf der Basis der pflegerischen Qualifikation. Bei der SMA-Weiterbildung sind folgende Entwicklungen zu verzeichnen. Die ursprüngliche Intention (des Gesetzgebers) selbständig agierende Fachkräfte für den ÖGD auszubilden, konnte nicht in dem Maße erreicht werden, wie es geplant war. Die Gründe liegen in der Dominanz der zwei großen Berufsgruppen, Mediziner und Sozialarbeiter. Dies äußerte sich darin, dass viele Kommunen keinerlei Interesse mehr an der Weiterbildung und Beschäftigung von SMA hatten und die Kurse immer weniger frequentiert wurden. Die Argumentation wurde dahingehend geführt, dass der größte Teil, der SMA hauptsächlich mit Aufgaben betraut sei, die keine Qualifikationen einer Pflegeausbildung und einer fundierten Weiterbildung erfordern. Neue Überlegungen betreffen, die SMA aus Kostengründen durch weniger qualifizierte Kräfte zu ersetzen (Kirailidis u. Berchtold 2000, 4 ff.). Angedacht sind zwei neue Berufsgruppen im ÖGD: 1) Assistentin im ÖGD mit einem achtwöchigen Fortbildungskurs; 2) SMA bzw. neue Berufsbezeichnung mit modifizierten Ausbildungsinhalten und möglicherweise sollen Elemente des FHN-Konzepts mit einbezogen werden. (Quelle: Telefonat mit Prof. Dr. Gardemann, Leiter der Akademie für das öffentliche Gesundheitswesen in Düsseldorf, am 1.3. 01).
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- Gabriele Achenbach (Autor), 2001, Die Family Health Nurse oder Pflegefachkraft für gemeindenahen Bereich. Ein neues Handlungsfeld in der familienorientierten Gesundheitsversorgung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108372
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