Inhaltsverzeichnis
Einführung
Die Quellenlage
Britannienpolitik von Augustus bis Caligula
Claudius plant die Eroberung Britanniens
Die Vorbereitung der Invasion
Gegner und Verbündete
Die Invasion der Insel
Der Triumph in Rom
Weitere Eroberungen unter Aulus Plautius
Die neue Provinz Britannien
Die Eroberung Britanniens und ihre Konsequenzen. Ein Fazit
Verwendete Literatur..
Einleitung
Britannien nahm im römischen Reich eine exponierte Lage ein. In der Außenpolitik der antiken „Großmächte“ wie den Persern, Makedoniern, Athenern oder Puniern spielten die britischen Inseln keine Rolle – zu entlegen und unbekannt waren sie. Dennoch entwickelte sich in Großbritannien und Irland eine keltische Zivilisation, von der noch heute die Wälle mächtiger Hügelforts zeugen. Diese Stämme unterhielten Handelskontakte mit Galliern in Frankreich; einige Völker wie die Atrebaten siedelten sowohl in Frankreich als auch in England.
Als Caesar ganz Gallien eroberte, gerieten auch die britischen Inseln in sein Blickfeld. Als erster antiker Feldherr unternahm er eine Militärexpedition gegen die Inselkelten. Seine beiden Feldzüge waren verlustreich und nicht von langfristigen Erfolgen gekrönt. Doch seit Caesar geriet Großbritannien ins Visier der römischen Großmacht. Nachdem Invasionspläne von Augustus und Caligula scheiterten, war es im Jahre 43 soweit: Etwa 40 000 römische Soldaten stachen in See, um die Insel zu erobern. Es war womöglich bis heute die größte militärische Invasion in der Geschichte Britanniens. William der Eroberer führte in der Schlacht bei Hastings 1066 nur 8000 Normannen an; die römische Streitmacht war demnach etwa fünf mal so groß!1
Für die Eroberung der Insel wurde also ein beträchtlicher Aufwand betrieben. Und dass, obwohl die Römer – berücksichtigt man zumindest den zeitgenössischen Geographen Pomponius Mela, der Britannien mit Sizilien verglich2 – nicht einmal die geographische Form der Insel wirklich kannten. Ebenso waren der wirtschaftliche und militärische Erfolg des Unternehmens ungewiss. Umgekehrt hatten die Römer eine Invasion britischer Stämme in Frankreich kaum zu befürchten – ein dringender militärischer Grund war also nicht gegeben. Was hat Kaiser Claudius dazu bewogen, die riskante Kanalüberquerung dennoch anzuordnen? Was versprachen sich die Römer davon, Britannien zu erobern? Und mit welchen Mitteln gelang es ihnen schließlich, die Provinz einzunehmen? Diese Fragen versucht diese Arbeit in Teilen zu klären. Den groben Zeitrahmen bildet die Statthalterschaft des Aulus Plautius von 43 – 47 nach Christus, auch wenn einige Entwicklungen darüber hinaus diskutiert werden.
Die Quellenlage
Wichtigster antiker Chronist bezüglich der Eroberung Britanniens ist Cassius Dio. Dio war ein hoher Staatsbeamter – unter anderem bekleidete er die Ämter des Prätors und Provinzstatthalters – der etwa von 155 bis 235 nach Christus lebte. Er stammt aus Bythinien in der heutigen Türkei. Sein wichtigstes Werk ist die in Griechisch verfasste „Romaika Istoria“. Das 80-bändige Geschichtswerk beschrieb eine Zeitspanne von der Gründung Roms bis zur Zeit der severischen Kaiser im frühen dritten Jahrhundert. Es ist nicht komplett erhalten; im wesentlichen wurden die Bücher 36 bis 60 überliefert, die eine Zeitspanne von 68 vor Christus bis 47 nach Christus behandeln. Cassius Dio berichtet darin über die Britannien-Pläne des Augustus und Caligula sowie über die Invasion des Claudius. Buch 60 bietet eine umfassende Darstellung der ersten Phase des Feldzugs; für die Zeit nach 47 bricht der Bericht leider ab. Wegen seines Stils – unter anderem hielt Dio Details wie Tagesdaten für seine Darstellung unwichtig – rechnet man ihn nur zur zweiten Reihe der römischen Geschichtsschreiber.3 Anders verhält sich das mit Tacitus. Seine historiographischen Werke Agricola, Germania, die Annalen und die Historien werden bis heute gerühmt. Tacitus – ebenfalls ein hoher Beamter am Kaiserhof – schrieb seine Werke etwa zur Zeit der Kaiser Trajan und Hadrian. Er bemüht sich um eine objektive Darstellung. „Sine ira et studio“, also ohne Zorn und Eifer wolle er schreiben – dies gelang nicht immer, denn ein Werk wie der „Agricola“, eine Würdigung seines Schwiegersvaters konnte schon von der Zielsetzung nicht völlig objektiv sein. Dazu bieten seine Werke ein enorme Fülle an Fakten aus der frühen Kaiserzeit. Leider ist der Teil der „Annalen“, der vermutlich die Invasion Britanniens behandelt, verschollen. Der Bericht setzt erst ab dem Jahre 47 nach Christus ein, als schon der zweite Statthalter Publius Ostorius Scapula regiert.4 Eine kurze, aber wichtige Stelle im „Agricola“, der Ruhm- und Trauerschrift für seinen Schwiegervater beschreibt die britischen Stämme vor der Eroberung Britanniens.
Nur am Rande behandelt Suetonius in seiner „De vita caesaris“ den Britannienfeldzug unter Claudius. Sueton war wohl ein etwas jüngerer Zeitgenosse von Tacitus und ebenfalls ein hoher Hofbeamter. Sein wichtigstes Werk ist eine Sammlung von Kaiserbiographien von Caesar bis Domitian, die bisweilen stark polemische Züge annimmt.5 Dank ihm lässt sich Kaiser Claudius charakterisieren. Außerdem beschreibt er den abgebrochenen Britannienzug von Caligula. Die tatsächliche Invasion behandelt er eher knapp, doch eine Stelle ist dabei für die Forschung eminent wichtig: Sein Ausschnitt aus der Vita des Vespasian, der als Feldherr unter Claudius mehrere Stämme im britischen Südwesten besiegte, wird durch archäologische Funde gestützt Was die Quellenlage für die Zeit von 43 – 47 betrifft, sind wir heute also im wesentlichen auf Buch 60 bei Cassius Dio und einige wenige Passagen bei Sueton und Tacitus angewiesen. Die größte Wertigkeit in Bezug auf das Britannien des 1. Jahrhundert nach Christus scheint Tacitus zu besitzen. Durch seinen Schwiegervater besaß er ein persönliches Interesse und eine gewisse Nähe zu den Vorgängen in Britannien; vielleicht war er selbst dort. Das Problem Dios ist, dass er erst etwa 150 Jahre später über die Invasion zu berichtet. Sueton ist mehr daran gelegen, Wesen und Verdienste bzw. Makel der Kaiser zu beschreiben; naturgemäß zeigt er für interne Vorgänge in den Provinzen wenig Interesse.
Etwas besser sieht es bei den geographischen Beschreibungen Britanniens aus, die unter anderem in den Werken von Strabon, Pomponius Mela, Tacitus oder Diodoros Siculus überliefert ist.6 Allerdings werden die literarischen Quellen durch einige bedeutsame Inschriften ergänzt. Besonders ist dabei die Inschrift auf dem Triumphbogen des Claudius aus dem Jahre 51 nach Christus zu nennen; desweiteren berichten auch Münzen und Soldatengrabsteine auf ihre Weise über die Invasion.
Schließlich haben natürlich auch die Archäologen ihren Teil zur Erforschung dieser Zeit beigetragen. Als Problem ergibt sich, dass aus den oft nur provisorisch bezogenen Feldlagern wenig Fundmaterial anfällt, was die Datierung vieler Stätten erschwert. Gerade bei Militäranlagen lässt sich oft nicht unterscheiden, ob sie in der Zeit der Invasion oder erst zwanzig Jahre später während der Boudicca-Revolte unter Kaiser Nero angelegt wurden.7
Britannienpolitik von Augustus bis Caligula
Erst durch die beiden Feldzüge Caesars wurde Britannien in der römischen Welt wahrgenommen. Dessen Operationen endeten jedoch ohne nachhaltigen Erfolg. Trotzdem war Britannien von da an in den Blickpunkt römischer Außenpolitik gerückt.
Etwas mehr als ein Vierteljahrhundert, um 27 vor Christus danach plante Augustus einen Feldzug.
Cassius Dio berichtet:
Er zog aus, um ein Kriegsunternehmen gegen Britannien durchzuführen. Jedoch hielt er sich nach seiner Ankunft in den gallischen Provinzen dort länger auf. Von den Britanniern hatte er nämlich den Eindruck, sie wollten mit ihm in diplomatische Verhandlungen eintreten; außerdem waren die Verhältnisse Galliens noch nicht gefestigt, da bald nach der Unterwerfung des Landes der Bürgerkrieg ausgebrochen war (Cassius Dio, 53, 22, 5).
Die Verhältnisse in Gallien waren wohl noch zu riskant, um die gewaltige Invasion zu wagen. Schließlich war eine Invasionsflotte darauf angewiesen, dass die Nachschubslinien auf dem Festland nicht durchbrochen werden konnten. Ein Jahr später plante Augustus erneut ein militärisches Unternehmen. Nach Dio scheiterten zuvor offenbar Verhandlungen mit britonischen Fürsten – worum es dabei ging wissen wir nicht.8 Doch wieder durchkreuzte ein Aufstand, diesmal von iberischen Stämmen im Baskenland, den Plan. Danach gab Augustus das Unternehmen endgültig auf. Von 17 vor Christus bis 9 nach Christus tobte mit kurzen Unterbrechungen ohnehin der „Immensum Bellum“, der gewaltige Krieg gegen die Germanen. Zeitweise wurden hierfür 13 Legionen eingesetzt, mehr als die Hälfte der gesamten römischen Armee.9 Die Feldzüge endeten mit der Niederlage des Varus und dem Verlust von drei Legionen sowie allen Eroberungen in Germanien. Danach änderte Augustus seine Außenpolitik. In seinen letzten Regierungsjahren bemühte er sich um die Sicherung des bereits erworbenen Territoriums. Allerdings scheint es weiter Kontakte zu britonischen Fürsten gegeben haben. Der Tatenbericht des Augustus, der auf großen Steintafeln im ganzen Reich ausgestellt wurde, erwähnt die um Schutz flehenden Britannier Dumnobellaunus und Tincommius.10 Beide müssen mächtige Fürsten gewesen sein, denn interessanterweise prägten sie Münzen mit ihrem Namen. Anhand der Fundstreuung lassen sich ihre Herrschaftsbereich rekonstruieren. Dumnobellaunus scheint Anführer der Trinovanten in Essex gewesen zu sein, Tincommius regierte wohl die Atrebaten an der Südküste.11 Warum sie in Rom um Asyl ersucht haben, ist unbekannt. Strabon schreibt in seiner Geografie, dass unter Augustus „fast die ganze Insel zu römischen Besitz gemacht“ worden sei.12 Dies ist wohl eine Übertreibung, um dem Kaiser zu huldigen. Wahrscheinlicher ist, dass manche Fürsten zu römischen Verbündeten wurden und in regem Handelsaustausch vor allem mit den gallischen Provinzen standen.
Kaiser Tiberius setzte die Außenpolitik des Augustus fort, der ihm vor seinem Tod aufgetragen hatte, die Grenzen so zu belassen, wie sie sind.13 Unter ihm gab es zwar auch zwei große Feldzüge (neben kleineren in den 20er Jahren nach Germanien. Diese hatten aber wohl eher den Charakter von Strafexpeditionen; um 16 nach Christus zog Tiberius die Truppen endgültig hinter den Rhein zurück. Ansonsten bemühte er sich nach dem um eine strikte Konsolidierung der Reichsgrenzen. In seinen letzten Jahren verhielt sich der argwöhnische und paranoide Tiberius ohnehin lethargisch und zog sich ab 26 nach Christus weitgehend auf die Insel Capri zurück. 37 nach Christus wurde er von seinem Nachfolger Caligula ermordet. Dieser gehörte ebenfalls dem julisch-claudischen Kaiserhaus an und war der Sohn des populären Feldherrn Germanicus. Die römischen Geschichtsschreiber lassen kein gutes Haar an Caligula, der Sueton zufolge geisteskrank war.14 Caligula veranstaltete aufwändige Zirkusspiele und pflegte einen „verrückten autokratischen Führungsstil“.15 Unter anderem ließ er zahlreiche politische Gegner ermorden und versuchte in seinen letzten Jahren den Senat völlig zu entmachten – wohl der Hauptgrund, warum er den Hass der meist senatorischen Geschichtsschreiber auf sich zog. Erstmals seit Augustus plante Caligula eine Invasion in Britannien. Auch hier spielte wieder ein Flüchtling eine Rolle. Adminius, Sohn des mächtigen Trinovatenkönigs Cunobelinus, flüchtete nach Rom und hat Sueton zufolge den Kaiser zu einer militärischen Unternehmung überredet. Cassius Dio und Sueton berichten genüsslich davon, wie der Kaiser ein Heer am Kanal zusammenzog, in sein Schiff stieg und nach einer kurzen Fahrt wieder an die gallische Küste zurückkehrte16. Dann habe er den Soldaten befohlen, am Strand als Kriegsbeute Muscheln zu sammeln. Sueton erweitert die Episode noch darum, dass Caligula eine extrem niedrige Belohnung von 100 Denaren pro Mann ausgab – wohl um seine Soldaten zu demütigen. Außerdem habe er einen Leuchtturm erbauen lassen .
Es ist schwer, die bizarr geschilderte Episode von Caligulas Britannienzug geschichtlich einzuordnen. Kai Brodersen glaubt, dass es sich bei der Unternehmung lediglich um eine Strafexpedition handelte, um die Truppen zu disziplinieren. Bicknells Interpretation geht in eine ähnliche Richtung. Er vermutet aber, dass die betreffenden Textstellen bei Sueton bisher falsch interpretiert wurden. Er hält es für wahrscheinlicher, dass Caligulas Unternehmung ein kleinerer Feldzug gegen Stämme an der niedergermanischen Küste (heute Holland) gewesen sei.17 Die Episode mit den Muscheln sei eine Disziplinierung zweier Legionen wegen Feigheit gewesen. Unabhängig davon habe Caligula tatsächlich einen Feldzug gegen Britannien geplant, der aber nicht zur Ausführung gekommen sei.
Claudius plant die Eroberung Britanniens
Im Jahre 41 nach Christus wurde der wegen seiner Despotie untragbar gewordene Caligula von zwei Mitgliedern der kaiserlichen Garde ermordet. Schon am gleichen Tag wurde sein Onkel Claudius überraschend zum Kaiser ausgerufen. Auf den ersten Blick scheint der 51-jährige Kaiser keine Idealbesetzung zu sein. Bei der Ämtervergabe wurde er von seinen Verwandten Augustus und Tiberius fast völlig ignoriert. Sueton:
„Während seiner ganzen Jugend hatte er vielfach mit hartnäckigen Krankheiten zu kämpfen, wodurch sowohl Körper als auch Geist so geschwächt wurden, dass er selbst im vorgerückten Mannesalter für keinerlei öffentliche oder private Funktionen geeignet angesehen wurde.“ (Sueton, Claudius, 2,9).
Auch konnte er keinerlei militärische Erfahrungen sammeln – ganz im Gegensatz zu anderen prominenten Mitgliedern seines Herrscherhauses wie Kaiser Tiberius, der lange Jahre Feldherr war, oder Germanicus, dem Vater des Caligula. Zudem kommt auch Claudius Charakter in den antiken Quellen nicht gut weg. Zwar schildert ihn Sueton als gelehrten, aber auch grausamen, mißtrauischen und zur Senilität neigenden Kaiser.
Dabei gerät leicht in Vergessenheit, dass Claudius einer der tatkräftigsten Imperatoren des ersten Jahrhunderts nach Christus war, nur übertroffen durch Augustus und Vespasian. Unter seiner Herrschaft entstanden zahlreiche neue Gebäude in Rom wie der Aquädukt „Anio Novus“. Er ließ die Grenzsicherung ausbauen, gliederte die Provinzen Mauretanien, Thrakien, Lykien und Norikum ins Reich ein und zentralisierte die Verwaltung.18 Und er eroberte Britannien. Allerdings halten viele Historiker diese Taten für das Werk seiner geschickten Berater, von denen der Freigelassene Narcissus, sein Sekretär, als der wichtigste gilt. Dies wird auch durch Sueton gestützt:
„Beherrscht von diesen Menschen und von seinen Frauen, spielte er nicht eigentlich die Rolle eines Kaisers, sondern die eines Dieners. Wie es dem Interesse jeder dieser Personen oder auch ihrer Neigung und Laune entsprach, teilte er Ehrenstellen, Militärkommandos, Begnadigungen oder Strafen aus, meist ohne recht zu wissen, was er tat.“ (Sueton: Claudius, 29, 1).
Allerdings ist auch hier die Frage, ob in Suetons Schilderung nicht der alte Argwohn der Senatoren gegenüber den julisch-claudischen Kaisern eine Rolle spielt, zumal Claudius Männer von niedrigem sozialem Status wie Narcissus, aber auch viele andere freigelassene Sklaven, in einflußreiche Positionen brachte.19
Die Beweggründe für diesen Feldzug sind nicht ganz einfach nachzuvollziehen. Den Anstoss gibt wiederum ein aus Britannien geflohener Fürst: Bericus, auf einheimischen Münzen „Verica“ genannt. Er war wohl auch ein Häuptling der Atrebaten. Die Streuung der Münzfunde deutet an, dass er über ein stattliches Territorium vom Kanal bis an die Themse verfügte.20 Warum er vertrieben wurde, ist auch hier unsicher; Cassius Dio spricht lediglich von einem inneren Konflikt. Dio berichtet, dass dieser Bericus oder Verica Kaiser Claudius dazu überredet habe, eine Armee nach Britannien zu senden.21 Sueton führt weitere Gründe an:
„Der Senat hatte ihm nämlich die ornamenta triumphalia zuerkannt; da ihm aber diese Ehrenauszeichnung der Majestät des Kaiser nicht zu entsprechen schien und er die Auszeichnung eines ordentlichen Thriumphs haben wollte, wählte er um diesen zu erlangen, speziell Britannien aus, gegen das sich seit dem vergöttlichten Julius keiner mehr versucht hatte, und das gerade damals recht unruhig war, weil Überläufer nicht ausgeliefert worden waren.“ (Sueton, Claudius, 17,2).
Aus diesem kurzen Abschnitt lassen sich zwei Beweggründe herauslesen: Zuvorderst den Wunsch des Kaisers, mehr militärischen Ruhm zu erlangen und darin dem übergroßen Vorbild für alle Kaiser, Julius Caesar nachzueifern (nicht umsonst bildete sich der Ausdruck „Kaiser“ ja deshalb heraus, dass sämtliche Imperatoren nach Inthronisierung den Beinamen „Caesar“ führten). Claudius musste im Jahr zuvor, 42 nach Christus, einen Aufstand von Heerführern in Dalmatien niederschlagen.22 Vielleicht wollte er durch einen erfolgreichen Eroberungszug seine Reputation stärken.
Zum anderen scheint Britannien politischen Flüchtlingen aus Gallien Asyl gewährt haben. Dies könnte durchaus eine Rolle gespielt haben, denn die gallischen Provinzen waren in den ersten hundert Jahren ihres Bestehens sehr unruhig; bis ins Jahr 70 gab es mehrfach Aufstände in Gallien – wie jene, die den Britannienzug des Augustus verhindern. Die Britonen mögen Rädelsführern nach Revolten Obdach angeboten haben, wie es offenbar schon unter Caesar der Fall war.
Vielleicht haben wiederum die britischen Überläufer in Rom Kaiser Claudius die Invasion auch wirtschaftlich schmackhaft gemacht. Im „Agricola“ berichtet Tacitus von „Gold, Silber und anderen Metallen als Lohn des Sieges“ (Agricola 12,6). Die Römer könnten also eine reiche Kriegsbeute erwartet haben.
Auch innerdynastische Gründe im Reich der Belger, einem der größten keltischen Staaten in Britannien, könnten eine Rolle gespielt haben: der mächtige, romfreundliche König Cunobelinus war um etwa 40 nach Christus gestorben; nun wurde das Reich, das vor allem in Ostengland lag, unter seinen Söhnen aufgeteilt. Vielleicht entspannte sich hier dann der „Innere Konflikt“, den Cassius Dio meint und der bereits unter Caligula zur Flucht des Adminius – einer von mindestens fünf Söhnen – führte. Auch Bericus könnte nach Rom geflüchtet sein, weil sein Reich dabei angegriffen oder zerstört wurde23. Die Bekämpfung der Druiden wird bisweilen auch als möglicher Grund genannt; darauf finden sich aber in antiken Quellen erst in der neronischen Zeit Hinweise und es könnte eher so sein, dass religiöse Streitigkeiten erst nach der Gründung der Provinz aufkamen. Dudley/Webster vertreten aber in ihrem Werk „The conquest of Roman Britain“ die etwas karge Meinung, dass Rom gar keine besonderen Beweggründe für einen Feldzug brauchte:
„No classical writer discusses at any length the roman motives for the invasion. The fact is significant: it was not thought to require elaborate justification. This has not deterred modern scholars from propounding numerous and conflicting theories.“24
Die Vorbereitung der Invasion
Der Feldzug gegen Britannien wurde von Claudius und seinen Beratern bedächtig geplant. Claudius zog mindestens vier Legionen für seine Unternehmung zusammen: die Legio II Augusta war zuvor in Argentoratum (Straßburg) stationiert, die Legio XX Valeria in Novaesium (Neuss), die Legio XIV Gemina in Moguntiacum (Mainz) und die Legio IX Hispana (wahrscheinlich aus Siscia/Sisak in Nordjugoslawien). Vielleicht stand noch eine weitere Legion, die VIII Augusta, als Reserve an der gallischen Küste.25 Dazu kamen noch zahlreiche Hilfstruppen, darunter batavische Kohorten. Diese aus einem niedergermanischen Stamm ausgehobenen Einheiten galten als „Spezialtruppen“ für amphibische Einsätze. Außerdem kämpften in den Hilfstruppen, die aus Provinzbewohnern ohne Bürgerrecht ausgehoben wurden, noch Gallier und Thraker mit.26. Insgesamt wurden vielleicht 40 000 Mann zusammengezogen. Für das Unternehmen reduzierte das Militär die Truppenstärke insbesondere am Rhein, der im frühen 1. Jahrhundert eine der gefährdeten Grenzen des Reiches. Dies wurde dadurch versucht zu kompensieren, dass dort sowie auch an der Donau erstmals eine durchgängige Militärgrenze mit zahlreichen neuen Lagern für Hilfstruppen angelegt wurde.27 Diese Hilfstruppen scheinen ohnehin unter Claudius zum ersten Mal in großen Maß eingesetzt und ausgehoben worden. Dabei zeichnete sich folgendes Muster ab: Während die großen Verbände der Legionen künftig vor allem bei Eroberungszügen und Kriegen eingesetzt wurden, dienten die Hilfstruppen der Grenzsicherung. Außerdem bestanden aus ihnen spezielle Truppen wie die Reiterei oder die Bogenschützen. Die Rheingrenze scheint ruhig gewesen zu sein, obwohl es gerade am Niederrhein unter Tiberius, Caligula und Claudius immer wieder zu Strafaktionen und kleineren Feldzügen kam.28 Zum Befehlshaber des Invasionsheeres wurde Aulus Plautius ernannt. Plautius war entfernt verwandt mit der ersten Frau von Kaiser Claudius. Vor allem war er aber ein hochrangiger Staatsbeamter und Militärführer. 29 nach Christus bekleidete er das Konsulat, nach dem Kaiser das höchste Amt im Staat. Danach – vielleicht ab 36 nach Christus – war er Statthalter in der Donauprovinz Pannonien (im heutigen Ungarn und Nordjugoslawien). Andere hochrangige Offiziere, darunter die späteren Kaiser Vespasian und vielleicht auch Galba, dessen Bruder Sabinus und der erfahrene Heerführer Cnaeus Hosidius Geta oder der spätere britannische Statthalter Didius Gallus befehligten Legionen und Reiterei.29 Wenig bekannt ist über die Flotte. Ziegel belegen, dass eine eigene Einheit, die „classis britannica“, für den Einsatz geschaffen wurde. Es dürften sicherlich an die tausend Schiffe gewesen sein. Die Römer scheinen sich für die Einsätze in der rauhen Nordsee an der Bauweise gallischer Schiffe orientiert zu haben, da Galeeren für die Überfahrt zu instabil waren .30
Gegner und Verbündete
Mit wem hatten die Römer es in Britannien zu tun? Tacitus beschreibt die Britonen eindrücklich in seinem „Agricola“:
„Ihr körperliches Erscheinungsbild ist nicht einheitlich, und daraus kann man Schlüsse ziehen. Denn die rotblonden Haare der Bewohner Kaledoniens und ihre mächtigen Gliedmaßen sprechen für germanische Abkunft; der Siluren dunkle Gesichtsfarbe, ihre sehr oft gekräuselten Haare und die Tatsache das Spanien gegenüberliegt, führen zu der Überzeugung, dass in der Vorzeit Iberer übergesetzt sind und dieses Gebiet besetzt haben; die den Galliern am nächsten siedelten Sätmme sind diesen auch ähnlich, sei es dass die Kraft iher Abstammung immer noch anhält oder dass das Klima in den sich in verschiedene Richtung erstreckenden Ländern ihren Gestalten das gleiche Aussehen verliehen hat. Insgesamt gesehen, darf man jedoch annehmen, dass Gallier die Nachbarinsel besetzt haben. Ihre religiösen Gebräuche kann man dort antreffen infolge der Überzeugungskraft abergläubischer Vorstellungen. Die Sprache weist keine großen Unterschiede auf, beim Heraufschwören von Gefahren sind sie ebenso wagemutig und, wenn diese eingetreten sind, weichen sie ihnen ebenso furchtsam aus.“ (Tacitus, Agricola 11,2 –11,4).
Während die britonischen Stämme wohl weder mit Germanen noch Iberern viel zu tun hatten, werden Tacitus letztere Thesen auch durch archäologische Funde gestützt. In der Zeit 900 bis 500 vor Christus wanderten wohl langsam keltische Stämme aus Gallien auf die britischen Inseln aus.31 Bis in die römische Zeit hinein hielten Insel- und Festlandskelten engen Kontakt. Manche Stämme wie die Atrebaten sind sowohl in Gallien als auch in Britannien belegt. Die britonischen Stämme pflegten wohl eher eine ländliche Lebensweise mit kleinen Höfen und Weilern. Es gab aber auch eine Reihe mit mächtigen Wällen befestigter Orte wie etwa Camulodunum, die gleichzeitig „Regierungssitze“ waren. Dennoch lassen sich die keltischen „Städte“ nicht mit den griechischen und römischen derselben Zeit vergleichen; sie waren dünner besiedelt und es fehlte an städtischen Einrichtungen, die Römer und Griechen besaßen wie Wasserleitungen, Bäder, steinerne Tempel etc32. Wie auch in Gallien bildeten diese Fürstentümer untereinander keine Einheit. Tacitus:
„In alten Zeiten gehorchten die Britannier Königen, jetzt sind sie wegen führender Männer in leidenschaftlichem Parteizwist gespalten. Nichts anderes aber bringt uns in der Auseinandersetzung mit diesen äußerst kampfkräftigen Völkerschaften größeren Nutzen, als dass sie sich über Fragen, die sie gemeinsam betreffen, nicht absprechen. Nur selten verbinden sich zwei oder drei Stämme zur Abwendung einer gemeinsamen Gefahr; so kämpfen sie einzeln und werden zusammen besiegt.“ (Tacitus, Agricola, 12,2).
Diesen Zustand finden auch Claudius und seine Generale vor. Die mächtigsten Gegner sind die Trinovanten und Catuvellauner. Sie bilden die Allianz der Belger. Geführt werden sie von zwei Söhnen des Cunobelinus, Caratacus und Togodumnus: Die beiden Völker siedeln im flachen, fruchtbaren Gebiet um London und Colchester. Die Politik des Belger-Königs Cunobelinus war eigentlich romfreundlich. Es herrschte reger Handelsaustausch, und die Belger übernahmen auf ihren Münzen sogar lateinische Buchstaben und Begriffe.33 Daher nahm schon Haversfield in seinem Buch „The Romanization of Roman Britain“ an, dass bereits vor der Eroberung das römische Imperium einen großen Einfluss auf die Britonen ausübte.34 Doch nach dem Tod des Cunobelinus scheint es zum Bruch mit Rom gekommen zu sein. Vielleicht, weil der energische Caratacus, bis zu seiner Gefangennahme im Jahre 51 nach Christus Hauptführer der antirömischen Opposition, Krieg gegen Verbündete von Rom führte.35 Sie konnten eventuell ein 80 000 Mann starkes Heer aufstellen.36 Wiederum Tacitus zu den keltischen Kriegern : „Im Fussvolk liegt ihre Stärke; einige Stämme kämpfen auch vom Wagen aus. Angesehener ist der Wagenlenker, Gefolgsleute schlagen sich für ihn.“ (Tacitus, Agricola 12,2). Andere den Römern eher feindlich gesinnte Stämme waren die Dobunner und Durotriger.37
Aber es gab auch freundlich gesinnte Völker, die nicht gegen Rom die Waffen erhoben. Dazu gehören die Icener (East Anglia), Regner und vor allem die Atrebaten. Letzteres Volk war ein wichtiger Bundesgenosse für Rom. Schließlich siedelten sie an der Südküste und ermöglichten es den Römern so, nach der Invasion dort Häfen zu bauen und die Versorgung der Truppen zu sichern. Auch der Flüchtling Verica/Bericus war ja ein Atrebate. Die politische Konstellation hier noch mal zusammengefasst: Ganz sicher feindlich gegenüber den Römern waren die Catuvellauner, Trinovanten und Dobunner, die offenbar eine Allianz bildeten, außerdem die Durotriger und Dumnonen im Südwesten. Römische Verbündete waren mit Sicherheit Atrebaten, Regner und Icener – interessanterweise alles Nachbarn der Koalition aus Trinovanten und Cautvellaunern. Unsicher ist der Status der Corieltauver (in der Gegend des Fluss Nene) und Cantiacen (in Kent)38. Stämme, die tiefer im Land wohnten, wie die Briganten oder die mächtigen walisischen Siluren, scheinen zunächst kein Interesse für den Konflikt gezeigt zu haben. Auf jeden Fall werden sie in den betreffenden Quellenabschnitten antiker Autoren nicht erwähnt und wurden von den Römern in der Frühphase der Invasion auch nicht bekriegt.
Die Invasion der Insel
Im Frühjahr 43 wird die Invasion gestartet. Eigentlich beginnt sie mit einem schlechten Vorzeichen: es kommt fast zur Meuterei, als sich die Truppen einschiffen sollen.39 Die Soldaten fürchten die Gefahren des stürmischen Ärmelkanals, die auch in den literarischen Quellen den Römern immer wieder vor Augen gehalten wurde.
Als das „Ende der Welt“ bezeichnete Horaz in einem seiner Carmina die Insel; in einem seiner Loblieder für Augustus heißt es: „Dir gehorcht, voll Ungeheuern, der Ozean, der das ferne Britannien umspült.“40 Die Insel, ganz im Norden der den Römern bekannten Geographie gelegen, ist für sie eine andere Welt.41 Dazu muss man bedenken, dass die Römer keine andere Insel dieser Größe kannten und Britannien zudem im Okeanus schwamm, der im antiken Weltbild die bekannten Länder eingrenzte.
Nicht mal Aulus Plautius kann die panikerfüllten Truppen besänftigten. Er fordert Narcissus an, den wichtigsten Berater von Claudius. Die zornigen Soldaten lassen den freigelassenen Sklaven kein einziges Wort sprechen. Plötzlich verhöhnen sie ihn mit dem Ruf „Io Saturnalia!“ (Die Saturnalien waren ein Fest, in dem Sklaven und Herren an einem Tag ihre Rolle tauschten). Doch nun, so Cassius Dio, „folgten sie dem Plautius aus freien Stücken“. 42 Die Feldherren haben aus den Erfahrungen von Caesar gelernt und kennen mittlerweile gute Landungsplätze und die Probleme einer solchen amphibischen Invasion.. Sie steuern den günstigen natürlichen Hafen von Rutupiae (Richborough) und vermutlich einen weiteren in Lymbne an und teilen ihre Truppen in drei Wellen auf. Um den Landungsplatz gibt es seit einigen Jahren allerdings eine Kontroverse: Archäologen wie John Manley vermuten sogar, dass ein weiterer Landeplatz bei Fishbourne war, wo neben den Resten eines Palastes aus flavischer Zeit ältere Holzgebäude und Gräben offenbar militärischen Charakters lagen.43 Die These stößt bei bekannten englischen Forschern wie Barry Cunliffe auf Gegenliebe, die sogar glauben, dass Fishbourne in Wirklichkeit der Hauptlandeplatz war. Einigkeit scheint darüber zu herrschen, dass zumindest ein Teil derTruppen in Fishbourne landete.44 Die neue Diskussion, ausgehend von einem Artikel John Hinds im Jahr 1989, zeigt, dass die Umstände der Invasion längst noch nicht klar sind, und dass der Bericht Dios zwar einiges über Verlauf und Dramatik der Kämpfe aussagt, aber leider keine große Hilfe ist, was zeitliche und örtliche Daten der Invasion betrifft. In Richborough fand sich am Strand die Gräben eines Lagers für etwa 2500 Soldaten mit Funden aus claudischer Zeit – der Ausgräber Bushe-Fox glaubte, dass die Gräben die Entladung der Truppen schützen sollte.45 Würde die erste Welle auf Widerstand stossen, so hätten die anderen zwei den schwierigen Strandabschnitt umgehen und an einer sicheren Stelle landen können. Doch anders als bei Caesar verlaufen Überfahrt und Landung völlig reibungslos. Cassius Dio: „So landeten sie auf der Insel, ohne auf irgendwelchen Widerstand zu treffen. Die Britannier nämlich hatten aufgrund ihrer Erkundigungen nicht mit ihrem Kommen gerechnet und sich daher nicht vorher versammelt, aber auch so ließen sie sich auf keinen Kampf mit den Römern ein, sondern flüchteten sich in ihre Sümpfe und Wälder.“ (Cassius Dio, 60,19,4) Sueton erwähnt ebenfalls die Verzögerung des Feldzugs; ihm zufolge spielte dabei eine Erkrankung des Feldherrn Galba, ein enger Freund des Kaisers, eine Rolle.46
Vielleicht lag hier schon der Schlüssel für den späteren römischen Sieg, denn dank der ungestörten Landung hatten die Truppen genug Zeit, ihre Versorgung vom Festland zu sichern Außerdem scheint es so, als wären die Stämme in den betreffenden Landeabschnitten sämtlich Verbündete der Römer gewesen. Die Fishbourne-Befürworte verweisen hier auf die Nähe des Stammes der Atrebaten, deren Herrscher Verica ja um ein Eingreifen der Römer gebeten hatte. Bevor es zur Schlacht mit der gegnerischen Hauptarmee kam, nahm Plautius die Kapitulation des Stammes der Bodunnen (wohl Verwechslung mit Dobunnen) entgegen. Unterdessen hat sich die Armee des Caratacus hinter einem Fluss verschanzt: „Die Barbaren meinten nun, die Römer könnten das Gewässer ohne Brücke nicht überschreiten und lagerten sich daher ziemlich sorglos am anderen Ufer,“ heißt es bei Dio.47 Der einzige Fluss in Kent, so die Überlegung moderner Historiker, auf den die Beschreibung passen könnte, ist der Medway. Damit ergibt, sich dass die Römer vermutlich entlang der „Watling Street“, einer alten, stets bedeutenden Straße nach Nordwesten vorstießen.48 In einem klassischen Umzingelungsmanöver überrumpeln die Römer die Briten: Wassererprobte Germanen – man darf davon ausgehen, dass es sich um die batavischen Hilfstruppen handelt – überschreiten den Fluss unbemerkt und weiter entfernt. Sie umgehen die Briten und zerstören ihre Streitwagen, die hinter den Fußtruppen postiert sind. Gleichzeitig – um den Überraschungsmoment auszunutzen und die Germanen zu entlasten– rückt Vespasian mit seinem Bruder Sabinus über den Fluss vor. Dort bildeten sie einen Brückenkopf. Bei dieser Einheit handelt es sicher um die von Vespasian befehligte „Legio II Augusta“, die für die Frühphase am besten dokumentierte Einheit. Am nächsten Tag geht die Schlacht weiter; die Briten sind in der Nacht nicht geflohen, sondern bringen die Römer sogar noch in schwere Bedrängnis. Der Legat Gnaeus Hosidius Geta schlägt die Truppen schließlich in die Flucht. Daraus lässt sich schließen, dass zumindest noch eine zweite Legion beteiligt war, ungeachtet weiterer Hilfstruppen. Es ist also davon auszugehen, dass hier eine große Schlacht stattfand und allein auf römischer Seite mindestens 12 000 Mann eingesetzt wurden.49 Die archäologischen Funde, die darauf hinweisen müssten, sind aber bis jetzt sehr spärlich. Einziges, aber bedeutsames Indiz ist ein Münzschatz, der wenige Kilometer östlich des Medway gefunden wurde. Die jüngsten der 34 Goldmünzen stammen aus der Zeit direkt vor der Invasion, aus den Jahren 41 und 42.50 Vielleicht hat sie ein Soldat vor dem Marsch zum Schlachtfeld dort begraben und fiel dann in den Kämpfen.
Dennoch gelingt es nicht, das ganze Heer des Caratacus zu stellen – zumindest Cassius Dio zufolge: „Die Britannier zogen sich nur bis zur Tamesa (Themse) zurück, und zwar an die Stelle, wo sie in den Ozean einmündet und bei Flut einen See bildet.“ Auch hier können die Römer dank der germanischen Hilfstruppen einen Brückenkopf bilden. Andere Truppen überschritten eine weiter „aufwärts gelegene Brücke“ und umgingen so die Britonen. Diese ziehen sich durch Sümpfe, die den römischen Vormarsch erschweren, weiter nach Norden zurück.51 Nach der Schlacht am Medway werden die Angaben von Cassius Dio immer kryptischer und lassen sich schwer identifizieren. Dudley /Webster glauben, dass ein zweites Heer in Südengland gelandet ist, eine Brücke über die Themse schlug und so die Britonen umging. Die Sümpfe seien mit denen im südlichen Essex zu identifizieren.52
Außerdem muss Dio zufolge eine zweite Schlacht stattgefunden haben. Er beschreibt nämlich, dass Togodumnus, Caratacus Bruder, besiegt und getötet wurde. Dies habe die Briten noch enger zusammengeführt.53 Über diese Schlacht existieren keine weiteren Angaben oder Beschreibungen; sie wird von Dudley/Webster nördlich der Themse lokalisiert, ohne dass die Autoren sich dabei aber auf archäologische Funde stützen könnten.54
Nachdem Aulus Plautius nördlich der Themse auf Schwierigkeiten stößt, lässt er seine Truppen stoppen. Dio: „Aulus Plautius bat nun den Claudius darum selbst zu erscheinen. So zu handeln war er nämlich zuvor für den Fall eines besonders hartnäckigen Widerstands angewiesen worden, und tatsächlich war bereits für den Feldzug eine starke Streitmacht – darunter auch Elefanten – zusammengezogen worden.“ (Cassius Dio, Buch 60,21,2) Heutige Historiker bestreiten die Glaubwürdigkeit dieser Aussage. Cassius Dio berichtet, dass Claudius sechs Monate abwesend von Rom war, davon aber nur 16 Tage in Britannien verbracht habe. In dieser Zeit übernahm sein Mitkonsul Lucius Vitellius die Regierungsgeschäfte in Rom.55 Brodersen vermutet: „Tatsächlich gilt wohl eher das Umgekehrte: Persönlich einen militärischen Erfolg zu erringen, war für den Kaiser oberstes Ziel, und Aulus Plautius hatte ihm dafür den Boden zu bereiten, so dass der Kaiser nur für den somit wohlvorbereiteten und letztlich risikolosen Entscheidungsschlag angefordert werden konnte“.56 Diese Theorie scheint auch eine Aussage bei Sueton zu stützen: „Claudius unterwarf ohne Schwertstreich und Blutvergießen binnen weniger Tage einen Teil der Insel“.57 Dagegen beschreibt Cassius Dio, dass es nördlich der Themse eine Schlacht mit Britonen gegeben habe, die sich hinter dem Fluß sammelten.58 Diese Aussage scheint deshalb widersprüchlich, weil ihm zufolge die Legionen zum Teil ja schon den Fluß überschritten hatten und dieser Verteidigungslinie jetzt sinnlos war. Ohne weitere Quellen lässt sich aber nicht klären, was dort passierte. Sicher scheint: Claudius war in Britannien. Dudley/Webster sehen seine Ankunft als Staatsakt. Sie beziehen sich darauf, dass Claudius offenbar von zahlreichen weiteren Würdenträgern begleitet wurde. Plautius habe die Eroberung von Camulodunum für den Kaiser „aufgehoben“. Desweiteren habe der Kaiser die Kapitulationen britischer Fürsten entgegengenommen. Darauf lasse die Inschrift seines Triumphbogens schließen.59 Für diese Version spricht auch, dass Claudius mit der damaligen Tagesgeschwindigkeit mindestens vier Tage von den Häfen bis Colchester gebraucht haben muss. Da er nur 16 Tage in Britannien war, ist es kaum wahrscheinlich, dass es in dieser Zeit zu größeren Kämpfen kam. Auch die Länge seiner Reise – nach Britannien und zurück brauchte er ein halbes Jahr - kann kaum als spontane Reaktion auf eine unerwartete militärische Situation gewertet werden. Immerhin: ein Körnchen Wahrheit könnte in Dios Bericht stecken. Vielleicht erwartete Plautius zu dieser Zeit neue Truppen oder Vorräte, was sich mit einer Reise des Kaisers vereinbaren ließe. Immerhin war die Eroberung Camulodunums nur der erste Akt der Eroberung Britanniens. Dio: „Er nahm den Besiegten die Waffen ab und übergab diese dem Plautius, wobei er ihm den Auftrag erteilte, auch den Rest zu erobern.“60 Danach kehrte er nach Rom zurück. Erst im Jahr 44 nach Christus erreichte er die Stadt und veranstaltete dort seinen Triumph. Zuvor hatte er bereits seine Schwiegersöhne Magnus und Silanus vorausgeschickt, um den Sieg zu melden.61
Der Triumph in Rom
Sueton beschreibt den Triumph in Rom, ein Jahr nachdem die Legionen nach Britannien auszogen, knapp aber anschaulich: “Zu diesem Schauspiel erlaubte er nicht nur den Statthaltern der Provinzen, sondern selbst mehreren Verbannten, nach Rom zu kommen und außer feindlichen Rüstungen heftete er an den Giebel seines Hauses auf dem Palatinischen Hügel neben der Bürgerkrone auch eine Schiffskrone als Zeichen des von ihm befahrenen und gleichsam gebändigten Ozeans. Hinter seinem Triumphwagen folgte seine Gemahlin Messalina in einem Prachtwagen. Es begleiteten ihn auch alle, die in diesem Krieg die Triumphabzeichen erhalten hatten, doch zu Fuß und im gewöhnlichen Senatorengewand, nur Marcus Crassus Frugi auf einem reich geschritten Pferd und mit einem palmenbestickten Gewand, weil es das zweite Mal war, dass er jene Aufzeichnung erhalten hatte.“ (Sueton, Claudius, 17). Cassius Dio beschreibt weitere Details des Triumphs: Der Senat verlieh Claudius und seinem Sohn den Ehrentitel „Britannicus“. Ein jährliches Siegesfest sollte veranstaltet werden. Ebenso plante man, Triumphbögen in Rom und Gallien zu errichten. Der Triumph wurde an mehreren Plätzen in der Stadt gefeiert; zehn Pferderennen, Tierkämpfe, und Theateraufführungen gehörten dazu.62
Auch Münzen ließ Claudius als Zeichen seines Sieges prägten63. Acht Ruhmgedichte anlässlich des Triumphes sind erhalten.64 Die Unternehmung in Britannien feierte Claudius mit beträchtlichem Aufwand; ein weiterer Beleg für eine vor allem propagandistische Ausrichtung des Feldzuges? Immerhin war dieser Triumph der erste eines Kaisers seit dem Jahr 29 vor Christus.65 Offenbar nahmen alle hohen Beamten des römischen Staats daran teil – dies zeigt, dass Claudius auch die Provinzstatthalter einlud. Wichtige Staatsdiener – darunter die beiden Militärs und späteren Kaiser Vespasian und Galba – durften am Triumphzug teil nehmen. Das Volk sollte durch viele Spiele unterhalten werden und so auf seine Kosten kommen. Ohnehin liebte der Kaiser die Ausrichtung prachtvoller Spiele; dies ist durch Sueton bezeugt. In einem der Lobgedichten werden vor allem drei Motive hervorgehoben: Claudius habe den „Oceanus“ bezwungen, den Feldzug in blitzartiger Geschwindigkeit gewonnen und er bekannten Welt eine neue hinzugefügt: „Coniunctum est, quod adhuc orbis et orbis erat“, heißt es in einem der Gedichte: „Verbunden ist, was vorher Welt und Welt war.“66 Mindestens zwei Triumphbögen sind errichtet worden; ihre Inschriften haben sich in Teilen aus Rom (errichtet um 52) und der Stadt Kyzikos am Schwarzmeer erhalten. Wahrscheinlich gab es dann noch einen dritten in Gallien, denn ihn erwähnt Cassius Dio. Vielleicht lag er in der Stadt Gessoriacum (Boulogne), dem wichtigsten römischen Hafen an der Nordsee und vermutlichen Ausgangspunkt. Der Bogen ist auf Münzprägungen aus den Jahren 46 und 49 – 51 abgebildet.67 Eine Reiterstatue befand sich zwischen zwei Siegeszeichen. Sicher auch im Zusammenhang mit dem Triumph steht der Claudius-Tempel, der in Camulodunum errichtet wurde (wahrscheinlich nach 49) und später eine besondere Zielscheibe während des Boudicca-Aufstandes war.68 Sicherlich diente er auch dem Kaiserkult. Auf vielfältige Weisen versuchte Claudius also schon rasch seinen Erfolg auf den damaligen Medien zu verbreiten. Immer steht er dabei persönlich im Vordergrund; Aulus Plautius, der ja die Truppen befehligte, wird etwa auf dem Triumphbogen in Rom nicht genannt.69 Der Statthalter selbst scheint in Britannien alle Hände voll zu tun gehabt haben; er nahm offenbar am Triumph 44 nicht teilm – sonst hätten ihn Sueton oder Dio sicherlich in ihren Berichten darüber erwähnt. Er bekam aber nach seiner Rückkehr nach Rom 47 einen eigenen, kleinen Triumph, die sogenannte „ovatio“, was eine ungewöhnlich hohe Auszeichnung für ein Nicht-Mitglied des Kaiserhauses darstellte.70
Weitere Eroberungen unter Aulus Plautius
Unterdessen waren die römischen Soldaten weiter damit beschäftigt, Britannien zu erobern, und zur Provinz zu „formen“, wie Tacitus sich im Agricola ausdrückt - „in formam provinciae redqcta“.71 Es ist fraglich, ob schon unter Claudius die Eroberung der ganzen Insel geplant war, obwohl er ja Plautius aufgetragen hatte, den „Rest zu erobern“. Zum einen hatten die Römer selbst zurzeit der Invasion noch immer unklare Vorstellungen von der Größe und Form der Insel; noch im Jahr 44 hielt der Geograph Pomponius Mela sie für etwa so groß wie Sizilien72. Gut bekannt durch den Handel und die Expeditionen Caesars waren wohl nur Süd- und Südostküste. Zum anderen schien der Schlachtplan von Claudius und Aulus Plautius darauf ausgerichtet zu sein, erstens das mächtigste Reich, jenes der Belger zu vernichten, zweitens das fruchtbare Gebiet in Englands Südosten zu erobern. Als Camulodunum wahrscheinlich im Herbst 43 erobert wurde, stand bis dahin wahrscheinlich nur ein kleines Gebiet unter römischer Herrschaft, das kaum über die Themse reichte.
Mindestens eine größere Kampagne scheint es aber währenddessen und danach gegeben zu haben. Sueton schreibt über Kaiser Vespasian: „Unter Claudius wurde er auf Empfehlung des Narcissus als Befehlshaber einer Legion nach Germanien geschickt und später nach Britannien versetzt, wo er dreißig Kämpfe gegen den Feind bestand. Er unterwarf zwei sehr kriegerische Völkerschaften, über zwanzig Städte und die nahe Britannien gelegene Insel Vectis“ (Sueton, Vespasian 4). Diese Beobachtung werden nach heutiger Ansicht durch archäologische Funde gedeckt. Von Osten her durchquerte die Legio II Augusta, die er befehligte, das Gebiet der Durotriger (heute Dorset) und Dumnonier (um Exeter). Dabei scheint es zu Kämpfen um die Hügelfestungen der Durotriger gekommen zu sein. Die Burgen der Durotriger waren teils gewaltige Ringwallanlagen wie „Maiden Castle“ unweit der britischen Südküste. Dudley/Webster glauben, dass Vespasian sie mit einer durch Schiffe unterstützten Kampagne in seine Gewalt brachte.73 Am Triumph des Claudius im Frühjahr 44 nahm Vespasian teil, woraus zu folgern ist, dass er in einem Blitzfeldzug Südengland erobert haben musste – wie wir wissen, schloss er sich ja zunächst dem Hauptheer an und kämpfte in der Schlacht am Medway. An vieren der Ringwälle lassen sich Spuren von Kämpfen fest stellen: In „Maiden Castle“ wurden 28 Krieger hastig verscharrt; einer hatte das Geschoss eines römischen Wurfgeschoss in der Wirbelsäule stecken. Zahlreiche Geschosse fanden sich auch in „Hod Hill“. In „Spettisbury Rings“ wurde – wohl von den Römern“ – eine Art Massengrab für Gefallene angelegt; darin fanden sich neben Skeletten ebenfalls römische Waffen. In Ham Hill wurden ebenfalls römische Waffen gefunden.74 Nach Dudley/Webster wurden die Dumnotriger in ihren Festungen zunächst eingeschlossen; mit Hilfe von Schleudergeschützen schossen die Römer die Wälle sturmreif, ehe sie die Erdwälle erklommen und die Besatzungen niedermachten.75 Eine Flotte unterstützte offenbar die II. Legion. Darauf deuten die Reste eines Hafens aus der claudischen Periode bei Hamworthy hin. Weitere solcher Häfen könnten in Noviomagus/Chichester und Topsham gelegen haben. Allgemein sind diese Plätze aber schwer aufzuspüren, da sich die Küstenlinie verändert hat und die Überreste zum großen Teil wahrscheinlich ins Meer rutschten.76 Danach war die Legion offenbar in Isca/Exeter stationiert. Allerdings deuten die archäologischen Reste bisher darauf hin, dass das dortige Standlager erst um 55 nach Christus errichtet worden ist . Die II. Legion hat sich sicher in dieser Gegend befunden; der genaue Standort bleibt aber zunächst unbekannt.77 Nach Millett war dieses Gebiet sehr schwer zu befrieden, weswegen dort viele kleinere Lager, zum Teil sogar innerhalb einheimischer Befestigungen wie Hod Hill, angelegt wurden.78
Weniger bekannt ist über den Vorstoss der anderen Legionen. Während die XX Valeria Victrix wohl in der Gegend von Camulodunum geblieben ist, stießen die anderen beiden offenbar von Camulodunum nach Westen und Nordwesten vor.79 Die XIV. Legion Gemina ist später weit westlich an der Grenze zu Wales in Viroconium/Wroxeter bezeugt, die IX Hispana in Lindum/Lincoln.80 Der Bau dieser beiden Standlager lag offenbar am Ende ihrer „Marschrouten“. Am schlechtesten belegt ist der Weg der 14. Legion. Ein Legionärshelm fand sich nahe Verulamium/St. Albans; offenbar sollte sie dieses wichtige regionale Zentrum einnehmen, ehe sie bis an den Rand der walisischen Highlands zog. Allerdings könnte sie in Wroxeter erst nach 47, während der Kämpfe gegen die Deceangler, Siluren und Ordovizer stationiert worden sein. Der Ort läge nämlich sehr exponiert und weit westlich der angenommen Grenze der Provinz. Womöglich befand sich die 14. eher in Mancetter oder Leicester. Dort fanden sich ebenfalls Reste großer Lager.81
Die 9.Legion befand sich dagegen mindestens ab 46 nach Christus in Lindum/Lincoln; zuvor war sie mit großer Sicherheit in Longthorpe stationiert.82
Nach Millett wurden für die weiteren Feldzüge der drei Legionen im Jahr 43 Ausgangsbasen angelegt.83 Longthorpe, direkt am Fluss Nene und offenbar an der Stammesgrenze zu den Coritanern gelegen, könnte so ein Lager gewesen sein; für die II: Legion hatte offenbar das Lager Lake Farm die gleiche Bedeutung. Ob es auf dem Weg der anderen Legionen zu größeren Kämpfen kam, ist noch völlig offen; bis jetzt scheint nicht viel darauf hinzudeuten. Einiges könnte darauf hindeuten, dass zumindest die 9. Legion länger beschäftigt war: Sie ist frühestens um 46 in Lincoln; zudem wird sie in der Sekundärliteratur als eine Art „Hauslegion“ des Aulus Plautius gewertet, weil sie zuvor in dessen Provinz Pannonien lag.84 Plautius nahm aber 44 wahrscheinlich nicht am Triumph in Rom teil; vielleicht, weil er noch mit seiner Legion im Norden kämpfte und unabkömmlich war? Es erstaunt schon, dass die Berichte von Sueton und Cassius Dio über Claudius‘ Triumphzug einige Teilnehmer wie Galba und sogar Claudius Ehefrau Messalina namentlich erwähnen, Plautius als Oberbefehlshaber aber nicht. Spätestens bis 47 nach Christus scheinen die Römer aber ihre ersten Eroberungen abgeschlossen zu haben; die neugeschaffene Provinz scheint vorerst befriedet zu sein. Aulus Plautius kehrt nach Rom zurück und macht Platz für seinen Nachfolger Publius Ostorius Scapula –wie bereits dargestellt, belohnte ihn Claudius bei seiner Rückkehr mit einem kleinen Triumph.
Die neue Provinz Britannien
Im Jahr 47 kehrt Plautius also nach Rom zurück und hinterlässt die neue Provinz Britannien. Fest steht: Nicht ganz Britannien, sondern zunächst nur etwa ein Drittel ist zu diesem Zeitpunkt von den Römern besetzt. Die (allerdings noch diskutierte) Anlage einer Verteidigungslinie um den Fosse Way und die kurzfristige Einstellung der Kämpfe legt nahe, dass es zur Zeit des Claudius noch nicht beabsichtigt war, die ganze Provinz zu erobern. Vielmehr scheint die Eroberung des staatsähnlichen und mächtigen Territoriums der Trinovanten und Catuvellauner das Hauptziel der Operationen gewesen zu sein. Der Claudius-Bogen aus dem Jahr 52 nennt 11 Könige, die sich ihm unterwarfen.85 Als später die Civitates, die Gemeindebezirke angelegt werden, liegen zufällig genau elf im Bereich der mutmaßlichen claudischen Eroberungen: die der Corieltauvier (auch Coritaner), Icener, Catuvellauner, Trinovanten, Dobunner, Atrebaten, Belger, Regner, Cantiacen, Durotriger und Dumnonen.86 Diese Stämme siedelten auf fruchtbarem, flachem Land im Süden und Südosten Englands. Dort, wo sich geographische Hindernisse auftaten, machten die Römer halt – vor den Highlands in Wales und Mittelengland, ebenso entlang der Flüsse Severn und Trent.
In der ersten Phase einer Provinz versuchten die Römer, das eroberte Gebiet militärisch zu sichern. Eckpfeiler in Britannien bildeten die Legionslager Isca/Exeter(?), Lindum/Lincoln, Mancetter oder Leicester (?) sowie Camulodunum/Colchester. Allerdings sind diese Positionierungen unter neueren Autoren umstritten.87 Sicher ist: Drei der vier Legionen, die 2., die 14., und die 9. lagen entlang einer diagonalen Linie, die durch die prähistorische Straße des „Fosse Way“ gebildet wurde. Exeter bildete den südlichen, Lincoln den nördlichen Ausgangspunkt der Straße. Einerseits waren die Truppen an der Grenze der Provinz stationiert, so dass von hier aus leicht weitere Aktionen gegen Feinde unternommen werden konnten. Zweitens befanden sich immer beschiffbare Flüsse in der Nähe. Das Straßennetz wurde von den Legionären erst ausgebaut, und außerdem spielte trotz gepflasterter und gut befahrbarer Trassen der Verkehr auf den Binnengewässern stets die größere Rolle, da Güter leichter, kostengünstiger und in größerem Umfang transportiert werden konnten als mit Karren.88 Die 20. Legion war dagegen weit im Hinterland in Camulodunum stationiert. Sie sollte offenbar die Trinovanten und Catuvellauner als mächtigste gegnerische Völker kontrollieren. Links und rechts des Fosse Way lagen weitere, zusätzliche Kastelle der Hilfstruppen, im Abstand von einem Tagesmarsch. Sie bildeten eine lockere Verteidigungslinie. Dies klingt einerseits wahrscheinlich, entspringt vor allem aber den Lehrmeinungen der Forscher des 20. Jahrhunderts, die sich dazu von den späteren „Limites“ wie dem Hadrianswall haben inspirieren lassen.89 Allerdings gibt es auch hierzu aus den letzten Jahren neue Ansichten. Nach einer Karte aus dem Buch „Römische Kastelle“ von Anne Johnson konzentrieren sich die Kastelle aus claudischer Zeit in bestimmten Gebieten. Acht davon liegen im Gebiet der Corieltauner; acht rund um Camulodunum/Colchester und Verulamium/St. Albans herum; vier im im Gebiet der Durotriger; und nur drei entlang des mittleren Teils des Fosse Way.90 Daraus scheint man schließen zu können, dass die Militärpräsenz besonders im Bereich kriegerischer und starker Stämme erhöht wurde. Dagegen wurde in den Königreichen der verbündeten Atrebaten und Icener bis auf Häfen an der Kanalküste keine Kastelle angelegt. So verlockend diese Idee ist, muss man doch hinzufügen dass die militärische Frühphase Britanniens noch nicht ausreichend erforscht ist. Sicher gibt es noch weitere Lager, die noch nicht ausgegraben wurden; und auch die Unterscheidung der Kastelle, die nach der Invasion gebaut worden und den Lagern aus dem Boudicca-Aufstand fällt schwer.
Eine radikal andere Ansicht vertritt Milett. Ihm zufolge gab es zur Zeit des Claudius keine festen Grenzen; Lager wurden entweder als Unterkunft für die jeweilige Einheit oder als Basis für einen Feldzug angelegt. Dafür spricht, dass zwei der vier Legionen schon 47 für die Kämpfe nach Wales herangezogen wurden, später noch die Legion aus Camulodunum.91 Milett schreibt: „A critical analysis of the evidence of forts along the line of the supply road known as Fosse way supports neither the idea of any regular spacing nor any contemporaneity of foundation for those that lie on this line.“ 92
Dies würde aber wieder dafür sprechen, dass die Eroberung in der Statthalterschaft des Plautius eben doch noch nicht als abgeschlossen betrachtet wurde. Spinnt man diese Theorie weiter, wurde sein Nachfolger Scapula vielleicht sogar damit beauftragt, Wales zu erobern.
Die römischen Truppen wurden zu dieser Zeit in Lagern aus Holz- und Rasensoden untergebracht. Die Legionäre hatten nicht nur militärische Aufgaben, sondern erschlossen in einer neuen Provinz auch die Infrastruktur. Straßen oder öffentliche Gebäude wurden in den Grenzprovinzen des Reiches vor allem von den Legionären errichtet, wie zahlreiche Inschriften aus Germanien und Britannien zeigen. Hauptaufgabe in dieser frühen Phase war wahrscheinlich der Straßenbau. Die wichtigsten Verbindungen neben dem Fosse Way waren die Watling Street (führt von Richborough ins Landesinnere, bis sie bei Leicester auf den Fosse Way stößt) und die Ermine Street (von London in Richtung des Tynes). Diese vorgeschichtlichen Wege wurden von den Soldaten gepflastert und zu breiten Straßen ausgebaut.
Recht früh bekam Britannien wohl auch schon eine Provinzverwaltung. In Londonium war der Finanzstatthalter (Procurator augusti) untergebracht, dessen Hauptaufgabe die Eintreibung der Steuern war. Camulodunum wurde Sitz des „Legatus augusti pro praetore“. Ihm waren die Legionen unterstellt.93 Außerdem beauftragte er Baumassnahmen, sprach Recht unter den römischen Bürgern und kümmerte sich um die Beziehungen zu den Klientelkönigen, lateinisch oft als „socii“ bezeichnet. Die römische Provinz umfasste nämlich zwei halbautonome Königreiche von Verbündeten: dass der Icener in Essex/East Anglia und das der Regner und Atrebaten um Silchester und Fishbourne. Der König der Regner zur claudischen Zeit ist namentlich bekannt: er hieß Cogidubnus. Er wurde sehr alt (Tod vermutlich um 80 nach Christus); Reste eines großen Palastes bei Fishbourne sind ihm zuzuschreiben. Cogidubnus erhielt von den Römern den Ehrentitel „Rex Magnus“ und nahm sogar die Vornamen des Kaisers „Tiberius Claudius“ an – Dank der Römer für seine Loyalität?94 Nach seinem Tod scheint sein Territorium mit der Hauptstadt Calleva/Silchester an die Römer vererbt worden sein. Mit den anderen „socii“, den Icenern und später den Briganten, gab es noch unter Claudius Schwierigkeiten: Beide revoltierten gegen die römische Herrschaft, wofür eventuell die römische Wirtschaftspolitik verantwortlich zu machen ist. Die Britonen kannten kein den Römern vergleichbares Geldsystem. Nachdem die Römer ihre Währung einführten, lag die ganze Kaufkraft bei ihren Soldaten und Händlern. Die Einheimischen dagegen wurden besteuert, auch die Icener, und mussten sehr viele Waren verkaufen, um die in Münzen abzuführenden Steuern zahlen zu können. Auch die Gründung der Kolonie Camulodunum, für die zugunsten der römischen Bürger sicher einheimisches Land enteignet wurde, dürfte für Unmut gesorgt haben.
Über die Zivilbevölkerung der frühen Provinz lassen sich wenig Aussagen treffen. Immerhin lässt sich schon unter Claudius eine Konzentration in den Städten feststellen, die zurzeit der Britonen dünner besiedelt waren. 49 nach Christus wurde Camulodunum zur „Colonia“ ernannt.95 Diese „ coloniae“ waren Zentren der Romanisierung der Provinz. Römische Bürger erhielten das Recht, sich im alten Herrschaftssitz der Trinovanten anzusiedeln. Die Römer überbauten in Camulodunum alte Anlagen; so wurde über dem alten Stammesheiligtum ein Claudius-Tempel errichtet.96 Aus vielen Coloniae sind reiche Häuser bekannt; sie waren Orte des Handels und öffentlicher Prachtbauten. Jede Colonia besaß öffentliche Thermen, dazu meistens noch ein Amphitheater, ein Bühnentheater, ein Forum (Markt) und ein Kapitol, in dem die wichtigsten Reichsgottheiten Jupiter, Mars und Minerva verehrt wurden. Als einzige Städte durften sie im 1. Jahrhundert Befestigungsmauern errichten. Aus der claudischen Phase dürfte in Camulodunum nur das Kapitol stammen. Einen etwas niedrigeren Rechtsstatus hatten die Municipia, in denen meist Einheimische, die römische Bürger waren, mit geringerem Bürgerrecht lebten. Londonium war wohl so eine Stadt, ganz sicher aber Verulamium. In Verulamium sind Wohngebäude aus claudischer Zeit bekannt. Sie waren aus Holz. Ältere Hausgrundrisse legen nahe, dass sie nicht von den Einheimischen errichtet wurden, die in kleinen Rundhütten aus Lehm und Rasensoden lebten. Vielmehr scheinen die römischen Häuser von der Armee, die einen Stützpunkt in Verulamium unterhielt, errichtet worden zu sein.97 Die Römer knüpften bei der Auswahl der Siedlungsplätze weitgehend an ältere, bedeutende Stammessiedlungen an. Allerdings mussten anscheinend die befestigten „Oppida“ verlassen werden; die römischen Städte wurden dann in unmittelbarer Nähe angelegt.98 Wie in Verulamium, so geht auch in Durovernum Cantiacorum/Canterbury die Straßenplanung auf claudische Zeit zurück.99 Vermutlich strömte erst ab 49, mit der Erhebung Camulodunums zur Kolonie, die Bevölkerung in die Städte. Mit Sicherheit wurden die grundsätzlichen Bedingungen dazu aber schon unter Plautius getroffen. Im Zuge des Boudicca-Aufstands wurden Verulamium, Camulodunum und viele andere Städte wieder zerstört. Daher begann die „echte“ Romanisierung erst unter den Flaviern ab 70 nach Christus.100 Immerhin scheinen schon unter Claudius und Nerosehr viele Bürger in den Orten gelebt zu haben, wie die – wenn auch sicherlich übertriebene – Angabe der Verluste von 70 000 zivilen Toten bei Tacitus während des Boudicca-Aufstands andeutet.
Bleibarren mit Inschriften deuten dagegen daraufhin, dass schon kurz nach der Eroberung die Bodenschätze der Insel von den Römern ausgebeutet wurden.101
Die Eroberung Britanniens und ihre Konsequenzen – Ein
Claudius feierte seinen Sieg über die Britannier als gewaltigen Erfolg. Ohne Verluste habe er elf Könige der Britannier unterworfen und die Stämme jenseits des Ozeans in seine Gewalt gebracht. Doch was für eine Provinz hatte er da geschaffen?
Die ganze Insel wurde von Aulus Plautius nicht eingenommen – bei weitem nicht. Dennoch war den Römern ein entscheidender Sieg gelungen – der zweite Versuch einer solch gewaltigen Landung nach der letzten Expedition Caesars war gelungen; eine Provinz konnte gegründet werden. Die Strategie, mit Hilfe verbündeter Stämme die Trinovanten und Catuvellauner auszuschalten, ging auf. 47 nach Christus schien Britannien befriedet zu sein. Doch diese Harmonie währte nur kurz. Im gleichen Jahr, in dem Plautius nach erfolgreicher Arbeit nach Rom zurückkehrte, kam es zum Konflikt mit den mächtigen und kriegerischen Stämmen aus Wales – den Siluren, Ordovizern und Deceangeln. Caratacus, der Trinovanten-König, war dorthin geflüchtet und führte als Feldherr die Siluren an. Zuvor musste Scapula bereits einen Aufstand der verbündeten Icener niederschlagen. Ob der Krieg in Wales ein geplanter römischer Feldzug oder eine Reaktion auf Angriffe der Waliser war, soll hier nicht diskutiert werden. Er war auf jeden Fall ein Anzeichen dafür, dass das politische Konzept für Britannien nicht aufging, und sollte den Auftakt für eine Jahrzehnte währende Folge von Kriegen und Revolten bilden. Nach dem Krieg in Wales erhoben sich 52 nach Christus die Briganten, dann die Icener- beides eigentlich Verbündete des Reiches. Die Niederschlagung der Revolte sollte bis 70 nach Christus dauern; dabei wurde die junge Provinz mindestens einmal fast völlig verheert. So kann man sich fragen, ob es sich wirklich gelohnt hat, die ferne Insel am anderen Ende der Welt zu erobern. Immerhin wurden vier Legionen – ein Sechstel der römischen Kerntruppen – für die Invasion gebraucht. Wirtschaftlich waren die Römer nicht auf den Besitz der Insel angewiesen. Außer Metallen brachte sie auch nicht viel ein. Ein Angriff britischer Stämme aufs Festland drohte auch nicht; zu einer Invasion Galliens wären sie wohl kaum in der Lage gewesen.
Dem Image von Kaiser Claudius hat die Invasion dagegen sehr wohl genutzt. Sein Prestige als Feldherr war gesichert: Er hatte die gewaltigste militärische Operation seit den Germanenkriegen des Augustus zumindest 16 Tage lang angeführt und war erfolgreich gewesen. Indirekt hatte er dadurch sogar Caesar übertroffen, dem es nicht gelang, die Insel einzunehmen. Das beeindruckte die Römer sicher – schließlich war Caesar für alle Kaiser eine Art Vorbild.
Zum zweiten konnte Claudius seinen Erfolg deshalb so überragend darstellen, weil es sich bei Britannien um die „alter orbis“ handelte – die ferne Insel im Ozean, die eigentlich schon nicht mehr zur bekannten Welt gehörte. Bedeutende Politiker wie Plautius, Vespasian oder Galba waren an der Invasion beteiligt. Sicher nützte es auch dem von seiner Familie stets ignorierten und belächelten Kaiser, wenn er diese wichtigen Persönlichkeiten, die aber zum Teil wie Vespasian keine Hochadligen waren, in den Triumph einschloss. Ohnehin erscheint Claudius (oder zumindest seine Berater) aus heutiger Warte als geschickter Propagandist: schon bei seinem Triumph überging er die Tatsache, dass währenddessen in Britannien noch gekämpft wurde. auch scheint danach das Thema Britannien politisch erledigt beziehungsweise nur noch von Interesse für sein Image gewesen zu sein. Er hielt sich dort nicht mehr auf und schickte nicht einmal weitere Verstärkungen, als es zu den Aufständen kam. Zugute kam ihm, dass das römische Reich selten so ungefährdet war wie in der Mitte des 1. Jahrhunderts. Unter seiner Herrschaft wurde zwar an den Grenzen rund um das Reich Krieg geführt, in Mauretanien, im Nahen Osten und in Germanien.102 Dabei handelte es sich jedoch durchweg um kleinere Konflikte, die das Innere des Imperiums nicht ernsthaft gefährdeten.
So bedeutete der Britannien-Feldzug für das Reich trotz des neuartigen Problems einer großen amphibischen Invasion in der stürmischen Nordsee ein kalkulierbares militärisches Risiko; dennoch war er bedächtig geplant. Vieles spricht also tatsächlich dafür, dass es vor allem innenpolitische Erwägungen waren, nach denen Claudius Britannien eroberte.
Schwierig einzuschätzen ist heute der Verlauf des Feldzuges und die Frühphase der Romanisierung. Die Quellenlage ist dürftig. In den erhaltenen Passagen berichten weder Tacitus noch Cassius Dio detailliert über die Eroberung der Insel; Sueton scheint sie gar komplett für nebensächlich zu halten: „Claudius unternahm nur einen Feldzug und der war nicht eben bedeutend.“ 103 Für die Zeit unmittelbar nach der Eroberung finden sich in der Literatur nur wenige Hinweise; schade, dass sich das entsprechende Buch der „Annalen“ des Tacitus für diesen Zeitraum nicht erhalten hat. Auch die Archäologie vermag noch nicht, bessere Auskünfte zu geben. Dass zeigt auch die aktuelle Debatte in England um die Landeplätze der claudischen Armee. Die Invasion ist archäologisch bei weitem nicht so gut dokumentiert wie etwa die Germanenkriege des Augustus.104 Hypothesen spielen daher in der Forschung hierzu eine große Rolle; schon kleinere Neufunde von Gebäuden oder auch nur entsprechenden Legionärswaffen können Theorien schaffen oder umstürzen, wie die aktuelle Diskussion um den Landeplatz bei Fishbourne zeigt. Es bleibt letztendlich nur der Vergleich mit anderen, besser belegten Unternehmungen aus der frühen Kaiserzeit. Hier sind vor allem die Germanenkriege und die Eroberung des Alpenraums unter Augustus zu nennen. Sicher haben die Erfahrungen der über einen Zeitraum von fast 30 Jahren andauernden, verlustreichen und letztendlich ergebnislosen Feldzüge in Germanien noch die Überlegungen von Claudius und seinen Feldherren geprägt. Wie bereits erwähnt, liess er Rhein und Donau genau in der Zeit der Invasion mit Kastellketten sichern – die erste frühe Militärgrenze, die später zum gängigen Defensivkonzept an allen Grenzen des Reiches werden sollte. Zudem scheinen die römischen Feldherren auch in Britannien bedächtiger gewesen sein. Nachdem sich die Römer letztendlich bei dem Versuch verhoben hatten, in Germanien ein riesiges Gebiet bis zur Elbe zu erobern, deutet die Invasion in Britannien an, dass sie nun vorsichtiger vorgingen und sich zunächst mit der Kontrolle des wirtschaftlich, politisch und verkehrstechnisch wichtigeren Territoriums begnügten, anstelle einen Konflikt mit den Highland-Stämmen im unbekannten Gelände zu suchen. Rein militärisch betrachtet, verlief das Konzept auch sehr erfolgreich – die Quellen deuten an, dass die ersten Siege nicht besonders schwer fielen. Wirtschaftlich gesehen, hat Britannien aber wohl keine besondere Attraktivität auf römische Siedler ausgeübt. Auch wenn es einige bedeutende Städte gab, blieb Camulodunum die einzige „Colonia“, also die einzige wirkliche „Stadt“ im römischen Sinne.
Im Falle der Eroberung Britanniens stellt sich aus heutiger Sicht fast zwingend die Frage, ob die Invasion der Insel sinnvoll gewesen ist. Heutige Politiker neigen dazu, dass es eines Rechtfertigungsgrundes bedarf, um einen Krieg zu beginnen. Und der scheint im Fall des Feldzugs von 43 nicht gegeben: Die Britonen bedrohten nicht oder allenfalls höchst indirekt durch die Aufnahme von Rebellen die „Pax Romana“. Dies war kein Feldzug, der die Grenzen des Reiches besser gesichert hätte. Der Besitz der Insel war wirtschaftlich nicht notwendig, und die Kosten für die Operation waren mit Sicherheit höher als die Kriegsbeute. Dass Claudius Prestige durch den Feldzug gesteigert wurde, war für das römische System zwar indirekt ein wichtiger Punkt: Da der Kaiser die volle Befehlsgewalt und absolute Macht hatte, war seine uneingeschränkte Autorität wichtig für die innere Sicherheit des Reiches. Im römischen Reich traten immer wieder Krisen nach dem Tod „schwacher“ Kaiser auf, etwa nach dem von Nero 68 oder dem von Commodus im Jahr 192. In solchen Fällen versuchten ehrgeizige Politiker und Militärs das Machtvakuum zu füllen und selbst Kaiser zu werden, was gleichbedeutend mit Bürgerkriegen war. Aber auch dieses Argument mag die Eroberung Britanniens für uns nicht befriedigend zu erklären. Vielleicht war es wirklich so, wie Dudley und Webster vermuteten: Das Reich, das zur Zeit des Claudius keine starken äußeren Feinde, keine wirtschaftliche Konkurrenz, keine strukturellen Probleme wie Inflation oder Arbeitslosigkeit hatte, bedurfte aufgrund seiner fast absoluten Machtstellung in der antiken Welt keiner Rechtfertigungsgründe: Wenn der Kaiser einen Feldzug entschied, wurde dieser auch ausgeführt. Zwar gibt es hierzu in der Geschichtsschreibung durchaus kritische Anmerkungen; aber selbst bei Tacitus, der die imperiale Außenpolitik gut durchschaute, wirkt diese Kritik verhalten.
Verwendete Literatur
Antike Autoren
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Salway, Pete: History of Roman Britain, Oxford 1997.
Internet
www.imperiumromanum.com, Seite von Peter Lichtenberger, Stand 27. August 2003
http://members.tripod.com/~Battle_of_Hastings/Hastings.htm, 20. Januar 2003
www.info-antike.de, 19. Januar 2003
www.lateinservice.de, 16. Oktober 2003
www.livius.org,13. Oktober 2003, von Jona Lendering
www.sussexpast.co.uk von der Sussex Archaeological Society, 2000
www.sussexpastshop.co.uk. von der Sussex Archaeological Society, 2000
[...]
1 Zahlen von der Internet-Seite http://members.tripod.com/~Battle_of_Hastings/Hastings.htm
2 zu Mela: siehe Auszug in Brodersen, Kai: Das römische Britannien, Darmstadt 1998, S. 79/80.
3 Daten zu Dio von der Internet-Seite http://www.info-antike.de/quell.htm
4 Daten zu Tacitus und seinen Werken von der Internet-Seite http://www.lateinservice.de/referate/inhalt/tacitusref.htm
5 Über Sueton und sein Werk: Einführung von Franz Schön in: C. Suetonius Tranquillus, Sämtliche erhaltene Werke, Essen 1987, S. XI – XL.
6 Jones/Mattingly: An atlas of Roman Britain, Oxford 1990, S. 18. Anhand von Karten werden die geografischen Vorstellungen antiker Autoren erläutert.
7 Martin Milett, The Romanization of Britain, Cambridge 1990, S. 44.
8 Cassius Dio, Buch 53, 25, 2
9 Zahl von der Internet-Seite http://www.livius.org/le-lh/legio/xiv_gemina.html
10 Res Gestae Divi Augustorum 32, in: Kai Brodersen: Das römische Britannien, S. 49
11 Münzstreuung siehe auf den Karten 3:7, 3:8 in Jones/Mattington: An atlas of Roman Britain, S. 52. Die Verteilung der Stämme innerhalb Englands ergibt sich aus der Karte 3:2 auf S. 43
12 Strabon, Geographie 4,5,3 C200, in: Brodersen, K.: Das römische Britannien, S. 48.
13 Tacitus, Annalen 11, 1,4: ...consilium coercendi intra fines imperii...; in Brodersen, K.: Das römische Britannien, S. 54
14 Sueton: Caligula 50, 16: „Seine Geisteskrankheit hatte auch er selbst wahrgenommen, und er dachte wiederholt daran, sich irgendwohin zurückzuziehen und eine Kur zu machen.“
15 Zitat http://www.imperiumromanum.com/personen/kaiser/gaius_07.htm
16 Textstelle bei Cassius Dio: Buch 59,25,3; bei Sueton: Caligula 46.
17 Bicknell, Peter: The emperor Gaius‘ military activities in A.D. 40. Historia 17 (1968), S.505: „I imagine that in the early months of 40 the army of the Lower Rhine, in the presence of the emperor, carried out minor operations against the Canninefates from the insula Batavorum.“ Bicknells Theorie wird durch einige neuere Funde an der niederländischen Küste gestützt.
18 Zu den Verdiensten des Claudius siehe die Internetseite http://www.imperiumromanum.com/personen/kaiser/claudius_06.htm
19 siehe hierzu auch Cornell, Tim/Matthews, John: Weltatlas der alten Kulturen: Rom, München 1982, S. 78: „Man kann sich die Vorliebe für Freigelassene damit erklären, dass Claudius keinerlei eigene Machtgrundlage im Senat oder in Palastkreisen besaß. Als er ... zum Kaiser ausgerufen wurde, diskutierte der Senat gerade über eine Wiederherstellung der Republik und war über sein Auftauchen wenig beglückt.“
20 Jones/Mattingly: An atlas of Roman Britain, Karte 3:7, S. 52
21 Cassius Dio, Buch 60, 19, 1-2)
22 Sueton, Claudius, 13.
23 Dudley, Donald R./Webster, Graham: The Conquest of Roman Britain, London 1965, S. 40/41. Ihnen zufolge hätte sich ein Konflikt zwischen romfreundlichen Füsten und den Söhnen des Cunobelinus, Caratacus und Togodumnus entsponnen, der mindestens im Jahr der Flucht des Adminius 39 nach Christus begonnen hätte.
24 Dudley/Webster: The Conquest of Roman Britain, S. 51.
25 Die teilnehmenden Legionen sind entnommen aus Dudley/Webster: The Conquest of Roman Britain, S.16. Dafür, dass die 8. Legion an der gallischen Küste in Reserve stand, gibt es noch keinen Beweis. Es wird für möglich gehalten, weil sie ihren Standort Poetovio in Pannonien verließ und erst 44 in Novum/Mösien auftaucht. Sieher hierzu http://www.livius.org/le-lh/legio/viii_augusta.html.
26 Dudley/Webster: The conquest of Roman Britain, S. 16.
27 In Baatz/Hermann: Die Römer in Hessen, Stuttgart 1982, S. 65. Dort heißt es: „Die Invasion Britanniens hatte auf das Rheinheer erhebliche Auswirkungen. Die Zahl der Legionen wurde wieder auf acht reduziert, die Truppen neu verteilt.“ Die Errichtung einer Grenzlinie an der Donau hängt allerdings wohl auch mit der Gründung der Provinz Rätien zusammen, siehe Filtzinger/Planck/Kämmerer: Die Römer in Baden-Württemberg, Stuttgart 1986, S. 41-42-
28 Etwa Aufstand der Friesen um 28 n. Christus, Chattenfeldzug Galbas 41 n. Christus oder Krieg gegen die Chauken um 47 n. Christus. Siehe hierzu Horn (Hrsg.): Die Römer in Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 1987, S. 56 – 57, und Baatz/Herrmann: Die Römer in Hessen, S. 63.
29 Ob Galba in Britannien war ist nicht sicher. Dudley/Webster interpretieren eine Textstelle bei Sueton in ihrem Buch „The Roman conquest of Britain“ dahingehend, dass Galba als Berater den Kaiser nach Britannien begleitete. Vespasian ist durch Sueton und Dio als Feldherr in Britannien bezeugt. Sabinus und Geta tauchen ebenfalls bei Dio auf.
30 Zur Flotte siehe Dudley/Webster: The Roman conquest of Britain, S. 28/29. Die Zahl der Schiffe und deren Aussehen beziehen die Autoren auf eine Stelle bei Tacitus, in
31 nach Zeittafel aus Herm, Gerhard: Die Kelten, Hamburg 1977, S. 248.
32 Jones/Mattingly postulieren in „An atlas of Roman Britain“, dass unter den britonischen Stämmen an der Südküste im frühen 1. Jahrhundert nach Christus ein Urbanisierungsprozess einsetzte. Siehe An atlas of Roman Britain, S. 46 – 50-
33 Die ersten Münzen mit lateinischer Inschrift tauchten unter Commius auf, der einst vor Caesar aus Gallien floh und die Atrebaten beherrschte. Die Münzen tauchen also bereits vor der Zeitenwende auf, bleiben aber auf den Südosten Englands beschränkt. Jones/Mattingly: An atlas of Roman Britain, S. 50.
34 Haversfield, The Romanization of Roman Britain, S. 74.
35 Dudley/Webster: The conquest of Roman Britain, S. 44.
36 ebendort, S.50.
37 Die Dobunner saßen im Westen in der Gegend von Bristol und werden bei Cassius Dio, wohl fälschlich, als „Bodunner“ bezeichnet. Die Durotriger saßen im Südwesten; sie wurden 43/44 von Vespasian bekämpft.
38 Über die Cantiacen ist in den antiken Quellen nichts zu finden; sie könnten Verbündete gewesen sein, da die Landung der Römer im Kent nicht behindert wurde. Die Coritaner könnten in einer zweiten Phase der Eroberung von den Römern bekriegt worden sein; das große Lager Longthorpe aus claudischer Zeit liegt genau an ihrer Stammesgrenze. Aber auch hierfür gibt es noch keine Beweise.
39 Cassius Dio, 60,19,2-4
40 Erstes Zitat aus Horaz, Carmina 1,35,29-30; zweites Zitat aus Horaz, Carmina 4,14,47-48). Beide in: Brodersen. Das römische Britannien, S. 50/51.
41 siehe hierzu den in Dudley/Webster: The Roman conquest of Britain auf S.83 zitierten Lobgesang auf Claudius.
42 Cassius Dio, 60, 19,4
43 siehe http://www.sussexpastshop.co.uk/subcatlist.asp?Category_ID=16&MajCatID=2 und http://www.sussexpast.co.uk/ad43kent.htm. Manley zielt in seinem Buch auf die schwierige archäologische Quellenlage ab und hält eine Landung in Fishbourne für genau so wahrscheinlich wie eine in Richborough.
44 siehe Kommentare von Nigel Nicolson und Brian Philp auf http://www.sussexpast.co.uk/ad43kent.htm.
45 Dudley/Webster: The Roman Conquest of Britain, S. 62.
46 Sueton, Galba, 7,3
47 Cassius Dio, Buch 60,20,2
48 Dudley/Webster: The Roman Conquest of Britain, S. 67
49 Schlachtbericht nach Cassius Dio, Buch 60, 20,2-4.
50 Dudley/Webster: The Roman Conquest of Britain,S.69.
51 Cassius Dio, Buch 60, 20,5
52 Dudley/Webster, The Roman Conquest of Britain, S.70/71.
53 Cassius Dio, Buch 60, 21,1
54 Dudley/Webster, The Roman Conquest of Britain, S. 71
55 Cassius Dio, Buch 60,21,3
56 Brodersen, Das römische Britannien, S. 64
57 Sueton, Claudius, 17,1
58 Cassius Dio, Buch 60,21,4
59 Dudley/Webster: The Roman Conquest of Britain, S.74-75 u. S. 78 -79
60 Cassius Dio, Buch 60,21,4
61 ebendort, 60,21,5 – 23,1
62 ebendort, 60,23,4-6
63 Abdruck einer Münze in Brodersen, Das römische Britannien, S.70. Die Vorderseite zeigt Claudius mit dem Lorbeerkranz, die Rückseite einen Triumphwagen und die Unterschrift „De Britannis.“
64 Den einzigen Hinweis auf diese Gedichte fand ich in Dudley/Webster, The Roman Conquest of Britain, S. 83.
65 Dudley/Webster, The Roman Conquest of Britain, S. 80. Im Jahr 29 feierte Augustus – damals noch als Octavian – den dreifachen Triumph über die Dalmatier, die Ägypter und Marcus Antonius.
66 ebendort, S. 83.
67 Brodersen, Das römische Britannien, S.70
68 Dudley/Webster, The Roman Conquest of Britain, S. 84 – 85.
69 Abschrift des Claudiusbogen in Brodersen, Das römische Britannien, S. 71.
70 Sueton, Claudius 24.
71 Tacitus,Agricola,14,1
72 Textstelle Melas über Britannien in Brodersen, Das römische Britannien, S. 79-80
73 Dudley/Webster, The Roman Conquest of Britain, Karte auf S.111.
74 ebendort S. 98 – 101.
75 ebendort, S. 97 – 98. Die Autoren verweisen auf die Belagerung einer germanischen Wallfestung, beschrieben durch Tacitus.
76 ebendort, S.104/105
77 Milett, The Romanization of Britain, S. 50
78 ebendort, S. 50
79 Die Anwesenheit der 20. Legion und einer Reitereinheit in Camulodunum/Colchester ist bezeugt durch zwei Soldatengrabsteine, die u.a. in Brodersen, Das römische Britannien, S.82 beschrieben werden. Laut Dudley/Webster, The Roman Conquest of Britain, S.112, wurden diese Steine währen der Boudicca-Revolte umgestürzt und zerbrochen, stammen also sehr wahrscheinlich aus claudischer Zeit.
80 hierzu ebenfalls Brodersen, Das römische Britannien, S. 82/83.
81 Hierzu gibt es verschiedene Ansichten. Brodersen (Das römische Britannien, S. 82) und Dudley/Webster (the Conquest of Roman Britain, S. 115) lokalisieren die 14. Legion schon früh in Wroxeter, S.S. Frere (Verulamium and the towns of Britain, S. 291) dagegen noch 47 in Leicester, während der holländische Historiker Jona Lendering vermutet, dass sie von 43 – 47 in Mancetter lag (http://www.livius.org/le-lh/legio/xiv_gemina.html)
82 Dudley/Webster, The Roman Conquest of Britain, S.115 (über Longthorpe) und S. 118 (Lincoln; sie vermuten die 9. Legion dort ab 46/47).
83 Millet, The Romanization of Britain, S.50.
84 siehe Dudley/Webster, The conquest of Roman Britain, S. 16, und Brodersen, Das römische Britannien, S.82.
85 Inschrift in Brodersen, Das römische Britannien, S.
86 Jones/Mattingly, An atlas of Roman Britain, S. 154. Die Karte 5:11 zeigt die Ausdehnung der Civitates. Diese Art Gemeindebezirke wurden fast immer nach den Volksgruppen benannt, die dort lebten.
87 Ganz sicher belegt in der Zeit von 43 – 47 waren wohl nur Camoludunum und Leicester. Zu der Diskussion über die Legionslager siehe Kapitel „Weitere Eroberungen unter Aulus Plautius“.
88 siehe hierzu Baatz/Herrmann, Die Römer in Hessen, S. 97: „Der Schiffstransport war weitaus günstiger als der Landtransport, je nach Größe des Schiffs betrugen die Kosten nur ein Zehntel bis ein Zwanzigstel der Landtransportkosten.“ Der Abschnitt beschäftigt sich mit römischer Wirtschaft in den Provinzen.
89 unter den Autoren, die die „Fosse Way“-Grenze völlig bestreiten siehe hierzu Milett, The Romanization of Britain, S. 55: „ First, the concept itself is anachronistic, as there is no evidence for any idea of fixed frontiers this early in the first century. the exceptation was for continued expansion by a mobile and victorious army.“
90 Anne Johnson, Römische Kastelle, Mainz 1987, Karte S. 263. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass diese Karte sich ausschließlich auf ergrabene und datierbare Kastelle bezieht.
91 Die 14. Legion sowie Teile der 2., später noch die 20.
92 Milett, The Romanization of Britain, S.55
93 Brodersen, Das römische Britannien, S.74
94 ebendort, S.77/78.
95 Dies erwähnt Tacitus in den Annalen 12, 32, 2. In: Brodersen, Das römische Britannien, S. 72.
96 Jones/Mattingly, An atlas of Roman Britain, S. 47.
97 S.S.Frere: Verulamium and the towns of Britain. In: ANRW II, 3, 1975, S.303
98 ebendort, S. 293
99 Jones/Mattingly, An atlas of Roman Britain, S. 155
100 S.S.Frere, Verulamium and the Towns of Britain. In: ANRW II, 3, S. 294
101 Brodersen, Das römische Britannien, S. 75/76. Danach seien Bleiminen in Cornwall mindestens ab 49 genutzt worden.
102 Annexion Mauretaniens 42, Feldzug gegen die germanischen Chauken 47, Kämpfe und Annexion Lyciens (Kleinasien )von 42 – 47, Kämpfe in Armenien 49.
103 Sueton, Claudius 17.
104 Neben zahlreichen Militärlagern ist mittlerweile auch das Schlachtfeld der Varusschlacht bekannt; außerdem existieren umfangreichere Berichte von Cassius Dio, Velleius Paterculus und vor allem Tacitus.
- Citation du texte
- Peter Maresch (Auteur), 2003, Die Eroberung Britanniens und die ersten Jahre der römischen Provinz von 43 - 47 nach Christus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108326
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