1. Einleitung
Am Anfang möchte wir das Verständnis der Kindheit, wie sie heute beschrieben und erklärt wird hier niederschreiben. Die Definition von „Kind“ lautet heute1:Der Mensch in der Alters- und Entwicklungsphase der Kindheit. Im allgemeinen unterscheidet man zwischen Neugebo- renem (Bis zum 10. Lebenstag), Säugling (1. Lebensjahr), Kleinkind (2. und 3. Lebensjahr), Kindergartenkind (4. bis 6. Lebensjahr) und Schulkind (7. bis 14. Lebensjahr). Die Kindheit wurde früher in andere Altersphasen aufgeteilt und dauerte vor allem nicht so lange wie heute. Hier noch ein kurzer Einwurf zu den verschiedenen Lebensabschnitten in der Kindheit früher. Die Kindheitsphasen, die im Mittelalter schon so aufgeteilt wurden, wur- den in den obersten Schichten der Gesellschaft immer noch so beibehalten. Mit sechs Jah- ren galten die Kinder schon als kleine Erwachsene und mit zehn kamen sie in die entspre- chenden Schulen oder mußten, je nach Schichtzugehörigkeit, zum Arbeiten gehen oder auf dem elterlichen Hof mitarbeiten was gleichzeitig das endgültige Ende ihrer Kindheit bedeute- te. Diese Phasen waren aufgeteilt in das Hätschelalter, dass mit drei bis vier Jahren zu Ende war, und dem Lernalter, dass nach Ansicht von Phlippe Ariès mit sieben Jahren dem Ende zuging, da Kinder bis zum siebenten Lebensjahr als unschuldig und rein angesehen wurden. Wenn man es genau nimmt war dieses Lernalter auch die Zwischenphase zwi- schen Kindheit und Erwachsenem.
Heute jedoch wird Kinderfreundlichkeit großgeschrieben...
In einigen Firmen wurden bzw. werden Kinderhorte für Kinder installiert, die noch zu jung sind für den Kindergarten. Somit können Alleinerziehende wieder arbeiten gehen und ihren Lebensstandard für sich und ihre Kinder erhöhen. Außerdem wird den Kindern hier schon früh Sozialisation vermittelt, welche über die engsten Familienmitglieder hinausgeht. Früher hingegen war es den Eltern egal, ob ihre Kinder alleine waren solange sie arbeite- ten. Die Kinder wurden teilweise auch gleich zum Arbeiten mitgenommen, da viele von ihnen bei der Arbeit mithelfen mußten. Sei es auf dem Feld oder in einer Fabrik zur Kinderarbeit als billige Arbeitskraft. Heutzutage ist sowohl die Kinderarbeit als auch das Kind ohne Auf- sicht mehrere Stunden alleine zu lassen durch Gesetze streng verboten worden. Heutzuta- ge wird auch für die Kinderbetreuung in vielerlei Hinsicht viel mehr getan. In öffentlichen Einkaufszentren zum Beispiel gibt es sogenannte „Kinderparadiese“ oder „Kinderkinos“, und fast alle Gasthäuser haben kleine, hauseigene Spielplätze.
Doch nicht nur die Arten der Betreuung werden immer vielseitiger, nein, auch die Spielsachen werden immer besser und die Sortimente werden erweitert.
...doch wie sieht die Wirklichkeit aus?
Gibt es „Kinderparadiese“ nicht nur deswegen, damit kaufkräftige Eltern länger „im Hause“ bleiben? Wollen Gasthausbesitzer mit ihren Spielplätzen nicht nur erreichen, dass andere Gäste nicht vom Geschrei der Kinder belästigt werden? Warum boomt der Spielzeugmarkt seit Jahrzehnten immer mehr? Haben Eltern immer weniger Zeit für ihre Kinder und füllt sich deshelb das Spielzeugregal?
All diese Fragen zur heutigen Kinderfreundlichkeit sind offen...
Eins ist jedoch sicher: Nie zu vor hatten Kinder eine so hohe Stellung in der Gesellschaft wie heutzutage. Und jeder von uns kennt so Redewendungen wie „Früher war alles anders“ oder „Früher hatten die Jungen noch Respekt vor dem Alter“. Tatsächlich war es früher ganz anders, bei den Lebensverhältnissen genau so wie in der Kindererziehung. Und über diese Kindheit in der früheren Zeit und den Unterschied durch die Entwicklung zu heute möchten wir nun schreiben.
1. Die Erziehung und die Stellung der Kinder innerhalb der Gesellschaft
1.1 vom 17. Jahrhundert bis heute
Es gibt verschiedene Meinungen darüber wie wohl die Kindheit und ihre Erziehung ausgesehen hat. Man kann allerdings nicht genau sagen, ob die Kinder nun glücklich oder unglücklich waren.
Eines jedoch ist sicher: Es gab zum Beispiel keine „typisch mittelalterliche Kindheit“2, sondern es kam darauf an, aus welchem Stand das Kind kam.
Der Adel und das Großbürgertum
Schule
Die Erziehung bei den Adligen und dem Großbürgertum veränderte sich zum vorigen Jahr- hundert nicht. Es änderte sich langsam nur bei den Kindern etwas, für die ein Schulbesuch gezahlt werden konnte. In erster Linie ist es nämlich den Schulen zu verdanken, dass sich für diese Kinder die Kindheit verlängerte.
Das Hauptziel in der Schulen der damaligen Zeit war es jedoch noch nicht zu erziehen, es war dieser sogenannten Erziehungsanstalt auch gleichgültig, ob den Kindern Bildung über- mittelt wurde oder nicht. Zu dieser Zeit war das Bildungswesen noch nicht spezialisiert. Die- se Entwicklung sollte noch recht lange dauern. Es gab noch bis ins 18. Jahrhundert Schulen in deren Klassen entweder zehn- bis dreizehnjährige saßen oder fünfzehn- bis zwanzigjäh- rige3.
Die Kinder, deren Eltern es sich nicht bzw. nicht lange leisten konnten sie zur Schule zu schicken, mußten schon sehr bald wieder am Erwachsenenleben teilnehmen. So war es auch bei den Mädchen. Für sie war anfangs die „richtige Schule“ noch ver- schlossen. Sie mußten in Klosterschulen oder Pensionate, jedoch nicht solange wie die Jungen und auch nicht um ihnen viel Bildung oder Erziehung zu übermitteln. In diesen Klosterschulen vermittelte man ihnen auch keine allgemeine Dinge wie lesen und schreiben, sondern hier wurde nur Religion unterrichtet.
Was den Mädchen allerdings vom ersten Tag an beigebracht wurde war, dass sie sich schon sehr sehr bald wie kleine Erwachsene zu benehmen hätten. Sonst lehrte man ihnen nichts und man erzog sie auch in anderer Hinsicht nicht. Man kann sagen, dass die meisten Mädchen und Frauen damals Analphabetinnen waren4. Sie waren oft sogar weniger gebildet, als die Mädchen der unteren Schichten, da diese meist während ihres Berufes noch schreiben und lesen lernten5. Die Schulausbildung für die Mädchen tendierte erst lange Zeit später in die Richtung der heutigen Bildungsziele6.
Die Jungen der oberen Schichten hingegen durften das Schreiben und Lesen lernen. Sie mußten auf Internate oder Kadettenschulen, denn auf die Erziehung der Jungen wurde in den folgenden Jahren immer mehr Wert gelegt7. Sie galten schließlich als die Führung für die spätere Gesellschaft. In diesen Erziehungseinrichtungen wurden sie zu Ordnung und Disziplin erzogen und mußten sich total unterordnen, denn Strafe und Schläge standen dort ganz oben auf der Tagesordnung8.
Doch langsam aber sicher orientierte sich der Trend der Bildung, wie auch der der Erzie- hung (genauere Ausführung erfolgt später) der Kinder in Richtung die Richtung der Psycho- logie. Man fand heraus, dass es in der Erziehung nicht auf Gewalt gegen die Kinder, sondern auf Disziplin ankommt. Diese Disziplin sollte der „moralischen und geistigen Vervollkommnung“9 dienen und sie sollte nicht mit Gewalt erreicht werden. Dies war auch ein gewaltiger Fortschritt gegenüber den Schulen des Mittelalters zur Modernen Zeit. Die Schulen, die diese Disziplin nun einführten nannte man Kolleg.
Doch auch in diesen Bildungseinrichtungen war es noch kein einfaches Leben für die Schü- ler, denn die Lehrer hielten sie mehr und mehr unter Kontrolle. Die allgemeine Meinung war noch zu dieser Zeit, dass dies alles „für eine seriöse Erziehung“10 wichtig und nötig wäre. Beinahe zusammenhängend, möchte ich nun an dieser Stelle zur Erziehung übergehen.
Erziehung
Wie oben erwähnt, hatten die Kinder keine einfache Zeit in der Schule. Die Knaben taten sich auch in anderer Hinsicht sehr schwer, da sie von ihren Vätern keinerlei Zuneigung o- der Liebe erfuhren. Sie bekamen nur die Strenge des Vaters zu spüren und keine Zärtlich- keiten von seiner Seite aus. Auf die kindlichen Bedürfnisse wurde nie eingegangen, denn die Jungen sollten sich schließlich richtig männlich verhalten11. Deshalb galt es auch als selbstverständlich, dass die Kinder zum Militär gehen mußten. Aus diesem Grund durften sie auch nicht ihren Beruf frei auswählen, sondern sie wurden dazu gezwungen „in absolu- ter Anpassung an ein sehr eingeschränktes Denk- und Verhaltenssystem mit einem über- scharfen Ehrenkodex, aus dem es kein Entrinnen gibt“12 zu leben. Die Kinder sollten ein „aristokratisch-elitäres Wir-Gefühl“13 entwickeln. Die Kinder wurden schon sehr bald aus ihren eigenen Familien herausgerissen und mußten nun einer neuen „Familie“, dem Militär, angehören. Und hier wurde das Individuum der Jungen total vernachlässigt, sie waren schließlich nur einer von vielen anderen. Dies wurde durch die Uniform, die sie von Anfang an tragen mußten, noch mal zusätzlich verstärkt.
Also könnte man sich an dieser Stelle fragen, ob es die Kinder in den eigenen Familien nicht besser gehabt hätten? Dies ist ein Punkt über den man sich streiten kann, denn die Kinder wurden nicht von den Eltern erzogen, sondern von Ammen und anderen Bediensteten. Sie sahen ihre Eltern höchst selten, weil diese immer sehr distanziert von ihren Kindern gelebt haben14. Man hielt es für die Erziehung für äußerst wichtig, die Kinder von ihren Eltern et- was zu trennen. Ein gutes Beispiel hierfür ist, dass die Kinder während der Mahlzeiten nicht am gleichen Tisch wie die Eltern sitzen durften. Die Begründung zur damaligen Zeit war, dass die Kinder sonst zu arg verwöhnt werden würden: „Sie mögen anderswo essen, unter den Augen einer Erzieherin, die ihnen Reinlichkeit predigt und ihnen nichts durchgehen lässt [...] Schafft Euren Sohn weg und erweist Euch nicht als Amme; die Kleinen mögen [...] im Bedientenzimmer essen“15. Hier kam auch ein hartes Vorurteil gegenüber der Unterschicht auf: Die Kinder der Armen seien nämlich schlecht erzogen, aber nicht weil sie vernachläs- sigt wurden, sondern man sah es aus einem ganz anderen Blickwinkel. Die Oberschicht war der Meinung, dass die Kinder der Unterschicht verzogen seien, weil sie so sehr von den Eltern geliebt werden würden, da sie tun durften was sie wollten. Sie verdrehten also die ganze Sache. Aus diesem Grund bekamen die Kinder der Oberschicht nie irgendwelche Zuwendungen und Zärtlichkeiten von den Menschen, die sie gezeugt haben. Sie mußten sich deshalb oft ungeliebt und verstoßen vorgekommen sein. Denn sogar die meisten Am- men waren böse zu den Schwächsten unserer Gesellschaft. Sie bestraften die Kinder oft mit gemeinen Strafen, die sie sich ausdachten. Und die Kinder hatten keine Möglichkeit irgendwo Schutz und Geborgenheit zu bekommen. Sie lernten nie das Gefühl kennen, rich- tig von ganzem Herzen von jemanden geliebt zu werden16.
Doch nicht nur, dass die Kinder im Haus der Eltern isoliert wurden, ein sehr großer Teil wurde die ersten Jahre ihres Lebens auch zu Ammen auf das Land gebracht. In Paris wa- ren dies im Jahre 1780 etwa 17.000 von 21.000 geborenen Säuglingen. Bei diesen Reisen, die die Kleinen noch sehr schwach zurücklegen mußten, starben auch schon recht viele von ihnen17.
Erst später bekamen die Erwachsenen annähernd das nötige Verständnis für die Kinder. Da Kinder ja auch drollig und niedlich sein können, hatten die Erwachsenen irgendwann auch Spaß an ihnen gefunden, besonders die Frauen - meist die Ammen, Erzieherinnen und Mütter - fingen mit dem „Gehätschel“18 der Kinder an. Früher gehörten die Zärtlichkeiten gegenüber den Kindern zu den „unartikulierten Empfindungen“19. Daher gab es Anfangs auch richtige Gegner, die es nicht für richtig empfanden, dass Kinder jetzt diese Zuneigungen von Seiten der Erwachsenen bekamen. Diese ablehnende Haltung ist zur gleichen Zeit aufgekommnen, wie das „Liebhaben“ der Kinder.
Diese Liebkosungen bekamen die Kinder allerdings nur in den frühen Jahren ihres Lebens. Denn diese sogenannte Schwäche sollte den Kindern wegerzogen werden. Und dies wiederum, war auch wieder ein Zeichen für eine sehr kurze Kindheit.
Etwa zur gleichen Zeit entwickelte sich für die Wissenschaft und die Gesellschaft auch ein richtiges psychologisches Interesse an den Kindern. Man amüsierte sich nicht mehr nur über sie, sondern man begann sie und ihre Besonderheiten richtig zu erforschen. Nun be- mühte man sich endlich, „die kindliche Mentalität zu durchschauen, um die Erziehungs- Er- ziehungsmethoden dem kindlichen Niveau anzupassen“20. Unter anderem riefen Wissen- schaftler und Mediziner dazu auf, die Kinder zu erziehen und zu lieben. Es wurden sogar Bücher darüber geschrieben21. Man fühlte sich nun immer mehr den Kindern gegenüber verantwortlich. Dies lag aber auch an der Einstellung der späteren damaligen Zeit, dass Kinder wie Engel seien, die Gott im Himmel sehr nahe sind. Dies war die Entwicklung zu der Erziehung wie sie auch heute im großen und ganzen noch ist: Aus den Kindern sollten rechtschaffene und vernünftige Menschen werden.
Die Anfänge dieser Einsichten gingen auch von den Priestern, Moralisten und Juristen aus, die als Erste erkannt hatten, dass für die Kinder bisher zu wenig getan worden ist. Sie sa- hen die Kinder als schwache, unschuldige Geschöpfe, die sich nicht alleine wehren können, und die deshalb beschützt werden müssen. Außerdem sahen sie es als Pflicht den Kindern gegenüber, sie zu erziehen, dass sie richtig in die Gesellschaft hineinwachsen konnten22. Ab dem 18. Jahrhundert schaute man dann auch verstärkt nach der Hygiene und der Ge- sundheit, um die Kindersterblichkeit zu verringern, da die Wissenschaft nun auch langsam soweit war und erkannt hatte, dass diese auch mit den unhygienischen Lebensverhältnissen der Menschen zusammenhängt. Denn früher lebte man nach dem Motto „was nicht tötet, härtet ab“23. Es wurde nun mehr und mehr für die Schwächsten unserer Gesellschaft getan.
An dieser Stelle möchte ich einen kurzen Sprung in die Industrialisierung machen. Auf Grund der wirtschaftlichen Veränderungen in der Gesellschaft entwickelte sich die Großfa- milie langsam zu Eltern-Kind-Familien. Dies geschah, weil immer mehr Menschen in die Stadt zogen, um dort ihr Geld zu verdienen, da die Industrie immer mehr Arbeitsplätze an- bieten konnte. Also ging der Vater morgens aus dem Haus um zu arbeiten, und die Mutter hatte den Haushalt und die Kindererziehung zur Aufgabe. Daher hatte die Frau meist keine schulische Bildung und auch keinen Beruf erlernt. Eine neue Wende für die Kinder war auch, dass sie nun sogenannte Kinderstuben und immer mehr Spielzeug bekamen. Doch dazu mehr weiter hinten.
Die Arbeiterfamilie und Familien vom Land
In der Arbeiterfamilie sah es ganz anders aus. Die Männer mußten in der Industrie lange und hart arbeiten und auch die Frauen mußten den ganzen Tag in die Fabrik gehen, dass der Lebensunterhalt für die Familie einigermaßen gesichert werden konnte. Da auch die Mutter oft bis zu 12 Stunden am Tag schufften mußte, wurde die Kindererziehung und die Geborgenheit, die die Kinder eigentlich gebraucht hätten, sehr vernachlässigt. Die vielen Schwangerschaften, die die meisten Frauen durchmachten, waren dann noch eine zusätzli- che Belastung, da erstens die Frau in dieser Zeit nicht arbeiten konnte und zweitens oft von den komplizierten Entbindungen noch sehr geschwächt war.
Wiederum die Bauernfamilien waren auf viele Kinder angewiesen, damit genügend Arbeits- kräfte vorhanden waren. Hier galt auch noch wie im Mittelalter: der Nutzen für die Eltern bestimmte den Wert der Kinder24. Was den Eltern der damaligen Zeit heute oft vorgeworfen wird, ist, dass die Kinder ihnen ganz egal gewesen seien. Doch dies war nicht immer der Fall, nicht alle waren so herzlos, dass sie nicht um ihre Kinder weinten, wenn sie starben. Es gab auch Eltern für die es wirklich schlimm war ein Kind zu verlieren. Diese behandelten ihre Kinder durchaus liebevoll. Doch meist waren es eben die männlichen Erstgeborenen, zum Beispiel auf einem Bauernhof, die ganz besonders verhätschelt und gepflegt wurden, denn dieser sollte ja später den Hof übernehmen. Die Nachfolgenden Kinder wurden meist nicht ganz so liebevoll behandelt. Sie waren eben noch eine zusätzliche Arbeitskraft, mehr nicht25. Daher war es auch oft der Fall, dass es gegenüber den Kindern zu einer gewissen Gleichgültigkeit kam oder besser gesagt zu einer „traditionellen Gleichgültigkeit“26, was be- deutet, dass es den Eltern egal war, wie es ihren Kindern ergeht.
Die Erziehung der Kinder verlief nach dem „Hausvaterprinzip“27. Dies bedeutet, die Kinder haben vorgeschriebene Normen, Ordnungen und Lebensläufe und diese mußten sie vom Tag ihrer Geburt an erlernen. Dazu gehörte auch, dass sie keine „gefühlsmäßigen Bezie- hungen“28 eingehen durften, da dies zu dieser Zeit als schädlich für das Überleben der Familie galt. Aus diesem Grund ging das Verhältnis zwischen den Kindern und den Eltern nach dem sogenannten Hätschelalter zu einem Verhältnis der Arbeit über . Das Hätschelalter war mit drei bis vier Jahren zu Ende. Die Kinder dieser Zeit hatten aus diesem Grund nie die Gelegenheit ihre kindliche Entwicklung richtig auszuleben. „Die Eltern bestimmten, wie man sich zu verhalten hatte, und man mußte ihnen gehorchen, auch wenn sich das Gefühl dagegen sträubte“29. Nach der Konfirmation oder 2. Kommunion war die Kindheit dann endgültig zu Ende. An diesem Tag wurden die Kinder erstmals wie Erwachsene angekleidet, woran das Kindheitsende auch festgemacht wurde30.
Ein weiterer Schlag gegen die positive Entwicklung der Kinder war wohl auch die Industriali- sierung, denn in dieser Zeit zogen viele Menschen in die Stadt. Da man dort anfangs mit dem Bau von genügend Wohnungen nicht nachkam, mußten viele Familien eng gedrückt mit anderen fremden Familien zusammen wohnen. Dies war absolut schlecht für die Entwick- lung der Kinder. Verwahrlosung und Krankheitsübertragungen waren die Folge, viele Kinder starben. Die Familien hatten überhaupt kein Privatleben mehr und auch keine Geborgen- heit, und die Kinder fühlten sich heimatlos, weil sie nicht einmal ein eigenes Bett hatten, das sie ihr „Eigen“ nennen konnten.
Kinderarbeit - Kinderspielsachen
17. Jahrhundert bis 19. Jahrhundert
In diesem Kapitel werde ich über die Kinderarbeit, aber auch über die Spielsachen der Kin- der dieser Zeit schreiben. Was hier noch zu sagen wäre ist, dass dieses Kapitel auch sehr viel über die Erziehung durch beispielsweise die Spielsachen beschreibt. Dies ist jedoch alles sehr zusammenhängend und wird deshalb von mir in einem Kapitel behandelt. Die ersten richtigen Kinderstuben mit eigenen Möbeln und Spielsachen bekamen die Kin- der der oberen Schichten erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts. In der Biedermaierzeit wa- ren Kinderstuben auch noch recht selten, sogar beim Großbürgertum gab es, wenn über- haupt, nur ganz Kleine. Diese Kinderstuben entstanden aus dem Gedanken heraus, dass die Kinder mehr Verständnis und Zuwendung brauchen und eben diese sollten ein Zeichen hierfür sein31. Die Kinderstube war in manchen Häusern also dafür da, dass das Kind sein „eigenes Reich“ hat. Auf der anderen Seite waren diese Kindermöbel auch für die psychi- sche Sicherheit und der damit verbundenen Einengung32, was soviel bedeutet wie das die Kinder in diesen Kinderstuben vom Leben der Erwachsenen abgesondert und isoliert wur- den.
Bei der mittleren Bürgerschicht spielten die Kinder noch immer in den Wohnstuben des Hauses. Das war auch eine Art von Kontrolle über die Kinder, denn dort hielten sich nach Feierabend immer alle Mitglieder der Familie auf. Die Kinder sollten nämlich artig und folg- sam sein, das heißt sie sollten die Normen der Erwachsenen respektieren und vor allem die Trennung der Tätigkeiten der Geschlechter erlernen und nachahmen33. Der Vater und die Mutter stellten so die Rollenerwartungen an die Knaben und Mädchen vor. Die Mutter strick- te oder nähte zum Beispiel, solange der Vater die Zeitung laß. Bei den Kindern hingegen war es so, dass die Mädchen mit ihren Puppen und Puppenstuben spielten und die Jungen mit ihrem Baukasten.
Doch dieses Spielen in der Wohnstube diente nicht nur der Überwachung, sondern förderte auch ein intimeres Familienleben, da Abends alle im gleichen Raum versammelt waren. Doch nun zum Spielzeug an sich. Die sogenannten „primären Spielsachen“ haben wegen dem Wandel in der bürgerlichen Welt zugenommen. Das heißt, dass die Erwachsenen seit dieser Zeit die Kinder beschenkten und ihnen eben auch diese Kinderstuben einrichteten. Dieser Wandel wurde von Wissenschaftlern veranlasst. Sie stellten fest, dass Kinder so spielerisch in die Welt hineinwuchsen und so auch besser ihre Rollen für das späteren Le- ben erlernten. Somit waren Spielsachen „ein Zeichen einer vorlogischen Phase“34. In dieser Zeit wurde nun endlich erkannt, dass das Spielzeug wichtig für den „Sozialisationsprozess des Kindes“35 ist und es sollte auch bei der Erziehung helfen. Denn die Kinder imitierten im Spiel die Erwachsenen. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Puppenstuben der Mädchen. Sie sahen meist so echt aus wie richtige Häuser in Miniausgabe und die Mädchen sollten von klein auf Hausfrau spielen. Doch dazu später mehr.
Kinder konnten also nun, zumindest in den oberen Schichten, endlich ihre Kindheit ausleben und sich so auch besser entwickeln. Das Spielzeug war aber auch oft ein Ersatz für die Zärtlichkeiten, die den Kindern von niemandem entgegengebracht wurden. Die Mädchen lebten diese Bedürfnisse zum Beispiel an ihren Puppen aus.
Sogar beim Spielzeug wurden bei Mädchen und Jungen Unterschiede gemacht. Denn die Mädchen waren ja später „nur“ für den Haushalt und die Erziehung der Kinder zuständig und mußten aus diesem Grund ja auch keine anderen Fähigkeiten in ihr Leben als Erwach- sene mitnehmen. Aus diesem Grunde hatten die Mädchen keine große Auswahl in ihren Spielzeugkisten. Ich möchte an dieser Stelle ein paar der Spielsachen der Mädchen aufzäh- len:
>Puppen (die die späteren Aufgaben symbolisierten)
>Puppenwägen
>Puppenhäuser
>Puppenherd mit Kochgeschirr
>Nähmaschinen usw.
Wie hier auffällt hatte eigentlich alles mit Puppen zu tun. Die Mädchen wurden von klein auf in die Rolle der Mutter gesteckt, denn die Erwartungen an die spätere Frau und Mutter waren sehr hoch, jedoch sehr einseitig.
Die Jungen hingegen hatten in ihrem späteren Leben doch ein weiteres Feld an Aufgaben zu erfüllen und mußten als Mann später ja auch das „Geld ins Haus bringen“. Die Knaben bekamen deshalb Spielzeug mit denen sie ihre technischen und handwerklichen Fähigkeiten schon von klein auf üben und erlernen konnten. Hier einige Beispiele der Spielsachen der Knaben36:
>Uhrwerkseisenbahnen
>Dampfmaschinen
>Ankersteinbaukästen und andere Baukästen
>Trommeln
>Schaukel- und Steckenpferde
Später als die Industrie dann auch mit Stahl bzw. Blech arbeitete kamen dann die ersten Blechspielzeuge auf den Markt. Auch hierfür ein paar Beispiele:
>Hammerwerke
>Mühlen
>Eisenbahnen
>Karussells
Diese Sachen waren aber ausschließlich nur für die Jungen. Es wäre früher nie in Frage gekommen, dass die Mädchen mit den Spielsachen der Knaben gespielt hätten.
Als der Krieg gegen Frankreich gewonnen war, bekamen die Jungs noch Soldaten in ihr Spielreportoir. Sie sollten damit spielerisch denn Krieg „erlernen“. Auch die Knaben wurden damit von Anfang an in ihre Rollen gezwängt. Was bei diesem neuen Spielzeug im Gegen- satz zu den Baukästen noch zu sagen wäre, ist, dass bei sie diesem Spiel mit den Zinnsol- daten „zerstörten“, dies dann ja auch so lernten und als normal erachteten, währen sie bei den Baukästen lernten etwas aufzubauen. Die Knaben wurden also in gewisser Maßen zur Zerstörung von Dingen und auch anderen Menschen erzogen und fanden es deshalb spä- ter nicht mehr so schlimm wenn sie das in der Realität machten. Sie waren es ja nicht an- ders gewohnt.
Doch nicht alle Menschen der damaligen Zeit konnten sich Spielsachen mit einer guten Qualität leisten, denn wer hatte denn sonst genügend Geld für diesen Luxus als die Ober- schicht der Gesellschaft. Und dies waren gerade mal 20% der Bevölkerung37. Die Kinder der Mittel- und Unterschicht bekamen von ihren Eltern auch ab und zu etwas geschenkt, dies waren hingegen aber meist selber gebastelt oder gebaut. Allerdings hatten die Kinder der unteren Bevölkerungsschichten meist keine Zeit zum Spielen, da sie schon recht bald zum Arbeiten eingespannt wurden oder weil sie einfach keinen Platz in den engen Wohn- räumen der Familie hatten, um dies zu tun. Das die Kinder keine Zeit zum Spielen hatten lag auch oft daran, dass die Eltern wenig Interesse daran hatten, dass die Kinder spielen konn- ten, da ihnen die Entwicklung und auch Erziehung ihres Kindes ziemlich egal war. Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich eine „neue Einstellung zum Kind“38 mit neuen pädagogischen Einfällen. Dies äußerte sich so, dass mit den Kindern endlich ein intimeres Familienleben geführt wurde. Die Kinder bekamen nun die lang ersehnte Zärtlichkeit, Zunei- gung und Anerkennung, die sie schon längst gebraucht hätten. Zu diesem Zweck wurde dann auch Weihnachten „erfunden“ so wie wir es heutzutage auch kennen, damit die Kinder wenigstens an diesen Festen beschenkt werden. Dadurch wiederum boomte der Spiel- zeugmarkt mehr und mehr und deshalb mußte auch immer mehr hergestellt werden. Doch zur Produktion und den damit verbundenen Problemen etwas weiter hinten mehr. Zunächst möchte ich auf ein anderes Thema der damaligen Spielwelt eingehen: Ab dem 19. Jahrhundert entwickelten sich sehr viele Gesellschafts-, oder anders ausgedrückt, Brett- spiele. Die Kinder spielten dort meist unter sich und nicht mehr wie früher mit den Erwach- senen. Kinder mußten früher mit den Erwachsenen zusammen spielen, da sie schon als kleine Erwachsene galten (dies nur am Rande eine kleine Exkursion in die Vergangenheit).
Ab Anfang des 19. Jahrhunderts durften Kinder mehr und mehr Kind sein39. Doch wie es mit fast allen Spielsachen und Spielen eben war konnten nur die Kinder der oberen Schicht die- se Brettspiele nutzen. Als dann jedoch das Sozialistengesetz aufgehoben wurde, wurden auch staatliche Schulen eingerichtet und die Kinder spielten mehr wie früher auf der Straße und kamen so auch öfters in Kontakt mit den Kindern der anderen Schichten40. Wenn Kin- der der Mittel- oder Unterschicht nun auch dazu kamen bei diesen Spielen mitzumachen, fühlten sie sich mal wieder als Außenseiter, da sie nicht soviel Wissen in den Spielen, wie die Kinder der Oberschicht hatten. Bei diesen Spielen „entstand oft Leistungsdruck, Neid und Mogelei“41 zwischen den Kleinen und dadurch gab es immer sehr viel Streit zwischen den Kindern.
Neben all diesen pädagogischen und netten Brettspielen, kamen doch auch sehr bald Kriegsspiele hinzu, die dazu dienten irgendwelche Kriegsstrategien zu üben, um die Jungen für ihr späteres Leben zu trainieren. Diese Spiele sollten wohl „Spaß am Krieg“ vermitteln. Wie schon erwähnt, spielten die Kinder nun mehr und mehr auf der Straße und auch dort wurden von den Kindern selbst verschiedenste Spiele erfunden und an andere weitergegeben. Sie konnten dabei ihrer Phantasie freien Lauf lassen und selber entscheiden was gespielt wurde, keiner der Erwachsenen redete ihnen da hinein. Es waren Spiele, die teilweise bis in die heutige Zeit noch gespielt werden. Hier ein paar Beispiele42:
>Blindekuh
>Topfschlagen
>Hüpfspiele (wie zum Beispiel das Bekannte „Himmel und Hölle“)
>Murmeln
>Bockspringen usw.
Doch auch Dinge wie Drachen steigen lassen, Schlittenfahren oder Bogenschießen wurden in dieser Zeit sehr aktuell.
Diese großen Mengen an Spielsachen, die nun benötigt wurden (nochmals erwähnt: meist nur für die Oberschicht), wurden in der sogenannten „Heimarbeit“ hergestellt. Dadurch wur- de die Kinderarbeit in den Arbeiterfamilien immer mehr verstärkt, da die Familien jede Ar- beitskraft brauchte um zu überleben. Die Kinder mußten schon sehr früh bei der Arbeit mit- helfen und je ärmer die Familie war, desto früher mußten die Kinder auch arbeiten. Sie mußten teils kleine Lohnarbeiten, wie zum Beispiel Zeitungen austragen, verrichten und dann teils noch zusätzlich bei der Heimarbeit mithelfen. Aus diesen Gründen konnten die Kinder auch nur selten eine Schule besuchen43. Es war also ein ewiger Kreislauf, denn die Kinder konnten also nichts lernen und deshalb auch nicht mehr aus ihrem Leben machen wie die vorherige Generation.
1874 wurde zwar in der Sozialgesetzgebung ein Verbot von Nachtarbeit bei Kindern be- schlossen und 1891ein Verbot der Kinderarbeit unter 13 Jahren, doch brachte dies gar nichts, da es für die Familien mit dem sehr geringen Lohn den sie für die Heimarbeit beka- men einfach unmöglich war ohne die Arbeitskraft der Kinder zu überleben. Die kleinen Kin- der mit ihren kleinen und geschickten Fingern konnten unter anderem viel besser die Arbei- ten verrichten, an denen die Erwachsenen aufgrund ihrer großen Fingern scheiterten oder zu ungeschickt waren.
In dieser Zeit mußte also die ganze Familie mithelfen um wenigstens das Existenzminimum bzw. das Überleben zu sichern. Doch die Lage wurde bei diesen Menschen nicht besser, sondern sie verschlechterte sich stetig und drastisch. Aus diesem Grund wurde die Kinder- arbeit für die Kinder auch immer entsetzlicher. Die Eltern mußten ihre Kinder immer mehr ausbeuten44, doch was blieb ihnen anderes übrig? Es ging einfach um Leben und Tod. Denn Unterstützung bekamen die Leute von niemanden. Und so ging die Entwicklung mehr und mehr in die Richtung, dass nur noch ein geringer Teil der Kinder in der Bevölkerung Zeit und Geld dazu hatten, mit Spielsachen zu spielen und immer mehr Kinder dafür arbeiten mußten.
Aber die Kinder mußten nicht nur solche Arbeiten ausführen. Sie mußten in Europa, wie auch in Nordamerika zu dieser Zeit massenhaft unter erbärmlichsten Bedingungen in Bergwerken und Fabriken schufften. Viele von ihnen starben sehr bald und andere litten unter starken chronischen Krankheiten45.
1904 kam ein Gesetz heraus welches besagte, dass die Kinder jetzt auch nicht mehr zu Hause mitarbeiten dürfen. Dies war der nächste positive Schritt für die untere Schicht der Gesellschaft. Daraufhin forderten die Arbeiter Lohnerhöhungen, weil ohne diese die Exis- tenz der Familie zukünftig einfach nicht gesichert werden konte. Mehr noch, die Familien waren zum größten Teil schon zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr existenzfähig. Es war eine sehr schlimme Zeit und es wurde erst lange Zeit später etwas für die Familien getan. An die Armen unserer Gesellschaft, die man eigentlich schon immer unterstützen hätte müssen, wurde viel zu spät gedacht.
Waisenkinder
17. Jahrhundert bis 19. Jahrhundert
An dieser Stelle möchte ich kurz einen weiteren Sprung in die Vergangenheit machen. Im Mittelalter wurden Waisenkinder in Einrichtungen der Armenpflege versorgt, die von den Kirchen ins Leben gerufen wurden. Die Kirchen waren die ersten, die sich um die Armen kümmerten. Aber auch Frauen des Adels und des Großbürgertums beteiligten sich bald an dieser Hilfe. In dieser Zeit ging es hauptsächlich nur um die Fürsorge für die armen, kran- ken und alten Menschen, wie auch für die Waisenkinder und die Kinder die unehelich gebo- ren wurden46.
Erst später wurden die Armen und Kranken von Territorialfürsten und den Reichsstädten versorgt. Etwa zur gleichen Zeit errichteten Gilden und Zünfte Armenschulen, Berufsbil- dungseinrichtungen und Hospitäler. Die Jugendlichen wurden dort auch untergebracht, weil es als die Bevölkerung als Gefahr erachtete, wenn sie auf der Straße lebten, aber auch um sie selber vor Gefahren, die allein schon die kalten Temperaturen im Winter brachten, zu beschützen. Die ersten richtigen Ansätze der Jugendhilfe erfolgten 1833. Das „Rauhe Haus“ von Wichern wurde für die Waisenkinder eingerichtet. Johann Heinrich Wichern war der Erste der den Erziehungsgedanken für diese Kinder hatte. Deshalb kann man diese Einrichtung auch als Vorläufer der späteren Erziehungsheime bezeichnen. Wichern wollte die Kinder nämlich erziehen, damit sie richtig in die Gesellschaft hineinwuchsen47. 1840 wurde wiederum eine Privatinitiative ergriffen. Der erste deutsche Kindergarten wurde von Fröbel gegründet. Doch dieser blieb nicht lange der Einzige, durch die Industrialisierung wurden noch mehr Einrichtungen dieser Art entwickelt, weil die Kinder ja sonst den ganzen Tag allein zu Hause waren, da die Eltern ja von früh bis spät arbeiten mußten48. 1922 wurde dann das Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt (RJWG) verabschiedet. Hier wurde nun festgelegt, dass jedes deutsche Kind einen Anspruch auf Erziehung hat, und dass für uneheliche Kinder eine Amtsvormundschaft eingerichtet werden sollte. Außer- dem beinhaltete dieses Gesetz auch die Einrichtung eines Jugendamtes in jedem Stadt- bzw. Landkreis. Dies war jedoch ein sehr idealistisches Gesetz und man mußte etwas spä- ter wieder recht viel streichen, weil es für die damalige Gesellschaft nicht finanzierbar und somit nicht tragbar war. Außerdem legte man zu dieser Zeit auch noch nicht soviel darauf, den Schwächsten unserer Gesellschaft Unterstützung zu geben.
Zur Zeit des Nationalsozialismus, schrieb Hitler noch einmal ein neues Gesetz, dass auf dieses anknüpfte. Dann wurde eine ganze zeitlang nichts mehr für die Jugendhilfe getan, da in Deutschland Krieg herrschte und die Kinder in diesem Krieg auch mitkämpfen mußten. Erst 1953 gab es in diese Richtung eine Nachkriegsnovelle in der die Einschränkungen vor dem 2. Weltkrieg wieder aufgehoben wurden. Es wurde wieder mehr für elternlose Kinder getan49. Und so entwickelte sich langsam das heutige Kinder- Jugendhilferecht wie es heute Rechtsgültigkeit besitzt.
Kleidung der Kinder
17. Jahrhundert bis 19. Jahrhundert
Wie weiter vorne schon kurz erwähnt, wurden die Kinder früher schon in jungem Alter wie kleine Erwachsene gekleidet. Dies war nicht sehr förderlich für ihre Bewegungsfreiheit, denn durch die langen und breiten Kleider mit den Unterröcken wurde diese sehr einge- schränkt. Aus diesem Grund lernten die Kinder auch erst recht spät das Gehen. Auch die Knaben mußten diese ungeschickte Kleidung tragen, denn ganz kleine Kinder galten als geschlechtslos. Ein anderer Grund war wohl auch die Faulheit der Erwachsenen: Die Kinder trugen unter den Kleidern keine Unterwäsche oder ähnliches und es war so einfacher und bequemer für die „Kinderpflege“. Erst wenn die Jungen „sauber“ waren, bekamen sie die erste Hose. Dies war ein wichtiges Ereignis in der Familie, denn dies bedeutete ein neuer Lebensabschnitt im Leben der Jungen: Vom geschlechtsneutralen Kleinkind zum Knaben. Dieses Ereignis wurde meist auch gefeiert50.
Die Kinder sollten in der damaligen Zeit immer wie kleine „Märchenkönige bzw.- prinzessin- nen“51 angezogen sein. Das war den Erwachsenen der oberen Gesellschaftsschichten sehr wichtig, denn nur sie hatten das Geld dazu um diesen Aufwand für die Kinderkleidung zu betreiben.
Die häufigste Farbe der Kinderkleidung war weiß. Sie galt erstens als ein Zeichen der Rein- heit und Unschuld und zweitens war es damals etwas besonderes weiß zu tragen, da es früher sehr schwierig war weiße Kleidung zu reinigen. Dies konnte sich nicht jeder leisten.
Die weißen Kleidchen waren meistens kürzer und daher hatten die Kinder mehr Beinfreiheit. Der einzige Vorteil bei ihnen war also, dass die Bewegungsfreiheit nicht so sehr einge- schränkt war, wie bei den „Prinzessinnenkleidern“. Dafür gab es aber auch wiederum einen gravierenden Nachteil für die Kinder: Sie nämlich mußten sogar im Winter weiße Söckchen und Kleider tragen und mußten oft erbärmlich frieren. Die Kinder wurden „zur Abhärtung“52 so angezogen, denn auf das Wohl des Kindes nahm man zu dieser Zeit noch keine Rück- sicht. Das ganze ging sogar soweit, dass sich die Kinder gegenseitig hänselten, wenn sie diese „Abhärtung“ nicht aushielten und sich heimlich auf dem Schulweg Kniestrümpfe anzo- gen, um nicht ganz so sehr zu frieren.
Diese für uns unverständliche Kleidung der Kinder wurde auf dem Dorf noch etwas anders geführt: Die Kinder bekamen immer die ganze Kleidung und Lumpen angezogen, die sie besaßen, da die Eltern keine Zeit und keine Lust hatten, die Kinder bei veränderten Wetterverhältnissen umzuziehen53. Die Kinder waren also im Sommer immer zu warm angezogen und ebenfalls in ihrer Bewegungsfreiheit stark beeinträchtigt.
Die sogenannte Kleiderordnung, die zu dieser Zeit bestand erlaubte es den Dorf- und Arbeiterkindern auch nicht etwas anderes zu tragen, wie es für ihren jeweiligen Stand vorge- schrieben war. Einerseits aber sprach man von „Gleichheit und Brüderlichkeit“54, aber andererseits wurde dieser Unterschied zwischen den Ständen trotzdem nicht geändert. Die Kinder der Unterschicht mußten weiterhin das anziehen was für ihren Stand vorgeschrieben war. Nur in die Kirche durften sie fein angezogen gehen, doch auch das konnten sich wiederum nicht alle leisten, denn die meisten waren nicht einmal im Besitz von Schuhen. Das war eine der vielen Ungerechtigkeiten zu dieser Zeit.
Auf eine der vielen Kindermoden möchte ich nun genauer eingehen. Sie kam 1896 auf und garantierte kinderfreundliche Kleidung, die sich auch nicht so wohlhabende Eltern leisten konnten55: Die Matrosenanzüge. Sie galten schon vor 1800 als ein Zeichen für etwas kind- liches. Diese Kleidung unterschied sich sehr von der Erwachsenenkleidung und verlängerte sozusagen aus diesem Grund die Kindheit. Auf der anderen Seite war es irgendwie wieder ein Zeichen der Ständeordnung, denn die Kinder der Oberschicht trugen diese Matrosen- anzüge viel länger, da sie länger zur Schule gehen konnten und dadurch länger Kind waren.
Literaturverzeichnis
Ariès, Phlippe „Die Geschicht der Kindheit“
Kreher, Marianne, Skript der Vorlesung „Kinder- und Jugendhilferecht“, 2001
Weber-Kellermann, Ingeborg „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ GEO, September 1993/Nr. 2
[...]
1 Reader’s Digest: Der Brockhaus
2 Zitat: GEO Wissen, September 1993/Nr. 2: S.103
3 Vgl.: Phlippe Ariés „Die Geschichte der Kindheit“ S. 458-459
4 Vgl.: Phlippe Ariés „Die Geschichte der Kindheit“ S. 461
5 Vgl.: Phlippe Ariés „Die Geschichte der Kindheit“ S. 463
6 Vgl.: Phlippe Ariés „Die Geschichte der Kindheit“ S. 462
7 Vgl.: Phlippe Ariés „Die Geschichte der Kindheit“ S. 461
8 Vgl. : Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 108
9 Zitat: Phlippe Ariés „Die Geschichte der Kindheit“ S. 462
10 Zitat: Phlippe Ariés „Die Geschichte der Kindheit“ S. 462
12 Zitat: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 110
13 Zitat: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 110
14 Vgl. : Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 110
15 Zitat: Phlippe Ariés „Die Geschichte der Kindheit“ S. 214
16 Vgl. : Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 111
17 Vgl.: GEO Wissen, September 1993/Nr. 2: S. 210
18 Vgl.: Phlippe Ariés „Die Geschichte der Kindheit“ S. 211
19 Zitat: Phlippe Ariés „Die Geschichte der Kindheit“ S. 211
20 Zitat: Phlippe Ariés „Die Geschichte der Kindheit“ S. 216
21 Vgl.: Manfred Markefka/Bernhard Nauck „Handbuch der Kindheitsforschung“ S. 192
22 Vgl.: Phlippe Ariés „Die Geschichte der Kindheit“ S. 217
23 Vgl.: Phlippe Ariés „Die Geschichte der Kindheit“ S. 217
24 Vgl.: GEO Wissen, September 1993/Nr. 2: S.108
25 Vgl.: GEO Wissen, September 1993/Nr. 2: S.108
26 Zitat: Phlippe Ariés „Die Geschichte der Kindheit“ S. 212
27 Zitat: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 95
28 Zitat: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 95
29 Zitat: Marie von Ebner-Eschenbach aus einer ihrer Erzählungen
30 Vgl.: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 186
31 Vgl.: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 139
32 Vgl.: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 139
33 Vgl.: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 143
34 Zitat: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 192
35 Zitat: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 193
36 Vgl.: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 199-200
37 Vgl.: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 206
38 Zitat: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 208
39 Vgl.: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 218
40 Vgl.: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 160
41 Zitat: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 218
42 Vgl.: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 223-224
43 Vgl.: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 174
44 Vgl.: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 212
45 Vgl.: GEO Wissen, September 1993/Nr. 2: S. 107
46 Skript von Marianne Kreher, „Die Entwicklung des Jugendhilferechts“
47 Skript von Marianne Kreher, „Die Entwicklung des Jugendhilferechts“
48 Skript von Marianne Kreher, „Die Entwicklung des Jugendhilferechts“
49 Skript von Marianne Kreher, „Die Entwicklung des Jugendhilferechts“
50 Vgl.: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 113
51 Zitat: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 121
52 Zitat: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 128
53 Vgl.: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 174
54 Zitat: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 160
55 Vgl.: Ingeborg Weber-Kellermann „Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte“ S. 125
- Citar trabajo
- Nadine Kraus (Autor), 2001, Wandel der Kindheit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107846
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