Inhalt
1. Einleitung
1.1. Hinführung zum Thema
1.2. Problemstellung
2. Vorbetrachtungen
2.1. Die Errichtung eines Staates
2.2. Die Innenpolitik als Fundament der Außenpolitik
3. Erläuterung und Diskussion der Kriterien für die Stabilität der Innenpolitik
3.1. Das Bevölkerungswachstum
3.2. Die weiteren wichtigen Kriterien
3.3. Die Religion
3.4. Die Freiheit und die Republik als Grundvor- aussetzung für einen funktionierenden Staat
4. Resümee
5. Literaturangabe
1. Einleitung
1.1. Hinführung zum Thema
Die Zeit zwischen dem Altertum und der Neuzeit wird als Mittelalter bezeichnet, das aus praktischen Gründen mit dem Zeitraum von 500 bis 1500 festgelegt ist. Natürlich kann man das Ende des Mittelalters auch durch die Reformation von 1517 oder durch die Entdeckung Amerikas 1492 festlegen1. Desweiteren wird das Mittelalter oftmals als düsteres und grausames Zeitalter beschrieben, in dem Unwissenheit und Dunkelheit herrschte.2 Man kann jedoch bei genauer Betrachtung dieser Zeit feststellen, daßdie Neuzeit eher beginnt als manche Historiker glauben. Den Leistungen der Wissenschaftler und Künstler des späten Mittelalters und der Renaissance ist es zu verdanken, daßdurch die Rückbesinnung auf die wissenschaftlichen und kulturellen Errungenschaften der Antike, ein neues Bewußtsein entstand. Dieses neue Bewußtsein beinhaltete vor allem die Überwindung der geistigen Untertänigkeit, das freie Forschen durch Experimentieren, die Besinnung auf ein schönes natürliches und ausgeglichenes Menschenbild sowie die Loslösung der Politik von normativen Regeln. Dieser Wandel wurde durch zahlreiche große Dichter, Denker und Künstler ausgelöst.
Einer von ihnen war Niccolò Machiavelli, der am 3. Mai 1469 geboren und nach seiner Ausbildung als Notar zum Sekretär der zweiten Staatskanzlei von Florenz ernannt wurde. In diesem Amt war er mit Fragen der Kriegführung und mit Problemen der Außenpolitik konfrontiert. Machiavelli war 1500 Sekretär der Kommissare, die die Belagerung Pisas überwachten. Er konnte bei dieser Aufgabe zahlreiche taktische Gesetzmäßigkeiten beim Einsatz des Heeres erkennen und aufzeichnen. Durch die zahlreichen Gesandtschaften in die verschiedensten Städte Europas, lernte er die berühmtesten Persönlichkeiten seiner Zeit kennen. Machiavelli bleibt aber in der Zeit seines Lebens Spielball zwischen den Mächten. Er wird beispielsweise gefoltert als man ihn verdächtigt bei einer Verschwörung gegen die Medici mitgewirkt zu haben.3 Später wird er von den Medici rehabilitiert und nach dem Einmarsch des röm. dt. Kaisers Karl V.(1519-1556; *1500,†1558) in Florenz als treuer Anhänger der Medici all seiner Ämter enthoben. Nach einer weiteren Rehabilitation kandidierte er 1527 für das Amt des Sekretärs der Republik, doch Machiavelli bekam nur klägliche 12 Stimmen, 555 Wähler votierten gegen ihn. Kurz danach am 22.06.1527 stirbt Machiavelli und hinterläßt fünf Kinder und seine junge Frau Marietta, die ihn um 26 Jahre überlebt.4
Die Erfahrungen und die Lehren, die er sich im jahrelangen Staatsdienst erworben hat, sollten in seinen Schriften für die Nachwelt erhalten bleiben. Sein wohl umfangreichstes Werk sind die Discorsi, die aus drei Büchern bestehen. Das zweite Buch ,,Äußere Politik und Kriegführung“ soll in den weiteren Betrachtungen eine zentrale Rolle spielen.
1.2. Problemstellung
Die Leistung von Machiavelli wird meistens auf die Idee der Staatsräson beschränkt. Nach dieser Theorie sollte die Sicherung und Erhaltung der politischen Macht des jeweiligen Staates das oberste Ziel jedes politischen Handelns sein, das völlig unabhängig von Recht und Moral durchgeführt werden muß.5 Doch führt man diesen Gedanken weiter aus, so erkennt man schnell, daßsich die politische Macht eines Staates nicht nur intern, also im Staate selbst, sondern auch in der Außenpolitik ausdrückt. Machiavelli erkennt zwischen den beiden Ressorts Außen- und Innenpolitik entscheidende Zusammenhänge und eine starke Interdependenz, doch sollen sich die weiteren Ausführungen mehr auf die Innenpolitik beziehen. Eine Hauptfrage wird sein, welche Teilkomponenten der Innenpolitik Machiavelli zu seiner Zeit als besonders wichtig für die Erhaltung der Stabilität des Staates empfunden hat. Diese einzelnen ,,Stützpfeiler“ der Innenpolitik sollen ausführlich beschrieben werden um nebenbei ihre Wirkung auf die Außenpolitik und Kriegführung aufzudecken. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage wie die Stabilität eines Staates von der wirtschaftlichen Situation, von der Art der Religion und von der Freiheit der Bürger abhängt. Diese Stabilität bzw. Instabilität wirkt sich wiederum auf die Außenpolitik und Kriegführung aus.
Das Heer als wichtiger Bestandteil der außenpolitischen Macht eines Landes ist bei Machiavelli von entscheidender Bedeutung, doch auch für die innenpolitische Situation erscheint wichtig, wie ein Heer aufgestellt werden mußund welche Taktiken erforderlich sind um das eigene Land vor inneren und äußeren Feinden zu schützen und um das eigene Territorium auszubauen? Kann sich auch eine völlig militärische Frage, ob Festungen errichtet werden sollen oder nicht, auf die Stabilität der Innenpolitik entscheidend auswirken?
All diese Betrachtungen werden zu der zentralen Frage nach der besten Staatsordnung führen. Machiavelli scheint sich seinem Werk ,,Der Fürsten“ auf Fürstenherrschaft als beste Herrschaft festzulegen, da er dem Alleinherrscher eine Handlungsanweisung für seine Politik bietet um die staatliche Herrschaft zu sichern und auszubauen. Doch in den Betrachtungen zur Republik soll ausreichend diskutiert werden, welche der beiden Staatsform Machiavelli für die Beste hält. Welche Staatsform schafft den ,,Drahtseilakt“ zwischen Garantie der größtmöglichen Freiheit des Einzelnen und der Garantie von Ordnung und Sicherheit im Staat? Vielleicht sieht Machiavelli auch eine Staatsform voraus, die zu seiner Zeit noch völlig unbekannt war oder strebt er eine Mischverfassung an, die die guten Eigenschaften der Fürstenherrschaft und der Republik in einem System zusammenfassen kann? Es ist auch möglich, daßdiese neue Ordnung nicht einfach in einem bestimmten Kapitel der Discorsi beschrieben wird, sondern vielmehr aus dem Gesamtwerk der Discorsi hervorgeht, denn Machiavelli von den Mächten, der damaligen Zeit bedrängt, sagt uns im Vorwort des ersten Buches der Discorsi wie gefährlich es ist, eine neue Staatsform zu errichten und zu etablieren: ,,Das Auffinden neuer Einrichtungen und Staatsordnungen war bei der neidischen Natur der Menschen stets ebenso gefährlich wie das Entdecken unbekannter Meere und Länder, denn die Menschen neigen mehr zum Tadel als zum Loben.“6
In den weiteren Abhandlungen sollen nun die Kriterien von denen die Innenpolitik abhängt durch ein Schema erläutern werden, um dann die einzelnen Komponenten, auf die Machiavelli seine Außenpolitik stützt, besser beschreiben und einordnen zu können. Doch man mußzuerst die Voraussetzungen und Umstände kennenlernen unter denen sich ein Staat nach Machiavellis Meinung bildet.
2. Vorbetrachtungen
2.1. Die Errichtung eines Staates
,,Im Anfang der Welt, als die Menschen noch spärlich waren, lebten sie zerstreut wie die Tiere.“7 Dieser Zustand gilt bei Machiavelli als eine Art Naturzustand, ohne ihn als solchen zu benennen. Aus diesen Satz kann man weiter ableiten, daßMachiavelli den prägesellschaftlichen Zustand des Menschen als eine Art natürlichen Überlebenskampf, wie er im Tierreich existent ist darstellt. Gleich dem Tiere herrscht hier das Recht des Stärkeren, wie es später Hobbes im ,,Kriege alle gegen alle“8 beschreiben wird. Eine weitere Parallele zu Hobbes findet sich in der These von Machiavelli, daßsich die Menschen zusammenschließen ,,um sich besser verteidigen zu können“9. Der Stärkste und Tapferste und in späteren Zeiten der Klügste und Gerechteste wurde zum Anführer der Gruppe gewählt und erließGesetze der Gemeinschaft, die alle anderen anerkennen mußten.10 Damit beginnt für Machiavelli ein Kreislauf (cerchio) durch die drei Staatsformen Fürstenherrschaft, die Herrschaft weniger und die Volksherrschaft. Gebraucht man hier die Begriffe Monarchie, Aristokratie und Politie, so erkennt man die Einordnung der Staatssysteme nach Aristoteles. Ohne den Namen Aristoteles zu erwähnen, baut Machiavelli die Staatsordnungen und ihre Entartungen in seiner sich ewig wiederholenden Abfolge der Systeme ein. Nach dieser Abfolge kommt es wie oben schon beschrieben zur Errichtung einer Fürstenherrschaft, die durch ihre Entartung unweigerlich zur Tyrannis wandelt; diese wird von ihren Gegnern aus dem Bürgertum gestürzt und es entsteht eine Herrschaft der wenigen, die wiederum durch ihre Entartung zur Oligarchie vom Volk gestürzt wird.11 Die Volksherrschaft führt am schnellsten zur Entartung, die Aristoteles Demokratie und Machiavelli Zügellosigkeit nennt.12 Doch gibt es zahlreiche Neuerungen an dem System von Machiavelli, denn er kommt zu dem Schluß, daß,,alle diese Staatsformen verderblich [sind], die drei guten wegen ihrer Kurzlebigkeit und die drei anderen wegen ihrer Schlechtigkeit.“13 Wenn also alle Staatsformen verderblich sind, ist eine normative Einordnung derselben nicht mehr möglich. Den Herrschenden bzw. dem Fürsten gibt man damit das Recht für die Erhaltung des Staates alles zu tun, denn es kann niemand beurteilen, ob der Staat im normativen Sinne gut oder schlecht ist. Desweiteren läßt sich ableiten, daßnur der Staat weiter existieren kann, der sich erstens gegen äußere und innere Feinde zur Wehr setzen kann und zweitens das Allgemeinwohl fördert und sichert. Die Erfüllung dieser Aufgaben lassen sich in Machiavellis Begriff der virtù zusammenfassen.
Machiavelli beweist seine Thesen in den Discorsi meist durch Beispiele anhand der römischen Republik, da es nach seiner Meinung nie eine Republik gegeben hat, die solche Fortschritte gemacht hat wie Rom, was er auf die besondere virtù der Heere und der Gesetzgeber zurückführt. ,,Es war die Tapferkeit seiner Heere, die ihm die Herrschaft gewann, und seine eigene, von seinem ersten Gesetzgeber erfundene Methode, die ihm das Erworbene erhielt.“14 Wie war es nun den Römern möglich ihren Staat gegen äußere Feinde zu schützen und dabei noch große Eroberungszüge durchzuführen und wie konnte Rom dieses große Staatsgebiet verwalten und so lange aufrecht erhalten? Zunächst mußman feststellen, daßAußen- und Innenpolitik ineinander spielen und es sollen nun die Kriterien aufgezeigt und diskutiert werden, die die starke Interdependenz zwischen Innen und Außenpolitik bei Machiavelli verursachen.
2.2. Die Innenpolitik als Fundament der Außenpolitik
Das Verhältnis der Staaten zueinander ist zu Machiavellis Zeiten völlig ungeordnet, hier zählt nur die bedingungslose Verfolgung der eigenen Interessen.15 Am Beispiel der Römer zeigt uns Machiavelli, daßein Staat außenpolitisch stark sein mußum seine Freiheit zu erhalten. Dies kann nur durch eine stabile Innenpolitik verwirklicht werden. Der Fürst beziehungsweise die Republik mußfür eine bestimmte Ordnung im Staat sorgen, um der Erfahrung der Unordnung,16
Abb. 1
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
wie sie bei Bürgerkriegen die Regel sind, zu entgehen. Die Ordnung die dem Staat Stabilität verleiht - damit er konkurrenzfähig gegenüber inneren und äußeren Feinden wird17 - basiert auf zahlreichen Kriterien. In Abbildung 1 sind die Kriterien, die Machiavelli für wichtig hält, als Säulen dargestellt. Die Innenpolitische Ordnung basiert auf der virtù der Staatsführer diese Kriterien so gut wie möglich zu erfüllen. Der Staat als Haus dargestellt, kann also nur dann existieren, wenn die einzelnen Ebenen, innenpolitische Ordnung sowie außenpolitische Stärke und Handlungsfähigkeit, tragfähig sind. Die Säulen bilden das Fundament auf dem sich die Ebene der innenpolitischen Ordnung gründet. Dies soll uns als Sinnbild für die weiteren Betrachtungen dienen, somit lassen sich die Ideen Machiavellis anschaulich darstellen, nachvollziehen und diskutieren. Zuerst soll das Bevölkerungswachstum und die weiteren Kriterien abgehandelt werden, danach die Religion. Die Freiheit und die Republik werden zusammen dargestellt, denn es wird sich herausstellen, daßbei Machiavelli die Republik ein Garant für die Freiheit ist, und daßdas Maßder Freiheit des Einzelnen die Stabilität der Republik bedingt.
3. Erläuterung und Diskussion der Interde-pendenz zwischen Innen- und Außenpolitik bei Machiavelli
3.1. Das Bevölkerungswachstum
Ein nicht so umfassendes aber wichtiges Kriterium ist ein ständiges Bevölkerungswachstum, was sich besonders auf die Freiheit gründet, denn man sieht dort die größten Bevölkerungszahlen, wo die Ehen frei sind und somit begehrenswerter werden.18 Aus der Freiheit des Einzelnen resultiert die Zufriedenheit und Sicherheit. Die Kinder werden frei und nicht als Sklaven oder Untertanen geboren.19 Nur wenn die Bevölkerung und mit ihr der Staat wächst ist der Staat überlebensfähig. ,,Dort vermehren sich die Reichtümer, die Früchte des Ackerbaus und des Gewerbefleißes in größerem Maße.“20 Das Schlaraffenland, von dem uns Machiavelli hier berichtet gibt es natürlich nicht, aber Kinder sind Arbeitskräfte und wo viele Hände sind kann viel geschaffen werden. Nebenbei sollte man immer bedenken, daßdie Kriege zu dieser Zeit vor allem durch die Größe der Heere21 entschieden wurden. Eine höhere Bevölkerungszahl ist gleichbedeutend mit mehr Männer, die ihr Vaterland verteidigen. ,,Wer eine Stadt zu einem großen Reich machen will, mußihre Einwohnerzahl soviel wie möglich vermehren.“22 Hier kommt auch jeder einzelne Bürger zu der Überzeugung das Staatsgebiet auszudehnen zu müssen um mehr Land zu gewinnen. Es wird hier genau wie bei der Religion ein Glauben an die eigene Stärke erzeugt, was dem Staat ein Höchstmaßan Stabilität einbringt.
Das Bevölkerungswachstum darf allerdings ein bestimmtes Maßnicht überschreiten. Hier wollen wir uns in Abbildung 2 das Bild einer Waage vor Augen halten. Die erwirtschafteten Güter müssen im ausgeglichenen Verhältnis zum Wachstum der Bevölkerung stehen. Sollte dies nicht der Fall sein, könnte dies für das Land Hungersnot, Elend und Krankheit bedeuten. ,,Wenn alle
Abb. 2: Bild der Waage:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Länder derart übervölkert sind, da sie sich nicht mehr ernähren können, noch sich durch Auswanderung helfen können, [...], so mußdie Welt sich notwendig auf eine der drei Arten reinigen.“23 Diese drei Arten sind nach Machiavelli Überschwemmung, Pest und Hunger.
Wenn es jedoch zu viele Güter gibt und zu wenige Menschen, so werden diese Menschen bald der Völlerei zum Opfer fallen, wodurch der Staat an Stabilität verliert, da dem Volk der nötige Antrieb zur Arbeit fehlt. Kippt die Waage zu einer Seite ab, weil ein Mißverhältnis herrscht, ist dies gleichbedeutend mit der Auflösung des Staates oder zumindest der Zerstörung der inneren Ordnung. Machiavelli erkennt diese regulatorische Wirkung der Natur als selbstverständlich und natürlich an, denn die Geschichtsbücher berichten oft von solchen Ereignissen.24 Trotzdem der natürlichen Regulation, mußes die Aufgabe jedes Staates sein, das Bevölkerungswachstum im verkraftbaren Maßaufrecht zu erhalten, um die Nation zu stärken und konkurrenzfähig zu machen.
3.3. Die weiteren wichtigen Kriterien
Es sollen jetzt drei wichtige Kriterien genannt werden, die zur Stabilität des Staates dienen: die Einrichtung der Institutionen im Staat (1), die Vermeidung des Mittelweges (2) und die Verteidigung des Landes durch das Heer (3).
(1) Die staatlichen Institutionen und Ämter müssen so angelegt werden, daßsie eine optimale Wirkungskraft besitzen und die innere Stabilität und die außenpolitische Wehrhaftigkeit des Staates garantieren. Die Römer haben ihre Kriege immer in kürzester Zeit beendigt, sagt uns Machiavelli.25, dadurch mußten sie nie zwei Kriege auf einmal führen, da sie den einen beendigt hatten, wenn sie einen neuen begannen. Dieser Effekt hat seinen Ursprung in der Einrichtung der staatlichen Ämter. Jeder Konsul war darauf bedacht seine Person für die Nachwelt unsterblich zu machen, also möglichst viele Eroberungen durchzuführen. Die Amtszeit der Konsuln begrenzte man auf ein Jahr, und somit war jeder Konsul bestrebt, seinen Krieg schnellstmöglich zu beenden.26 Rom blieb also immer wehrfähig und damit innenpolitisch stabil.
Ein weiterer Punkt ist die schnelle Entscheidung eines Staates. Die staatlichen Organe müssen so aufgebaut sein, daßeine schnellstmögliche und entschlossene Handlung zustande kommt, bei innen- und außenpolitischen Fragen. ,,Nicht weniger schädlich als die Unentschlossenheit sind auch die langsamen und späten Entschlüsse.“27 Dies ist vor allem eine Absicherung gegen Korruption im Staate, denn Machiavelli mußte oft tatenlos mit ansehen, wie sich die Unentschlossenheit und Trägheit der öffentlichen Geschäfte zum Schaden der Republik entwickelte.
(2) Die Vermeidung des Mittelweges verbindet die Innen- mit der Außenpolitik. Es gibt beim regieren eines Staates nach Machiavelli nur zwei Wege. Entweder die Bürger ruhig halten, indem man sie unschädlich macht, oder man tut dem Bürger soviel Gutes damit er keinen Grund sieht sich gegen den Staat zu erheben.28 Dies gilt genauso in der Rechtsprechung, aber auch bei Eroberungen ist dieses Prinzip anzuwenden. Die Anzahl der Staatsfeinde und Verbrecher wird durch dieses Prinzip gering gehalten und die Bürger haben großen Respekt vor der staatlichen Gewalt, wenn harte Strafen auf Verbrechen folgen. In der Außenpolitik ist dieses Prinzip vor allem in Kolonien anzuwenden. Die eroberten Gebiete sollen nach Machiavelli zerstört werden,29 der Staat demonstriert dabei seine Macht und Überlegenheit. Die Menschen des eroberten Gebietes werden allerdings mit den gleichen Rechten ausgestattet, die alle Bürger in dem Staat des Eroberers genießen.30 Die innenpolitische Lage entspannt sich, da sich die Bürger des gewonnenen Staatsgebietes über die Gnädigkeit und Großzügigkeit des Eroberers freuen, aber auch von seiner Stärke und Macht überzeugt sind.
(3) Die Heerführung ist für Machiavelli einer der wichtigsten ,,Stützpfeiler“, da von der Stärke des Heeres die außenpolitische Handlungsfähigkeit und die Sicherheit des Staates abhängt. Auch die Hilfs- und Söldnertruppen, die Machiavelli schon im ,,Fürsten“ verteufelt hat, lehnt er immer noch entschieden ab, da die Gefahr zu großist, daßsich diese Truppen gegen einen wenden oder ihre Aufgabe durch Motivationslosigkeit nicht recht erfüllen. Der Herrscher (bzw. die Herrschenden) soll die Liebe seiner Bürger erwerben, denn dann werden die Bürger das Land verteidigen um ihre Freiheit zu schützen.31 Die Bürger sichern dadurch die Freiheit und die Unabhängigkeit ihres Staates, was einen gewollten Nebeneffekt darstellt. Genau diese realistische Berechnung scheint für Voegelin ,,die spielerische Grausamkeit der Humanisten“ zu sein.32 Man kann auch nicht so weit wie Skinner gehen, der sagt: ,,[Machiavelli betont nur] die Bereitwilligkeit, das Gemeinwohl über alle Privatinteressen und gewöhnlichen Moralvorstellungen zu setzen [...].“33 Viel mehr wird der Bürger durch die Liebe zu seiner Freiheit gezwungen diese zu verteidigen. Die Gesamtheit der Bürger verteidigen dann den Staat, der ihnen die Freiheit garantiert. Zur Verteidigung des Landes wurden in der Zeit Machiavellis oft Festungen errichtet, die Machiavelli ablehnt, weil die Festungen im Krieg zwecklos und im Frieden kostspielig sind.34 Die Einwohner des Landes werden mißtrauisch gegenüber der staatlichen Macht, da sie eine Festung als eine gewalttätige Kontrolle interpretieren könnten. Die Festungen ,,machen dich verwegener und gewalttätiger gegen die Untertanen, und zweitens bieten sie dir nicht die Sicherheit, die du dir einbildest.35
3.1. Die Religion
Zu der Zeit Machiavellis gab es noch keine staatlichen Schulen. Für die Erziehung der Menschen in jedem Lebensalter und für ein bestimmtes Maßan Kenntnisvermittlung sorgte die Kirche36. Die Menschen werden durch die Religionen und natürlich auch den damit zusammenhängenden Traditionen und Riten geprägt. Machiavelli ist stark nationalistisch eingestellt. Er vergleicht immer wieder die Situation Italiens in seiner Zeit und in vergangenen Zeiten und kommt zu dem Schluß, daßfrühere Völker eine Religion besaßen, die die Stärke und den Mut des einzelnen förderte. Machiavelli erkennt den Nutzen der Religion als ,,notwendigste Stütze der bürgerlichen Ordnung.“37 Die Religion sollte gerade nach den Ansichten Machiavellis nicht stärker sein als der Staat. Machiavelli zeigt sich allerdings davon begeistert, daß,,die Bürger [im alten Rom] sich mehr scheuten, ihren Eid zu brechen, als die Gesetze zu übertreten“38 und auch Voegelin interpretiert Machiavelli - ,,Die Römer fürchteten mehr, einen Schwur zu brechen als das Gesetz“39 – ohne auch nur einen Kritikpunkt an dieser Aussage zu bringen. Das Volk soll sich doch in erster Linie dem Staat unterordnen. Es wäre fatal für einen Staat, wenn die Religion eine Art Gegenspieler des Staates wird, deshalb müssen die Gesetze auf die Religion (oder umgekehrt Religion auf die Gesetze) abgestimmt sein. Dies meint auch Machiavelli, indem er sagt, daßNuma die Religion in Rom eingeführt hatte.40 Staat und Religion bilden somit die angesprochene Einheit, da der Führer des Staates gleichzeitig der Begründer der Religion ist. Nun ist klar, daßdie Religion vom Staat abhängt, aber auch umgekehrt der Staat von der Religion, ,,denn wo die Gottesfurcht fehlt, da mußein Reich in Verfall geraten, oder die Furcht vor einem Fürsten mußden Mangel an Religion ersetzen.“41 Man könnte darauf schließen, daßes in einer Fürstenherrschaft nicht notwendig ist, eine starke Religion aufzubauen, während die Führenden in einer Demokratie sich auf die Einsetzung durch Gott berufen sollten um die Legitimität ihrer Herrschaft darzustellen. Machiavelli bietet sofort eine ausreichende Begründung, denn er hat noch nie Gesetzgeber gesehen, die sich nicht auf Gott berufen hätten, weil ihre Gesetze sonst gar nicht angenommen worden wären.42
Die wahre Charakterisierung der Religion nimmt Machiavelli in einer Gegenüberstellung der Religionen früherer Völker und seiner Religion vor. Die oben schon angesprochene Erziehung ist Resultat der Religion und deshalb ist Erziehung der alten Völker eine andere gewesen als die Machiavellis, da die Religionen verschieden sind.43 Die Wortwahl Machiavellis im Vergleich der Religionen zeigt, daßdie Religion der alten Völker als die bessere für den Staat gelten kann, da sie die Tatkraft fördert, die Menschen furchtbar, kraftvoll und kühn macht und die Männer voll weltlichen Ruhmes heilig spricht.44 Die Religion zu Machiavellis Zeiten brachte den Menschen zur Demut, Entsagung und zum Müßiggang, außerdem wurde der geehrt, der stark im Leiden war.45 Obwohl Machiavelli die Religion nie als Christentum bezeichnet und damit identifiziert, bezieht Voegelin mit Recht die Ausführungen Machiavellis auf die christliche Lehre. Doch läßt sich sofort ableiten, daßMachiavelli hier eine Gegenüberstellung des Müßiggangs des vom Christentum beherrschten Spätmittelalters mit der körperlichen und geistigen Tatkraft der Antike durchführt wie es den Ausführungen Voegelins zu entnehmen ist.46 Weiter meint Voegelin: ,,Jedoch mußman sich klar machen, daßvielleicht nicht das Christentum, sondern eine niederträchtige Interpretation desselben daran schuld ist, daßdie Welt in Untätigkeit anstatt der virtù ergeben ist.“47 Diese Meinung kann hier auf keinen Fall beigepflichtet werden. Die Kirche hat sich gerade in dieser Zeit im wahrsten Sinne des Wortes als Bremse des Fortschritts erwiesen, da die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse meist nicht mit den Ansichten der Kirche übereinstimmten, was Machiavelli indirekt andeutet, wenn er sagt: ,,Scheint aber die Welt auch weibisch geworden und der Himmel keine Blitze mehr zu haben, so kommt dies doch zweifellos mehr von der Erbärmlichkeit derer, die unsere Religion mehr zum Vorteil des Müßiggangs als der Tatkraft ausgelegt haben.“48 Dieser Müßiggang kommt vor allem durch ,,die Schwäche, zu welcher die gegenwärtige Religion die Welt erzogen hat.“49 Voegelin hat aber Recht, wenn er anführt, daßMachiavelli eine zu positive Sicht auf die Religion hat, denn die Religion mußder Zeit und der gesellschaftlichen Entwicklung durch Reformen angepaßt werden und genau dies ist auch im Sinne Machiavellis.50 Man sollte außerdem Machiavelli in seinem geschichtlichen Hintergrund betrachten. Als fähiger und kluger Mann mußer mit ansehen wie die falsche Auslegung der Religion die Menschen zu Müßiggang und vor allem zur Untertänigkeit verleitet51 und somit den Zerfall und den Verfall des Vaterlandes. Hatte doch Voegelin erst festgestellt, daßMachiavelli das Beispiel Roms als lehrhaftes Vorbild für die republikanische Wiederbelebung Italien gebraucht.52
Die Religion dient als Vermittler von Werten. Sie ist also dafür zuständig den Menschen ein Gefühl für die Freiheit zu geben und sie Lieben zu lernen. Ein Fakt, den Voegelin einfach ausläßt. Genau diese Freiheitsliebe hält nach der Meinung von Machiavelli den Staat zusammen, wenn die Religion ihre Aufgabe nicht erfüllen kann, so ergeht es dem Staat genauso wie Italien zur Zeit Machiavellis.
Die Religion mußdas Volk also einen und die Menschen zur Tatkraft und damit zur Konkurrenz untereinander erziehen, nur so scheint ein Fortschritt in der Gesellschaft möglich und nur so wird der Staat wehrhaft gegen äußere Feinde, denn ,,da wo es eine [einheitliche] Religion gibt, kann militärische Herrschaft leicht etabliert und die Republik aufrecht erhalten werden.“53 Die Religion hat jedoch noch eine zweite Aufgabe. Durch ihre Wertevermittlung und durch die Schaffung eines Gottes für die Menschen schafft es nur die Religion, die Bürger an den Staat zubinden. Stirbt der Fürst oder in der Regierung erfolgt ein Generationswechsel, so sorgt die starke traditionelle Bindung der Bürger an der Religion für das Fortbestehen des Staates.54 Hier mußman jedoch vorsichtig sein, denn aus dieser starken Tradition ist kein entrinnen und somit wird es den nächsten Generationen schwer fallen, ihre neue gesellschaftliche Lage mit der alten tief verwurzelten Religion zu vereinbaren. Beschreibt Machiavelli mit seiner These nicht genau das, was mit dem Christentum in Mitteleuropa zu seiner Zeit geschehen ist? Es bedarf also solcher Menschen wie des heiligen Franziskus (*1181, †1226), der dem die Erhaltung des Christentum zu verdanken ist.55 Es wurde in den Abhandlungen klar nachgewiesen, daßdie Religion einer der wichtigsten Stützpfeiler ist um die Einträchtigkeit im Staate zu etablieren und aufrecht zu erhalten. Sie dient der Wertevermittlung und fördert somit den Fortschritt und die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft. Desweiteren sorgt sie dafür, daßder Staat nach dem Ableben eines Führers erhalten bleibt und nicht mit ihm stirbt.
3.4. Die Freiheit und die Republik als Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Staat
Die Freiheit ist Grundlage für einen starken und entwicklungsfähigen Staat. Der Staat befindet sich immer im Zwiespalt zwischen Garantie der maximalen Freiheit für die Bürger und Aufrechterhaltung der inneren Ordnung sowie der staatlichen Gesetze. Die organisierte Gesellschaft ist etwas natürlich Gewachsenes und stellt somit Teil einer kosmischen Ordnung dar.56 Und genau diese Ordnung paßt wieder in das Sinnbild der Waage. Zu viel Freiheit kann den Staat zerstören, da dann Anarchie herrscht, aber auch zu wenig Freiheit ist schädlich, weil die Bürger dann gegen den Staat rebellieren. Das Ausgewogene Verhältnis ist diese kosmische Ordnung, die in der Ordnung der Republik zum Ausdruck kommt.57 Wie schon oben betont, ist die Freiheit des einzelnen wichtig für die Zufriedenheit der Bürger. Eine Voraussetzung ist natürlich, daßder Staat an sich auch frei und unabhängig ist, denn ,,Die Erfahrung zeigt, daßdie Staaten nie größer und reicher wurden, außer wenn sie frei waren“58 Somit bedeutet die Freiheit eines Staates für Machiavelli, daßsich der Staat von jeder Autorität unabhängig hält, Freiheit ist somit gleichzusetzen mit Selbstregierung.59 Nun ist es ein Resultat, daßdie Menschen die frei in einem freien Staat leben, gewillt sind dies zu verteidigen. Machiavelli hier eine schonungslose Willkür vorzuwerfen wie Voegelin es tut , ist völlig unangebracht. Voegelin müßte selbst zu dem Schlußkommen, daßseine kosmische Kraft ein gewisses Maßan Freiheit enthalten muß. Diese Kraft steckt in jedem Menschen und wird somit in seiner Gesamtheit Bestandteil der Gesellschaft.60 Kurz gesagt: Die Freiheit des einzelnen ist abhängig von der Freiheit des Staates und umgekehrt, da die Freiheit des einzelnen die Freiheit des Staates bedingt61 und die Freiheit des einzelnen abhängig ist von der Freiheit des Staates. Das Wohl des einzelnen bildet in der Gesamtheit das Gemeinwohl. ,,Nicht das Wohl des einzelnen, sondern das Gemeinwohl ist es, was die Staaten großmacht.“62 Die Mehrheit des Volkes mußalso in Wohlstand leben damit für das Allgemeinwohl gesorgt ist. Gerade hier scheint Voegelin Ansatz für seine Kritikpunkte an der Theorie von Machiavelli zu finden. Man sollte zur Vorsicht raten, denn wenn die Mehrheit der Bevölkerung im Wohlstand lebt, kann dies für Minderheiten in der Gesellschaft die Ausbeutung oder gar die Sklaverei bedeuten. Der Aufstieg Roms wie auch die Blütezeiten Griechenlands wurden doch auf dem Rücken der Sklaven und Leibeigenen geschaffen.
Es stellt sich nun die Frage in welcher Staatsform das Gemeinwohl am meisten gefördert wird und genau diese Frage führt Machiavelli in seinen Discorsi zu einer Gegenüberstellung von Republik und Fürstenherrschaft. ,,Ohne Zweifel wird für das Gemeinwohl nur in Republiken gesorgt, denn dort geschieht alles, was zu seiner Förderung dient, wenn es auch zum Schaden eines Einzelnen gereicht.“63 Gleichzeitig wird hier das Mehrheitsprinzip angesprochen wie es modernen Demokratien eigen ist, doch wird es von Machiavelli durchweg positiv gesehen, da er immer auf den Fortschritt und die Entwicklung des Staates fixiert ist und nicht auf Einzelschicksale. Die Mehrheit zieht aus diesem System, was auch leicht Menschenunwürdige Zustände annehmen kann, Nutzen, was wiederum gleichzeitig die Legitimation des Systems darstellt: ,,Es sind so viele, die dabei gewinnen, daßsie es auch gegen den Willen der Wenigen, die darunter leiden, durchsetzen können.“64 Machiavelli scheint einen klaren Standpunkt zu haben, denn in einer Fürstenherrschaft geschieht das Gegenteil. Die euphorische Meinung Machiavellis überrascht wohl jeden Leser: ,,Aber das allerwunderbarste ist es zu sehen, zu welcher Größe Rom gelangte, nachdem es sich von seinen Königen befreit hatte“,65 demnach ist das, was Machiavelli will, eine Freiheit von allen politischen Knechtschaften, von der internen durch eine Tyrannenherrschaft oder der externen, die durch eine souveräne Macht auferlegt wird.66 Der Fürst wird in jeder Situation nach seinem Willen handeln und seine Meinung kann in keinem Falle identisch sein mit dem Allgemeinwillen der Bürger, denn ,,was ihm [dem Fürsten] nützt, schadet meist dem Staate und was dem Staate nützt, schadet ihm.“67 Hieraus kann man schließen, daßjede Herrschaft eines Einzelnen automatisch zur Tyrannenherrschaft werden muß. Die Fürstenherrschaft hat somit den Nachteil sich durch die Unterdrückung und Machtausübung gegenüber den Bürgern zu legitimieren, während sich die Republik von selbst legitimiert.68 Bezieht man diesen Gedanken wider auf die kosmische Ordnung Voegelins, so stellt die Republik ein natürlich gewachsenes Gebilde im Sinne der kosmischen Ordnung dar.69,,Die Republiken sind Manifestationen der kosmischen Ordnung, die einfach hingenommen werden mußund nicht erklärt werden kann.70 Der Fürst lebt im ständigen Mißtrauen zu seinen Untergebenen und die Städte, die er erobert, mußer unweigerlich zerstören, um der Gefahr einer Erhebung der unterworfenen Gebiete gegen ihn entgegenzuwirken.71 Die Fürstenherrschaft ist gezwungen zu unterdrücken und zu zerstören, während das Ziel einer Republik der Fortschritt und die Entwicklung ist. Man kann also Schlußfolgern: ,,DaßStaaten, in denen das Volk regiert, in kürzester Zeit außerordentliche und viel größere Fortschritte machen als solche, die immer unter einem Alleinherrscher gelebt haben.“72
Die starke Republik wird sich erhalten können, wenn all diese Kriterien beachtet werden, doch gemäßdem Kreislauf der Staatsformen wird die Republik zerstört werden. ,,Ihre Bestandteile sind Menschen; und Menschen sind keine kollektiven Automaten, sondern leben in der ständigen Spannung zwischen eigenem Willen und dem Willen zur öffentlichen Ordnung“73 Es mußalso ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Allgemeinwillen und persönlichen Willen eines jeden herrschen um die Republik am Leben zu erhalten, was Machiavelli durch die Priorität und durch sein Schönreden des Mehrheitsgedankens nicht sieht. Hier trifft auch das Prinzip der Vermeidung des Mittelweges nicht zu, denn die Einhaltung dieses Gleichgewichts stellt den Kernpunkt der Republik dar. Es ist unmöglich, das Gleichgewicht in der Freiheitsfrage und der Willensfrage (die dasselbe beinhalten) für immer aufrecht zu erhalten, denn die ,,Spannungen sind unvermeidbar und die Ursache für den Niedergang auch der am besten geordneten Republik.“74
4. Resümee
Es wurden nun die Kriterien benannt und diskutiert, die die Interdependenz zwischen Innen- und Außenpolitik bedingen. Die Freiheit und die Republik sind die beiden wichtigsten Voraussetzungen für Machiavelli damit ein Staat existieren kann, es ihm möglich ist, sich gegen äußere und innere Feinde zu schützen und eine leistungs- und entwicklungsfähige Gesellschaft zu entwickeln. Die Religion bildet einen Ring des Zusammenhalts im Staat, hierzu bedarf es einer einheitlichen Religion, die zur Tatkraft (virtù) und zum Freiheitswillen erzieht. Das eigene Heer als weitere Grundvoraussetzung sichert die Republik vor äußeren Feinden und dient zum Gebietsgewinn durch Eroberungen, wobei die gewonnenen Gebiete nicht zerstört, sondern der Republik angegliedert werden sollen.75
Es bleibt die Frage offen, ob Machiavelli eine andere Staatsform als die republikanische und die Fürstenherrschaft favorisiert. Aus dem gesamten Werk Machiavellis scheint eine postmonarchische Verfassung hervorzugehen, wie sie im Übergang zwischen Fürstenherrschaft und Republik herrschen muß. Nur in dieser Übergangsphase haben die monarchischen Elemente der Verfassung die Macht den Staat zusammenzuhalten, wie es Machiavelli in seinem Werk ,,Der Fürst“ beschreibt. Hier findet sich der starke Mann, durch dessen virtù eine neue italienische und republikanische Ordnung hergestellt wird. Die Alleinherrschaft soll sich dann zur Republik entwickeln. Wie diese aufgebaut werden mußund wie man sie gegen innere und äußere Feinde absichert, lehrt uns Machiavelli in den Discorsi.
Man kann in jeder Zeile der Discorsi und des Fürsten erkennen, daßMachiavelli stark verbittert ist. Er konnte, da er Zeit seines Lebens ein Spielball der Mächtigen war, seine Ordnung nicht errichten. Das Vorwort zum zweiten Buch gibt die Antwort auf die Frage nach der ideellen Ordnung, die Machiavelli errichten wollte. ,,Denn es ist die Pflicht eines rechtschaffenen Mannes, das Gute, das er wegen der Ungunst der Zeiten und des Schicksals nicht ausführen konnte, andere zu lehren, damit unter vielen Fähigen einer, den der Himmel mehr liebt, es verwirklichen kann.“76 Die Wahrheit ist, daßhier ein Mann spricht, der im letzten Drittel seines Lebens77 resigniert und eingeschüchtert die Waffen strecken muß. Machiavelli nahm immer die Regelmäßigkeiten und Wiederholungen78 sowie zahlreiche Beispiele aus der Geschichte um seine Schlüsse daraus zu ziehen und seine Theorie abzuleiten. Er geht davon aus, daßdie Menschen stets die gleichen Leidenschaften haben und deshalb die gleichen Ursachen immer die gleichen Wirkung haben werden.79 Ob man diese These als völlig richtig erachten kann, ist für unseren Gegenstand völlig unerheblich, obwohl ein Stück Wahrheit in jedem Satz liegt. Diese Aussage, die im dritten Buch der Discorsi im 43. Kapitel vorkommt eröffnet uns Einblicke in die Arbeitstechnik Machiavellis, die zur Lösung des letzten Problems dieser Abhandlung führen werden. Machiavelli konnte gar nicht wissen, welche Ordnung er in der Zukunft herbeisehnen wird, was an seiner Arbeitstechnik liegt. Wäre er Sekretär der Republik geworden und hätte den Staat, so wie er es beschreibt, mit der Kraft eines Fürsten umgestalten und zur Republik führen können, dann hätte er bei der Aufrechterhaltung seiner Republik Erfahrungen gemacht, wie er sie im jahrelangen Staatsdienst als Gesandter gemacht hat. Aus diesen Erfahrungen hätte die neue Ordnung entstehen können, da Machiavelli sicherlich bestrebt gewesen wäre, den Kreislauf der Staatsformen zu durchbrechen und den Staat so einzurichten, daßselbst nach seinem Tod eine gerechte Ordnung herrschen würde. Machiavelli ist ein Mann der Praxis und genau das kritisiert Voegelin an Machiavelli. Egozentristisch bezieht Machiavelli all das, was er über die Römer gelesen hat auf seine Zeit und widerspricht sich damit in seinem Vorwort zum zweiten Buch noch selbst, denn ,,die Menschen loben stets die alten Zeiten, wenn auch nicht immer mit Recht, und klagen die Gegenwart an.“80 Machiavelli lobt jedoch in den Discorsi ausschließlich die Römer und die alten Zeiten, während er seine Gegenwart stets negative betrachtet. Jedoch mußman auch betonen, daßMachiavelli unter dem Eindruck der virtú der römischen Republik steht und sein Land gern zu der Größe Roms führen wollte. ,,Zahllose Leser finden nur Vergnügen daran, die bunte Mannigfaltigkeit der Ereignisse an sich vorüber ziehen zu lassen, ohne daßes ihnen einfällt, sie Nachzuahmen.“81
Man kann also zum Schlußableiten, daßdie ideale Verfassung im Werk Machiavellis steckt, da er Handlungsanweisungen gibt wie man bis zu dem Punkt kommt, an dem er schon war. Alles andere geht über seinen Horizont hinaus, da er sich nicht in der Lage befand, seine Vorstellungen über eine zukünftige, gerechtere Staatsordnung bilden zu können, was keineswegs die herausragende Leistung des Niccolò Machiavelli schmälern soll. Es ist nicht nur die ,,Ungunst der Zeiten“82, die es einen rechtschaffenden Mann unmöglich machen gesellschaftliche Zwänge zu durchbrechen, sondern es ist die Geißel eines jeden einzelnen Menschen, nicht aus seiner Rolle, die ihm durch sein selbständiges Handeln, aber auch durch die Gesellschaft auferlegt wird, ausbrechen zu können. Machiavelli hat keine Lösung für ein Problem gefunden, was die Menschen schon immer beschäftigt hat und immer beschäftigen wird. Es ist der Gegensatz des Menschen als soziales Wesen und selbständiges Individuum zu gelten und es ist auch das Spannungsfeld zwischen maximale Freiheit gewähren, aber trotzdem die Ordnung im Staat aufrecht erhalten.
5. Literaturangabe
Fenske, H./Mertens, D./Reinhard, W./Rosen, K.: Geschichte der politischen Ideen. Von Homer bis zur Gegenwart, Frankfurt am Main 1990.
Göschel, H.(Hrsg): Meyers Neues Handlexikon. Leipzig 1970.
Hobbes, Th.: Leviathan. Erster und zweiter Teil, Stuttgart 2000.
Lexikon-Institut Bertelsmann (Hrsg.): Die Grosse Bertelsmann Lexikothek. Bertelsmann Lexikon Bd.10, Gütersloh 1994.
Machiavelli, N.: Machiavelli Discorsi. Staat und Politik, Frankfurt am Main 2000.
Münkler, H.: Im Namen des Staates. Die Begründung der Staatsraison in der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1987.
Reinhard, W.: Geschichte der politischen Ideen. Von Homer bis zur Gegenwart. Frankfurt am Main 1990.
Skinner, Q.: Machiavelli zur Einführung. Hamburg 1990.
Voegelin, E.: Die spielerische Grausamkeit der Humanisten. Eric Voegelins Studien zu Niccolò Machiavelli und Thomas Morus, München 1995.
Zorn, R.: Lebenslauf Machiavellis und die wichtigsten Ereignisse seiner Zeit, in: Machiavelli, N.: Der Fürst. Stuttgart 1978.
[...]
1 Vgl. Lexikon-Institut Bertelsmann (Hrsg.): Die Grosse Bertelsmann Lexikothek. Bertelsmann Lexikon Bd.10, Gütersloh 1994, S.132.
2 Vgl. ebd. S.252.
3 Vgl. Zorn, R.: Lebenslauf Machiavellis und die wichtigsten Ereignisse seiner Zeit, in: Machiavelli, N.: Der Fürst. Stuttgart 1978, S.26-27.
4 Vgl. ebd. S.29.
5 Fenske, H./Mertens, D./Reinhard, W./Rosen, K.: Geschichte der politischen Ideen. Von Homer bis zur Gegenwart, Frankfurt am Main 1990, S.251.
6 Machiavelli, N.: Machiavelli Discorsi. Staat und Politik, Frankfurt am Main 2000, S.13.
7 Ebd. S.21
8 Hobbes, Th.: Leviathan. Erster und zweiter Teil, Stuttgart 2000, S.119.
9 Machiavelli, N.: Machiavelli Discorsi. Staat und Politik, Frankfurt am Main 2000, S.21.
10 Vgl. ebd. S.22.
11 Vgl. ebd. S.22.
12 Vgl. ebd. S.23.
13 Ebd. S.23.
14 Ebd. S.177.
15 Vgl. Münkler, H.: Im Namen des Staates. Die Begründung der Staatsraison in der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1987, S. 169.
16 Vgl. ebd. S. 189.
17 Vor allem soll er wirtschaftlich und militärisch konkurrenzfähig werden.
18 Vgl. Machiavelli, N.: Machiavelli Discorsi. Staat und Politik, Frankfurt am Main 2000, S.186.
19 Vgl. ebd. S.186.
20 Ebd. S.186.
21 Wichtig war auch die Klugheit und Geschicklichkeit (virtù) der Heerführer.
22 Vgl. ebd. S.187.
23 Ebd. S.196 .
24 Vgl. ebd. S.196 und S.17.
25 Vgl. ebd. S.197.
26 Vgl. ebd. S.199.
27 Vgl. ebd. S.220.
28 Vgl. ebd. S.252.
29 Vgl. ebd. S.188.
30 Vgl. ebd. S.187.
31 Vgl. ebd. S.264.
32 Denn der Titel des Buches lautet ,,Die spielerische Grausamkeit der Humanisten. Eric Voegelins Studien zu Niccolò Machiavelli und Thomas Morus.“
33 Skinner, Q.: Machiavelli zur Einführung. Hamburg 1990. S.93.
34 Vgl. ebd. S.259.
35 Ebd. S.257.
36 Vgl. Reinhard, W.: Geschichte der politischen Ideen. Von Homer bis zur Gegenwart. Frankfurt am Main 1990, S.348.
37 Machiavelli, N.: Machiavelli Discorsi. Staat und Politik, Frankfurt am Main 2000, S.177.
38 Ebd. S.52.
39 Voegelin, E.: Die spielerische Grausamkeit der Humanisten. Eric Voegelins Studien zu Niccolò Machiavelli und Thomas Morus, München 1995, S.71.
40 Vgl. Machiavelli, N.: Machiavelli Discorsi. Staat und Politik, Frankfurt am Main 2000, S.52.
41 Ebd. S.54.
42 Vgl. ebd. S.54.
43 Vgl. ebd. S.184.
44 Vgl. ebd. S.184.
45 Vgl. ebd. S.184.
46 Vgl. Voegelin, E.: Die spielerische Grausamkeit der Humanisten. Eric Voegelins Studien zu Niccolò Machiavelli und Thomas Morus, München 1995, S.73.
47 Ebd. S.73.
48 Machiavelli, N.: Machiavelli Discorsi. Staat und Politik, Frankfurt am Main 2000, S.185.
49 Ebd. S.17.
50 Vgl. ebd. S.73.
51 Vgl. Machiavelli, N.: Machiavelli Discorsi. Staat und Politik, Frankfurt am Main 2000, S.185.
52 Vgl. Voegelin, E.: Die spielerische Grausamkeit der Humanisten. Eric Voegelins Studien zu Niccolò Machiavelli und Thomas Morus, München 1995, S.62.
53 Ebd. S.72.
54 Vgl. Machiavelli, N.: Machiavelli Discorsi. Staat und Politik, Frankfurt am Main 2000, S.185
55 Vgl. Voegelin, E.: Die spielerische Grausamkeit der Humanisten. Eric Voegelins Studien zu Niccolò Machiavelli und Thomas Morus, München 1995, S.73.
56 Vgl. Voegelin, E.: Die spielerische Grausamkeit der Humanisten. Eric Voegelins Studien zu Niccolò Machiavelli und Thomas Morus, München 1995. S.67.
57 Vgl. ebd. S.67.
58 Machiavelli, N.: Machiavelli Discorsi. Staat und Politik, Frankfurt am Main 2000, S.182.
59 Vgl. Skinner, Q.: Machiavelli zur Einführung. Hamburg 1990. S.89.
60 Vgl. Voegelin, E.: Die spielerische Grausamkeit der Humanisten. Eric Voegelins Studien zu Niccolò Machiavelli und Thomas Morus, München 1995. S.67.
61 Denn der einzelne verteidigt seine Freiheit, wie oben aufgeführt.
62 Machiavelli, N.: Machiavelli Discorsi. Staat und Politik, Frankfurt am Main 2000, S.182.
63 Machiavelli, N.: Machiavelli Discorsi. Staat und Politik, Frankfurt am Main 2000, S.182.
64 Ebd. S.182.
65 Ebd. S.182.
66 Vgl. Skinner, Q.: Machiavelli zur Einführung. Hamburg 1990. S.88-89.
67 Machiavelli, N.: Machiavelli Discorsi. Staat und Politik, Frankfurt am Main 2000, S.182.
68 Wie oben aufgezeigt.
69 Vgl. Voegelin, E.: Die spielerische Grausamkeit der Humanisten. Eric Voegelins Studien zu Niccolò Machiavelli und Thomas Morus, München 1995. S.67.
70 Vgl. ebd. S.67.
71 Vgl. Machiavelli, N.: Machiavelli Discorsi. Staat und Politik, Frankfurt am Main 2000, S.182.
72 Skinner, Q.: Machiavelli zur Einführung. Hamburg 1990. S.89.
73 Voegelin, E.: Die spielerische Grausamkeit der Humanisten. Eric Voegelins Studien zu Niccolò Machiavelli und Thomas Morus, München 1995. S.68.
74 Ebd. S.68.
75 Vgl. Machiavelli, N.: Machiavelli Discorsi. Staat und Politik, Frankfurt am Main 2000, S.189.
76 1513 beginnt Machiavelli mit den Discorsi, 1527 stirbt er.
77 Vgl. Voegelin, E.: Die spielerische Grausamkeit der Humanisten. Eric Voegelins Studien zu Niccolò Machiavelli und Thomas Morus, München 1995. S.63-64.
78 Vgl. Voegelin, E.: Die spielerische Grausamkeit der Humanisten. Eric Voegelins Studien zu Niccolò Machiavelli und Thomas Morus, München 1995. S.64.; Der Originaltext im Discorsi in der dt. Übersetzung lautet: ,,Das kommt daher, daßsie von Menschen vollbracht werden, die immer die gleiche Leidenschaft besitzen und besaßen; mithin mußdas Ergebnis auch immer das gleiche sein.“
79 Vgl. ebd.
80 Vgl. Machiavelli, N.: Machiavelli Discorsi. Staat und Politik, Frankfurt am Main 2000, S.173.
81 Ebd. S.13.
82 Ebd. S.176.
- Quote paper
- Andre Hamann (Author), 2002, Kriterien der Stabilität in einem Staat bei Machiavelli, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107780
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