Carlo Goldonis Reform der Commedia dell'Arte
und
Analyse eines dramatischen Textes:
Carlo Goldoni: Il Servitore di due Padroni
Die Commedia dell'Arte fand in den Theaterstücken des venezianischen Dichters Carlo Goldoni sowohl ihre Vollendung als auch ihr Ende. Ihre Blütezeit hatte die Commedia dell'Arte um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert in ganz Europa unter dem Namen "Commedia a sogetto" oder "Commedia all'improviso alla italiana". Eine ihrer Hochburgen war Venedig. Die Commedia dell'Arte kam ohne Requisiten und große Szenenaufbauten aus, weshalb sie überall, zum Beispiel auch auf der Straße, gespielt werden konnte. Carlo Goldoni gilt als der große Reformator der Commedia dell'Arte. Um auf seine Reformen einzugehen, muss allerdings zuerst geklärt werden, worum es sich bei der Commedia dell'Arte handelt.
Die Commedia dell'Arte zeichnete sich dadurch aus, dass die Texte nicht schriftlich fixiert waren. Die Schauspieler lernten einen gewissen Rahmen, doch der genaue Inhalt, die einzelnen Sprechakte, waren improvisiert, daher auch der Name "Commedia all'improviso". Das Handlungsgerüst, Szenario, beziehungs-weise il canovaccio, wurde neben der Improvisation auch mit typisierten Wortwechseln und Scherzen, den lazzi aufgefüllt. Zunftmäßig wurde die Commedia dell'Arte von wandernden Truppen aufgeführt. Literarisch nicht hochwertig, war sie vielmehr ein Theaterphänomen.
Die Figuren der Commedia dell'Arte waren verbindlich vorgegeben. Sie folgten einem festen Schema und trugen meist Masken, so dass der Zuschauer bereits beim ersten Auftritt einer Figur wusste, wer sie ist, und wie sie sich verhalten würde. Ein Arlecchino zum Beispiel war immer "tölpelhaft-schlau-gefräßig-zotig"1. Auch die Gestik war der Figur zugeordnet. So betrat der Arlecchino die Bühne mit einem Salto. Seine Beinarbeit erinnerte an die Seiltänzer, die neben den Gauklern Vorbild für die Commedia dell'Arte waren.
Die Figuren lassen sich zunächst grob in die Jungen, i Giovani, und die Alten, i Vecchi, in Maskenträger und unmaskierte Figuren einteilen. Meistens widerfuhr den Jungen ein besseres Schicksal als den Alten. Die Schwächen der Jungen, wie Leichtgläubigkeit, Käuflichkeit, blinde Liebe, Vergnügungssucht oder Naivität, wurden ihnen aber oft zum Verhängnis. Bei den Alten wurden beispielsweise der Geiz, die Lüsternheit, das unangemessene jugendliche Gehabe oder die übertriebene Angeberei, vor allem was Bildung betrifft, dargestellt. Bei den Jungen gab es immer ein Liebespaar, gli Amorosi, deren schönen jugendlichen Gesichtszüge nicht durch eine Maske versteckt waren. Die junge Frau musste allerdings ihrem naiven jugendlichen Liebhaber nicht unbedingt treu sein, vor allem nicht, wenn Geld ins Spiel kam. Die Dienerin der jungen Frau, die zu den Alten gehörte, kennzeichnete sich durch Geldgier und Lüsternheit und trat häufig als Kupplerin auf.
Eine weitere Figur der Alten war der Pantalone. Dieser war in der Commedia dell'Arte immer maskiert. Er hatte eine lange, große Nase und seinen Spitzbart. Sein enger roter Anzug machte ihn jugendlicher, wie auch sein schwarzer Umhang und seine schwarze Kappe. Er hatte stets einen prall gefüllten Beutel dabei, der seinen Reichtum symbolisierte. Als venezianischer Kaufmann sprach er natürlich auch im venezianischen Dialekt. Dies ist ein weiteres Merkmal der Commedia dell'Arte: die Verwendung verschiedener Dialekte.
Der Dottore sprach keinen Dialekt, ließsich aber seine Bildung nur allzu gerne heraushängen. Immer schwarz gekleidet, mit einer großen Brille, warf er gerne mit lateinischen Zitaten und Fremdwörtern um sich. Er verkörperte einen aufgeblasenen Intellektuellen, der alle mit seinen meist nutzlosen, unverständlichen Ratschlägen belästigte.
Als weiterer Alter konnte noch der Capitano auftreten. Dieser war ein eitler, mit seinen soldatischen Heldentaten protzender Geck, der sofort verschwand, wenn die Situation brenzlig wurde. Er verkörperte häufig Soldaten, die aus Spanien oder Deutschland nach Italien kamen, was sich auch an seiner Sprache bemerkbar machte.
Die meist tolpatschigen, unverschämten, manchmal auch gerissenen, Zanni sprachen im bergamaskischen Dialekt. Ihre Kleidung bestand aus weiten Hemden und Hosen, was an die Tracht der Bergamasken erinnerte. Ihre Maske überdeckte nur das halbe Gesicht und hatte eher grobe Züge. Die Rauflust dieser Zanni wurde durch ein Messer, das oft aus Holz war, dargestellt. Als Bauernvolk galten die Bergamasken zwar als etwas zurückgeblieben, dennoch hatten sie in der Commedia dell'Arte neben dem Pantalone und der jugendlichen Liebhaberin die wichtigste Rolle. Ihre Dummheit, die sowohl echt als auch gespielt sein konnte, gab Anlass zur Komik.
Oft gesellte sich zu ihnen noch ein Arlecchino. Gekleidet in einem bunten Flickensystem zeigte er außerordentliche akrobatische Fähigkeiten. Zudem war er äußerst raffiniert und gewitzt. Meist war er derjenige, der am Ende die Fäden in der Hand hielt und dafür sorgte, das die jungen Liebenden schließlich zueinander finden konnten, und der Pantalone als großer Verlierer dastand.
Der eigentliche Reiz des Stücks, nachdem die Figuren ja für den Zuschauer vollkommen berechenbar waren, lag also nur an der Improvisation und den Possen, i lazzi.
Trotz Versuche, zum Beispiel vom italienischen Literatur-Nobelpreisträger Dario Fo, die Commedia dell'Arte wieder zu beleben, kann man heute ihren Witz, ihr Tempo und den Spaßder schnellen Dialoge nicht mehr begreifen. Die Commedia dell'Arte entstand in einer Zeit der strengen politischen Überwachung und kirchlicher Inquisition. Es war also zum Schutz von Schauspieler und Autor, dass nur Harmlosigkeiten schriftlich festgehalten wurden.
Carlo Goldoni hat die Commedia dell'Arte reformiert. Seine auffälligste Veränderung ist natürlich, dass der Text komplett niedergeschrieben ist. Jedoch war Il servitore di due padroni zunächst nur als Szenarium festgehalten. Erst später wurde der Text von Goldoni voll ausgeschrieben, um unpassende Eskapaden zu verhindern. Es lassen sich jedoch eine ganze Reihe von Relikten der mittelalterlichen Theaterform finden. Zum einen bei der Benennung der Figuren. Wie bereits erwähnt ist der Pantalone (de'Bisognosi) bereits in der Commedia dell'Arte ein alter, venezianischer Kaufmann. Auch bei Goldoni spricht er im venezianischen Dialekt. Das typische Liebespaar wird bei Goldonis Il servitore di due padroni von Clarice und Silvio, also zwei jungen Menschen, verkörpert. Zudem gibt es noch ein zweites jugendliches Liebespaar: Beatrice und Florindo Aretusi.
Der Name Beatrice stammt jedoch nicht aus der Commedia dell'Arte, sondern ist vermutlich eine Anlehnung an Dantes Geliebte oder an Shakespeares Much Ado About Nothing aus dem Jahre 1600. Hier ist die Figur der Beatrice eine kluge, emanziperte Frau. Shakespeares Beatrice hält recht wenig von den Männern und stellt deshalb sehr hohe Anforderungen an einen eventuellen Ehemann. Sie läßt sich auch von keinem das Wort verbieten oder sich etwas vorschreiben. Goldonis Beatrice zeigt durch die Männerkleidung, dass sie ihre Meinung frei sagen will. Sie will sich nicht einfach familiären Verpflichtungen oder gesellschaftlichen Normen fügen, sondern ihren Florentino ehelichen, obwohl dieser unter dem Verdacht steht, ihren Bruder ermordet zu haben. Den Auftritt in Männerkleidern erklärt sie Brighella in Szene fünf: "Se mi scopro, non faccio nulla. Pantalone principierà a volermi far da tutore; e tutti mi seccheranno, che non istà bene, che non conviene e che so io? Voglio la mia libertà." I/5.
Auch der Dottore (Lombardi) mit der vorgeschriebenen Überheblichkeit fehlt bei Goldoni nicht ("Accidit in puncto, quod non contingit in anno."; "Prior in tempore, potior in iure."; beide I/3).
Truffaldino ist der Arlecchino, ein Bergamaske, der sich auch hier nicht eindeutig als Schlaukopf oder als Narr einordnen läßt ("Cossa credemio che el sia costù? Un furbo, o un matto?" I/2). Da Il servitore di due padroni auf Anforderung von Antonio Sacchi entstand, heißt der Zanni Truffaldino und eben nicht Arlecchino. Antonio Sacchi war selbst Arlecchino-Mime mit dem Künstlernamen Truffaldino.
Im Folgenden werde ich den ersten Akt der Komödie Il servitore di due padroni analysieren. In der ersten Szene kann man sich anhand der Figurenkonfiguration bereits einen groben Überblick in die Figurenkonstellation verschaffen. Der Pantalone ist der Vater von Clarice, die sich mit Silvio verlobt. Dieser ist seinerseits Sohn des Dottore. Pantalone und Dottore sind befreundet und somit mit der Verlobung einverstanden. Der Diener Pantalones, der in der ersten Szene nicht zu Wort kommt, und der Wirt Brighella sind die Zeugen der Verlobung ("Vualtri sarè testimoni de sta promission, seguida tra Clarice mia fia e el sior Silvio, fio degnissimo del nostro sior Dottor Lombardi." I/1). Smeraldina, Clarices Kammermädchen, hat ebenfalls nichts dagegen einzuwenden, im Gegenteil, sie zeigt sich als sehr zustimmend ("Oh bella cosa! Propriamente anch'io me ne struggo di voglia." I/1), was auch ihren in der Commedia dell'Arte verankerten lüsternen Charakter verraten könnte.
Wie häufig in Dramen wird auch hier im ersten Akt durch eine Analepse die Vorgeschichte kurz erklärt. Bis zu diesem Zeitpunkt wissen die Figuren des Stücks mehr als der Zuschauer. Durch die Analepse ist der Zuschauer auf dem gleichen Wissensstand. Pantalone erklärt, dass die Heirat ein durch den Himmel bestimmtes Schicksal ist, weil "se a Turin no moriva sior Federigo Rasponi, mio corrispondente, savè che mia fia ghe l'aveva promessa a elo e no la podeva toccar al mio caro sior zenero." (I/1). Ohne diese Information könnte der Zuschauer der folgenden Geschichte nicht mehr folgen. Pantalone übernimmt hier die Funktion eines narrativen Erzählers. Eine weitere Analepse ist Florindos Monolog in der zwölften Szene. Hier erzählt er aus seiner Sicht, wie Federigo ums Leben gekommen sein müsste und wundert sich, dass er anscheinend doch noch am Leben ist ("Come può darsi che una stoccata, che lo passò dal fianco alle reni, non l'abbia ucciso?"; I/12). In der 13. Szene, als Florindo den Brief von Tognino an Beatrice liest erfährt der Zuschauer erneut mehr über die Hintergründe. Auch dies ist eine Analepse.
Bereits in der ersten Szene findet man häufig Regieanweisungen wie "(a Clarice)", "(da sè)", "(a Pantalone)", und so weiter. Diese Anweisungen zeigen, dass im Verlauf der Komödie der Zuschauer einen Wissensvorsprung gegenüber den Figuren aufbaut. Er erfährt alles, auch das, was auf der Bühne nur für eine einzige Figur bestimmt ist.
In der zweiten Szene kommt zu den vorigen Figuren der Truffaldino hinzu. Zunächst stellt er sich gar nicht vor, sondern läßt sich die Anwesenden vorstellen. Auch beginnt er sofort, mit dem Kammermädchen Smeraldina zu flirten:
S m e r a l d i n a. Sono la sua cameriera, Signore.
T r u f f a l d i n o: Me ne congratulo.
[...]
T r u f f a l d i n o (a Smeraldina). V.S. è la sposa?
S m e r a l d i n a (sospirando). Oh! Signor no. (I/2)
Pantalone hingegen wird schon ungeduldig und will wissen, wessen Diener Truffaldino ist. Doch dieser antwortet nur spöttisch "Son servitor del me padron." (I/2). Als er dann doch endlich sagt, wer sein Herr ist, sorgt er bei allen Anwesenden für Verwirrung: es soll der tote Federigo Rasponi aus Turin sein. Daraufhin erklärt Pantalone, dass dieser Mann tot ist, und Truffaldino will sofort überprüfen, ob sein Herr noch lebendig unten steht.
In dieser Szene beobachtet man eine im Drama häufig verwendete Form der Figurencharakterisierung: statt der im narrativen Text üblichen auktorialen Charakterisierung, greift das Drama häufiger auf die figurale Charakterisierung zurück. Hier unterhalten sich Pantalone, der Dottore, Brighella und Smeraldina über Truffaldinos Intelligenz. Er wird also explizit figural durch Fremdkommentar beschrieben. Obwohl Truffaldino eigentlich der Arlecchino-Figur entspricht, ist er nicht mehr eindeutig als "tölpelhaft-schlau-gefräßig-zotig" zu erkennen, sondern die anderen Figuren rätseln, ob er nicht doch ein schlauer Kerl ist:
P a n t a l o n e (piano al Dottore). Mi credo che el sia un sempio costù.
D o t t o r e (piano a Pantalone). Mi par piuttosto un uomo burlevole.
[...]
B r i g h e l l a. A mi el me par piuttosto un semplizotto. L'è bergamasco, no crederia che el
fuss un baron.
[...]
S m e r a l d i n a. Anche l'idea l'ha buona. (Da sè.) Non mi dispiace quel morettino. (I/2)
Hier wird dem Zuschauer auch erzählt, dass Truffaldino Bergamaske ist und schwarze Haare hat.
In der dritten Szene kommt zu den vorigen noch Beatrice, verkleidet als Federigo, hinzu. Die Verkleidung bietet Grundlage für ein Thema der Commedia dell'Arte, die Verwechslungs- und Verwicklungskomik. Obwohl die anderen Figuren zunächst daran zweifeln, dass wahrhaftig Federigo vor ihnen steht, kann Beatrice dies anhand von Geschäftsbriefen und der Aussage Brighellas beweisen. Kompliziert wird diese Angelegenheit dadurch, dass Brighella sehr wohl merkt, dass es sich nicht um Federigo, sondern seine Schwester Beatrice handelt. Der Auftritt Beatrices stört die gegebene Situation: die Verlobung Silvios mit Clarice. Dies wiederum führt zu verwirrenden Verwicklungen. Die Szene endet mit einer Herausforderung zum Duell.
"S i l v i o. [...] e chi vorrà Clarice, dovrà contenderla con questa spada." (I/3)
Anhand der ersten drei Szenen kann man die Gattung Drama genauer beschreiben. Aus der semiotischen Perspektive beschreibt Fischer-Lichte das Theater als zugehörig zu den "kulturellen Systemen, die Bedeutung auf der Grundlage ästhetischer Codes erzeugen"2. Das Theater verwendet wie auch die Malerei oder Bildhauerei überwiegend ikonische Zeichen, das heißt, dass ein Mensch auf der Bühne einen Menschen repräsentiert. Es besteht also eine gewisse Ähnlichkeit zwischen beiden. Allerdings benützt das Theater auch Symbole und Indizes. Das Zeichenmaterial ist nicht wie in der Lyrik oder der Narrativik homogen. Da das Theater neben der Sprache auch auf Gestik, Mimik, Bewegung, Maske, Frisur, Bühnenbild, etc. zurückgreift, spricht man von einem heterogenen Zeichenmaterial. Dies gilt natürlich nicht für den schriftlich fixierten Dramentext. Im Text steht in der Regieanweisung zu Beginn der dritten Szene "Beatrice in abito da uomo, sotto il nome di Federigo [...]."; I/3. Diese Aussage ist natürlich symbolischen Wertes. Auf der Bühne hingegen trägt Beatrice einfach Männerkleidung, ohne dass dies vorher gesagt wird, womit der ikonische Wert unterstrichen wird.
Während beim schriftlichen Dramentext ähnlich wie beim narrativen Text die Zeitspanne zwischen Produktion und Rezeption sehr großsein kann, ist die Aufführung durch Simultaneität von Produktion und Rezeption geprägt. Ausgeprägter ist dieses Verhältnis bei der Commedia dell'Arte, wo der Stellenwert des geschriebenen Textes stark reduziert wurde. Hier sind Produktion und Rezeption nicht nur simultan, sondern auch mehr oder weniger einzigartig. Eine zweite Vorstellung, die mit der ersten vollkommen identisch ist, wird es bei Stegreifkomödien nicht geben. Hätte Goldoni also seinen Il servitore di due padroni nicht vollkommen schriftlich fixiert, so wäre der Text in vielen verschiedenen Variationen überliefert.
Die Konflikte im ersten Akt lassen sich kurz zusammenfassen. Die Verwicklungen und Probleme der Liebe werden häufig in der Commedia dell'Arte behandelt. Bei Goldoni sind es gleich zwei jugendliche Liebespaare, die zunächst nicht zueinander finden können. Clarices und Silvios Glück wird durch Beatrice gestört. Beatrice und Florindo werden durch den Mord an Federigo voneinander getrennt. Beide logieren zufällig in Venedig im gleichen Gasthaus und haben sogar den gleichen Diener, Truffaldino, der weitere Konflikte auslöst. Truffaldino ist zwar so gewitzt, einen zweiten Verdienst nicht auszuschlagen ("A servirla? Perchè no? [...]"; I/8), ja sogar über den Preis verhandelt er geschickt ("Bisognerave che la me dasse qualcossetta de più."; I/8), aber die neue Anforderung übersteigt schließlich doch seine Kompetenzen.
Als er auf Silvio trifft, begeht er seinen ersten Fehler. Dieser will, dass der Diener seinen Herrn schickt. Doch Truffaldino weißnicht, welchen seiner beiden Herren er schicken soll ("No so gnente, manderò el primo che troverò." I/10) und schickt prompt den Falschen:
F l o r i n d o [...] (A Silvio.) Signore, siete voi che mi avete domanato?
S i l v i o. Io? Non ho nemmeno l'onor di conoscervi.
F l o r i n d o. Eppure quel servitore, che ora di qui è partito, mi ha detto che con voce
imperiosa e con minaccie avete preteso di provocarmi.
S i l v i o. Colui m'intese male; dissi che parlar volevo al di lui padrone. (I/11)
Als er für beide Herren Briefe abholen soll, unterläuft ihm ein weiterer Faux-pas. Er überreicht Florindo den falschen Brief, weil er selbst nicht lesen kann. So erfährt Florindo, dass Beatrice auch in Venedi ist. Um sich nicht zu verraten, erfindet Truffaldino einen weiteren Diener, Pasqual ("L'è un servitor ... che gh'ha nome Pasqual"; I/13). Florindo will diesen Diener nun aber treffen, um Beatrice ausfindig zu machen, was Truffaldino dazu zwingt, weiterhin zu schwindeln.
Auch das Geld, das Pantalone ihm für Beatrice zukommen läßt, überreicht er an den falschen Herrn, obwohl er versucht, seine Entscheidung abzusichern:
T r u f f a l d i n o. [...] Nol m'ha gnanca dito a qual dei mii padroni gehe l'ho da dar.
[...]
T r u f f a l d i n o. Disim la verità, sior patron, aspetteu danari da nissuna banda?
F l o r i n d o. Sì, ho presentata una lettera ad un mercante.
T r u f f a l d i n o. Donca sti quattrini i sarà vostri. (I/17)
Doch gelingt es Truffaldino jedesmal, seine Fehler den Herren so zu erklären, dass diese keinen Verdacht schöpfen, und ihm noch nicht einmal böse sind. Bei dem Auftrag, den ihm Silvio erteilt hat, stellt sich heraus, dass Silvio einen anderen mit einem Truffaldino verwechselt hat ("Perdonate dunque, o il vostro servitore è simile ad un altro che ho veduto stamane [...]"; I/11). Bei der Verwechslung der Briefe beteuert er Beatrice, er habe den Brief geöffnet, aber nicht gelesen, worauf sie antwortet "Se la cosa fosse così, non vi sarebbe male." (I/15).
Neben den oben genannten Verwicklungen und Verwechslungen ist Geld ein wichtiges Thema der Commedia dell'Arte. Allerdings ist es meist Pantalone, der Kaufmann, der sich durch Intrigen bereichern will. Bei Il servitore di due padroni sind es vor allem Beatrice, die als Federigo verkleidet Geld von Pantalone verlangt, und Truffaldino, der sich doppelten Verdienst durch den zweiten Herrn sichert. Aber auch Pantalone will seine Tochter regelrecht verkaufen. Hier kritisiert Goldoni deutlich das heuchlerische Verhältnis zum Geld.
Eine erste Auflösung eines zentralen Konflikts, und zugleich einer der Höhepunkte des ersten Aktes, beginnt in der zwanzigsten Szene, als sich Beatrice Clarice anvertraut. Beatrice hat Mitleid mit Clarice, weil diese doch Silvio liebt und deshalb Federigo nicht heiraten will. Als Clarice zu sich sagt "La passione mi fa diventare ardita, temeraria, incivile." (I/20), erkennt man zum ersten Mal Parallelen zwischen ihr und Beatrice. Clarice wird zunehmend auch emanzipierter, war sie doch zuvor noch unterwürfig "Serva divota"; I/3, "Siete padrone di me, signor padre" I/18, wagte sie nur vorsichtig, ihrem Vater zu widersprechen "ma questa, compatitemi, è una tirannia" I/18. Im wichtigen Gespräch mit Beatrice ist sie ihr gegenüber dann sehr unfreundlich und abweisend. Doch Beatrice weiht sie ein, und die beiden Frauen werden Freundinnen
C l a r i c e. Anzi vi sarò amica; e, se posso giovarvi, disponete di me. (I/20)
Zum Schluss des ersten Aktes versichert Beatrice noch, dass sich alles zum Guten wenden wird ("Non dubitate, che dopo i timori, dopo gli affanni, riescono più graditi gli amorosi contenti."; I/22).
Allgemein läßt sich also die Handlung in mehrere Einzelhandlungen trennen. Die einzelnen Handlungsstränge werden im ersten Akt teilweise miteinander verknüpft, zum Beispiel durch Truffaldino als Bindeglied zwischen den beiden Herren, oder laufen parallel zueinander, wie die Leidenswege der Liebenden Clarice und Silvio, beziehungsweise Beatrice und Florindo.
Dass Il servitore di due padroni eine Komödie ist, erkennt man vor allem daran, dass nur Fehlhandlungen vorliegen, die nicht zu einer Katastrophe führen, wie es in einer Tragödie der Fall wäre. Diese Fehlhandlungen können beliebig oft wiederholt werden, da sie ja keine Konsequenzen nach sich ziehen. So kann Truffaldino immer wieder die Aufträge seiner beiden Herren vertauschen. Auch die oben genannte Doppelung der Handlungsstruktur ist kennzeichnend für die Komödie. Die Handlung an sich kann kaum Komik vermitteln, aber sie muss so gewählt werden, dass die Episodenhaftigkeit komischer Elemente gewährleistet werden kann. Bei Goldonis Komödie ist der komische Held eindeutig der Arlecchino. Einerseits werden seine Laster bloßgestellt, wie die Geldgier, die ihm fast zum Verhängnis wird. Andererseits lacht der Zuschauer über seine Unbelehrbarkeit, denn er macht bei den Verwechslungen seiner beiden Herren immer wieder die gleichen Fehler.
Das gesamte Drama ist in drei Akte unterteilt. Die Akte wiederum sind in Szenen unterteilt. Goldoni hält sich an das bewährte Schema, bei dem die Szenenaufteilung nach der Figurenkonfiguration oder Ortswechseln richtet. Kommen demnach neue Figuren auf die Bühne, oder ändert sich der Schauplatz wie zwischen Szene fünf und sechs, beziehungsweise 17 und 18 ("Camera in casa di Pantalone"; I/1-5; "Strada colla locanda di Brighella."; I/6-17; ("Camera in casa di Pantalone"; I/18-22), so beginnt eine neue Szene. Diese wenigen Ortswechsel sind auch ein Merkmal der Commedia dell'Arte, die bekanntlich fast ohne Requisiten auskommen musste.
Im Drama hat die Sprache Handlungscharakter. Pirandello spricht daher von azione parlata. Dominant ist die appellative Sprachfunktion, da sich die einzelnen Aussagen gegenseitig bedingen. Dies kann man ganz deutlich an der ersten Szene erkennen, als Silvio um Clarices Hand anhält.
C l a r i c e. Sì, caro Silvio, eccovi la mia destra. Prometto di essere vostra sposa.
S i l v i o. Ed io prometto esser vostro. (I/1)
Natürlich kann man in einem Drama auch alle anderen Sprachfunktionen finden. Obwohl der Zuschauer vielleicht denkt, die Schauspieler auf der Bühne unterhalten sich nur untereinander, kommunizieren die Figuren aber für das Publikum. Besonders deutlich erkennt man dies an den häufigen a-parte-Äußerungen. Jene Sprechakte, die mit "da sè" eingeleitet werden, richten sich ausschließlich an den Zuschauer. Hierbei werden die Gedanken der einzelnen Figuren übermittelt, die die anderen Figuren auf der Bühne jedoch nicht wahrnehmen.
Schon der erste Akt von Goldonis Il servitore di due padroni bereitet auch dem modernen Leser Vergnügen. Die zahlreichen Verwechslungen und für den Leser nachvollziehbaren Verwicklungen entsprechen der heutigen Komik. Da Goldoni überwiegend Elemente der Situationskomik verwendet, die meist durch Truffaldinos Missgeschicke repräsentiert werden, könnte man das Stück auch mit anderen großen Stücken wie Shakespeares Much Ado About Nothing (1600), Oscar Wildes The Importance of Being Earnest (1899), etc. oder gar mit modernen Klamauk-Filmen wie Lügen haben lange Beine oder Verrückt nach Marry vergleichen. Alle diese Werke haben eines gemeinsam: bedingt durch Verwechslungen und Verwicklungen entstehen komische Begebenheiten. Der Leser, beziehungsweise der Zuschauer, weißmeist mehr als die Protagonisten und kann so über die Dummheit, Naivität und Tolpatschigkeit lachen. Es ist also nicht verwunderlich, dass Goldonis Komödie seit mehr als zwei Jahrhunderten zu den am häufigsten aufgeführten Komödien Italiens gehört. Die Commedia dell'Arte konnte sich allerdings nicht durchsetzen, obwohl sie sich einst in Europa größter Beliebtheit erfreute.
Bibliografie:
- Best, Otto F., Handbuch literarischer Fachbegriffe. Definitionen und Beispiele, Frankfurt a.M. 31994
- Brütting, Richard, Italien-Lexikon, Berlin 1997
- Fischer-Lichte, Erika (1983), Semiotik des Theaters. Eine Einführung. Bd. 1: Das System der theatralischen Zeichen, Tübingen 41998.
- Goldoni, Carlo und Riedt, Heinz, Il Servitore di due Padroni – Der Diener zweier Herren, Stuttgart 1995
- Klinkert, Thomas, Einführung in die französische Literaturwissenschaft, Berlin 2000.
- Schulze-Witzenrath, Elisabeth, Literaturwissenschaft für Italianisten. Eine Einführung, Tübingen, 1998
- Schweikle, Irmgard und Schweikle, Günther, Metzler Literaturlexikon. Definitionen und Begriffe, Stuttgart 21990
- Spezzani, Pietro, Dalla commedia dell'arte a Goldoni, Padova 1997
- Theile, Wolfgang, Goldoni, Darmstadt 1977
[...]
1 Goldoni, Carlo und Riedt, Heinz, Il Servitore di due Padroni – Der Diener zweier Herren, Stuttgart 1995
2 Fischer-Lichte, Erika (1983), Semiotik des Theaters. Eine Einführung. Bd. 1: Das System der theatralischen Zeichen, Tübingen 41998.
- Citar trabajo
- Simone Hausner (Autor), 1982, Carlo Goldonis Reform der Commedia dell´Arte, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107755
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