‚Dyskalkulie’, ‚Rechenschwäche’, ‚Rechenstörung’, ‚Zählschwäche’ – die Anzahl der Begrifflichkeiten, die in der Literatur zu diesem Thema auftauchen, sind beinahe ebenso vielfältig wie die Erscheinungsformen dieser Störung des Kindes- und Jugendalters. Eines ist jedoch allen gemeinsam und sollte bei aller Wissenschaftlichkeit nie aus dem Blickfeld geraten: manche Kinder haben von Beginn an ganz besondere Probleme beim Erlernen grundlegender mathematischer Operationen, die nicht ad hoc erklärbar sind.
Da solche Probleme zunächst meist auf den Mathematikunterricht begrenzt bleiben und die Kinder nicht sofort versetzungsgefährdet sind, wird leider immer noch viel zu oft abgewartet und die Kinder mit übermäßigem monotonen Üben zusätzlich belastet. Wie ich später noch aufzeigen werde, kann aber genau diese Praxis das Problem noch verschärfen. Rechtfertigungen von Seiten der Eltern wie auch der Lehrer, wie ‚der Knoten platzt schon noch’, ‚die Begabung fehlt’ oder ‚er/sie ist eben einfach zu langsam’ zeigen, dass das Problem der Rechenstörung in der Praxis kaum Eingang gefunden hat, „versagt ein Kind hier (im Rechenunterricht; Anm. d. Verf.), verbinden Lehrerinnen aufgrund der vermeintlichen Logik der Inhalte dies häufig zu Unrecht mit Intelligenzmangel“ . Auch in der wissenschaftlichen Forschung sind die Veröffentlichungen zu diesem Thema eher spärlich, im Gegensatz zur Lese-Rechtschreib-Schwäche beispielsweise. Dies ist umso erstaunlicher, als „der Rechenunterricht [wird] neben dem Lese-Schreib-Unterricht als das schullaufbahnentscheidende Fach in der Grundschule angesehen“ wird.
Im Rahmen dieser Arbeit konzentriere ich mich vor allem auf die Standardwerke von Grissemann/Weber, Lobeck und Röhrig, wobei letztgenannter eher eine konträre Meinung zu den anderen Autoren vertritt. Meine Hauptargumentation bezieht sich deshalb auf Grissemann/Weber und Lobeck, während ich an geeigneter Stelle jeweils die Kritik Röhrigs anbringen werde. Bei der Verwendung der Begriffe schließe ich mich ebenfalls Grissemann/Weber an und werde ‚Dyskalkulie’, ‚Rechenstörung’ und ‚Rechenschwäche’ synonym verwenden, wohingegen andere Begriffe separat erklärt bzw. definiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Definitionen zur Dyskalkulie und deren kritische Betrachtungen
- Definitionen
- Kritische Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Theorien zur Dyskalkulie
- Einordnung der Dyskalkulie und allgemeine Charakteristika umschriebener Entwicklungsstörungen
- Symptomatik
- Rechenfehler im Zusammenhang mit dem Sprach- und Symbolverständnis
- Rechenfehler im Zusammenhang mit Störungen im quantitativen Denken
- Rechenfehler im Zusammenhang mit dem Verständnis von Operationen
- Übersicht zu den genannten Symptomen
- Verhalten im Unterricht
- Bedingungen, die zur Entstehung einer Rechenschwäche beitragen können
- Kritische Auseinandersetzung mit der Ursachenforschung
- Diagnostik
- Zusammenhang von Dyskalkulie mit anderen Störungen des Kindes- und Jugendalters
- Intervention
- Schulische Intervention
- Therapeutischer Therapieansatz
- Zusammenfassung und abschließende Betrachtung
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hauptseminararbeit befasst sich mit dem Thema Dyskalkulie, einer Entwicklungsstörung des Kindes- und Jugendalters, die sich durch Schwierigkeiten beim Erlernen grundlegender mathematischer Fähigkeiten auszeichnet. Die Arbeit analysiert die Definitionen der Dyskalkulie, die Ursachenforschung und die Interventionen, die zur Unterstützung von betroffenen Kindern eingesetzt werden können. Außerdem werden die Symptome der Dyskalkulie im Detail dargestellt und der Zusammenhang mit anderen Störungen, wie z.B. Lese-Rechtschreib-Schwäche, beleuchtet.
- Definition und Einordnung der Dyskalkulie
- Symptome und Ursachen der Dyskalkulie
- Diagnostik und Intervention bei Dyskalkulie
- Zusammenhang von Dyskalkulie mit anderen Störungen
- Schulische und außerschulische Fördermöglichkeiten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Dyskalkulie als eine häufige Entwicklungsstörung des Kindes- und Jugendalters vor, die sich durch Schwierigkeiten beim Erlernen mathematischer Fähigkeiten auszeichnet. Die Arbeit beleuchtet die unterschiedlichen Bezeichnungen für diese Störung und verdeutlicht die Wichtigkeit einer frühzeitigen Erkennung und Intervention.
Das zweite Kapitel befasst sich mit den Definitionen der Dyskalkulie und deren kritischen Betrachtungen. Es werden verschiedene Definitionen aus der Literatur vorgestellt, darunter die Diskrepanzdefinitionen von Grissemann/Weber und Lobeck, sowie die Kritik von Röhrig an diesen Definitionen.
Das dritte Kapitel ordnet die Dyskalkulie den umschriebenen Entwicklungsstörungen zu und beleuchtet die allgemeinen Charakteristika dieser Störungen. Es wird hervorgehoben, dass die Dyskalkulie wie jede andere Lernstörung in komplexen Wechselbeziehungen zu verstehen ist, sowohl zu anderen Lern- und Verhaltensstörungen als auch zu ätiologischen Basisfaktoren.
Im vierten Kapitel werden die Symptome der Dyskalkulie im Detail dargestellt. Es werden verschiedene Kategorien von Rechenfehlern beschrieben, die auf Schwierigkeiten im Sprach- und Symbolverständnis, im quantitativen Denken und im Verständnis von Operationen zurückzuführen sind. Außerdem werden typische Verhaltensweisen von Kindern mit Dyskalkulie im Unterricht beschrieben.
Das fünfte Kapitel behandelt die Bedingungen, die zur Entstehung einer Rechenschwäche beitragen können. Es werden verschiedene ätiologische Basisfaktoren diskutiert, darunter genetische Einflüsse, organische Beeinträchtigungen, sozioökonomische und soziokulturelle Faktoren sowie schulische Belastungen.
Im sechsten Kapitel wird die Kritik von Röhrig an der klassischen Ursachenforschung der Dyskalkulie dargestellt. Er kritisiert die Suche nach einem isolierten Rechenzentrum und die Klassifizierung der Dyskalkulie als Teilleistungsschwäche. Röhrig sieht das bestehende Schulsystem als Hauptverursacher für die Entstehung von Dyskalkulie aufgrund von Lernstress und Selektionsdruck.
Das siebte Kapitel befasst sich mit der Diagnostik der Dyskalkulie. Es werden die Diagnostischen Leitlinien der WHO vorgestellt und die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Dyskalkulie von normalen Variationen im Erwerb schulischer Fertigkeiten erläutert. Die Bedeutung einer umfassenden Diagnostik wird betont, die sowohl die schulische Leistung als auch den Entwicklungsverlauf des Kindes berücksichtigt.
Das achte Kapitel untersucht den Zusammenhang von Dyskalkulie mit anderen Störungen des Kindes- und Jugendalters. Es werden Studien vorgestellt, die zeigen, dass Kinder mit Dyskalkulie häufiger auch unter Aufmerksamkeitsstörungen, Verhaltensstörungen und sprachlichen Problemen leiden. Die Wichtigkeit einer ganzheitlichen Diagnostik wird hervorgehoben, um die Bedürfnisse des Kindes umfassend zu erfassen.
Im neunten Kapitel werden verschiedene Interventionen bei Dyskalkulie vorgestellt. Es werden sowohl schulische als auch therapeutische Ansätze beschrieben. Die schulische Intervention umfasst die Diagnostik nach dem neuropsychologischen Ansatz, die Entwicklung von Kompensationsstrategien und die Vermeidung von Stigmatisierung. Der therapeutische Ansatz fokussiert auf die operative Didaktik nach Hans Aebli, die auf vier Stufen der Handlungsvollzugs und Verinnerlichung basiert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Dyskalkulie, Rechenschwäche, Entwicklungsstörung, Rechenstörung, Zahlenschwäche, Symptome, Ursachen, Diagnostik, Intervention, Schulische Intervention, Therapeutischer Therapieansatz, Operative Didaktik, Hans Aebli, Lernstörung, Verhaltensstörung, Aufmerksamkeitsstörung, Lese-Rechtschreib-Schwäche, Schulsystem, Lernstress, Selektionsdruck.
- Arbeit zitieren
- Manuela Wolf (Autor:in), 2002, Dyskalkulie. Eine Entwicklungsstörung des Kindes- und Jugendalters, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10767
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