Inhaltsverzeichnis
1. Antike Vorstellungen
2. Das römische Reich und das frühe Christentum
3. Die Entwicklungen im Mittelalter und der frühen Neuzeit
4. Die atlantische Revolution
5. Revolution in Frankreich
6. Bürgerliche Bestrebungen im 19. Jahrhundert
7. Die Entwicklung der Menschenrechte im 20. Jahrhundert
Gerade in den heutigen Zeiten gibt es immer wieder Auseinandersetzungen, ob die Menschenrechte einen universellen weltweiten Geltungsanspruch besitzen. Eines der Hauptargumente der Gegner dieses Universalitätsanspruchs ist der, daß die Menschenrechte in ihrer heutigen Form auf einer Entwicklung der westlichen Zivilisationen beruhen und andere Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens, die in anderen Teilen der Welt entstanden sind, nicht berücksichtigt. Im folgenden soll die Entstehung der Menschenrechte in den westlichen Zivilisationen in groben Zügen dargestellt werden.
1. Antike Vorstellungen
In den frühen Stadtstaaten war die Würde des Menschen allein den Angehörigen der Polei vorbehalten. Diese erklärte sich aus dem Stolz der Bürger an der Regierung teilzunehmen und an der Respektierung ihrer Rechte durch das Gemeinwesen. In diesem Falle ist noch nicht von Menschenrecht zu sprechen, sondern von Bürgerrecht. Die Ecksteine für die Ausprägung der antiken Demokratieordnung liegen in der Rechtskodifikation Drakons, den wirtschaftlichen und sozialen Reformen Solons und der Verfassungsreform des Kleisthenes.1 Diese Bürgerrechte basierten auf drei Prinzipien, die für die männlichen freien Bürger der Stadtstaaten galt:
1. Isonomia: Gleichheit vor dem Recht
2. Isogoria: gleiche Redefreiheit für alle
3. Isotimia: gleicher Respekt für alle
Diese politische Ordnung wies den Menschen einen festen Platz in der griechischen Gesellschaftsordnung zu. Die Sophisten lehrten schon im fünften Jahrhundert v. Chr., daß das natürliche Recht höher steht als die bestehenden positiven Gesetze. Alkimidamas sprach davon, daß „Gott alle Menschen frei geschaffen und keinen zum Sklaven gemacht habe“2. Aristoteles betrachtete das Naturrecht3 als Bestandteil des politischen Verbandes.Es steht unabhängig neben den geschriebenen Gesetzen. Diese Rechte sind aber nur im Idealzustand der Polis zu verstehen. Für Aristoteles gab es aber von Natur aus Freie und Sklaven. Er begründet dies anhand geistiger und körperlicher Merkmale. Dem entsprechend unterschied er „zwischen formaler Gleichheit, gemäß der Natur des Menschen, und faktischer Gleichheit, die aufgrund der unterschiedlichen Fähigkeiten eingeschränkt sei.“4 Diese Trennung überwanden erst die Stoiker unter ihrem Mitbegründer Zenon, der ein früher Anhänger des „eine Welt“5 - Gedankens war. Die Stoiker gestanden jedem Menschen Anteil an der Weltvernunft, dem Logos, zu und folgerten daraus die Gleichheit aller Menschen.
2. Das römische Reich und das frühe Christentum
Im römischen Reich verfeinerte Cicero diese Vorstellung. Er sagte, daß die Lex naturae vor allen anderen Gesetzen bestand, sogar bevor es eine staatliche Gemeinschaft gab. Dieses Naturgesetz sollte von Gott gegeben sein und konnte durch niemanden außer Kraft gesetzt werden. Durch Cicero verließ das Naturrecht auch den Bereich der Philosophie und wurde zu „einer Sache des Rechtsdenkens und der Rechtsgestaltung.“6 Seneca führte den Gedanke Ciceros noch weiter in dem er sagte, daß die Natur den Menschen als Verwandte schuf. Er zeichnete das Bild eines Körpers auf, dem alle Menschen als Glieder angehören. Die Stoiker sahen wohl physische Unterschiede aber vom ethischen Standpunkt waren alle Menschen gleich. Der Stoizismus wurde die Geisteshaltung der staatstragenden Schicht Roms im ersten und zweiten Jahrhundert n. Chr. Aber auch hier läßt sich noch nicht von Menschenrechten sprechen. Die Gleichheit der Menschen war eine rein ethisch - gesellschaftliche Anschauung, die keine Auswirkung auf die tatsächliche politische und ökonomische Ordnung hatte. Selbst Cicero hatte Sklaven in seinem Dienst.
Durch das Christentum wurde der Gleichheitsgedanke verfestigt. Da in der christlichen Glaubenslehre alle Menschen nach Gottes Ebenbild geschaffen wurden, ergab sich daraus, daß alle Menschen gleich und frei sind. Der Kirchenvater Ambrosius führte auch die stoische Tugendethik und Pflichtenlehre mit in die christliche Sozialethik ein.7 Das christliche Liebesgebot vereinigte mit der Nächstenliebe das stoische Prinzip der Selbsterhaltung. Durch das Vorbild des Urzustandes im Paradies, „in dem Freiheit und Gleichheit wie auch Gütergemeinschaft herrschten.“8, war es möglich der Sklavenhaltung eine Absage zu erteilen.
3. Die Entwicklungen im Mittelalter und der frühen Neuzeit
Das Christentum wurde im Mittelalter in Europa immer einflußreicher. Die ehemals im Nomadentum begründete Religion stieß dabei auf „altgermanisches“ Denken und Leben. Dort war der „König“ von „Rat und Willen des Adels und der Großen“9 abhängig. Das germanische Gefolgschaftswesen bestand aus „wechselseitigen Treue- und Schutzverpflichtungen“10. Das Recht stand über den herrschenden Gewalten und konnte nur durch Mitbestimmung der Getreuen geändert werden. Falls der Herrschende seinem Auftrag nicht nachkam, gab es für den Gefolgsmann die Möglichkeit sich von ihm loszusagen und seiner Treue einem anderen Herrn anzubieten. Dieses Widerstandsrecht war „integrierender Bestandteil der politischen Lebensauffassung“11 ohne das die Gegenseitigkeit, als das entscheidende Element des Treueverhältnisses, nicht gewährleistet gewesen wäre. Von der damals neuen Religion wurde der Treueid und somit das Lehnswesen adaptiert. Allerdings kam es zu einer Änderung im Legitimitätsanspruch des Herrschenden: Er wurde zu einem Gesalbten des Herrn, des einen Gottes, und sich an ihm zu vergreifen bedeutete somit schwerste Sünde.12 Durch diese Änderung gewann der Klerus an Einfluß. Es folgte daraus ein Zeit, die bestimmt war, von der ständigen Auseinandersetzung zwischen geistlicher und weltlicher Macht. Das beständige Ringen um die Macht eröffnete Räume für „freiheitliche Auffassungen und Entwicklungen“13. Als im 11. Jahrhundert die Zwei - Gewalten - Lehre des Papstes Gelasius so ausgelegt wurde, daß Gott dem Papst in Form zweier Schwerter die Macht übergeben habe und dieser das eine Schwert an den Kaiser weiterreiche, kamen die ersten Vorschläge zur Trennung der Gewalten durch Johannes von Salisbury.Mit ihm kam auch die stoisch - augustinische Naturrechtslehre, mit der neuen Beachtung der menschlichen Vernunft, wieder zum Vorschein. Thomas von Aquin führte diesen Gedanken noch fort. Er „sah [...] im Menschen das vernunftbegabte Wesen und im Naturgesetz dessen Teilnahme am ewigen Gesetz“14. Aus der Theorie der Selbsterhaltung leitete er das Tötungsverbot ab. Aus dem Gebot „Du sollst nicht stehlen“aus dem Dekalog leitete er das Eigentumsrecht ab. In seine Konzeption von Persönlichkeit floß die Vorstellung eines Gewissen als höchste moralische Entscheidungsinstanz des Individuums mit ein. Ebenso mit dem Recht auf Selbsterhaltung argumentierte Bartolome de las Casas, als er den Bewohnern der „westindischen Länder“ bemerkenswerterweise zugestand sich gegen die spanischen Eroberer zu wehren.15
In der politischen Welt kam es durch die steigenden Ansprüche der zentralen Gewalt zu ständigen Auseinandersetzungen zwischen den Ständen und dem Monarchen. Ein herausragendes Regelwerk, daß aus diesen Streitigkeiten entstand, war die Magna Charta Libertate von 1215, die in England verfasst wurde. Durch sie wurden die Rechte des Königs begrenzt und alte Rechte der Barone wieder hergestellt. Die Barone erhielten Garantien gegen Mißbrauch der königlichen Gerichtsbarkeit. Dies beinhaltete, daß kein freier Mann verhaftet, gefangengehalten, enteignet, geächtet, verbannt oder auf irgendeine Art zugrunde gerichtet werden dürfe, es sei denn aufgrund gesetzlichen Urteilsspruch seinesgleichen oder aufgrund des Landesrechts. Dies zeigt, daß diese Zusicherung nur für den Adel galt. Nichtsdesto weniger war die Magna Charta Libertate das erste schriftlich fixierte Edikt, das die Rechte einzelner Untertanengruppen darstellte. Die verbrieften Rechte wurden von einem gewählten Ausschuß der Barone überwacht. Diese hatten auch das Recht, bei Verletzung der Akte, beim König Beschwerde vorzutragen. Auch im restlichen Europa erkämpften sich die oberen Stände verschiedene Privilegien um die Willkür des Monarchen einzuschränken. Im absolutistischen Staat wurden diese Rechte nach und nach wieder eingeschränkt. Der dynastische Absolutismus bemächtigte sich aller Gebiete des öffentlichen Lebens. Der Monarch wurde zur alleinigen Verkörperung des Gemeinwesens. Durch die Entmachtung des Adels und der Unfreiheit des wirtschaftlich aufsteigenden Bürgertums entstand ein neuer Hintergrund auf dem der reale und ideelle Kampf der frühen Neuzeit stattfand. Der antike Stoizismus lebte wieder auf. Dabei wurde die rationale Natur des Menschen und die Pflichtenlehre besonders betont. Faktisch war das die Grundlage für die Erneuerung des Naturrechts im Humanismus des ausgehenden 16. Jhdts. Gerade aus dem Religionsbereich der Protestanten und Calvinisten entstammten viele Vordenker der heutigen Menschenrechte. So der Niederländer Grotius, der deutsche Althusius und der Franzose Rousseau und nicht zuletzt die Engländer Hobbes und John Locke.
Es fand auch ein Wandel des Ideengutes statt. Das Naturrecht entfernte sich im Zuge der Säkularisierung der europäischen Kultur von seinen christlichen Wurzeln. Das Naturrecht nahm mehr Bezug auf die menschliche Vernunft. Das Wohl des Individuums rückte in den Vordergrund der Betrachtungen. Der Staat erhielt die Aufgabe, das Glück des Einzelnen und deren Selbstentfaltung zu fördern. Politische Rechte der Mitbestimmung traten ebenso in den Vordergrund. Theoretische Grundlage dieser neuen Ideen war die naturrechtliche Lehre des Staatsvertrags.
Es lassen sich zwei Varianten des Staatsvertrags unterscheiden.
1. Das ursprünglich freie Volk schließt einen Vertrag, den Herrschaftsvertrag, mit dem künftig Herrschenden ab. Es gibt seine Gewalt an den Herrscher ab. Hieraus entsteht eine wechselseitige Verpflichtung.
2. Im Urzustand oder Naturzustand leben alle Menschen frei und gleich nebeneinander. Sie schließen einen Gesellschaftsvertrag, damit die angeborenen Rechte beibehalten werden. Danach erst kommt der Herrschaftsvertrag, bei dem die Menschen ihre Rechte unter allen Umständen behalten.
Aus diesem Naturzustand heraus trat das Gebot der Wahrung von Freiheit und Gleichheit.
John Locke definierte als erster die Trias der Menschenrechte. Sie besteht aus dem Recht auf Leben, auf Eigentum und auf Freiheit. Das seien angeborene Rechte der Menschen im Naturzustand. Um diese beizubehalten sollten sich die Menschen zusammenschließen. Die Aufrechterhaltung dieser Ordnung ist für Locke der einzige, alleinige Zweck der Staatenbildung.
Im 17. Jahrhundert wurden in England noch zwei weitere Grundsteine für die heutigen Menschenrechte gelegt. Karl I versuchte. die Souveränität zu Gunsten der Monarchen durchund damit einhergehend Steuern festzusetzen. Das House of Common stellte sich dem König entgegen. Es legte 1627 die Petition of Rights vor. Diese beinhaltete eine Reihe von Rechten der Person und des Eigentums.
Aufgrund massiven Drucks mußte der König einwilligen und hinnehmen, daß das Parlament zukünftig das Bewilligungsrecht für Steuererhebungen hatte. Ebenso wurde die Freiheit des Bürgers, die Unantastbarkeit des Eigentums und bei Verhaftungen die Angabe des Grundes und ein schnelles richterliches Verfahren festgeschrieben.
Die Habeas - Corpus Akte von 1679 verstärkte diese Rechte noch und galt auch für die Bewohner der Kolonien.
Ein weiterer Schritt war die Verabschiedung der Bill of Rights nach der Glorious Revolution durch Wilhelm von Oranien. In ihr wurden erstmals Grundsätze des englischen Staatslebens und die Rechte des Parlaments gegenüber dem König festgeschrieben. Sie beinhaltete auch Rede- und Wahlfreiheit der Parlamentarier, Straffreiheit bei Eingabe von Petitionen, Verbot von grausamer Folter und Schutz der Konfessionen mit protestantischer Ausrichtung.
4. Die atlantische Revolution
Die großen Erklärungen der Menschenrechte erfolgten dann auf amerikanischem Boden. In Amerika entstanden diese Rechte in taktisch- propagandistischer Absicht als Mittel des Kampfes und somit auch als Rechtfertigung der kriegerischen Loslösung von England. Ebenso dienten sie dersittlichen Zielgebung des neuen Staatengebildes. Zu dem Unabhängigkeitskrieg hatten sowohl wirtschaftliche als auch politische Gründe geführt. Der amerikanische Eigenhandel nach Westindien wurde von den Engländern verboten. Eine rege Schmuggeltätigkeit entstand, die mit Haussuchungen und Verhaftungen von Seiten der Engländer beantwortet wurde. Die Bewohner der Kolonien betrachteten dies als Verstoß gegen die Habeas Corpus Akte. Auch die Besteuerung der Kolonisten wurde mit der Begründung „No Taxation without Representation“ im Parlament, abgelehnt. Die amerikanischen Siedler erlebten bei der Gründung ihrer Kolonien einen Zustand, der dem Naturzustand sehr nahe kam, wenn man die Native Americans außen vor läßt. Diese Ansiedlungen beruhten sehr häufig auf der Vereinbarung von Verträgen. Dieses Bewußtsein verstärkte die Forderung nach Beachtung der Naturrechte und deren Festschreibung. Dementsprechend wurden sie in der Virginia Bill of Rights vom 12.Juni 1776 verankert. Deutlich zu sehen ist das in Artikel 1: „Alle Menschen sind von Natur aus in gleicher Weise frei und unabhängig und besitzen angeborene Rechte, welche sie ihrer Nachkommenschaft durch keinen Vertrag rauben oder entziehen können, [...] und zwar den Genuß des Lebens und der Freiheit, die Mittel zum Erwerb und Besitz von Eigentum und das Erstreben und Erlangen von Glück und Sicherheit.“16 DieFormulierung findet sich auch in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 wieder. Dort heißt es: „Wir halten diese Wahrheiten für selbstverständlich, daß alle Menschen gleich geschaffen worden sind; daß sie von ihrem Schöpfer mit bestimmten unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind, zu denen Leben, Freiheit und Streben nach Glück gehören;[...]“17.
5. Revolution in Frankreich
In der französischen Entwicklung waren besonders die Aspekte Montesquieus bezüglich der Gewaltenteilung sehr wichtig. Die Erläuterungen Rousseaus zum Naturzustand und dem Volonte generale spielten eine entscheidene Rolle bei der Festsetzung der französischen Erklärung der Menschenrechte. Auch die Ideen der Physiokraten, allen voran der heftig umstrittene Mirabeau, die die freie wirtschaftliche Betätigung des Menschen in den Vordergrund stellten, hatten einen entscheidenden Einfluß. Aus den Anschauungen der Physiokraten ließen sich auch Rechte wie freie Berufswahl, Recht auf Arbeit, Freizügigkeit und Erziehung ableiten. Die Erklärung der Menschenrechte wurde durch viele Beschwerdehefte der französischen Bürgerschaft gefördert. Sie verlangten, daß eine politische Gesellschaft zur Wahrung der Rechte errichtet wird. Demzufolge mußten diese Rechte erst niedergeschrieben werden. In der Nationalversammlung gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen den 1200 Deputierten. Trotzdem wurde schon nach acht Tagen die „Declaration des droits de l`homme et du citoyen“ am 26.Juli 1789 unter Anrufung und Schutz des „Allerhöchsten“ beschlossen. Diese Anrufung sollte die größtenteils katholische Bevölkerung und die Geistlichkeit überzeugen. Auch hier lautet die Formulierung der Rechte ähnlich wie in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung:
„Artikel 1: Die Menschen sind und bleiben von Geburt frei und gleich an Rechten. Soziale Unterschiede dürfen nur im gemeinen Nutzen begründet sein.
Artikel 2: Das Ziel jeder politischen Vereinigung ist die Erhaltung der natürlichen und unveräußerlichen Menschenrechte. Diese Rechte sind Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung.“18.
Des weiteren wurde die Meinungs- und Pressefreiheit festgeschrieben. Diese Erklärung hat historisch am stärksten gewirkt und wirkte in den Folgejahren auf ganz Europa. Der (ehemals) unterprivilegierte Untertan sollte als freies Individuum in dem neuen Verfassungsstaat leben und sich entfalten können. Gesteuert wurde (und wird) dieser Staat durch das Besitz- und Bildungsbürgertum.
6. Bürgerliche Bestrebungen im 19. Jahrhundert
In Deutschland wurde in der Revolution von 1848/49 versucht,das französische Beispiel des „Code civile“ Napoleons noch durch Grundrechte zu erweitern. In den Diskussionen in der Frankfurter Paulskirche wurden Themen wie staatliche Schulpflicht, Schutz von Minderheiten, Unverletzlichkeit der Wohnung aber auch soziale Probleme wie die Schutzlosigkeit der Besitzlosen und Arbeiterschutz behandelt. Obwohl letztlich die deutsche Nationalversammlung aufgelöst wurde und die deutsche Revolution scheiterte, wurden einige der Ideen in den darauffolgenden Landesverfassungen mit aufgenommen. Die Verwirklichung von Schutz- und Freiheitsrechten waren der liberalen Bewegung, also vornehmlich dem Bürgertum, zu verdanken. Die industrielle Revolution kreierte einen neuen Stand mit neuen, dringlichen Problemen. Die Arbeiterschicht und ihre Forderungen nach Schutzbestimmungen innerhalb der kapitalistischen Produktion gewannen immer mehr an Bedeutung.Die Forderungen der Arbeiter beschränkten sich zu Beginn hauptsächlich auf die Beteiligung an den Wahlen, Gerechtigkeit undWohlfahrt.
Erst bei Marx änderte sich dies. Für Marx war der bürgerliche Mensch der egoistische Mensch schlechthin, der sich in sein Privatinteresse zurückgezogen hat, ein vom Gemeinwesen abgesondertes Individuum darstellt und dessen Rechte von Staatswegen aus geschützt sind. Für Marx war der Mensch aber ein Gattungswesen, welches für seine Emanzipation, d.h. für sein Heraustreten aus der Sklaverei, die anderen Menschen benötigt. Aus diesem sozialistischen Denken entstammen in der Folge die sozialen Grundrechte, die im 20. Jahrhundert zum sozialen Rechtsstaat führten.
7. Die Entwichlung der Menschenrechte im 20. Jahrhundert
Im 20. Jahrhundert wurden unter dem Eindruck der nationalsozialistischen Verbrechen 1945 die Vereinten Nationen gegründet. Ziel dieses Zusammenschlusses ist es „[den] Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Männern und Frauen sowie von allen Nationen, ob groß oder klein erneut zu bekräftigen“19. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde am 10. Dezember 1948 bei Enthaltung der Ostblockstaaten verbschiedet. Sie beinhaltet 30 Artikel, von denen vor allem Artikel 1 von besonderer Bedeutung ist. In ihm steht geschrieben, daß „alle Menschen [...] frei und gleich an Würde und Rechten geboren [sind]. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlicheit begegnen“20. Auch sind dort umfangreiche Rechtsansprüche festgelegt, so z. B. das Recht auf Leben, auf Freiheit, auf Sicherheit der Person, auf Staatsangehörigkeit und das Recht auf Arbeit. Diese Recht gelten laut Artikel 2 für alle Menschen unabhängig von „Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, nach Vermögen, Geburt oder sonstigem Status.“21
Während der Verhandlungen für eine allgemeine Erklärung der Menschenrechte gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen Ost und West in der Frage, ob die klassischen Freiheiten vom Staat oder die ökonomischen und sozialen Ansprüche an den Staat als Basis eines solchen universellen Kataogs anzusetzen seien. Diese Auseinandersetzungen haben sich bis auf den heutigen Tag erhalten. Nur bewegen sie sich jetzt im Bereich der unterschiedlichen traditionellen und kulturellen Entwicklungen die in jeder Nation stattfanden. Durch die Unterschiede in der Entwicklung einzelner Nationen kommt es natürlich zu Spannungen. Warum sollte Indien zu einem massiven Verfechter der Menschenrechte werden, wenn die Hauptreligion des Landes lehrt, daß das, was der Mensch in diesem Leben erleidet ihm im nächsten zu Gute kommt. Jene Unterschiede äußern sich deutlich darin, daß die beiden Menschenrechtskonventionen der Vereinten Nationen von 1966, die „Internationale Konvention über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte“ und die „Internationale Konvention über die zivilen und politischen Rechte“, nur von 35 Staaten unterzeichnet wurde. In den siebziger Jahren wurden noch weitere Konventionen verabschiedet, was aber letztlich fehlt ist eine Art Hochkommisariat als zentrale Stelle für Beobachtung und Durchführung der Bestimmungen. Im Rahmen der „Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte“, die 1953 in Kraft trat, wurden erstmals die Staatsangehörigen in ihren Rechten und Grundfreiheiten geschützt. Dies besagt Artikel 1 in dem steht, daß „die hohen vertragschließenden Teile [...] allen ihrer Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen die in Abschnitt I dieser Konvention niedergelegten Rechte und Freiheiten zu [sichern]“22.Um es den Individuen zu ermöglichen ihre Rechte geltend zu machen wurde in Straßburg die Europäische Menschenrechts - Kommission und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geschaffen.
Fazit:
In den neu angebrochenen Zeiten der weltweiten Terrorbekämpfung sehe ich große Gefahren für die Menschen - Bürgerrechte. Das Sicherheitspaket 2 vom 14. Dezember 2001 der Bundesrepublik Deutschland hat den Geheimdiensten in Deutschland umfangreiche Möglichkeiten anhand gegeben. Sie dürfen ermitteln und dürfen „auch auf Bank-, Post- und Luftverkehrsdaten zugreifen“23. Dies kann auch „ohne die staatsanwaltschaftlichen oder richterlichen Genehmigungen, die ansonsten bei regulären Ermittlungen stets erforderlich sind“24 geschehen. Der Rechtsstaat kehrt sich dadurch um: Jetzt ist „jeder Bürger potenziell gefährlich; es muss also erst einmal festgestellt werden, dass er konkret nicht gefährlich ist - er muss sich also entsprechende Überprüfungen gefallen lassen.“25 Vor der Verabschiedung des Sicherheitspakets 2 wäre dies undenkbar gewesen. Auch in den USA hat es massive Einschränkungen der Menschenrechte gegeben. Ausländer dürfen jetzt ohne eine Angabe des Grundes für längere Zeit verhaftet werden. In meinen Augen ist dies ein massiver Verstoß gegen Artikel 9 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in der es heißt, daß „niemand willkürlich festgenommen, in Haft gehalten oder des Landes verwiesen werden darf.“26 Einen ähnlichen Verstoß sehe ich auch in den neuen Sicherheitsverordnungen, die auch eine Verschärfung des Ausländer- und Asylgesetzes vorsehen. So ist es jetzt möglich sogar einen, in seinem Heimatland zum Tode verurteilten, Menschen genau dorthin auszuweisen.
Alles in allem sehe ich im beginnenden 21. Jahrhundert einen Rückschritt in den Errungenschaften der Menschenrechte. Und es steht dagegen keinerlei öffentliche Gegenwehr, wie sie bei der Verabschiedung der Notstandsgesetze in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts noch gegeben war.
Literaur:
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Menschenrechte. Dokumente und Deklarationen. Bonn3 1999
Charta der Vereinten Nationen, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Menschenrechte. Dokumente und Deklarationen. Bonn3 1999
Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten , in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Menschenrechte. Dokumente und Deklarationen. Bonn3 1999. Kühnhardt,Ludger, Die Universalität der Menschenrechte. Bonn2 1991. Las Casas, Bartholome de, Kurzgefaßter Bericht von der Verwüstung der westindischen Länder. Herausgegeben von: Enzensberger, Hans Magnus, Frankfurt/ M. 1981. Oestreich,Gerhard, Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriß. Berlin2 1978.
Internetseiten:
http://www.sueddeutsche.de http://www.dadalos.org
[...]
1 Siehe: Kühnhardt,Ludger, Die Universalität der Menschenrechte. Bonn 2 1991. S.40
2 Oestreich,Gerhard, Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriß. Berlin 2 1978. S.15.
3 Siehe: Oestreich,Gerhard, Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriß. Berlin21978. S.15.
4 Kühnhardt,Ludger, Die Universalität der Menschenrechte. Bonn21991. S.42
5 Kühnhardt,Ludger, Die Universalität der Menschenrechte. Bonn21991. S.43
6 Oestreich,Gerhard, Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriß. Berlin2 1978. S.17.
7 siehe: Oestreich,Gerhard, Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriß. Berlin21978. S.20.
8 Oestreich,Gerhard, Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriß. Berlin21978. S.20.
9 Oestreich,Gerhard, Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriß. Berlin21978. S.22.
10 Oestreich,Gerhard, Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriß. Berlin21978. S.22.
11 Oestreich,Gerhard, Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriß. Berlin21978. S.22.
12 siehe: Oestreich,Gerhard, Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriß. Berlin21978. S.23.
13 Oestreich,Gerhard, Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriß. Berlin2 1978. S.22.
14 Oestreich,Gerhard, Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriß. Berlin21978. S.23.
15 Siehe: Las Casas, Bartholome de, Kurzgefaßter Bericht von der Verwüstung der westindischen Länder. Herausgegeben von: Enzensberger, Hans Magnus, Frankfurt/ M. 1981. S. 11.
16 http://www.dadalos.org/deutsch/Menschenrechte/Grundkurs_MR2/Materialien/dokument2.htm
17 http://www.dadalos.org/deutsch/Menschenrechte/Grundkurs_MR2/Materialien/dokument3.htm
18 http://www.dadalos.org/deutsch/Menschenrechte/Grundkurs_MR2/Materialien/dokument4.htm
19 Charta der Vereinten Nationen, zitiert nach: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Menschenrechte. Dokumente und Deklarationen. Bonn31999. S.38.
20 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, zitiert nach: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Menschenrechte. Dokumente und Deklarationen. Bonn3 1999. S.53.
21 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, zitiert nach: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Menschenrechte. Dokumente und Deklarationen. Bonn3 1999. S.53.
22 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten , zitiert nach: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Menschenrechte. Dokumente und Deklarationen. Bonn31999. S.338.
23 http://www.sueddeutsche.de/index.php?url=deutschland/politik/29388
24 http://www.sueddeutsche.de/index.php?url=deutschland/politik/29388
25 http://www.sueddeutsche.de/index.php?url=deutschland/politik/32717
26 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, zitiert nach: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Menschenrechte. Dokumente und Deklarationen. Bonn3 1999. S.54
- Arbeit zitieren
- Stefan Zeitz (Autor:in), 2001, Die Geschichte der Menschenrechte - von den antiken Naturrechtsphilosophen bis zur Europäischen Menschenrechtskonvention, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107468
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