1. Georg Büchner
Geb.: 17.10.1813 in Goddelau
Vater war Distriktarztes; später Leiter des Darmstädter Großherzoglichen MedicinalCollegiums
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Weiterhin kann man sagen:
Bedeutendster Dramatiker zwischen Romantik und Realismus Wegbereiter des modernen Drama.
Er hält sich an kein klassisches 5-Akte-Schema.
Leider hatte er eine tragisch-pessimistische Weltsicht;
Deshalb agieren seine Personen nicht, sondern reagieren nur gegen die idealistische Kunstauffassung
Insgesamt nur 4 literarische Werke; darunter 2 Fragmente
Dennoch hat er einen Einfluß auf die deutsche Literatur gehabt, wie nur wenige.
Er ist der erste wirklich „moderne“ Dichter, der alle bis dahin geltenden literarischen Regeln und guten Sitten über Bord wirft.
Novelle
1835 Lenz
Dramen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
politische Kampfschrift
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2. EINORDNEN und ENTSTEHUNG DES WERKES
Büchner litt unter Geldnot
Verleger Cotta hatte am 26. 1. 1836 einen Wettbewerb für die beste Zwei-Akt- Komödie ausgeschrieben, der Abgabetermin war der 1. 7. 1836.
Preisgeld von 300 Gulden
Durch den Gewinn des Wettbewerbs erhoffte sich Büchner eine Verbesserung seiner finanziellen Lage.
So schrieb er die zunächst zweiaktige Komödie „Leonce und Lena“.
Sein Beitrag kam jedoch zwei Tage zu spät und wurde ungeöffnet zurückgeschickt.
Daraufhin überarbeitete Büchner das Manuskript und baute die Komödie zu einem Drei-Akter um.
Aufgrund des Zeitdrucks durch den Abgabetermin übernimmt Büchner das
Handlungsgerüst der Komödie „Leonce und Lena“ aus dem Drama „Ponce de Leon“ von Clemens Brentano, woher er auch den Titel abgeleitet hat, und füllt dieses mit viele literarischen Zitaten seiner Zeit aus.
Viele textliche Formulierungen und Motive übernimmt er aus seinen andern Werke (Dantons Tod, Woyzek, Lenz) in gekürzter Form.
In anderen Werken Büchners lassen sie sich ausführlicher wiederfinden.
Weiterhin zitiert Büchner viel aus Shakespeares "Wie es euch gefällt", Mussets "Fantasio" (1833) und Clemens Brentanos: „Ponce de Leon“ (1804).
Die Veröffentlichung und Uraufführung des Dramas „Leonce und Lena“ 1895 in München durch Karl Gutzkow erlebt Büchner nicht mehr
Zentrale Themen der Komödie sind:
- Gesellschaftskritik
- soziale Ungerechtigkeit (speziell: Armut der Bauern)
- Unfähigkeit des deutschen Kleinstaates
- Monarch als bedeutungsloses Staatsoberhaupt
- Distanz zur Romantik
- Langeweile, Müßiggang (= Nichtstun), des Adels
- Sehnsucht nach einer märchenhaften utopischen Welt
Formaler Aufbau:
3 Akte
11 Szenen, die spiegelbildlich angelegt sind
Sie spielen meist abwechselnd in der freien Natur (Ein Garten / Freies Feld) oder drinnen (Zimmer / Schloßsaal Saal);
Nur eine Abweichung von diesem Kontrastschema,
- die Bauernszene in Akt III , Szene 2 fällt aus dem formalen Rahmen heraus Ihr wird zentrale Bedeutung zugemessen.
- später wird genauer drauf eingegangen Å
3. CHARAKTER
König Peter
König Peter vom Reich Popo ist die Karikatur eines Herrschers von Gottes Gnaden. Er herrscht uneingeschränkt und als absoluter Monarch. Alle Entscheidungen liegen in seiner Macht, und ergeben fügen sich die Untertanen seinen Weisungen. Er zählt zu seinen wichtigsten Herrscherpflichten, für seine Untertanen zu denken, ist jedoch selbst so vergesslich, dass er sich ausgerechnet an sein Volk nicht erinnern kann.
Mit anderen Worten: König Peter gibt sich als absoluter Monarch und löst doch nicht ein, was er verspricht.
Sein Denkzwang, der ihn immer wieder in ausweglose Grübeleien verfallen lässt und sein Ich-Verlust verdeutlichen, dass der König an Melancholie leidet. (Melancholie = Trübsinnigkeit)
Leonce:
Kronprinz Leonce ist genau wie sein Freund Valerio ein notorischer Nichtstuer. Langeweile und Melancholie treiben Leonce zum Müßiggang.
Seine Existenz ist aufgrund seiner Herkunft materiell abgesichert und er muss sich nicht selbst um seinen Lebensunterhalt kümmern.
Leonce leidet an einer Antriebs-, und Perspektivlosigkeit, weil er in dieser Art aristokratischen Lebens keine Zukunft, keine Aufgabe und keinen Sinn erkennen kann. Er will nicht heiraten, keine Verantwortung übernehmen und das Erwachsenwerden nicht wahrhaben. Der Prinz verfügt über kein verlässliches und stabiles Selbstverständnis, ist in seiner Identität gestört.
Valerio:
Ist ein unbekümmerter Habenichts und Glückspilz, der sich durchs Leben schnorrt. Alles was Leonce in trübsinnigen Grübeleien treibt, versteht Valerion umzumünzen und als Vorteil zu deuten.
Er bekennt sich stolz und ohne Umschweife zum Faulenzen.
Er wird zum treuen Gefährten Leonces, bringt es schliesslich zum Staatsminister und will das Königreich Popo ganz nach seinem Geschmack in ein Schlaraffenland verwandeln.
Lena:
Sie ist in der höfischen Ordnung gefangen, die ihr das Recht auf Selbstbestimmung abspricht und sie zur Heirat mit Leonce zwingt.
Sie wünscht sich über ihr Leben selbst bestimmten zu können.
Erst auf ihrer Flucht in die Natur mit der Gouvernanten fühlt sie sich frei von allen Zwängen und kann ihre Identität und zu sich selbst finden.
Gleichzeitig zieht sie sich jedoch aus der Welt zurück und beginnt an Melancholie zu leiden, wie Leonce und König Peter.
Die Gouvernante:
Sie ist um derbe Worte nicht verlegen, jedoch keinesfalls ungehobelt in ihrer Sprache. In ihrer Persönlichkeit ist sie recht aufbrausend, pragmatisch veranlagt und bereit energisch durchzugreifen. Sie ermutigt Lena zur Flucht und steht ihr treu zur Seite. Zugleich aber lebt sie eingesponnen in Schwärmereien und träumt von einem umherirrenden Königssohn, der ihrer Lena auf der Flucht begegnet.
4. Inhalt:
1.Akt:
Prinz Leonce ist von der Welt, ihrem Treiben und ihren Genüssen gelangweilt, und flieht mit seinem Freund, dem Landstreicher Valerio, für den das Leben allein aus Nichtstun und Essen besteht, vom Hof seines Vaters, wo er auch die Liebe zur Tänzerin Rosetta zurücklässt.
Vor allem aber veranlasst ihn die bevorstehende Hochzeit mit der Prinzessin Lena zur Flucht.
2.Akt:
Doch auch Lena will sich nicht verheiraten lassen und ist mit ihrer Gouvernante geflüchtet. Unerkannt treffen sich Prinz und Prinzessin in einem Wirtshausgarten. Die beiden verlieben sich und nachdem Leonce seine Lena geküsst hat, will er Selbstmord begehen, wird jedoch von Valerio vor solcher „Leutnantsromantik“ bewahrt.
3.Akt:
Der Prinz beschließt nun - ohne zu wissen, wer seine Geliebte wirklich ist - Lena zu heiraten. Sie machen sich auf den Weg zum Hof König Peters, wo die Hochzeit schon vorbereitet ist, sogar die Bauern stehen zur Huldigung bereit.
Valerio kündigt das maskierte Brautpaar als „die zwei weltberühmten Marionetten“ an. Nach dem väterlichen Segen werden die Masken abgenommen und man erkennt sich gegenseitig. König Peter dankt zugunsten seines Sohnes ab, der nun ohne Uhren und Kalender ein zeitloses Glück im Lande herbeiführen möchte.
5. INTERPRETATION DER INTENTION
Wenig Handlung (Versuch Leonces vor der festgelegten Hochzeit zu fliehen). Kann nicht als bedeutungstragender Inhalt angesehen werden.
Frage: Was will Büchner dann mit dem Werke bezwecken ? Büchner = Revolutionär
Büchner übt mit seinem Werk radikale Kritik an politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen. Das „Reich Popo" erscheint = Karikatur des damaligen deutschen Kleinstaates.
Die Benennung der Königreiche mit den Wörtern ,,Popo" und ,,Pipi" macht den Stellenwert der Reiche klar. Büchner kritisiert:
- die abstruse Hofhaltung,
- unfähige Staatsbeamten,
- einen von Dummheit gekennzeichneten Polizeiapparat,
- devote Untertanen,
einen völlig realitätsfremden Monarchen, und den fürstlichen Absolutismus.
Die Person des völlig konfusen und unfähigen König Peter steht symbolisch für die intellektuellen Defizite der Hofgesellschaft.
Dies alles wird durch die Sprache unterstützt:
- permanent sinnlose Dialoge durch das gesamte Stück hindurch,
- Aneinanderreihung von Nonsens.
Büchner macht sich auch über die politische Geographie Deutschlands im 19. Jahrhundert lustig.
Was man auch direkt im Text wiederfindet.
Zitat: „Valerio und Leonce hatten schon ein Dutzend Fürstentümer, (...) ein halbes
Dutzend Großherzogtümer und (...) ein paar Königreiche durchquert, obwohl sie erst einen halben Tag unterwegs waren.“
Durch die Person Valerios und die ihm zugeordneten Zitate verhöhnt Büchner die Romantik und die Lyrik des Biedermeier und dessen Hang zur Idylle.
Bei ,,Leonce und Lena" handelt es sich daher nicht nur um ein Lustspiel, sondern auch um eine Satire auf das höfische Leben.
Das zentrale Thema in Büchners Stück ist die Langeweile verbunden mit dem Müßiggang des Adels, sowie die soziale Ungerechtigkeit, die miserablen Lebensumstände der Bauern.
Man merkt ganz deutlich das Büchner Revolutionär war.
Jedoch stellt er den gesellschaftlichen und sozialen Verhältnissen kein realistisches Modell als Alternative entgegen.
Sein Lustspiel endet durch eine Flucht in ein märchenhaftes Utopia, in dem es keinen Hunger und keine Langeweile gibt.
Leonces ersehntes Reich aus dem alle Kalender, Uhren und Arbeit verbannt werden, ist der Ausdruck einer Sehnsucht, die in jedem Menschen verankert ist.
Am deutlichsten merkt man das revolutionäre Potential des Stückes an der „Bauernszene“.
6. Vorstellung einer Szene
3 Freiwillige, die die Szene im Dialog lesen
2. Szene im 3. Akt
(die sog. Bauernszene)
Folgende Situation:
Ein Landrat studiert mit ausgehungerten Bauern im Schlosshof ihren Auftritt für die anstehende Hochzeit ein.
Freier Platz vor dem Schlosse des Königs Peter
Der Landrat. Der Schulmeister.
Bauern im Sonntagsputz, Tannenzweige haltend.
Landrat. Lieber Herr Schulmeister, wie halten sich Eure Leute?
Schulmeister. Sie halten sich so gut in ihren Leiden, daß sie sich schon seit geraumer Zeit aneinander halten. Sie gießen brav Spiritus in sich, sonst könnten sie sich in der Hitze unmöglich so lange halten. Courage, ihr Leute! Streckt eure Tannenzweige grad vor euch hin, daß man meint ihr wärt ein Tannenwald und eure Nasen die Erdbeeren und eure Dreimaster die Hörner vom Wildbret und eure hirschledernen Hosen der Mondschein darin, und merkt' s euch: der Hinterste läuft immer wieder vor den Vordersten, daß es aussieht als wärt ihr ins Quadrat erhoben.
Landrat. Und Schulmeister, Ihr steht vor die Nüchternheit. Schulmeister. Versteht sich, denn ich kann vor Nüchternheit kaum mehr stehen. Landrat. Gebt Acht, Leute, im Programm steht: »Sämtliche Untertanen werden von freien Stücken, reinlich gekleidet, wohlgenährt, und mit zufriedenen Gesichtern sich längs der Landstraße aufstellen.« Macht uns keine Schande!
Schulmeister. Seid standhaft! Kratzt euch nicht hinter den Ohren und schneuzt euch die Nasen nicht mit den Fingern, so lang das hohe Paar vorbeifährt und zeigt die gehörige Rührung, oder es werden rührende Mittel gebraucht werden. Erkennt was man für euch tut, man hat euch grade so gestellt, daß der Wind von der Küche über euch geht und ihr auch einmal in eurem Leben einen Braten riecht. Könnt ihr noch eure Lektion? He! Vi!
Die Bauern. Vi!
Schulmeister. Vat! Die Bauern. Vat! Schulmeister. Vivat! Die Bauern. Vivat! Schulmeister. So Herr Landrat. Sie sehen wie die Intelligenz im Steigen ist. Bedenken Sie, es ist Latein. Wir geben aber auch heute Abend einen transparenten Ball mittelst der Löcher in unseren Jacken und Hosen, und schlagen uns mit unseren Fäusten Kokarden an die Köpfe.
Besonders auffällig das dies die einzige Szene ist in der keine Hauptpersonen auftreten. Die Bauernszene ist von großer Bedeutung, da der Leser in ihr am besten den Sozialrevolutionären Büchner (, den Autor des „Hessischen Landboten“) sprechen hört. Der bitterböse satirische Ton, in dem die Szene gehalten ist, erinnert an jenen Zorn, mit dem Büchner in seiner revolutionäre Flugschrift die vormärzlichen Zustände anklagt. (vormärzlich = die Zeit vor der deutschen Revolution 1845)
Bauern werden gezwungen dem Hochzeitspaar zuzujubeln. Bauern (stehen für das, arme niedere Volk, das Hunger leidet) werden vom Schulmeister und dem Landrat auf entwürdigende Weise herumkommandiert und müssen sich in ihrem Elend zynisch verspotten lassen.
Die ganze Passage trieft nur so vor Ironie, besonders deutlich wird es dadurch, dass die Bauern so aufgestellt sind, „dass der Wind von der Küche über euch geht und ihr auch einmal in eurem Leben einen Braten riecht“,
Dies verstärkt das ganze noch zusätzlich.
Die Szene endet mit einer Anspielung auf die Französische Revolution. Der Schulmeister sagt, dass es für die Bauern nach der Hochzeit extra noch einen Ball geben soll, auf dem die Bauern sich dann „Fäusten Kokarden an die Köpfe schlagen“, dürfen.
Unter Kokarden muss in dieser Szene Blutergüsse verstehen - also Beulen
Kokarden waren blauweissrote Abzeichen, die die Soldaten des Revolutionsheeres zur Zeit der franz. Rev. an ihrer Kopfbedeckung trugen.
Anstatt sich gegen den Adel, wie damals die Franzosen, aufzulehnen schlagen sich die Bauern lieber untereinander.
An der Szene erkennt man ganz deutlich das Büchner Revolutionär war, sowie das das Drama „Leonce und Lena“ jede menge revolutionäres Gedankengut enthält und das Büchner die gesellschaftlichen und politischen Umstände der damaligen Zeit derbst kritisiert auf eine bitter ironische Weise.
Motive:
- Satire auf Wohlleben bei Hofe und Armut der Bauern
- Untertanmentalität
Anspielungen:
- Shakespeare: Macbeth (Tannenzweige);
Sommernachtstraum (Handwerkerszene: Schulmeister),
- Brentano, Ponce de Leon;
- Franz. Revolution: Kokarden
- Wortspiele: stehen, rühren
Quellennachweis:
http://www.gutenberg.aol.de/autoren/buechner.htm http://www.uni-karlsruhe.de/~za874/homepage/ http://www.georgbuechner.org/
http://www.zum.de/Faecher/D/BW/gym/Buechner/leonce.htm http://www.zum.de/Faecher/D/Saar/gym/buechner/leonce.htm# http://www.schulhilfen.com/referate/refdeu/refdeub022.asp
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- Citation du texte
- Kaspar Jan (Auteur), 2002, Büchner, Georg - Leonce und Lena -, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107008
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