Warum ist Geld so wichtig? Wie ist Geld entstanden? Wie kann es definiert werden? Wie funktioniert unser Geldsystem? Wie würden mögliche Alternativen arbeiten (Kryptogeld, Vollgeld)? Welche Konsequenzen ergeben sich für die Vermittlung des Themas Geld in der Sekundarstufe II? Diese und andere wichtige Fragen werden in der "Didaktik des Geldes" diskutiert.
Bereits in der Darstellung der Entstehungsgeschichte des Geldes und in der Art, wie Geld definiert wird, spiegeln sich unterschiedliche volkswirtschaftliche Lehrmeinungen. Da in der Schule häufig nur eine Entstehungsgeschichte des Geldes und darauf aufbauend eine Definition des Geldes nach Funktionen vorherrscht, erzeugt man bei den Lernenden den Eindruck, dass es nur diese eine, mögliche Sichtweise gibt. Dies ist gegenüber der modernen Volkswirtschaftslehre sicherlich nicht mehr adäquat.
Die Einschätzung von Geld spielt eine wichtige Rolle in der Zukunft der Schüler. Sie müssen sich eine eigene Meinung bilden, gerade in Bezug auf die möglichen Alternativen unseres heutigen Geldsystems. Das ist politisch zu sehen (z. B. hinsichtlich des Vollgeldes und der Bestrebungen, hier eine Umgestaltung des Geldsystems zu erreichen), aber auch hinsichtlich des Kryptogeldes, das in Zukunft eine größere Bedeutung haben könnte. Auch die Zukunft des Euros spielt hier eine nicht unwichtige Rolle.
Impressum
1. Warum ist Geld in der Schule wichtig?
2.1 Die klassische Entstehungsgeschichte
2.2 Alternative Geschichten der Geldentstehung
3. Geld-Definitionen und Geld-Theorien
3.2 Geldwesenstheorien
4. Unterschiedliche Geldsysteme
4.1 Unser heutiges Geldsystem
4.2 Alternative 1: Das Vollgeld
4.3 Alternative 2: Kryptowährungen am Beispiel von Bitcoin
5. Konsequenzen für Inhalte des Ökonomieunterrichts
5.1 Bargeldabschaffung
5.2 Staatsverschuldung und Modern Monetary Theory (MMT)
5.2.1 Staatsverschuldung
5.2.2 Bewertung der Staatsverschuldung aus „klassischer Sicht“
5.2.3 Modern Monetary Theory (MMT) und eine eigene Sicht auf die Volkswirtschaft
5.3 Der Außenwert einer Währung
5.3.1 Die klassische Sichtweise
5.3.2 Die politik-ökonomische Sichtweise
5.4 Konsequenzen für spezielle Inhalte des Ökonomieunterrichts
5.4.1 Das Geld im Wirtschaftskreislauf
5.4.2 Der Geldschöpfungsmultiplikator
5.4.3 Zinsen
5.4.4 Quantitätsgleichung
6. Konsequenzen für eine Didaktik der Wirtschaftslehre
Literaturverzeichnis
Personenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Ursprung und Entwicklung des Geldes
Abbildung 2: Unterscheidungsmöglichkeiten
Abbildung 4: Geldwesenstheorien
Abbildung 6: Zentralbank und Kreditinstitute
Abbildung 8: Blockchain mit Hash
Abbildung 9: Höchstgrenzen für Bargeldzahlung
Abbildung 10: Kostenübersicht der Zahlungsarten
Abbildung 11: Der Wirtschaftskreislauf
Abbildung 12: Alternativer Wirtschaftskreislauf
Vorwort
Ich hätte nie gedacht, dass ich dieses Buch einmal fertigkriegen würde. Das liegt sicherlich daran, dass das Thema an sich sehr komplex ist, zum andern auch daran, dass es immer wieder Phase der beruflichen Anspannung gab, die ein Weiterarbeiten nicht zuließen. Gleichzeitig glaube ich auch nicht, dass sich viele Menschen für meine Überlegungen interessieren werden, aber dennoch denke ich, dass es Zeit wird, dass man sich in der Ökonomiedidaktik verstärkt mit dem Geld beschäftigen sollte.
Inhaltlich schließt sich das Buch an meine Promotion von 2016 an, in der es um das Finanzsystem und das Marktversagen geht. Hier steht das Geld im Vordergrund – Überschneidungen sind also denkbar, aber insgesamt ergibt sich eine völlig neue Konzeption. Problematisch ist sicherlich, dass es gerade hinsichtlich des Kryptogeldes immer wieder Neuigkeiten gibt, aber im Grunde ändert sich der Zugang zum Geldsystem durch diese technischen Änderungen nicht.
Danken möchte ich an dieser Stelle neben meiner Frau, die mit mir immer Geduld hatte, sicherlich auch meinem Kollegen Bernd Meyer-Berg für die zahlreichen Hilfen. Auch Herr Kar sei hier erwähnt.
Vechta, den 16. August 2021
1. Warum ist Geld in der Schule wichtig?
Gewöhnlich ist der Begriff, auf dem die Lehrbücher der Volkswirtschaft in der Schule aufbauen, der Begriff des „Bedürfnisses“. Anschließend werden Güter als Mittel zur Bedürfnisbefriedigung begrifflich eingeführt. Man unterscheidet dabei ganz unterschiedliche Arten von Gütern, auch in Abhängigkeit vom Abstraktionsniveau der Lernenden. Mit Bezug auf die Maslovsche Bedürfnispyramide kann man zunächst zwischen Existenz-, Luxus- und Kulturgütern unterschieden. Eine zweite Unterteilung orientiert sich eher am Gebrauch der Güter, man unterscheidet hier häufig Gebrauchs- und Verbrauchsgüter, Produktions- und Konsumgüter, Substitutions- und Komplementärgüter oder auch freie und wirtschaftliche Güter. Orientiert man sich an der Mikroökonomie, dann kann man dies auch erweitern auf normale und anormale Güter, superiore und inferiore Güter bzw. homogene und inhomogene Güter.
Interessant dabei ist, dass bei diesem Beginn des Ökonomieunterrichts der Begriff des Geldes in den Hintergrund rückt. Das steht im Widerspruch zu der Erfahrung, dass Lernende häufig den zentralen Wunsch haben, Geld zu besitzen (übrigens neben vielen immateriellen Wünschen, wie z. B. nach Gesundheit oder Zuneigung). Dieser Wunsch steht häufig noch vor anderen Bedürfnissen nach konkreten Gütern.
Man kann dieses Vorgehen im Unterricht begründen mit der Einschätzung, dass Geld ein Schleier ist, der sich über realwirtschaftliche Vorgänge legt. Somit kann man auch davon sprechen, dass die Real- und Gütersphäre von der Geldsphäre getrennt ist. Aus dieser Sichtweise ist Geld nur ein potenzieller Störeffekt, der die Realwirtschaft behindern kann. Vertritt man diese Sichtweise, dann sollte Geld möglichst wenig in Erscheinung treten, damit die realen Austauschvorgänge in den Vordergrund treten und die Schüler nicht durch so etwas wie Geld verwirrt werden. Diese volkswirtschaftliche Perspektive im Unterricht richtet sich so auf die Realwirtschaft und auf die Austauschprozesse auf Märkten.
Eine ganz andere Perspektive bietet da u. a. Joseph Schumpeter (1883-1950). Für ihn ist nicht nur der Markt für unsere heutigen Marktwirtschaften charakteristisch (denn Märkte gab es schon länger), sondern auch die einzigartige Schöpfung von Geld durch Kredit von privaten Banken. Damit übersteigt die gehandelte Geldmenge die Warenmenge deutlich. Besonders offenkundig wird dies, wenn man die jährlich auf der Welt produzierten Güter und Dienstleistungen mit dem Derivate- oder Devisenmarkt vergleicht, wobei Derivate und auch Devisen als Geld angesehen werden können. Die Summen, die hier teilweise täglich gehandelt werden, übersteigen die entsprechenden Summen der Warenmärkte teilweise um den Faktor 10. Geld und die Geldmärkte sind aus dieser Sicht nicht mehr ein Schleier, sondern eher das pulsierende Zentrum der Weltwirtschaft. Ein Wirtschaftslehreunterricht, der das übersieht, behandelt nur einen Ausschnitt aus den Facetten moderner Volkswirtschaften. Viel schlimmer ist eigentlich, dass er sich einer bestimmten Sichtweise, einer Denkschule, verschreibt, die eben nicht unangefochten ist.
Bereits in der Darstellung der Entstehungsgeschichte des Geldes und in der Art, wie Geld definiert wird, spiegeln sich unterschiedliche volkswirtschaftliche Lehrmeinungen. Da in der Schule häufig nur eine Entstehungsgeschichte des Geldes und darauf aufbauend eine Definition des Geldes nach Funktionen vorherrscht, erzeugt man bei den Lernenden den Eindruck, dass es nur diese eine, mögliche Sichtweise gibt. Dies ist gegenüber der modernen Volkswirtschaftslehre sicherlich nicht mehr adäquat.
Verbleibt man aber kurz bei dem Gedanken, dass Geld nur ein Schleier ist, dann müsste man auch auf historische Vorbilder von Gesellschaften ohne Geld eingehen, doch die sind kaum zu finden. Aufzeichnungen und Beschreibungen solcher, geldloser Gesellschaften existieren nicht. Dies liegt möglicherweise daran, dass die Schrift, die Mathematik und das Geld vermutlich einen ähnlichen Ausgangspunkt hatten. Frühste Keilschriften und andere Schriftformen scheinen aus dem Vergleich der Anzahl von Gütern entstanden zu sein. Somit beginnt vermutlich mit dem Geld ein entscheidender Fortschritt der Menschheitsgeschichte. Es gab und gibt zwar Tausch-Ökonomien, die auf das Geld verzichtet haben, diese scheinen jedoch weit weniger erfolgreich zu sein wie Geld-Ökonomien.
Ein anderes Beispiel sind die Staaten des ehemaligen Ostblocks, die versuchten, Waren gegeneinander zu tauschen. Letztlich hat sich in der Summe gezeigt, dass entweder an den Bedürfnissen der Menschen vorbei getauscht wurde, oder, dass es nicht möglich ist, hochspezielle Güter und Dienstleistungen miteinander zu tauschen. Geld hat sich also in allen bislang bekannten Fällen als überlegenes Tauschgut bewährt.
Dies liegt grundsätzlich daran, dass unsere heutige Volkswirtschaft extrem arbeitsteilig aufgebaut ist. Jedes Wirtschaftssubjekt benötigt also zur eigenen Existenzsicherung Waren und Güter, die von anderen hergestellt werden. Da wir jedoch keinen Naturaltausch mehr haben (sofern es diesen überhaupt in der Form gegeben hat), benötigt man für den Tausch ein Zwischenprodukt, nämlich Geld. Je arbeitsteiliger also eine Gesellschaft wird, desto notwendiger ist der Besitz von Geld (und eben nicht anderer Waren). Das gilt allgemein für alle Wirtschaftssubjekte.
Betrachtet man die Wirtschaftssubjekte etwas genauer, dann stehen hinter den privaten Haushalten in der Regel natürliche Menschen, die Bedürfnisse haben. Die Befriedigung von Bedürfnissen ist jedoch nur möglich, wenn man Geld besitzt und damit in der Lage ist, (käufliche) Güter zu erwerben, um seine Bedürfnisse zu befriedigen oder genug Geld verdient, damit man genügend Freizeit haben kann, um sich selbst zu verwirklichen. Damit sind auch die beiden zentralen Quellen für Geld in einem privaten Haushalt genannt, entweder man erhält Geld (für Arbeit, als Hilfe zum Leben oder als Geschenk), oder man besitzt Geld (Vermögen).
Grundsätzlich gilt ferner, dass für den einzelnen Haushalt in der Regel der Grad der Bedürfnisbefriedigung steigt, über je mehr Geld er verfügt. Damit wird deutlich, dass die Steigerung der Produktion unter Umständen nicht dazu führt, dass die Bedürfnisbefriedigung in einer Volkswirtschaft steigt. Erst wenn die Nachfrager über genügend Geld verfügen, können sie von der Mehrproduktion profitieren.
Für Menschen, die wenig Geld besitzen oder erhalten, wird vieles ungleich schwieriger. Als Beispiel seien hier Personen genannt, die im unteren Lohnsegment arbeiteten – man spricht von den „working poor“. Häufig können sich diese Menschen trotz ihres Einkommens wenig leisten oder gar sparen und bleiben so arm. Dies kann dazu führen, dass sie mehrere Arbeitsstellen gleichzeitig ausüben müssen. Damit fehlt auch die Zeit, sich selbst zu verwirklichen.
Ohne Geld sind die Möglichkeiten gesellschaftlicher Partizipation, wie z. B. dem einfachen Besuch von Theateraufführungen oder Sportveranstaltungen geringer. Auch der Zugang zu Bildung, Gesundheitsfürsorge oder Altersvorsorge wird ohne den Besitz von Geld immer schwieriger, teilweise sogar unmöglich. Es gibt sogar Studien darüber, dass die Lebenserwartung von armen Menschen deutlich geringer ist als die von reichen Personen.[1] So liegt die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern in Deutschland bei Armen ungefähr um 11 Jahre niedriger als bei Reichen, bei Frauen ist der Unterschied etwas geringer. Dies liegt u. a. an der eintönigeren Arbeit, an der ungesunden Lebensweise oder am ungesünderen Essen. Auch die Wohnsituation spielt eine Rolle, weil Ärmere eher in der Nähe von Durchgangsstraßen leben, wo die Lärm- und Abgasbelastung höher ist als in anderen Stadtteilen.
Fjodor M. Dostojewski (1821-1881) hat dies einmal so ausgedrückt, dass Geld „gelebte Freiheit“ ist. Dies galt bereits in vielen vorindustriellen Gesellschaften. Damals war es Leibeigenen oftmals verboten, Geld zu besitzen, denn der Besitz von Geld hätte ihnen eine Flucht z. B. in eine Stadt ermöglicht. In dieser Hinsicht ist also der Besitz von Geld bzw. ein Einkommen in Geld für Menschen wichtig, um zumindest einen gewissen Grad an Freiheit genießen zu können. Dabei reicht es in der Regel aus, nur die Möglichkeit zu haben, bestimmte Güter zu kaufen. Allein dies führt bereits zu einem Gefühl der Freiheit.
Neben dem Einkommen ist natürlich das Vermögen eines privaten Haushaltes wichtig. Es gibt Studien darüber, wie sich das Geld in einer Volkswirtschaft verteilt. Zentral dafür sind die Arbeiten von Thomas Piketty.[2] Piketty hat Langzeituntersuchungen durchgeführt und analysiert, wie sich die Vermögen und die Vermögensverteilung in den westlichen Industrieländern verändert haben – soweit dafür Daten vorhanden sind. Die Datenlage dazu ist relativ günstig in den USA, Großbritannien und Frankreich. Die Verteilung in Deutschland bzw. dem Deutschen Reich lässt sich nicht so einfach erschließen, was sowohl an den Kriegszerstörungen als auch an der Kleinstaaterei im 19. Jahrhundert liegt.
Die Basis seiner Analyse ist eine Einteilung der Gesellschaft in unterschiedliche Dezentile, d. h. er ordnet die Haushalte nach deren Vermögen bzw. Einkommen an. Dabei wird deutlich, dass das reichste 10-Prozent der Haushalte sowohl was Einkommen als auch was Vermögen anbelangt, 2017 wieder eine ähnliche Stellung hat, wie vor dem Ersten Weltkrieg. Sowohl Einkommen als auch Vermögen sind auf der Welt ungerecht verteilt. Dementsprechend ist auch die Möglichkeit, Bedürfnisse zu befriedigen, ganz unterschiedlich verteilt.
Man kann sprachlich auch noch eine andere Dimension des Begriffs „Vermögens“ sehen. Zum einen eröffnet das Vermögen im Sinne von „Besitz“ die Möglichkeit, sich mehr Waren und Dienstleistungen zu beschaffen. Im Sinne von „Macht“ meint Vermögen aber auch, etwas machen zu können, was ein anderer, der über kein Vermögen verfügt, eben nicht machen kann.[3]
Aber auch für die anderen Wirtschaftssubjekte ist es sinnvoll, nach Geld zu streben. Dies betrifft auch Unternehmen, da sie normalerweise von anderen Unternehmen abhängig sind, weil sie z. B. Vorprodukte bzw. Produktionsfaktoren benötigen. Auch Angestellte werden in diesem Zusammenhang Geldforderungen haben. Ebenfalls (oder ganz besonders) sind Steuern in Geld zu bezahlen, weswegen Unternehmen neben dem notwendigen Gewinnstreben auch nach Geld streben, um liquide zu sein. Es gibt neben den Angestellten, den anderen Unternehmen und dem Staat noch ein viertes Wirtschaftssubjekt, das Geld erwartet: Die Banken, die dem Unternehmen Geld geliehen haben, damit dieses erst einmal den Geschäftsbetrieb beginnen kann.
Vor diesem Hintergrund kann Adam Smiths (1723-1790) Beispiel, warum der Eigennutz zum Wohle der gesamten Gesellschaft führt, auch etwas anders gewichtet werden. Smith argumentiert folgendermaßen:
„Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an die Menschenliebe - sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil.“[4]
Die Analyse von Smith (also das Gewinnstreben) ist nur ein Teil der Motivation des Unternehmens. Ein anderer Teil der Motivation liegt darin, Geld zu erwirtschaften, um die Forderungen der anderen Wirtschaftssubjekte zu erfüllen. Dies gilt natürlich nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Privatpersonen. Folglich zwingt das Geld-System den Unternehmer, sich anzustrengen, um genügend Geld zu erwirtschaften. Es ist nicht nur so, dass der Unternehmer selbst Gewinn machen will, damit es ihm besser geht, sondern, dass auch die Gesellschaft von ihm verlangt, dass er Gewinn macht, damit er seine Schulden bzw. seine Steuern bezahlen kann. Dabei muss man besonders berücksichtigen, dass auch ohne Vorhandensein des Staates die Banken auf die Rückzahlung des Geldes drängen würden.
Ein besonderes Wirtschaftssubjekt stellt der Staat dar. Der Staat ist nicht nur der Nutzer von Geld, er ist in der Regel auch ein Schöpfer von Geld. Grundsätzlich gilt, dass der Staat Geld braucht, um Transferzahlungen, Zahlungen für Löhne oder staatliche Konsumausgaben bezahlen zu können. Ein weiterer Aspekt sind die Zins- und Tilgungsleistungen, die Staaten leisten müssen. Dies gilt umso mehr, als dass nahezu alle Staaten der Welt verschuldet sind. Der Staat ist jedoch nicht nur Nutzer von Geld, sondern in der Regel auch der Schöpfer von Geld. Die Konsequenzen, die sich aus dieser Doppelrolle ergeben, sind zu berücksichtigen. Ein Denkansatz, der dies in besonderer Weise tut, ist die Modern Monetary Theory (MMT).
Ähnliches gilt für die Banken, die ebenfalls Schöpfer von Geld (Giralgeld) sind. Dadurch entsteht für sie eine Schlüsselrolle in einer Volkswirtschaft. Die Ausgestaltung des Bankensystems und die Kontrolle des geschöpften Geldes sind zentrale Fragen, wie eine Volkswirtschaft organisiert werden soll. Diese Frage stellt sich besonders nach der Weltwirtschaftskrise ab 2007, bei der die (verheerende) Rolle einzelner Banken offensichtlicher wurde. Umso auffälliger ist, dass sie im gewöhnlichen Wirtschaftslehreunterricht bislang häufig vernachlässigt werden. Auch die enge Beziehung zwischen Staaten und Banken, die ein Auslöser der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum war, ist vor diesem Hintergrund zu hinterfragen.
Hinsichtlich der zentralen Indikatoren einer Volkswirtschaft gibt es neben dem offensichtlichen Bezug des Geldes zur Inflation auch einen wichtigen Bezug zum Wirtschaftswachstum. Der Kapitalismus ist eine Wirtschaftsform, die auf ein immerwährendes Wachstum ausgerichtet ist. Wachstum ist aus unterschiedlichen Gründen für eine Gesellschaft in der Regel sinnvoll. So führt eine Steigerung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) normalerweise zu einer Verbesserung der Waren- und Güterversorgung einer Gesellschaft. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass es bei Wachstum einfacher ist, das Einkommen zwischen den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital aufzuteilen. Schließlich führt ein Wachstum des BIP dazu, dass die Belastung durch Zinsen für die meisten Staaten erträglicher wird.
Die Frage nach den Gründen des Wachstums wird normalerweise mit der Unersättlichkeit der Bedürfnisse beantwortet. Dies wird dann mit der Endlichkeit der Güter verglichen, was den Zwang zum „Wirtschaften“ begründet. Es gibt aber auch noch eine alternative Begründung für den Zwang des Kapitalismus, immer weiter zu wachsen. Geld in seiner heutigen Form ist sehr häufig ein Kredit. Dementsprechend muss für einen Kredit auch immer ein Zins gezahlt werden.[5] Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, immer mehr an Leistung zu erbringen, da sonst eine Zinszahlung kaum möglich wäre. In dieser Hinsicht führt ein Nullwachstum eben nicht zu einer ökologischeren Art des Wirtschaftens, sondern zu einem Zusammenbruch der Verschuldungsstruktur. Das Geldsystem und die möglichen, negativen Folgen des Wachstums, wie die Ausbeutung der Umwelt, stehen also in unmittelbaren Zusammenhang. Dementsprechend ist es folgerichtig, dass ein denkbares alternatives Geldsystem wie das Vollgeldsystem, diese Problematik verstärkt in den Blick nimmt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt in diesem Kontext ist, dass Geld selbst in der Regel kaum einen Nutzen hat. Eine Ausnahme hierfür könnte ein Gold-Geld sein, dass auch bei der Schmuckproduktion oder in der Industrie Verwendung finden könnte. Normalerweise ist es jedoch so, dass das Geld an sich keine Bedürfnisse befriedigen kann, es also streng genommen gar kein Gut ist. Dieser Widerspruch hat auch der Ökonomie immer wieder Schwierigkeiten bereitet.
Geld spielt jedoch nicht nur in der Volkswirtschaftslehre eine wichtige Rolle. Auch andere Wissenschaften beziehen sich darauf. Aus der Soziologie ist z. B. ein weiterer Aspekt des Geldes zu benennen. So beschreibt Niklas Luhmann (1927-1998) in seiner Systemtheorie Geld als ein symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium innerhalb des Funktionssystems Ökonomie.[6] Geld hat die Funktion, die Knappheit innerhalb einer Gesellschaft zu regulieren. Dadurch kann die Verwendung des Geldes auch Gewalt, als Mittel um das Knappheitsproblem zu lösen, abwenden. Allen Mitgliedern einer Gesellschaft ist klar, dass man in der Regel nur mit Geld (und eben nicht mit Gewalt) an Güter kommt.
Wird Geld aber zum alleinigen bestimmenden Faktor, dann beseht die Gefahr, dass alles dem Geld untergeordnet wird. Frühe psychoanalytische Theorien sprechen vom Entfremdungscharakter des Geldes, der auch in der marxistischen Kapitalismuskritik immer wieder anklingt. Durch den Fetisch-Charakter des Geldes wird so eine Fehlleitung der gesellschaftlichen Entwicklung sichtbar.[7]
Gleichwohl gibt es auch einige Studien, die zeigen, dass Geld nicht isoliert betrachtet werden kann. Bereits im Jahre 1974 ergab eine Studie, dass zwar ein überdurchschnittliches Einkommen Menschen glücklicher macht. Gleichzeitig zeigte sich aber, dass sobald eine gewisse Entwicklungsstufe erreicht wird (gemessenen an dem Grad der Güterbefriedigung), mehr Geld nicht unbedingt glücklicher macht. Stattdessen wird der Vergleich mit Freunden, Bekannten etc. immer wichtiger. Verdienen diese mehr, fühlen wir uns unglücklich.[8] Eine Erkenntnis, die sich häufig übertragen lässt: Nicht das absolute Einkommen oder Vermögen in Geld macht glücklich, sondern dies ist immer in Bezug auf andere zu sehen. Wir vergleichen uns also ständig. Mehr an Geld macht also nicht unbedingt glücklicher, es kommt immer auf den Vergleich mit anderen an.
Dieses Argument sollte man jedoch nicht überbewertet in der Hinsicht, dass Geld alleine nicht glücklich macht. Dies ist unbestritten. Doch sollte man hier berücksichtigten, dass die Betonung auf dem Begriff „alleine“ liegt. Hier ist zu fragen, was überhaupt „alleine“ glücklich macht. Ferner ist zu sehen, dass der Nichtbesitz von Geld eher unglücklich macht.
Diese kurze und sicherlich unvollständige Einführung zeigt, wie wichtig es ist, sich mit dem Thema Geld befassen. Diese allgemeine, eher fachwissenschaftlich orientierte Erkenntnis ist jedoch im Hinblick auf die Schule näher zu hinterfragen. Denn es gibt ja viele Themen, mit denen man sich eigentlich beschäftigen sollte, gleichwohl ist die Zeit in der Schule begrenzt und es verlangt schon eine gesonderte Überlegung, warum gerade Geld ein Thema für die Schule sein sollte.
Folgt man der didaktischen Analyse nach Klafki, dann sind unterschiedliche Fragen hinsichtlich der Auswahl des Unterrichtsgegenstandes zu stellen. Im Zentrum steht zunächst die Frage nach der Gegenwartsbedeutung für die Schüler. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Geld und das Nutzen von Geld immer wieder eine alltägliche Frage der Schüler sind. Dies wird beim Einkaufen, aber auch bei Anschaffungen oder Urlaubsreisen deutlich. Schulisch wurde das Thema Geld sowohl in der Primarstufe, als auch in der Sekundarstufe I immer wieder angesprochen, z. B. im Fach Mathematik. Die Entstehung des Geldes ist ein klassischer Unterrichtsgegenstand des Politik-Unterrichts in der Sekundarstufe I. Man kann also durchaus von einem Spiralcurriculum sprechen, wobei das Thema Geld immer wieder in unterschiedlichen Facetten behandelt wird.
Die Behandlung in der Sekundarstufe II zeichnet sich besonders durch wissenschaftspropädeutische Fragestellung aus. Damit ist u. a. die Einbeziehung von Unterrichtsinhalten gemeint, an denen die Lernenden wissenschaftliche Methoden und Fragestellungen einüben können. Hierzu bietet sich das Thema Geld an, da es verschiedene Ansätze gibt und gerade vermeintliche Gewissheiten, wie die Entstehung des Geldes, kritisch hinterfragt werden können.
Das Thema Geld steht also exemplarisch für die Einbeziehungen unterschiedlicher Sichtweisen, für unterschiedliche Definitionen und unterschiedliche Denkmuster, die relativ einfach von Schülern verstanden werden können.
Dies ist gerade im Fach Politik notwendig, da der Beutelsbacher Konsens verlangt, dass Inhalte, die in der Wissenschaft unterschiedlich bewertet werden, auch in der Schule angemessenen dargestellt werden sollen. Das meint auch das Überwältigungsverbot, also das Verbot, bestimmte Annahmen doktrinär den Schülern zu vermitteln. Und im Grunde geschieht genau das mit der Übernahme der klassischen Entstehungsgeschichte von Geld – ohne dass sie didaktisch hinterfragt wird.
Durch die Annahme, dass Geld ein Schleier ist, grenzt sich die Neoklassik vom Neokeynesianismus ab. Betrachtet man Geld nicht, so tendiert man eher zur Neoklassik, steht Geld im Zentrum, dann versteht man Ökonomie eher in der Tradition von Keynes. Die stärkere Integration des Bereiches „Geld“ kann also auch helfen, sich bewusst über die eigene Position in der ökonomischen Theoriegeschichte zu werden. Dies gilt insbesondere für die Vermittlung ökonomischer Tatbestände an Schulen: Verzichtet man auf die gesonderte Behandlung des Geldes, hat man sich (vermutlich unbewusst) auf eine (neoklassische) Position festgelegt.
Die Einschätzung von Geld spielt aber auch eine wichtige Rolle in der Zukunft der Schüler. Sie müssen sich eine eigene Meinung bilden, gerade in Bezug auf die möglichen Alternativen unseres heutigen Geldsystems. Das ist politisch zu sehen (z. B. hinsichtlich des Vollgeldes und der Bestrebungen, hier eine Umgestaltung des Geldsystems zu erreichen), aber auch hinsichtlich des Kryptogeldes, das in Zukunft eine größere Bedeutung haben könnte. Auch die Zukunft des Euros spielt hier eine nicht unwichtige Rolle.
Fasst man das bislang gesagte zusammen, ergibt sich, dass das Geld kein Schattendasein in der Vermittlung volkswirtschaftlicher Erkenntnisse in der Sekundarstufe II führen darf.
Das Ziel dieses Buches ist es, didaktische Anregungen zu geben, wie man den Unterricht hinsichtlich des Themas Geld öffnen bzw. erweitern kann. Das wird man sicherlich aufgrund der Begrenzung der Zeit nicht immer machen können. Es ist von daher sinnvoll, im eigenen Unterricht eigene Schwerpunkte zu setzen.
Insgesamt ist es nicht einfach, dieses Thema ohne Wiederholungen und Doppelungen darzustellen. Außerdem ist es unmöglich, dass Thema Geld vollständig zu durchdringen. Der Experte wird sicherlich an der ein oder anderen Stelle Hinweise vermissen. Deswegen ist dieses Buch als Kompromiss zu verstehen.
Im ersten Kapitel geht es um die zentrale Entstehungsgeschichte des Geldes, wie sie in den meisten Büchern dargestellt wird. Dabei wird die versucht, die Kritikpunkte an dieser Geschichte aufzunehmen und zu begründen. Es folgt eine alternative Darstellung der Entstehung des Geldes, die zwar nicht so eindeutig ist, wie die ursprüngliche Geschichte und sicherlich an einigen Stellen mit Fragezeichen zu versehen ist, aber die historisch besser fundiert ist, als die heute vorherrschende Geschichte.
Die Kenntnis dieser unterschiedlichen Geschichten ist notwendig, um sich in die unterschiedlichen Definitionen von Geld zu vertiefen (Kapitel 3). Dabei wird versucht, Aspekte der Geschichte des volkswirtschaftlichen Denkens zu integrieren.
In Kapitel 4 werden dann unterschiedliche Geldsystems vorgestellt, das heutige System, ein Wechsel auf das sogenannte Vollgeld und der Bitcoin als Beispiel für eine Kryptowährung. Alle drei Systeme sind verwurzelt in der volkswirtschaftlichen Theorie-Welt, alle drei funktionieren bzw. im Fall des Vollgeldes könnten sie funktionieren, aber alle drei haben auch spezifische Vor- und Nachteile. Diese werden dargestellt.
In der praktischen Umsetzung im Unterricht spielen dann diese Aspekte eine wichtige Rolle. Dies wird in Kapitel 5 an Beispielen erläutert. Zunächst geht es um eine mögliche Bargeldabschaffung, die je nach Perspektive unterschiedlich beurteilt wird. Weitere Aspekte sind die Schulden und der Außenwert einer Währung. Anschließend geht es um im Unterricht behandelte Instrumente, die zumindest kritisch gesehen werden sollten (Wirtschaftskreislauf, Geldschöpfungsmultiplikator, Zinsen und die Quantitätsgleichung).
Ausdrücklich nicht analysiert werden die Rolle der Zentralbank und das geldpolitische Instrumentarium, weil es hierfür zahlreiche gute Darstellungen gibt und sonst der Rahmen dieser Überlegungen gesprengt werden würde. Exemplarisch sei hier auf die hervorragende Ausgabe Geld und Geldpolitik der Wochenschau hingewiesen.[9]
Kapitel 6 enthält dann eine kurze, allgemeine Reflexion über die Konsequenzen der Darstellung.
2. Die Entstehung des Geldes
2.1 Die klassische Entstehungsgeschichte
Geld ist für eine moderne, arbeitsteilige, marktwirtschaftlich-kapitalistische Gesellschaft unverzichtbar. Deswegen überrascht es schon, dass die Entstehungsgeschichte des Geldes in Wirklichkeit nicht völlig geklärt ist und man sich in der Regel in der Schule an eine Geschichte hält, die zahlreiche, gedankliche Lücken und unbewiesene Annahmen aufweist (s. u.).
Es gibt im Grunde zwei, alternative Entstehungsgeschichten, die beide nicht wirklich belegbar sind, gleichzeitig aber die Basis für unser Verständnis von Geld legen. Die erste Geschichte führt unmittelbar zu der Tauschmittelfunktion des Geldes. Eine Volkswirtschaftslehre, die diese Geschichte favorisiert, endet im Grunde damit, dass Geld nur ein Schleier für Tauschgeschäfte ist.
Die zweite, alternative Geschichte rückt u. a. den Staat in den Mittelpunkt. Auch das ist nicht unproblematisch, da viele Ökonomen den Staat nicht im Vordergrund sehen. Beide Geschichten haben ihre Lücken, bilden jedoch gemeinsam einen für die Schule didaktisch nutzbaren Unterrichtsinhalt, wenn man bereit ist, Unsicherheiten zuzulassen.
Gehen wir zunächst auf die „klassische“ Entstehungsgeschichte des Geldes ein.[10] Danach gibt es unterschiedliche Phasen der Geldgeschichte:
1. Einfacher Warentausch
2. Waren-Geld
3. Metallgeld
4. Münzgeld: Erst Kurantmünzen, dann Scheidemünzen
5. Bargeld: Scheine und Münzen
6. Giralgeld.
Exemplarisch hat dies früher der Sparkassen-Schulservice dargestellt:
Hinweis: Aus urheberrechtlichen Gründen wurde diese Abbildung von der Redaktion entfernt.[11]
Abbildung 1: Ursprung und Entwicklung des Geldes
Diese Geschichte findet sich fast wörtlich bei Adam Smith in seinem grundlegenden Werk über den Wohlstand der Nationen, geht aber im Grunde zurück auf Aristoteles (384-322 v. Chr.). Der zentrale Punkt der Analyse bei Smith ist die Arbeitsteilung, die zur Entstehung des Geldes überleitet:
„In den Anfängen der Arbeitsteilung muss der Tausch häufig noch sehr schleppend und stockend vor sich gegangen sein. Nehmen wir an, jemand habe von einer Ware mehr als er selbst braucht, ein anderer dagegen zu wenig davon. Dann würde der Erste froh sein, wenn er von dem Überschüssigen etwas abgeben, der Zweite etwas davon kaufen könnte. Hat dieser aber gerade nichts zur Hand, was der Erste braucht, kann kein Tausch unter ihnen zustande kommen.“ [12]
Zunächst zur zeitlichen Einordnung: Smith kennt nicht den Zeitpunkt, an dem diese kulturelle Revolution, die zur Erfindung des Geldes führte, stattfand. Es handelt sich folglich um keine überlieferte Geschichte, sondern um ein Gedankenspiel, das so gewesen sein kann, aber nicht so gewesen sein muss.
Smith stellt in diesem kurzen Textausschnitt ferner zahlreiche Annahmen auf, die zumindest kritisch hinterfragt werden können. Die erste Annahme, die er macht, ist, dass Menschen tauschen wollen. Dies muss nicht so sein. Z. B. ist es nicht der Fall, wenn zwei Menschen sich überhaupt nicht kennen und so gar nicht wissen, dass es an einer anderen Stelle einen Überschuss gibt. Er unterstellt hier so etwas wie vollständige Information. Das ist ein zentrales Problem der Volkswirtschaftslehre, das erst in den letzten Jahren immer stärker thematisiert wurde.[13]
Im Prinzip verweist das ferner schon auf die sogenannte doppelte Koinzidenz der Bedürfnisse. Beide Tauschpartner müssen am gleichen Ort, zur gleichen Zeit sein (und dort ihre Wünsche kundtun). Es ist z. B. gut denkbar, dass der eine Tauschpartner vielleicht einen Überschuss im Winter, der Andere einen Überschuss im Sommer hat. In diesem Fall müsste also auch eine Kreditbeziehung vorliegen. Auch müssen beide am gleichen Ort sein, da es eine Verbindung über das Internet natürlich noch nicht gab. Schließlich ist noch daran zu erinnern, dass beide Tauschpartner auch genau das haben wollen, was der jeweils andere braucht. Auch dies wird immer komplizierter, je mehr Personen am Tausch beteiligt sind.
Die nächste Ungenauigkeit liegt darin, dass Smith nicht die Beziehung der beiden Tauschwilligen analysiert. So kann es sein, dass beide in unterschiedlichen (Stammes-) Verbünden leben. Beide könnten in diesem Fall versuchen, den jeweiligen Tauschpartner zu übervorteilen, was aufgrund der nicht vorhandenen Beziehung und damit eines Vertrauensverhältnisses leicht möglich ist. Es wäre an dieser Stelle möglicherweise viel nahe liegender, sich das mit Gewalt zu nehmen, was man will. Ein Tausch setzt eigentlich eine gewisse Kultur voraus. Man muss reflektiert haben, dass es möglicherweise besser ist, zu tauschen und eine langfristige Beziehung aufzubauen, anstatt einer feindlichen Beziehung.
Leben die beiden („Tausch“-) Partner in einem gemeinsamen Verbund, also in einem Stamm oder einer gemeinsamen Siedlung, dann sind auch unterschiedliche Handlungsweisen denkbar. So ist es möglich, dass beide Menschen bereit sind, dem anderen für eine gewisse Zeit einen Kredit zu geben. Somit entsteht nicht die Notwendigkeit eines Tausches. Auch ist es denkbar, dass der eine dem anderen etwas schenken will. Auch hier braucht man somit kein Tauschobjekt. Ein anderes Problem liegt darin, dass beide „Tauschpartner“ möglicherweise nicht nach Austausch, sondern nach Autarkie streben. Somit würden die beiden Personen eventuell gar nicht auf die Idee kommen, ihre Waren auszutauschen.
Schließlich ergibt sich ein noch tiefer liegendes Problem: Ein Austausch setzt einen gewissen Wertmaßstab voraus. Nimmt man Smith ernst, dann muss neben Entstehung des Geldes gleichzeitig ein Wertegerüst aufgekommen sein, dass z. B. die Relation zwischen Kartoffeln und Feuersteinen anzeigt. Dies erscheint zumindest unwahrscheinlich.
In der Summe sind die Angaben, die Smith macht, in jedem Fall nicht vollständig und stark vereinfacht. Das kann zwar eine Verwendung in der Schule rechtfertigen (didaktische Reduktion), es ergibt sich aber auch die Möglichkeit, hier exemplarisch vertiefende Überlegungen anzustellen.
Smith folgert weiter:
„Um nun solche misslichen Situationen zu vermeiden, musste eigentlich jeder vernünftige Mensch auf jeder Entwicklungsstufe seit dem Aufkommen der Arbeitsteilung bestrebt gewesen sein, es so einzurichten, dass er ständig außer dem Produkt der eigenen Arbeit einen kleinen Vorrat der einen oder anderen Ware bereit hatte, von der er annehmen konnte, dass andere sie im Tausch gegen eigene Erzeugnisse annehmen werden.“[14]
Auch hier wiederum finden sich einige Annahmen, die Smith nicht weiter erläutert. Erstens geht er davon aus, dass sich Menschen vernünftig verhalten. Er verwendet hier im Prinzip die Denkfigur des homo oeconomicus, ohne dies zu reflektieren.
Diese Einschätzung von Smith bedeutet aber auch, dass die Menschen in der Lage sind, ihre eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Dies erscheint jedoch fraglich, da viele Menschen in der Vergangenheit eben nicht frei in ihren Entscheidungen waren, sondern in einem größeren Verbund eingebunden waren. Z. B. konnten die von einem Tempel abhängigen Arbeiter kaum entscheiden, was sie produzieren mussten. Ob sie wirklich in einem marktwirtschaftlichen Umfeld produzierten, muss zumindest hinterfragt werden.
Außerdem kann Smith nicht begründen, warum der Übergang zu einer Geldwirtschaft recht lange gedauert hat und nicht sofort begonnen hat. Denn es ist erkennbar, dass, wenn es so war, wie Smith vermutet, die Menschen sehr schnell auf den Gedanken eines allgemeinen Tauschmittels gekommen sein müssten. Es wird hier besonders deutlich, wie ahistorisch Smith argumentiert. Gerade dieser Punkt verdient eine eingehende Analyse. Und zwar in zweierlei Hinsicht: Erstens ist zu fragen, ob es irgendwo, irgendwann eine solche Entwicklung gegeben hat, wie sie von Smith beschrieben wurde. Zweitens ist zu fragen, ob es Beispiele von alternativen Entwicklungen gibt.
Smith gibt anschließend seine Einschätzung zur weiteren Entwicklung des Geldes an, in dem er Beispiele aufführt, die, seiner Meinung nach, seine Theorie unterstützen:
„Vermutlich wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Waren zu diesem Zweck ausgesucht und verwandt. In der Frühzeit der Menschheit soll das Vieh das übliche Tauschmittel gewesen sein, obwohl es dafür schlecht geeignet ist. So finden wir in alter Zeit häufig den Wert der Dinge nach Stück Vieh gemessen, das man dafür im Tausch gab. Wie Homer berichtet, kostete die Rüstung Diomedes nur neun Ochsen, die das Glaukus dagegen hundert. In Abessinien soll Salz bevorzugtes Handels- und Tauschobjekt gewesen sein, in einigen Küstengebieten Indiens eine Muschelsorte, in Neufundland Stockfisch, in Virginia Tabak, in einigen unserer westindischen Kolonien Zucker und schließlich in anderen Ländern Häute oder gegerbtes Leder. Und noch heute gibt es in Schottland ein Dorf, wo es, wie man mir sagte, nichts Ungewöhnliches sei, wenn ein Arbeiter beim Bäcker oder im Wirtshaus mit Nägeln statt Geld bezahlt.“[15]
Für Smith ist an dieser Stelle der Weg vorgegeben vom Waren-Geld, zum Metall-Geld, zum Münzgeld usw.:
„Vermutlich wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Waren zu diesem Zweck ausgesucht und verwandt. […] Am Ende haben aber dann die Menschen in allen Ländern aus vernünftigen Gründen Metalle als Tauschmittel allen anderen Waren vorgezogen.“[16]
Es lohnt sich auch hier, diese Beispiele von Smith näher zu untersuchen. Zunächst das Beispiel Vieh: Homer beschreibt in der Ilias den Rüstungstausch zwischen Diomedes und Glaukus.[17] Abgesehen von der Problematik, dass hier ein Geschäft abgeschlossen wird, das im Alltagsleben nicht sinnvoll erscheint und dementsprechend auch keine generellen Rückschlüsse über die Verwendung von Ochsen als Tauschobjekt zulässt, handelt es sich eher um eine Schenkung, um die neue Freundschaft zwischen Diomedes und Glaukus zu besiegeln.[18] Davon unberührt ist die Frage, ob die Rüstung für neun bzw. 100 Ochsen (es gibt unterschiedliche Übersetzungen) wirklich zu kaufen war. Möglicherweise war dies so, es kann sich dabei aber auch um einen Ausnahmefall zwischen einem Adligen und einem Waffenhersteller gehandelt haben. Hieraus grundsätzlich eine Art Waren-Geld zu konstruieren, scheint gewagt. Dies gilt auch deshalb, weil die Illias erst Jahrhunderte nach den Geschehnissen aufgeschrieben wurde, also tritt neben einem möglichen Überlieferungsfehler auch die Frage, ob es wirklich zu einem solchen Geschäft gekommen ist. Eine zumindest denkbare Alternative wäre eine literarische Ausschmückung durch Homer.
Salz wurde in Äthiopien und Eritrea als Währung verwendet. Vermutlich bezieht sich Smith hier auf den Reisebericht des Kosmas Indikopleustes, der um 550 n. Chr. Äthiopien bereiste. Es gab in Äthiopien aber bereits seit dem dritten Jahrhundert n. Chr. eine Münzwährung, die sich auf römische Vorbilder stützte. Die Salzwährung (Ameole) ermöglichte vermutlich, die Münzknappheit zu umgehen. Es gab also bereits vor dem Waren-Geld ein Münz-Geld.
Die Muschelsorte bezieht sich vermutlich auf das sogenannte Kauri-Geld, das in Teilen Afrikas, Asiens und Ozeaniens genutzt wurde. Teilweise finden sich Belege, dass dieses Geld parallel zu Münz-Geld genutzt wurde, teilweise ging es der Nutzung von Münz-Geld voraus. Vermutlich hat dieses Geld eine ähnliche Bedeutung wie Gold. Möglicherweise stimmt hier die Behauptung von Smith, dass das Waren-Geld dem Münz-Geld vorangegangen ist. Es handelt sich demnach also um ein Beispiel, bei dem die Interpretation von Smith korrekt gewesen sein kann. David Graeber[19], von dem viele der genannten Kritikpunkte an Smith stammen, hat bezeichnenderweise dieses Beispiel nicht weiter beachtet.
Das Beispiel Stockfisch in Neufundland beruht hingegen vermutlich auf einer Täuschung Smith´. Folgt man Graeber, dann ergibt sich hier das Problem, dass nicht genug Bargeld vorhanden war. Die Fischer kamen in der Fischereisaison und verkauften ihren Fang gegen die damals übliche britische Währung an die Händler. Im Gegenzug erhielten sie Kredit, um selbst Güter zu kaufen. Smith hat vermutlich dieses Arrangement nicht genau betrachten können. Auch logisch ergibt sich ein Problem: Sollte der Stockfisch Geld darstellen, dann würden die Fischer Stockfisch verkaufen, um Geld zu erhalten – also wieder Stockfisch. Das erscheint ziemlich weit hergeholt.
Ähnliches gilt für das schottische Dorf. Laut Graeber hatten die Fabrikbesitzer oftmals nicht genug Münzen, um ihre Arbeitnehmer zu bezahlen, deswegen war es allgemein akzeptiert, dass die Beschäftigten einen Teil dessen mitnahmen, was sie produziert hatten. Die Nägel waren also de facto nur ein Vorschuss darauf, was der Arbeitgeber ihnen schuldete.
Bezüglich der Zahlung mit Tabak in Virginia geht das, die Verwendung des Geldes regelnde, Gesetz vermutlich auf das Bestreben von Tabakbesitzern zurück, die die örtlichen Händler zwingen wollten, den Tabak als Kredit zu akzeptieren. Das eigentliche Gesetz stammt aus dem Jahre 1619 und betrifft die beiden Kolonien Virginia und Maryland. Herbei ist jedoch auch die politische Situation zu beachten. Großbritannien versuchte, den Geldumlauf in den nordamerikanischen Kolonien möglichst gering zu halten, deswegen herrschte hier ein Münzmangel.[20] Man kann auch davon ausgehen, dass dieses Gesetz zum Ziel hatte, den Handel anzuregen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die europäischen Siedler bereits Geld kannten, weswegen hier die Bezeichnung Waren-Geld problematisch ist. Dementsprechend kann man in diesem Fall nicht davon ausgehen, dass die von Smith dargestellte Reihenfolge (erst Waren-Geld, dann Metall-Geld) hier so war, vielmehr wurde das Waren-Geld eingeführt aus politischen Erwägungen und weil es zu wenig Münz-Geld gab.
In der Summe scheint es so zu sein, dass man nicht entscheiden kann, ob die von Smith dargestellte Reihenfolge in jedem Fall so gewesen ist. Zum Teil gilt auch die entgegengesetzte Reihenfolge (erst Münz-Geld, dann Waren-Geld), insbesondere, sofern man Münz-Geld kannte, gleichzeitig aber zu wenig davon hatte.
Aber auch die weitere Geschichte der Geldentwicklung muss zumindest hinterfragt werden. So soll es nach der üblichen Geschichte nach aus Edelmetall geprägten Kurantmünzen Scheidemünzen gegeben haben, die nur den Wert anzeigten. Im antiken Rom verläuft dies jedoch genau andersherum: Der römische König Numa Pompilius (ca. 750-652 v. Chr.)[21] scheint Münzen in Umlauf gebracht zu haben, die aus einer Bronzelegierung bestanden. Damit gab es zum einen mehr Münzen (=Geld), zum anderen sank die Nachfrage nach Gold und Silber. Dies galt im antiken Rom ca. 200 Jahre, erst danach wurde es den Patriziern erlaubt, eigene Silbermünzen zu prägen. Da diese Münzen einen eigenen Wert hatten, begann eine Suche nach Silber, um sich zu bereichern. Dies bevorzugte die Patrizier, weil diese als Heerführer viel eher die Möglichkeit hatten, an Silber zu kommen als der durchschnittliche Soldat. Somit hatten grundsätzlich die Patrizier ein Interesse daran, das Geldsystem so zu gestalten, dass sie mehr Vorteile erzielen konnten. Das Streben nach Edelmetallen blieb in der Folgezeit bestehen, gleichzeitig aber auch der Versuch, eigene Interessen bei der Geld (-schöpfung) durchzusetzen.
Einige weitere Aspekte verdienen auch Beachtung. So nimmt man gemeinhin an, dass Münzen ungefähr ab dem 7. Jahrhundert vor Christus als Geld verwendet worden sind. Schuldaufzeichnungen sind aber viel älter – so z. B. auf babylonischen Tontafeln. Damit ist zwar nicht gesagt, dass Münzen nicht doch schon früher da gewesen sein können, ist jedoch insgesamt unwahrscheinlich, dass Tontafeln länger existieren als Münzen (die man nicht gefunden hat). Zweitens ist die Stückelung von frühen Edelmetallmünzen für den täglichen Handel viel zu hoch. Das lässt darauf schließen, dass für den täglichen Gebrauch andere Instrumente verwendet wurden als Münzen – das passt also nicht zu der Geschichte von Smith. Schließlich war der Edelmetallgehalt von frühen Münzen nicht streng reguliert, auch das widerspricht der Annahme, dass Münzen genutzt wurden, um mit einem Metall zu Handeln. Schließlich ist es sehr unwahrscheinlich, dass Münzen zur Erleichterung des Handels erfunden wurden, obwohl z. B. Phönizier lange Zeit vorher gut ohne Münzen ihren Handelsgeschäften nachgehen konnten. [22]
Es gibt noch ein weiteres Problem an dieser Geld-Entstehungsgeschichte: Der Übergang von Warengeld zu Papiergeld ist kaum zu erklären. Zwar ist es grundsätzlich bequemer mit Papiergeld zu bezahlen, aber es ist schwer zu vermitteln, warum Menschen etwas haben wollen, was keinen Eigenwert besitzt. Ganz schwierig wird der Übergang von Papiergeld zu Bankverbindlichkeiten, die heute unser Geld prägen. Dies lässt sich mit der klassischen Geldentstehungsgeschichte nicht ohne Weiteres erklären.[23]
Trotz dieser zahlreichen Kritikpunkte wird diese Entstehungsgeschichte bei vielen Ökonomen nicht wirklich hinterfragt. Diese klassische Entstehungsgeschichte wird insbesondere von Autoren des „Mainstreams“ und der Österreichischen Schule[24] (s. u.) verfolgt. Damit kann man begründen, warum Geld im Prinzip nur ein Schleier für realwirtschaftliche Vorgänge ist und damit nicht weiter untersucht werden muss. Diese Sichtweise kann dazu führen, dass Vorgänge bezogen auf das Geld nur ein Randthema sind. Aber auch die Frage nach dem besten Geld kann so (insbesondere von der Österreichischen Schule) gestellt werden. Man erhält so möglicherweise die Antwort, dass staatlicher Einfluss nur zu Störungen (z. B. zur Inflation) führt und es daher am besten ist, wenn der Staat sich möglichst aus der Wirtschaft und dem Geldwesen heraushält.
Kritik findet man eher bei heterodoxen Ökonomen. So schreibt z. B. Wray, dass es keine Beweise dafür gebe, dass
„die Märkte auf der Grundlage von Tauschhandel funktionierten (außer unter Ausnahmebedingungen, wie zum Beispiel in Kriegsgefangenenlagern), es gibt keine Beweise dafür, dass viele verschiedene Waren als Tauschmittel (also um Waren auf dem Markt zukaufen) den Besitzer gewechselt haben, es gibt keine Beweise dafür, dass der Wert früher Münzen durch gewisse Edelmetallgewichte definiert wurde, und es gibt keine Belege dafür, dass „Kredit“ als sparender Ersatz für Münzen aus Edelmetall als Tauschmittel herangewachsen ist.“[25]
Andere Wissenschaftler sind da noch viel direkter. So glaubten in den 1980´er Jahren viele Anthropologen, dass „kein Forscher […] in der Lage [war] eine historische oder zeitgenössische Gesellschaft zu finden, die regelmäßig Naturaltausch betrieb“.[26] Diese Ansicht beseht auch heute noch:
„Zu Anfang des 21. Jahrhunderts hatte sich unter denjenigen, die sich für empirische Daten interessierten, ein seltener wissenschaftlicher Konsens herausgebildet, wonach die herkömmliche Auffassung, Geld sei aus dem Tauschhandel hervorgegangen, ein Irrtum sei.“[27]
Für die Schule und den Unterricht ist dieser Befund problematisch, zumal es alternative Entstehungsgeschichten des Geldes gibt, die nur wenig Beachtung finden. Das Argument der didaktischen Reduktion als Begründung für die hier dargestellte Geschichte mag in der Sekundarstufe I noch relevant sein, in der Sekundarstufe II trägt es nicht mehr. Deswegen ist es jetzt notwendig, eine alternative Darstellung zu geben.
2.2 Alternative Geschichten der Geldentstehung
Es gibt also berechtigte Zweifel an der Form, wie die Entstehung des Geldes in der Regel in der Schule unterrichtet wird. Diese Zweifel wachsen auch deshalb, weil es einige Alternativen zu Phasen der angenommenen Geldgeschichte gibt.[28] Dabei ist jedoch immer wieder zu betonen, dass es keine letzte Gewissheit über die Entstehung des Geldes und seine Geschichte geben kann, weil Quellen dazu nicht vorhanden sind. Auch kann es in unterschiedlichen Kulturen zu unterschiedlichen Entwicklungen gekommen sein.
Zunächst zur Entstehung des Geldes: Die Geldentstehung kann man am besten verfolgen, wenn man die unterschiedlichen Funktionen des Geldes (Zahlungsmittel, Tauschmittel, Recheneinheit und Wertmesser, vgl. Kapitel 3) voneinander getrennt betrachtet. Folgt man Graeber, dann scheint die Funktion als Recheneinheit als Erstes in den Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens aufgetreten zu sein. So weiß man, dass der Ursprung der Buchhaltung in Mesopotamien darin lag, dass die Verwalter von Tempelanlagen ihre Arbeiter entlohnen mussten.[29] Gleichzeitig wurden Abgaben kalkuliert, die die Arbeiter an den Tempel zu leisten hatte. Diese Vorform des Geldes war also eine Darstellung eines Schuldverhältnisses und eine Recheneinheit. Es war also ursprünglich nicht zum Tauschen gemacht, sondern als Kalkulationsbasis.[30] Entdeckt wurde dieser Zusammenhang 1969 durch die Archäologin Denise Schmandt-Besserat, die sich als Erste intensiv mit der Funktion von Tonfiguren befasste, die man in ganz West-Asien fand. Es handelt sich dabei um sogenannte Tokens, mit denen die Menge von bestimmten Waren bestimmt werden konnte.[31] Ausgehend vom Vergleichszählen waren diese Tokens eine Basis für die Entwicklung der Schrift. Erst später entwickelte sich dann der Tauschhandel. So könnte man auch die Entstehung des Muschelgeldes interpretieren, zunächst als Verwaltungsmaßnahme, dann als Recheneinheit.
In die Richtung, dass Geld ursprünglich eine Kreditbeziehung (also Geld in seiner Funktion als Zahlungsmittel, vgl. Kapitel 3) darstellte, weisen Aufzeichnungen über einige historische Gesellschaften. Dies wird besonders deutlich bei einem Beispiel von Felix Martin.[32] Er stützt sich dabei auf Beobachtungen auf der Pazifikinsel Yap im 19. und 20. Jahrhundert. Als Geld wurde hier eine Steinwährung genutzt, wobei die Steine einen Durchmesser von 30 cm bis 3,6 Metern hatten. Selbst Steine, die beim Transport über das Meer verloren gegangen waren, zählten immer noch als Geld, obwohl dieses Geld auf dem Meeresgrund lag. Unsere übliche Vorstellung, dass Geld auch zum Tausch benutzt wurde, passt hier nicht. So ist es z. B. nicht denkbar, mit einem Riesenstein z. B. ein Ei zu kaufen. Geld in Form von Steinen scheint hier mehr das Vertrauen zu symbolisieren, dass dem Besitzer entgegengebracht wird. Damit geht Martin mit diesem Beispiel zurück auf die Entstehung des Geldes bei Gerloff, der von „Protzgeld“ spricht.[33] Andere Beispiel für diese Form des Geldes sind Krüge oder Schüsseln.
Eine andere „Art“ des Geldes (als Symbol für eine Kreditbeziehung) waren Kerbhölzer, die in einem zweiten Schritt als Mittel zum Handel insbesondere im mittelalterlichen England dienten. Dabei wurden Äste aus Haselnussholz auf bestimmte Weise eingekerbt, damit man den Kaufbetrag oder die Höhe der Schulz feststellen konnte. Der Name des Schuldners und das Datum wurden auf zwei gegenüberliegende Seiten eines Stockes geschrieben, der daraufhin gespalten wurde. Der Gläubiger behielt den längeren Teil (den „Stock“), der Schuldner den kürzeren Teil („Einsatz“). Wenn der Schuldner seine Schuld begleichen wollte, wurden die Teile des Kernholzes aneinandergehalten und anschließend vernichtet.[34]
Schwieriger ist die Funktion von Geld als Wertmesser historisch zu verorten. Man kann davon ausgehen, dass dies zunächst im historischen Griechenland geschah. Die Funktion des Geldes als allgemeiner Wertmesser könnte auch deshalb entstanden sein, weil man versuchte, Schäden zu regulieren. In einer Welt ohne Geld als Wertmaßstab ist die Regulierung eines Schadens nicht ganz einfach. Selbstverständlich ist es möglich, dem Schädiger den gleichen Schaden zuzufügen („Auge um Auge, Zahn um Zahn“), dieses Prinzip kann jedoch schnell außer Kontrolle geraten. Auch ist die Frage, wie kleinere Schäden, wie z. B. eine Beleidigung, zu ahnden sind. Von daher kann es auch sein, dass man dazu überging, primitives Geld für bestimmte Schadensfälle zu fordern. Dies würde auch die Entstehung eines Wertmaßstabes erklären. Im Prinzip geht diese Geschichte des Geldes zurück auf die Arbeiten von Bernhard Laum, der 1924 erstmals von einem sakralen Ursprung des Geldes sprach.[35] Danach wurde Geld insbesondere im Opferritus gebraucht. Dadurch wird auch der Gebrauch von Vieh erklärbar, das zur Opferung benötigt wurde.
Die Zusammenführung dieser voneinander zunächst unabhängigen Funktionen des Geldes zu einem Münzgeld geschah vermutlich im 7. Jahrhundert vor Christus in Kleinasien. Dabei war vermutlich der Edelmetallgehalt nicht das Wichtigste. Sofern Geld wirklich nur Edelmetall war, wäre es viel einfacher gewesen, der Staat hätte selbst die Minen und Abbaugebiete übernommen. Graeber vermutet hierzu, dass vermutlich der Zwang, große Heere zu unterhalten, der entscheidende Faktor zur Münzentstehung gewesen ist. Dadurch, dass man Münzen an die Soldaten zur Bezahlung ausgab und gleichzeitig forderte, dass die Bewohner des Landes die Münzen als Steuern abzuliefern hatten, kam es zu einer Intensivierung des Handels. So wurden parallel Märkte geschaffen, auf denen die Bewohner ihre Produkte verkaufen konnten und so die Versorgung des Heeres sicherstellten.[36] Zentral ist also die Rolle des Staates, der als Erster Münzen ausgab, die man ihm dann als Steuern zurückgeben musste.
Für diesen Prozess gibt es weitere Beispiele. Ungefähr zur Zeit des Aristoteles wurde im antiken China in der Jixia-Akademie das Buch Guanzi[37] verfasst, das für Jahrhunderte eine Basis des philosophischen Lebens in China war. Dort findet sich im Prinzip der gleiche, staatliche Ursprung des Geldes, nämlich Geld als souveräne Handlung eines Staates. Martin zitiert hier Folgendes:
„Die früheren Könige benutzten das Geld, um Wohlstand und Güter zu erhalten und auf diese Weise die produktiven Aktivitäten des Volkes zu regeln, und so brachten sie dem Reich unter dem Himmel Frieden und Ordnung.“[38]
Ein weiteres, häufig zitiertes Beispiel für diese Entwicklung ist die Kolonialisierung Madagaskars seit 1896.[39] Hier erließ der französische General Gallieni (1849-1916) zunächst eine Kopfsteuer. Die Bewohner brauchten also Produkte, die sie abliefern konnten, um sich das Geld zu verdienen, mit dem sie die Kopfsteuern bezahlen sollten. Das Geld wurde also dazu genutzt, die Einwohner zur bezahlten Arbeit zu zwingen, bzw. um Märkte entstehen zu lassen.
Graeber fasst dies folgendermaßen zusammen:
„Unsere gängige Darstellung erzählt die Geschichte des Geldes genau verkehrt herum. Wir fingen nicht mit dem Tauschhandel an, entdeckten das Geld und entwickelten schließlich Kreditsysteme. Was wir heute virtuelle Geld nennen, war zuerst da. Die Münzen kamen viel später, und ihr Gebrauch verbreitete sich sehr unterschiedlich, sie ersetzen Kreditsysteme nie ganz. Der Tauschhandel hingegen war offenbar in erster Linie eine Art zufälliges Nebenprodukt der Verwendung von Münzen und Papiergeld: Historisch betrachtet fand Tauschhandel anscheinend immer dann statt, wenn Menschen, die Transaktionen mit Geld gewöhnt waren, aus dem einen oder anderen Grund keinen Zugang zu geldlichen Zahlungsmitteln hatten.“[40]
Da es keine Aufzeichnungen gibt und es sowohl Belege als auch Gegenbespiele bei allen Theorien gibt, wird es keine endgültige Entscheidung über die Gültigkeit dieser Theorie geben. In jedem Fall kann die einseitige Darstellung der Entstehung des Geldes in der schulischen Wirklichkeit so nicht weiter bestehen. Hier wäre es an sich viel angemessener, die Schülerinnen und Schüler auch mit der alternativen Entstehungsgeschichte zu konfrontieren.
Ähnliches gilt für die übliche Erzählung über die Entstehung von (Geld-)Scheinen. In der (in der Schule) vorherrschenden Darstellung wurden Geldscheine genutzt, um den Austausch von Münzen zu vereinfachen.[41] Dies gilt z. B. für die Zettel, die die sogenannten Goldschmiede-Banken ausgegeben haben. Goldschmiede mussten zur Ausübung ihres Gewerbes Tresore besitzen. Goldbesitzer machten sich dies zunutze, indem sie den Goldschmieden Gold zur Verwahrung übergaben. Als Beleg dafür erhielten sie eine Quittung. Diese Quittungen konnten nun als Geld weitergegeben werden, da ja die Sicherheit durch die Einlagerung von Gold gegeben schien.
Die Goldschmiede-Banken erkannten aber schnell, dass nicht immer alle Quittungen eingelöst wurden. Dementsprechend begannen sie, mehr Quittungen auszugeben, als Gold vorhanden war. Dadurch erhöhten sie die umlaufende Geldmenge, sie wurden Schöpfer von neuem Geld. Das Geld basierte nur auf dem Vertrauen, dass man einem Goldschmied entgegenbrachte.
Bei dieser Geschichte ist zu berücksichtigen, dass dies nur eine Quelle der Geldscheine war. Eine andere Quelle war der Wechselhandel. Die Fernkaufleute des Späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit benötigten zum Bezahlen ihrer Waren ein System, das es ihnen ermöglichte, nicht immer alles Geld mitzuführen. Sie sahen sich aber noch mit einem ganz anderen Problem konfrontiert: Das staatliche Münz-Geld war dadurch bedroht, dass der Souverän den Edelmetallgehalt seiner Münzen senken konnte, um sich so einen Vorteil zu verschaffen. So war es durchaus üblich, dass Herrscher die Münzen immer wieder einschmelzen und neue Münzen – mit niedrigerem Edelmetallgehalt – prägen ließen. So konnte der Herrscher z. B. seine Schulden leichter bezahlen. Zusätzlich benötigten die Kaufleute Geld, das von Nordeuropa bis zu den Handelszentren in Südeuropa Gültigkeit besaß.
Daraus entwickelte sich der Wechsel (es gab möglicherweise auch in der Antike Vorläufer, über die wir aber wenig wissen). Auf Messen kamen die Kaufleute dann regelmäßig zusammen, um dort Wechsel auszutauschen. Damit wurde die Summe des benötigten Bargeldes eingeschränkt. Ferner wurde dadurch, dass man sich gegenseitig Kredit gab, die Schöpfung von Geld vorangetrieben. Da in der Regel die Kaufleute sowohl Verbindlichkeiten als auch Forderungen besaßen, benötigte man eine zentrale (Clearing-)Stelle, wo diese gegeneinander aufgerechnet wurden. Das war u.a. die Messe von Lyon. [42] Hier kamen die Kaufleute zusammen, um ihre gegenseitigen Forderungen zu begleichen. Lyon wurde deshalb so bedeutend, weil hier der gesamte nordeuropäische Handel mit dem südeuropäischen Handel verknüpft wurde.[43]
Die Messe von Lyon war ferner vom französischen König besonders privilegiert worden, um sie gegen die Konkurrenz der Genfer Messe zu stärken. So gab es keinerlei Beschränkungen beim Geldwechsel und beim Wechselverkehr, auch der Transfer von Geld ins Ausland war frei. North spricht davon, dass die offizielle Münzordnung für die Dauer der Messe außer Kraft gesetzt wurde, was es den Kaufleuten ermöglichte, ihre eigenen Kurse festzusetzen.
Neben den Fernkaufleuten wurde noch eine zweite Gruppe wichtig, die sogenannten Handelsbanken, merchant bankers.[44] Diese waren bereit, mit ihrer Unterschrift für die Kaufleute zu bürgen. Umgekehrt war es für jemanden, der einen Wechsel akzeptierte, sinnvoll, sich der Unterschrift eines solchen Bankers zu versichern, um seine Ansprüche garantiert zu bekommen. Somit basierte das Geldwesen des sechzehnten Jahrhunderts neben der staatlichen Münzprägung auch auf der privaten Geldschöpfung durch Kaufleute bzw. merchant bankers und Goldschmieden.
Dadurch, dass bonitätsstarke Kaufleute ebenfalls die Wechsel unterschrieben, konnten die Wechsel auch weitergeben werden, d. h. sie wurden als Zahlungsmittel akzeptiert. Insgesamt nahmen somit auch Wechsel Funktionen des Geldes an – insbesondere als Zahlungsmittel, Tauschmittel und Wertaufbewahrungsmittel.
Bereits früher gab es weitere regionale Clearing-Stellen. So wurden von italienischen Kaufleuten in Venedig (1587) und Mailand (1593) private Wechselbanken gegründet. Die erste öffentliche Clearing-Stelle war die Amsterdamer Wisselbank (Wechselbank), die im Jahre 1609 gegründet wurde.[45] Sobald diese Bank auf dem Wechsel ihre Unterschrift vergab, garantierte sie für die ordnungsgemäße Einlösung dieser Wechsel. Damit war sie eine Art „Prüfstelle“[46] für Wechsel.
Neben der Annahme von Wechseln und Münzen konnte man hier sogar ein Konto errichten und bargeldlose Zahlungen zwischen Konten durchführen. Diese bargeldlosen Zahlungen sind auch eine Wurzel des heutigen Banksystems. Denn durch die Kontrolle einer akzeptierten Autorität war es möglich, Geld von einer Person zu einer anderen Person in einer weiten Umgebung zu schicken.
Diese beiden letzten Quellen der Geld(-schein-)schöpfung sind im Prinzip ohne staatliche Eingriffe entstanden. Dementsprechend gab es bereits im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert private Interessen, die das staatliche Münzmonopol zumindest anzweifeln lassen. Der Souverän war also bereits früh in Bezug auf die Geldschöpfung nicht so souverän, wie es frühneuzeitliche Staatstheoretiker glaubten.
Die ersten Geldscheine, die von einer Zentralbank herausgegeben wurden, sind eher Schuldscheine. So gab die Bank of England ab 1694 Scheine heraus, deren Einlösung der englische König garantierte. Damals erhielt der englische König Darlehen in Höhe von 1,2 Millionen Pfund, im Gegenzug erhielt die Bank dafür das Recht, Banknoten auszugeben.[47] Diese Banknoten waren im Prinzip nichts anders als das Versprechen der britischen Krone, den Betrag irgendwann einmal zurückzuzahlen. Dieses Versprechen gilt bis heute, da der Betrag nicht zurückgezahlt wurde, und dementsprechend wäre eine Rückzahlung auch gleichbedeutend mit dem Ende des britischen Währungssystems.
Diese Verschränkung von öffentlicher und privater Einflussnahme gilt auch noch bei anderen Zentralbanken. So wurde die US-amerikanische Zentralbank letztlich als lender of last resort 1913 gegründet. Dabei aber nicht als staatliches Organ, sondern als Zusammenschluss von privaten Banken, die auf ihr Kapital eine Dividende von 6 % erhalten, wohingegen der Gewinn an das US-amerikanische Finanzministerium abgeführt werden muss.
Die Deutsche Bundesbank geht auf die preußische „Königliche Giro- und Lehnbank“ von 1765 zurück.[48] Während das Institut zunächst staatlich war, ging es 1847 in Privatbesitz über, wurde aber weiterhin durch die preußische Regierung kontrolliert. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die deutsche Zentralbank wirklich unabhängig in Form der Deutschen Bundesbank.
Je nach genutzter Definition des Geldes, kann man also die Entstehungsgeschichte des Geldes auswählen. So wird von den Vertretern des Vollgeldes oder der MMT eher die zweite Entstehungsgeschichte des Geldes favorisiert. Darin spielen der Staat bzw. die Schuldbeziehungen die entscheidende Rolle. Für den Unterricht scheint es aber sinnvoll, beide Alternativen zumindest in der Sekundarstufe II zu problematisieren.
3. Geld-Definitionen und Geld-Theorien
3.1 Geld-Definitionen
Bislang wurde eine Definition von Geld vermieden. Das soll auch im Folgenden nicht sofort geschehen, weil eine Definition im Prinzip schon eine Parteinahme hinsichtlich einer geldtheoretischen Schule darstellen würde. Deswegen werden zunächst im ersten Teil Facetten einer Definition dargestellt, die man sicherlich auch im Ökonomieunterricht behandeln kann.
Im zweiten Teil wird dann auf die unterschiedlichen Geldwesens-Theorien eingegangen, die ebenfalls in der Schule thematisiert werden können. Dabei werden nicht alle möglichen Ansätze dargestellt, sondern die Auswahl bezieht sich darauf, welche Ansätze in der Schule gewinnbringend diskutiert werden können. Sicherlich ist es so, dass ein Vertreter der jeweiligen Richtung möglicherweise einen anderen Schwerpunkt setzen würde. Manches ist viel zu vereinfacht, manches zu ausführlich dargestellt. Hier geht es nur darum, eine Orientierung zu geben, um die unterschiedlichen Ansätze in der Schule unterrichten zu können.
Vermutlich auf John Hicks (1904-1989) geht eine Definition von Geld zurück, die lautet:
„Money is what money does“.[49]
Auf diese Definition kann man sich einigen, obwohl sie zunächst ziemlich theorielos und tautologisch aussieht.[50] Problematisch hieran ist aber, dass sie die Frage nach dem Ursprung des Geldes, also genauer der Geldschöpfung, außen vor lässt. Das ist deshalb so wichtig, weil Geld eine Anweisung auf Güter darstellt. Derjenige, der Geld herausgibt, hat also mehr Anrecht und damit Macht über Güter als jemand, der kein Geld herausgibt. Ein zweites Problem liegt darin, dass unterschiedliche Geldarten hier pauschal gleichgesetzt werden, diese sind jedoch deutlich zu trennen. Es wird z. B. nicht zwischen Währung (im Sinne eines staatlichen Geldes, s. u.) und Kreditgeld (im Sinne von Geld, das durch Kreditgewährung entsteht, s. u.) unterschieden. Da ist deshalb so wichtig, weil beide Geldformen in einer Volkswirtschaft nebeneinanderstehen, aber unterschiedliche Schöpfer haben. Das Verhältnis zwischen diesen beiden Formen bleibt unklar. Somit verbirgt die Definition mehr, als das sie aufdeckt.
Der zweite Teil der Definition weist auf die Funktionen von Geld hin. Dementsprechend gehen viele Lehrbücher so vor, dass sie die Geldfunktionen als Ausgangspunkt für eine Definition des Geldes nutzen.
Allgemein werden vier (z. T. drei, s. u.) Geldfunktionen unterschieden:
· Tauschmittelfunktion: Geld ist ein allgemeines Tauschmittel, das den Austausch von Waren vereinfacht.
· Zahlungsmittelfunktion: Geld erlaubt Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. D. h. Geld erlaubt die Ablösung von Schulden.
· Recheneinheitsfunktion: Geld dient als Maßstab, um den Wert von Gütern und Dienstleistungen zu vergleichen.
· Wertaufbewahrungsmittelfunktion: Geld ermöglicht die Aufbewahrung von Wert. Damit wird es möglich, Zahlungen in zukünftigen Perioden zu leisten.
Manchmal werden die Tauschmittelfunktion und die Zahlungsmittelfunktion als eine gemeinsame Funktion dargestellt. Das ist jedoch problematisch. Die Tauschmittelfunktion bezieht sich darauf, dass der Warentausch mit Geld einfacher wird. Alle Waren können gegen Geld eingetauscht werden. Hier geht es um die sogenannte doppelte Koinzidenz von Bedürfnissen (siehe Kapitel 2). Ohne Geld brauchte man zum Tausch jemanden, der zum selben Zeitpunkt auch das Bedürfnis nach Gütern hatte, die man zum Tausch anbietet. Das wird mit Geld stark vereinfacht. Alle Güter sind gegen Geld eintauschbar.
Anders sieht es mit der Zahlungsmittelfunktion von Geld aus. Geld als Zahlungsmittel befreit aus direkten Schuldverhältnissen. Damit wird auch erreicht, dass zwischen Leistung (z. B. der Lieferung einer Ware) und der Gegenleistung (Bezahlung des Rechnungsbetrages) ein Zeitraum entstehen kann. Geld ermöglicht also die Trennung von Leistung von Gegenleistung (s. u.).[51] Geld ist somit nutzbar, um eine Kreditbeziehung abzulösen.
Aber selbst, wenn man diese vier Funktionen als Ausgangspunkt nutzt, bleibt die Frage, welches die ursprüngliche Funktion von Geld ist. Mit dieser Frage schließt sich wieder die Frage nach dem Ursprung des Geldes an (siehe Kapitel 2). Denkbare Antworten darauf sind die klassische Entstehungsgeschichte und die Betonung der Tauschmittelfunktion oder man betont die Zahlungsmittelfunktion, um Schuldverhältnisse zu beenden. Auch die Wertaufbewahrungsfunktion kann im Vordergrund stehen, wenn man den Zeitraum zwischen Beginn des Schuldverhältnisses und der Ablösung des Schuldverhältnisses thematisiert.
Die weitere, mögliche Fragestellung ist, ob diese vier Funktionen immer gleichzeitig vorhanden gewesen sind. So galten beispielsweise im Mittelalter als Recheneinheit Pfennige, diese waren jedoch kaum zur Wertaufbewahrung geeignet. Auch wurden als Tauschmittel Kerbhölzer verwendet, gleichzeitig wurden Kreditverhältnisse in Münzen angegeben. Im England des 18. Jahrhunderts war der Silberschilling die Recheneinheit, obwohl er kaum noch im Umlauf war.[52] In Kriegsgefangenenlagern wurde häufig mit Zigaretten als Tauschmittel gehandelt, obwohl es eine andere Währung gab. Dass alle vier Funktionen gleichzeitig mit dem gleichen „Geld“ verbunden sind, ist möglicherweise gar nicht so oft in der Geschichte vorgekommen. Möglicherweise stellt unser heutiges Geldwesen mehr einen Sonderfall da, als dass es sich zur Definition eignet.
Eine weitere Möglichkeit der Definition von Geld ist natürlich, sich auf die Definition der Zentralbank zu einigen. Folgt man der Definition der Deutschen Bundesbank, kommt noch eine Eigenschaft hinzu:
Geld ist das allgemein anerkannte Tausch- und Zahlungsmittel, auf das sich eine Gesellschaft verständigt hat. Ist man durch die Rechtsordnung verpflichtet, das Geld anzunehmen, dient es als gesetzliches Zahlungsmittel, durch das eine Schuld mit rechtlicher Wirkung getilgt werden kann.[53]
Der zentrale Punkt hierbei ist, dass Geld ein gesetzliches Zahlungsmittel ist. Damit wird in der Rechtsordnung festgelegt, womit Zahlungen geleistet werden können. Damit ist gemeint, dass jeder Gläubiger Geld annehmen muss, um damit Schuldverhältnisse zu beenden. Dies gilt insbesondere bei Zahlungen gegenüber dem Staat, also in der Regel Steuerzahlungen. So wird zumindest der Anreiz geschaffen, dass auch andere Zahlungen in Geld durchgeführt werden. Dieser Aspekt ist wichtig hinsichtlich der sogenannten nominalistischen Geldwesenstheorien (s. u.).
Gleichwohl ist niemand gezwungen, Zahlungen in Geld zu leisten. Man könnte beispielsweise auch Zahlungen in Gutscheinen annehmen. Hyman Minsky (1919-1996) hat dazu formuliert, dass
„everybody can create money, the problem is to get it accepted.”[54]
Das wiederum weist auf die Problematik hin, dass es unterschiedliche Emittenten von Geld geben kann. Je nach Emittenten gibt es ganz unterschiedliche Arten von Geld, die möglicherweise besser oder schlechter sind. Es kann aber auch sein, dass Geld von unterschiedlichen Emittenten gleichgestellt ist, so z. B. die Noten der Zentralbank mit dem Bankguthaben auf einer Bank.
Nimmt man die Funktion als Zahlungsmittel genauer in den Blick, dann ergibt sich, dass zwischen der Leistung und Gegenleistung ein Zeitraum liegen kann. Es kann also Geld geben, dass erst nach einem bestimmten Zeitraum genutzt werden kann. Aus einer anderen Perspektive bedeutet dies, dass ein Akteur dem anderen einen Kredit gibt. Man kann dies durch das Begriffspaar Währung und Kreditgeld ausdrücken. Je nachdem, wer einen Kredit vergibt, kann es sogar Kredite unterschiedlicher Ordnung geben, je nach Vertrauenswürdigkeit des Akteurs. Im Folgenden wird hierfür der Begriff Kreditgeld verwendet. Manchmal wird wir in der Literatur auch der Begriff Schwellgeld benutzt.[55]
Der Emittent der Währung ist in der Regel der Staat, in dem die Währung gültig ist. Heutzutage übernimmt diese Aufgabe in den meisten Ländern die Zentralbank. Kurzfristige Einlagen hingegen werden in der Regel von privaten Banken geschaffen, in der Regel bei der Kreditgewährung. Wertpapiere hingegen können von allen möglichen Wirtschaftssubjekten geschaffen werden. Ein Beispiel dafür sind Gutscheine oder Wechsel, die von anderen Personen angenommen werden können (aber nicht müssen). Derjenige, der allgemeingültiges Geld schöpft, hat natürlich mehr Macht als ein Wirtschaftssubjekt, das das nicht kann. Der Grund hierfür liegt darin, dass Geld ein Anrecht auf einen Teil der erstellten Waren und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft darstellt. In diesem Sinne zeigt sich ein Machtgefälle begründet durch die Rolle des Emittenten von Geld.
Die EZB geht im Prinzip ähnlich vor und unterscheidet folgende Arten des Geldes:
Man muss zwischen dem Bargeldumlauf und dem Sichtguthaben der Kreditinstitute bei der Zentralbank unterscheiden, beide zusammen bilden das Zentralbankguthaben. Die Geldmengen M1, M2 und M3 verdeutlichen, dass es noch andere Emittenten von Geld gibt, in der Regel zunächst die Kreditinstitute.
Man kann aber noch weitere Eigenschaften zum Geld finden. Einen Überblick kann dazu folgende Darstellung liefern:[56]
Abbildung 2: Unterscheidungsmöglichkeiten
Eine erste, zentrale Eigenschaft ist die Liquidität dieser drei Arten des Geldes. Damit ist gemeint, dass es Geld gibt, was jetzt im Moment gebraucht werden kann und Geld, was erst nach einem gewissen Zeitraum genutzt werden kann. Dabei ist das jetzt nutzbare Geld „besser“ als das in Zukunft nutzbare Geld. Es kann also sein, dass das in Zukunft nutzbare Geld mit einem gewissen Abschlag gehandelt wird. Dies zeigt sich insbesondere in Krisensituationen. Staatliches Geld ist am liquidesten, man kann damit Schuldverpflichtungen direkt einlösen. Kreditgeld hat in unserem Geldsystem quasi die Eigenschaft von staatlichem Geld, es kann aber sein, dass z. B. Sparer nicht sofort an ihre Einlagen kommen können. Auch Wertpapiere müssen nicht als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Dies wird sehr schnell deutlich, wenn man sich hierunter einen Gutschein vorstellt, der sicherlich nicht immer in Währung umgetauscht werden kann. Im Krisenfall müssen ein solcher Gutschein aber zunächst in Währung umgetauscht werden.
Damit ist auch eine zweiter Unterscheidungsmöglichkeit gegeben: die Sicherheit. Während staatliches Geld durch die Rechtsordnung zu Geld geworden ist und damit auch sicher ist, muss das für andere Arten des Geldes nicht gelten. So sind z. B. Bankguthaben nur bis zu einer Höhe von 100.000 € innerhalb der EU geschätzt, im Falle eines Bankansturms („Bank Run“) kann es passieren, dass darüberhinausgehende Einlagen nicht mehr sicher sind. Auch im Fall von Wertpapieren kann es im Fall einer Krise dazu kommen, dass man keine Käufer findet bzw. nur noch Käufer, die die Wertpapiere erst mit einem Abschlag kaufen. Das Geld ist also nicht in dem Maße sicher wie die staatliche Währung.
Eine dritte Eigenschaft des Geldes ist die Menge bzw. Knappheit. Staatliches Geld ist knapper als Kreditgeld, insbesondere weil jedes Wirtschaftssubjekt Geld als Kreditgeld schöpfen kann. Vergleicht man beispielsweise die Menge der von der Zentralbank geschöpften Geldbasis mit der von Banken geschöpften Geldmenge M3, so erhält man ungefähr ein Verhältnis von 1:10. Dies Verhältnis ändert sich natürlich je nach Bezugsgröße.
Gleichzeitig ergibt sich daraus, dass die Geldversorgung unterschiedlich elastisch ist. Private Banken können mit ihrer Geldschöpfung sehr kurzfristig und zielgenau auf die Bedürfnisse der anderen Wirtschaftssubjekte reagieren. Die Zentralbanken hingegen als Schöpfer von der Währung reagieren im Prinzip nur auf die Banken.
Eine weitere Eigenschaft von Geld ist die Fungibilität. Damit ist gemeint, dass eine Einheit Geld ohne Weiteres auswechselbar oder austauschbar ist. Dies leuchtet unmittelbar bei Scheinen oder Münzen ein, schwieriger wird dies jedoch bei Bankguthaben. So kann es z. B. sein, dass man das Guthaben bei einer Bank geringer schätzt als das Guthaben bei einer anderen Bank, weil die erste Bank vom Konkurs bedroht. Ähnlich sah es in der Phase des „Free Banking“ aus. So konnten in Schottland zwischen 1716 und 1844 Banken ihre eigenen Banknoten herausgeben genauso wie in den Vereinigten Staaten zwischen 1837 und 1865. Dabei konnte es passieren, dass die Banknoten einzelner Banken mit deutlichen Abschlägen gehandelt wurden. Heutzutage spielt die Fungibilität bei Geld von unterschiedlichen Banken eigentlich keine Rolle mehr. Geht man aber weiter zum Kreditgeld 2. Ordnung, dann ergeben sich durchaus Unterschiede in der Fungibilität, je nach Emittenten. So ist sicherlich ein Gutschein einer Privatperson anders zu bewerten als ein Wertpapier eines börsennotierten Unternehmens.
Es besteht also eine Hierarchie des Geldes bzw. der Geldformen. Bezüglich der Geldtheorie ist es immer notwendig, anzugeben, auf welche Art von Geld man sich bezieht. Das ist eines der Probleme, wenn man sich mit der Definition von Geld beschäftigt.
Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit tritt hinzu, wenn man die Verwendung von Währung außerhalb des Staatsgebietes betrachtet. Dann kann man internationale Währungen und keine internationalen Währungen unterscheiden. Dabei ist der Unterscheidungsgrund die Frage, inwieweit die Währung für internationale Transaktionen genutzt wird. Die bei Weitem wichtigste internationale Währung dabei ist der US-Dollar. Dies wird in Kapitel 5 näher analysiert.
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- Dr. Kai Brakhage (Author), 2021, Didaktik des Geldes. Das Thema Geld im Schulunterricht der Sekundarstufe II, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1066479
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