Hauptbestreben organisationaler Akteure ist der Bezug von Ressourcen zur eigenen Bestandssicherung. In dieser Abhandlung werden mögliche Ursachen für das Scheitern von Organisationen aus der Perspektive mehrerer organisationstheorertischer Ansätze vorgestellt.
Inhaltsangabe
1. EINFÜHRUNG
1.1. EINLEITUNG
1.2 VORGEHENSWEISE DIESER ARBEIT
2. HAUPTTEIL: ANSÄTZE UND DEREN ANWENDUNG
2.1. DER EVOLUTIONSTHEORETISCHE ANSATZ
2.2. DER INSTITUTIONALISMUS
2.3. DIE AGENTURTHEORIE
2.4. DER RESSOURCENDEPENDENZANSATZ
2.5. DER UNTERNEHMENSSTRATEGISCHE ANSATZ
2.6. DER ANSATZ DER LOSEN KOPPLUNG
3. SCHLUß
4. LITERATURANGABEN
1. Einführung
1.1. Einleitung
Organisationen koordinieren das gesellschaftliche Zusammenleben innerhalb bestimmter Lebensbereiche zur Erreichung bestimmter u.U. gebündelter spezifischer Ziele und prägen somit auch unsere Gesellschaft. Organisationen sollen heißen: korporate Akteure bzw. soziale Gebilde zur Erreichung bestimmter Ziele und Zwecke durch zu tätigende Maßnahmen und zu fällende Entscheidungen, welche intern durch ein soziales System strukturiert sind, der die Handlungen der zum System gehörenden menschlichen Akteure ordnet. Sie agieren in einer Umgebung bzw. in einem Umfeld, der sogenannten Umwelt, die als strukturelles Setting bzw. als Arrangement sowie Sachzwang ihr Handeln bzw. ihren Handlungsspielraum einschränkt. Diese besteht aus
Abnehmern, Verteilern, Konsumenten, Lieferanten von Ressourcen (wie Material, Arbeitskraft, Kapital, Immobilien und Betriebsanlagen), Konkurrenten bzw. Rivalen um knappe Ressourcen und Märkte und staatlichen und gesellschaftlichen Regulatoren (wie Behörden, Unternehmer- und Arbeitnehmerverbänden etc.). Die Teilbereiche der Beziehungen innerhalb und außerhalb der Organisation, also Handlungszusammenhänge zwischen dem Akteur (Organisation) und seinem Äußeren (seiner Umwelt) einerseits und seinem Innern (sein internes soziales System bzw. seine soziale Binnenstruktur) andererseits sind zu vielschichtig bzw. zu komplex, um von einer Sichtweise befriedigend erfaßt zu werden. Sie entziehen sich einer holistischen und totalen Betrachtung. Es besteht deswegen eine regelrechte ‚Paradigmenvielfalt‘ zur Beschreibung und Erklärung verschiedener hervorgehobener Sachverhalte und den dazwischen liegenden Zusammenhängen . Es werden dabei durch Organisationstheorien jeweils bestimmte Komponenten betont und andere wiederum vernachlässigt. Die Selektivität der Theorien bzw. deren segmentäre Bezug nur auf bestimmte Aspekte organisationaler Phänomene werden durch die in der einschlägigen Literatur nicht zu selten zitierte - und deshalb schon fast obligatorische - indische Parabel verdeutlicht (vgl. beispielsweise Kieser 1995a: 1; Hatch 1997: 7). Es treffen demnach zumindest in der amerikanischenübersetzung sechs Blinde in Indien auf einen Elefanten. Sie beschreiben anschließend, worauf sie nach ihrer subjektiven Deutung gestoßen sind:
“The first said that an elephant was like a leaf. The second adamantly disagreed, claiming that it was certainly like a wall. The third described the elephant as a mighty tree, the fourth a spear, the fifth a rope, and the last one thought it was really a snake. Each of them hat gotten hold a different part of the elephant and so had come away with remarkably different understanding of this creature. The point of retelling the story here is that organization theorists are like those blind men, and organizations are their elephant. Like the blind men, organization theorists encounter a large and complex phenomenon with perceptual equipment that handicaps them with respect to knowing in a holistic and total way. Thus, they develop perspectives that have some bearing on organizations, but that are each inadequate in their own way.” (Hatch 1997: 7)
Organisationen ‚kommen und gehen‘ : es soll in dieser Hausarbeit versucht werden, den Untergang bzw. das Nicht- Überleben von Organisationen aus der Sicht verschiedener Organisationstheorien, organisationsbezogenen Konzepten und Ansätzen zu erklären. Neben den vorgestellten Ansätzen, die primär den Untergang von Organisationen zu erklären versuchen, werden weitere Theorien und Konzeptionen erläutert, die von intentionalen Organisationsgestaltungen ausgehen: der Untergang der Organisationen läßt sich dadurch auch indirekt durch Scheitern bzw. Nichtanwendungen von Strategien, die dann das ’Sterberisiko‘ erhöhen, darlegen.
1.2 Vorgehensweise dieser Arbeit
Es werden jeweils Ansätze bzw. Konzeptionen und nicht selten deren Anwendung und Illustration mit Beispielen grob und oberflächlich vorgestellt, die jeweils Prozesse innerhalb, zwischen und außerhalb Organisationen hervorheben, um den Untergang der Organisationen zu erklären. Diese Ansätze bzw. Konzeptionen sind der Ansatz der losen Kopplung, der evolutionstheoretische Ansatz, die Agenturtheorie, der Institutionalismus, der Ressourcenabhängigkeits- und schließlich der unternehmensstrategische Ansatz. Die in Managementkursen beliebte Kontingenztheorie wird hier allerdings nicht erläutert, damit auch anderen organisationstheoretischen Ansätzen Aufmerksamkeit gewidmet werden kann1. Es war zunächst beabsichtigt worden, e i n empirisches Beispiel mit verschiedenen Theorien zu erklären, die sich jeweils daran ‚festbeißen‘. Da aber kein übergreifendes Beispiel auch bei Sichtung relevanter Literatur und bei der Lektüre gefunden werden konnte, wird wie folgt vorgegangen: es erfolgt zunächst die Vorstellung und die theoretische Anwendung der jeweiligen Ansätze in bezug auf organisatorisches Sterben. Es werden dann verschiedene empirische Beispiele bzw. Illustrationen zur Anwendung der jeweiligen Ansätze vorgestellt. Es konnte jedoch dem Autor der Arbeit gelingen, Beispiele aus seinem sozialen Verkehrskreis zu finden, ohne diese aber belegen zu können und dadurch intersubjektiv nachvollziehbar zu machen.
2. Hauptteil: Ansätze und deren Anwendung
2.1. Der evolutionstheoretische Ansatz
a) der Ansatz
Dieser Ansatz geht zunächst von der folgenden Frage aus: “Why are there so many kinds of organizations?” (Hannan, Freeman 1994: 168) Um diese zu beantworten, werden darwinistische Konzepte, die eine Antwort auf die Frage nach der Ursache der Artenvielfalt im Tierreich gefunden haben wollen, im Rahmen eines Analogieschlusses auf Organisationen übertragen. Dieser sich an diesen Konzepten orientierende Ansatz stellt zur Erklärung der Verschiedenheit der Sorten von Organisationen bzw. Organisationsstrukturen zum Beispiel durch VerÄnderungen eine Abkehr von dem in der ersten Fußnote erläuterten situativen Ansatz dar. Es liegt zwar bei beiden Ansätzen eine Isomorphie zwischen der (Binnen-)Struktur der Organisation und der Umwelt zugrunde (vgl. Frese 1992: 198). Aber es wird in frage gestellt, ob diese Veränderungen durch geplante bzw. intendierte Eingriffe der Gestalter zur Anpassung der Organisationen an die Umwelt entstanden sind, da dabei unzulässiger Weise unterstellt wird, daß die Absichten der Gestalter (parametrische Akteure !) wie intendiert realisiert werden können und daß deren Maßnahmen zum erwünschten Ergebnis, d.h. zum Erfolg führen und letztendlich das Überleben der Organisation sichern, wobei aber ihre begrenzte Rationalität, nicht intendierte negative Konsequenzen absichtsvollen Handelns in Form von Folgeproblemen und die Wirkungen anderer Akteure bzw. der Umwelt vernachlässigt werden (vgl. Kieser 1995a: 237): “individuals can clearly influence their organization’ s future- but under conditions of uncertainty there are severe constraints on the ability of individuals to conceive and implement correctly changes that improve organizational success” (Baum 1996: 78). Es wird deshalb von einem umgekehrten Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Organisation und der Umwelt ausgegangen, als in dem situativen Ansatz behauptet wird: die Umwelt „entzieht sich der Einflußnahme der Organisation. Einflüsse von Organisationen [bzw. von Gestaltern; BG] auf die Umwelt sind sporadisch und von kurzer Dauer, in längerfristiger Perspektive gelten sie als vernachlässigbar und bleiben theoretisch irrelevant.“ (Schreyögg 1996: 318). Der Gestalter bzw. die Organisation haben somit auch keinen Einfluß auf die Überlebenschancen. Die Umwelt beeinflußt eher als Schiedsrichter das Überleben der Organisation nach bestimmten weiter unten zu erläuternden Selektionskriterien. Anders formuliert: „ Nicht die Gestalter, sondern die Auslese durch die Umwelt entscheidet letztlich darüber, welche organisationalen Variationen von Nutzen sind undüberleben.“ (Kieser 1995a: 238) Die Organisation kann nach einer in der Vorlesung benutzten Metapher als ein kleines Ruderboot auf hoher See in einem Sturm (‚Umwelt‘) betrachtet werden, wobei die Rolle des Ruder- bzw. Steuermanns (‚Gestalter‘) vernachlässigt wird und das Erreichen eines rettenden Ufers bzw. Sinken auf den Meeresgrund (‚Überleben‘ bzw. ‚Untergang‘ ) von den Kräften des Meeres (‚Umwelt‘) abhängt. Es gibt für die Dominanz der Umwelt und für den Mangel an der Anpassungsfähigkeit der Organisationen durch intendierte Gestaltungen verschiedene Gründe:
- das Überleben der Organisationen wie der der Organismen in der Natur, hängt von ihrer Fähigkeit ab, genügende Ressourcen für ihre Bestandssicherung zu ergattern. Es kommt deshalb bei der Existenz vieler anderer Organisationen (‚Umwelt‘) bei Ressourcenknappheit zu einem Wettbewerb bzw. zum Kampf um begrenzte Ressourcen, welcher damit der Umwelt die Macht über das ‚Leben‘ und ‚Sterben‘ von Organisationen verleiht (vgl. Hatch 1997: 81)2
And “only the fittest survive. The nature, numbers, and distribution of organizations at any given time are dependent on resource availability and on competition within and between different species of organizations. The environment is thus the critical factor in determining which organizations succeed and which fail, ’selecting’ the most robust competitors through elimination of the weaker ones.“ (Morgan 1996: 61)
- Organisationen sind durch starke beharrende Kräfte gekennzeichnet, welche Umfang und Intensität von zielgerichteten Änderungen der Organisationsstruktur einschränken können (vgl. Frese 1992: 198). Diese strukturelle Trägheit ist das Resultat der Reproduktion und Tradierung der bisherigen Organisationsstruktur durch soziale Verankerung bzw. Institutionalisierung und Standardisierung und verhindert eine bewußte Anpassung an die Umwelt ( vgl. Frese 1992: 200)3.
Die Änderungen von Organisationen zu einem Zeitabschnitt sind dann tendenziell Resultat von Selektions- und Austauschprozessen der Umwelt innerhalb einer Population von Organisationen und nicht auf interne zielgerichtete Veränderung der Organisationsstruktur zurückzuführen. Es wird damit ein Zusammenhang zwischen den Raten der Organisationsentstehung und des -untergangs ( als abhängige Variablen) innerhalb einer Population und der jeweiligen Umweltänderung (als unabhängige Variablen ) postuliert, welcher das Entstehen neuer, mit den Umweltbedingungen besser klarkommenden Organisationen erklärt (vgl. Frese 1992: 198).
Die Population bzw. die Gruppe von Organisationen ist wegen dem Bezug auf die Selektionsprozesse die Analyseeinheit (Hannan, Freeman 1994: 166): “Because members of a species tend to share similar strengths and weaknesses, it is the whole species that tends to survive or fail.” (Morgan 1996: 61) Organisationen werden durch Hervorhebung bestimmter Merkmale als Referenzkriterien dann in Kollektive zusammengefaßt, die dann von Umweltveränderungen in ähnlicher Weise als Schicksalsgemeinschaften betroffen sind bzw. in ähnlicher Weise gefährdet werden und sich in ihrer Organisationsstruktur ähneln (vgl. Hannan, Freeman 1994: 166). Die fitness soll dann heißen: “the probability that a given form of organization would persist in a certain environment” (Hannan, Freeman 1994: 169). Diese Wahrscheinlichkeit hängt wiederum von der Intensität des Wettbewerbs um knappe Ressourcen ab, wobei bestimmte umweltgerechte Populationen andere Populationen mit nicht umweltgerechten Eigenschaften vertreiben (vgl. Frese 1992: 199). Die Verteilung von Organisationsarten hängt von drei umweltbedingten Ausleseprozessen bzw. -phasen ab:
- Variation: sie stellt den ersten Schritt dar, bei dem in einem geplanten oder ungeplanten Prozeß Vielfalt von Organisationstypen erzeugt wird. Diese können Ergebnisse aus Organisationsneugründungen im Sinne von Pionierunternehmungen, Imitationen bestehender Organisationen, Abspaltungen oder im Sinne der Schaffung von neuen Zielen, Prozessen, Handlungen, Strukturen bzw. deren Verknüpfung auf eine neue Weise sein (vgl. Schreyögg 1996: 319). The Variations “are... selected positively - not by the environment, but by managers inside organizations” (Baum 1996: 78). Der Manager kann hier die Weichen für das umweltbedingte Schicksal der Organisation durch Auswahl der richtigen Variation während der Organisationsneugründung stellen:
“But when successful variations are unknown, because, for example, the behavior of consumers and competitors is unpredictable, the probability of choosing the correct variation and implementing it is very low. Even when successful variations are identifiable, ambiguity in the causes of success may frustrate attempts at imitation. Under such conditions, variations can be viewed as experimental trials, some consciously planned and some accidental, some successful and some failures.” (Baum 1996: 78)
- Selektion: die Umwelt entscheidet in dieser Phase endgültig darüber, welche Organisationssorten lebensfähig sind (positive Selektion) und welche nicht (negative Selektion). Die negative Selektion manifestiert sich in der Unfähigkeit der Organisationen aufgrund ihrer Eigenart, überlebenswichtige Ressourcen aus ihrer
Umwelt zu erhalten, so daß sie sich im Wettbewerb nicht bewähren kann und ausscheidet bzw. ausstirbt (vgl. Schreyögg 1996: 320).
- Retention: es erfolgt in der dritten Phase für die ‚Überlebenden‘ bzw. im Falle einer positiven Selektion der Versuch einer Organisation einer Population, „jene Variationen, die sich in der Auseinandersetzung mit der Umwelt als erfolgreich erwiesen haben, zu bewahren, zu verstärken und für zukünftige Erfordernisse hin zu reproduzieren (bzw. zu vererben).“ (Schreyögg 1996: 320)
b) die Anwendung
So, wie wird der Untergang von Organisationen nun erklärt? Es gibt darüber verschiedene Thesen in bezug auf Alter und Größe von Organisationsarten, die das ‚Sterben‘ ursächlich zu verdeutlichen versuchen:
- liability of newness: es wird angenommen, daß das Sterberisiko von neugegründeten Organisationen höher ist als das der alten, weil neue Organisationen noch nicht genügend in ihre Umwelt ‚hineinsozialisiert‘ sind. Der erfolgreiche Prozeß der ‚Vergesellschaftung‘ des organisationalen Akteurs, durch den dieser in seine Umgebung eingegliedert wird, indem er deren gültige Normen und die an ihn gerichteten Rollenerwartungen als Inhaber bestimmter Positionen durch Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten erlernt und als ‚Selbstverständlichkeit‘ internalisiert und stabilisiert, ist selbst von der Existenz der Ressourcen abhängig: organizations “have to learn new roles as social actors and create organizational roles and routines as social actors at a time when organizational resources are strechted to the limit. New organizations are also assumed to lack bases of influence and endorsement, stable relationships with external constituents, and legitimacy.” (Baum 1996: 79) Es mangelt neuen Organisationen wegen der noch nicht eingesetzten strukturellen Trägheit (durch das bisherige Ausbleiben der Tradierung und Reproduktion der Organisationsstruktur) an Zuverlässigkeit (‚ reliability ‘) und Rechenschaftsfähigkeit (‚ accountability ‘), was die subjektive Einschätzung der Erwartungssicherheit (zum Beispiel bei Kunden ) beeinflußt und für das Überleben der Organisationen notwendig ist (vgl. Baum 1996: 79). Die Zuverlässigkeit äußert sich in geringfügigen qualitativen und quantitativen Abweichungen der produzierten Güter und Dienstleistungen. Die Rechenschaftsfähigkeit bedeutet, „daß der überzeugende Nachweis über den Einsatz der der Organisation zur Verfügung gestellten Ressourcen geführt werden kann und daß eine Rekonstruktion der Abfolge von Entscheidungen sichergestellt ist.“ (Frese 1992: 200) Dies können Beispiele aus der Vorstellungs- und Erfahrungswelt der Umgebung des Autors dieser Hausarbeit bestätigen, wofür er leider keine intersubjektiv nachvollziehbaren Quellen hat: sein Bekannter ist seit über 25 Jahren Verkäufer von Flugtickets bzw. seit Jahren der erste Betreiber eines auf türkische Arbeitsmigranten als Klientel spezialisierten Reisebüros (‚Organisation‘ mit einer Person?4 ) im Rahmen einer ethnischen Ergänzungsökonomie5 im Bereich Singen- Radolfzell- Konstanz. Er hat deshalb am Anfang eine Art ‚Umweltveränderungs- bzw. Marktmacht‘ gehabt, da er als erster Anbieter dieser Dienstleistungen an türkische Arbeitsmigranten Rollenerwartungen dieser Kunden gegenüber den türkischen Reisebüros generiert hat und nun selber diesen Erwartungen seiner Umwelt wie seinen Kollegen unterworfen ist. Es sollte zunächst erwähnt werden, daß Arbeitsmigrantenfamilien hauptsächlich in den (Sommer-) Ferien und beim Todesfall ihrer Angehörigen in der Türkei in die Türkei fliegen. Er bietet seit Jahren seinen Kunden bei Beratungs- und Verkaufsgesprächen Getränke und weitere Geschenke an und liefert selbst höchstpersönlich Tickets an seine Kunden frei Haus aus, was nun auch eine (Rollen-) Erwartungshaltung der Kunden an die neu hinzugekommenen mit ihm konkurrierenden Reisebürobetreiber generiert hat. Seine neu hinzugekommenen Kollegen haben im Gegensatz zu meinem Bekannten aus ihrer Unkenntnis einen Mangel an kommunikativen und attitudinalen Qualifikationen und damit keinen zuvorkommenden Kundenservice. Diese von ihnen vernachlässigten Rollenerwartungen benachteiligen sie bei der Konkurrenz um begrenzte Kunden. Mein Bekannter ist nicht unbekannt in den potentiellen Abnehmerkreisen im Gegensatz zu seinen neuen Konkurrenten. Wegen ihrer Unbekanntheit haben es diese schwer, Unterstützung zu mobilisieren und / oder können keine stabilen Beziehungen zu Abnehmern und/oder anderen Ressourcenquellen mobilisieren. Er verkauft im Gegensatz zu vielen seiner bisherigen im Laufe der Jahre hinzugekommenen und aber auch größtenteils gescheiterten Kollegen Flugtickets verschiedener etablierter und sicherer Charter- Fluggesellschaften, da er vor ihnen die (Exklusiv-) Lizenz erworben hat, und er steht dem Verkauf von billigeren Karten junger Firmen kritisch distanziert gegenüber, da er von ihrem Scheitern ausgeht. Seine oftmals jüngeren und unerfahrenen Konkurrenten bleibt keine andere Wahl und sie können die Gefahren neuer Firmen nicht abschätzen. Die Folge ist, daß in den Sommersaisons nicht selten diese Firmen u.a. aus Sicherheits- und Kapitalmangel Konkurs gehen und ihre Fluggäste in den Flughäfen lassen. Beim Konkursfall auf dem Rückweg von der Türkei während der Hauptsaison besteht zudem die Möglichkeit, daß viele alternativen Firmen wochenlang ausgebucht sind, so daß die Arbeitnehmer u.U. ihrer Berufstätigkeit nach Ablauf ihres Urlaubs nicht antreten können und zumindest nach ihrer Situationsdefinition in Gefahr sind arbeitslos zu werden. Die Fluggäste schieben die Schuld auch an ihre Reisebürobetreiber zu, weil sie ihnen nach Beratungsgesprächen diese Firmen empfohlen haben und nun nicht für die Risiken aufkommen können bzw. keine Alternativbuchungen vornehmen können. Meinem Bekannten ist das nicht passiert, so daß er als zuverlässig gilt: er bietet für seine Kunden Getränke und Geschenke an, verkauft Karten sicherer Firmen, erfüllt auch Sonderwünsche in bezug auf Reisegepäck, bringt die Tickets zu seinen Kunden nach Hause und kann bei dringenden Notfällen durch seine sozialen Netzwerkbeziehungen zu den Firmen auch Plätze bei ‚ausgebuchten‘ Flügen durch ihm zugesicherte Mindestkontingente organisieren. Diese Erwartungshaltung kann von seinen neuen Konkurrenten nicht befriedigt werden, so daß sie beim Wettbewerb um Kunden und Ressourcen ausscheiden bzw. aufgeben. Er konnte soziale Netzwerk- Beziehungen zu der Leitung der etablierten Firmen knüpfen, die er bei dringenden Fällen und bei der Bedienung dieser in Stich gelassener Kunden nun spielen lassen konnte, um für diese Plätze zu buchen, was ihm einen weiteren sozial zugeschrieben Zuverlässigkeitsbonus auf Kosten seiner neuen Konkurrenten beigetragen hat. Die Konkurrenten können keine Kunden und damit keine neuen Ressourcen erwerben und geben auf. Seine geknüpften sozialen Beziehungen zu der Infrastruktur der türkischen Migrantengesellschaft, bestehend aus Vereins-, Lokal-, Restaurant- und anderen Selbständigen sichert ihm Einfluß- und neue Kundenrekrutierungsmöglichkeiten via soziale Vermittlung, was eben seinen neu eingestiegenen Rivalen fehlt, die dann keine Kunden und damit Ressourcen zum Überleben finden können.
- liability of smallness: “Since large size increases inertial tendencies in organizations, and since selection pressures favor structurally inert organizations for their reliability, large organizations are proposed to be less vulnerable to the risk of failure.” (Baum 1996: 79) Dies trifft bei kleinen Organisationen nicht zu, was ihre Überlebenschance negativ beeinträchtigt. Kleine Organisationen haben Kapitalprobleme, Schwierigkeiten bei der Rekrutierung und Ausbildung von Arbeitskräften, in der Erfüllung höherer Auszahlungssätze bei den Dividenden und in der Handhabung der durch Treue gegenüber staatlichen Regulationen entstandenen Verwaltungskosten6, wobei dem Ausmaß der Größe von Organisationen ein bestimmter Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Ereignisses „Erfolg“ sozial zugeschrieben wird (vgl. Baum 1996: 79)
- liability of adolescence : diese These besagt, daß Organisationen zunächst ein geringeres Sterberisiko aufweisen als in der zweiten Phase, in der ihre Gründungsressourcen aufgebraucht sind und sie keine neuen wegen der harten Konkurrenz mobilisieren können:
“those organizations fail that are unable to generate needed resource flows because, for example, they were unable to establish necessary roles and routines or develop stable relationships with important external constituents. However, after adolescence, the future probability of failure declines since surviving organizations have been able to acquire sufficient ongoing resources.” (Baum 1996: 81)
Auf die Konkurrenz meines Bekannten bezogen, heißt dies, daß einer seiner Rivalen, der im Vergleich zu den anderen zwar mehr Kapital , aber genau dieselben Handicaps wie unerfüllte Rollenerwartungen seiner Kunden und fehlende Etablierung von sozialen Netzwerkbeziehungen aufwies, Ressourcenprobleme nur bis zum Ende seines Kapitals länger ‚aussitzen‘ konnte und schließlich aufgab.
- liability of aging: Wenn sich die Umwelt, in der sich die Organisation befindet, ändert, wird der ‚fit‘ zwischen Organisation und Umwelt unwahrscheinlicher, da unvollständige Information, beschränkte Rationalität und starke beharrende Kräfte die Erfüllung der Umwelterwartungen verhindern. Beispiel: es gibt seit kurzem, bedingt durch die technische Revolution, Mobilfunkgeräte (‚Handys‘) in Deutschland, die die Chance der Erreichbarkeit erhöhen. Mein Bekannter weigert sich aus Altersgründen (66 Jahre), sich ein Handy zu kaufen, da der Umgang mit so einem Gerät neue Kenntnisse benötigt, was von ihn als zusätzlicher Aufwand betrachtet wird und deshalb seine Lernbereitschaft einschränkt. Dies erhöht damit nicht seine potentielle Erreichbarkeit für Kunden außerhalb der Geschäftszeiten, welche aber von den Abnehmern nicht selten vernachlässigt werden. Da seine jüngeren Rivalen nun so ein Gerät besitzen, ist ihr Grad an Erreichbarkeit höher als der meines Bekannten. Dies erhöht nun den Konkurrenzeffekt zu Ungunsten seines Reisebüros...
2.2. Der Institutionalismus
Im Gegensatz zu evolutionstheoretischen Ansätzen gehen Institutionalisten der Frage nach, warum es Homogenität ( also nicht Variation) in organisationalen Formen, Strukturen und Handlungen gibt (vgl. DiMaggio, Powell 1994: 496). Um diese Frage zu beantworten, wird Isomorphie zwischen Organisationen in Form und Handlung und der (institutionellen ) Umwelt angenommen. Diese Homogenität zwischen organisationalen Srukturen, Formen und Handlungsmustern wird durch Imitation der Handlungen und Strukturen der als erfolgreich wahrgenommenen Organisationen in Zeiten der organisationalen Unsicherheit (mimetische Anpassungsprozesse), durch deren strafrechtlich relevante juristische Legalisation bzw. Ermöglichung oder Kriminalisierung bzw. Restringierung (regulative Anpassungsprozesse) und durch Erfüllung sozialer Erwartungen (normative Anpassungsprozesse) hergestellt (vgl. DiMaggio, Powell 1994: 408). Diese Ansätze gehen zunächst von der sozialen Konstruktion der Realität aus, wobei, daß was als ‚real‘ betrachtet wird, von der subjektive Deutung des jeweiligen Akteurs abhängt, der seine Umgebung anhand seiner eigenen von seinen Alltagserfahrungen abhängigen Deutungs- und Wahrnehmungsmuster auslegt, welche dann seine Handlungen bzw. Handlungsmuster bestimmen (vgl. Berger, Luckmann 1991). Institutionen geben vor, was als objektiv - gültige Realität durch die Akteure betrachtet wird (vgl. Walgenbach 1995: 270ff.). Sie sind ein strukturelles Setting, die dann Deutungs-, Wahrnehmungs-, Bewertungs- und damit auch Verhaltensmuster bestimmen bzw. ermöglichen oder gar restringieren (vgl. Powell, DiMaggio 1991: 10). Der kognitive Prozeß, durch den Deutungs- und Verhaltensmuster und damit auch soziale Beziehungen zu verinnerlichten, nicht mehr hinterfragbaren, als ‚objektiv vorgegeben‘ betrachteten Selbstverständlichkeiten einer Situation werden, soll Institutionalisierung heißen. Diese Instiutionalisierung geschieht durch die bereits erwähnten regulativen, mimetischen und normativen Anpassungsprozesse. And “institutions are ... [social and ; BG] cultural constructions. They are sets of [social and; BG] cultural rules giving collective meaning and value to particular actors and activities, integrating them into larger schemes.” (McNeely 1995: 16) Sie werden tendenziös nicht durch bewußte Handlungen, sondern eher durch verinnerlichte und routinierte Handlungssequenzen reproduziert: “Institutional arrangements are reproduced because individuals often cannot even conceive of appropriate alternatives (or because they regard as unrealistic the alternatives they can imagine).” (Powell, DiMaggio 1991: 10-11)
Weiterer Grund dafür ist trotzdem bewußt konformes Verhalten von Akteuren aus deren strategischen Erwägungen mit dem Ziel der Vermeidung negativer Sanktionen und Streben nach positiven Sanktionen durch Anerkennung und Ressourcenzufluß. Dies gilt auch für Organisationen :
„Die kulturelle oder institutionelle Umwelt ist nicht ‚da draußen‘, sondern in den Köpfen der Organisationsmitglieder.“ (Walgenbach 1995: 272)
“According to institutionalist arguments, organizational structures and actions are shaped by an institutional environment; organizations and other actors are embedded in an institutional context that frames and determines their structure and practice.” (McNeely 1995: 16) erklären.
Organisationen sind mit unterschiedlichen technischen Anforderungen und institutionellen Erwartungen konfrontiert: technische Umwelten, in denen produzierte Güter und Dienstleistungen auf dem Markt getauscht werden, fordern von Organisationen technische (und wirtschaftliche) Effizienz, während institutionelle Umwelten von Organisationen Konformität mit institutionalisierten sozialen, juristischen und anderen Regeln bzw. Deutungs-, Bewertungs- und Handlungsmustern erwarten (vgl. Hatch 1997: 83). Effizienz führt in der technischen Umwelt zu Wettbewerbsvorteilen von Organisationen gegenüber weniger effizienten Organisationen, wohingegen institutionelle Umwelten bei Konformität der Organisationen diesen Unterstützung, Legitimität und Ressourcen zusprechen (vgl. Walgenbach 1995: 276). Konforme und deshalb sozial legitime Organisationen erhöhen ihren Zufluß an Ressourcen und steigern so die Überlebenschancen; ihre hervorragenden oder ungenügenden technischen Fähig- und Fertigkeiten werden hierbei zwar nicht vernachlässigt, sie erhalten aber keinen primären Rang.
“organizational success depends on factors other than efficient coordination and control of productive activities. Independent of their productive efficiency, organizations which exist in highly elaborated institutional environments and succeed in becoming isomorphic with these environments gain the legitimacy and resources needed to survive. In part, this depends on environmental processes and on the capacity of given organizational leadership to mold these processes In part, it depends on the ability of given organizations to conform to, and become legitimated by environmental institutions. In institutionally elaborated environments, sagacious conformity is required: leadership (in a university, a hospital, or a business) requires an understanding of changing fashions and governmental programs.” (Meyer, Rowan 1994: 483)
Die öffentliche Meinung, durch Schulbildung legitimiertes Wissen, Sozialprestige bzw. das Ansehen, Regierungsmaßnahmen und Gesetze, die wirksame und gültige Definitionsmacht besitzen, ermöglichen als institutionalisierte Umwelten Struktur, Praktiken bzw. Handlungsmuster von Organisationen oder schränken diese ein (vgl. Meyer, Rowan 1994: 474).
“These institutionalized features ... produce ecological consequences by, for example, constraining the range of possible competitive behaviors.” (Baum 1996: 95; meine Hervorhebung )7: Organisationen, die den Erwartungen ihrer institutionellen
Umwelt nicht entsprechen, gelten als illegitim und werden von Ressourcenzufluß abgehalten, so daß ihre Untergangswahrscheinlichkeit steigt. Dies impliziert m.E. zielgerichtete oder auch unbewußte Anpassung der Organisation als ganzheitlicher Akteur, in seiner in verschiedene Abteilungen fragmentierten Binnenstruktur und in seinen Handlungsweisen an seine institutionelle Umwelt, um sein Untergangsrisiko zu senken.
Institutionelle Kanäle bzw. Bindungen der Organisationen zu wichtigen staatlichen und gesellschaftlichen Behörden und Instanzen erhöhen deren Legitimität und ihre Chancen für Ressourcenzufluß und steigern deren Überlebensfähigkeit im Gegensatz zu Organisationen ohne Bindungen (vgl. Baum 1996: 95). Dies impliziert Streben von Organisationen nach Bindungen mit staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren entweder aus taktischen Gründen oder weil ‚dies - umgangssprachlich gewendet- halt dazugehört‘.
b) die Anwendung
- Die offizielle Anerkennung von (privaten) Schulen bzw. deren Ressourcenzufluß im Sinne von staatlichen und gesellschaftlichen monetären Zuweisungen oder Kunden bzw. Abnehmern (Eltern, die ihre Kinder als Schüler anmelden) hängt von deren struktureller Konformität gegenüber rechtlich verankerten (institutionalisierten!) Regeln ab. Nur Lehrer mit entsprechenden amtlich beglaubigten Bescheinigungen werden beschäftigt und Schülern zugewiesen, welche nach vorab festgelegten Kriterien nach Klassenstufen zugeordnet werden und nach einem standardisierten Lehrplan unterrichtet werden. Nach der Bearbeitung bestimmter Lehrinhalte erfolgen Klausuren, Tests etc., die die Noten und künftigen Aufstiegschancen der Schüler mitbestimmen. Klassen haben demnach Klassenzimmer mit normierten Schreibtafeln, mit nach bestimmten Kriterien geordneten Stühlen und Tischen. Alternative bzw. abweichende Einrichtungen, Einteilungen, Formen und Handlungsweisen gelten dann juristisch oder sozial als illegitim, auch wenn sie - technisch gesehen- effizienter sein sollten. Ihnen wird die offizielle Anerkennung als Schule verweigert, oder/ und sie leiden an Abnehmerschwund. Damit bleiben sie von Ressourcenzufuhr abgeschnitten und können nicht überleben.
- Da mein Bekannter der erste Anbieter war, konnte er durch seinen Kundendienst als first- mover Rollenerwartungen der hiesigen türkischen Kundschaft an türkische Reisebüros prägen und damit seine institutionelle Umwelt, denen er ge recht wird und die auch durch neue Konkurrenten erfüllt werden müssen, damit diese Legitimität und Ressourcen durch Abnehmer bekommen. Da sie diesen Erwartungen nicht gerecht werden konnten, scheiterten einige, wohingegen er als legitim geltender Abnehmer bezog und bis heute überlebt hat. Seine Bindungen zu Fluggesellschaften und türkischen definitionsmächtigen gesellschaftlichen Akteuren bzw. Netzwerken mit Kundenrekrutierungsmöglichkeiten erlaubt ihm eine Einflußnahme auf die institutionelle Umwelt und erleichtert sein Überleben, was seinen Konkurrenten fehlt, die dann künstlich keine Legitimität produzieren können und untergehen (vgl. Seite 10 dieser Arbeit)
- Als mein Bekannter sein Reisebüro eröffnete, wurde dies in einem Raum mit Schaufenstern durchgeführt. Die Einrichtung besteht aus einem Schreibtisch, Stühlen und Wartesofas, Telefon- und Faxgeräten, verschiedenen an der Wand aufgehängten Postern des Ziellandes und seiner Fluggesellschaft, aufgestellten Modellflugzeugen mit Abzeichen seiner Fluggesellschaft, um wie ein ‚konventionelles‘ Reisebüro auszusehen. Darüber hinaus ist nun ein Computer aufgestellt worden, obwohl dieser technisch betrachtet unnötig ist und nicht für Verbuchungen benutzt wird, weil die meisten türkischen Reise - Anbieter nicht online sind. Die Datenverarbeitung, die Ausstellung von Rechnungen und die Betreuung der Kundenkarteien wird zumindest bis heute ohne EDV durchgeführt. Ob sich das ändert, ist eine andere Frage. Es geht meinem Bekannten auch um die Verstärkung des Eindrucks von Professionalität, die von seinem potentiellen Abnehmerkreis, den türkischen Arbeitsmigranten, sozial zugeschrieben werden soll. Dies senkt seine Untergangswahrscheinlichkeit.
2.3. Die Agenturtheorie
a) der Ansatz
Dieser Ansatz wird in die Gruppe der ökonomischen Organisationstheorien eingeordnet:
“organizational economics, as a way of thinking about organization analysis, seems to have two things in common. The first is an abiding interest in organizations, or firms (as economists usually call organizations). Unlike most economists, who are interested in the structure, functioning, and implications of markets, organizational economists are interested in the structure, functioning, and implications of firms. Second, most organizational economists have an unflagging interest in the relationship between competition and organizations.” (Barney, Hesterly 1996: 115, meine Hervorhebung) Ein weitere Erkenntnisinteresse dieser Theorien ist die Wahrscheinlichkeit des Überlebens einer Organisation (vgl. Barney, Hesterly 1996: 115), die sich im Wettbewerb um knappe Ressourcen mit anderen Organisationen befindet. Dabei ist auch die Rolle intra- und interorganisationaler Prozesse nicht unwichtig, welche ihrerseits die Bedrohung der Organisation beeinflussen können (vgl. Barney, Hesterly 1996: 116). Die Agenturtheorie soll bestimmte Aspekte dieser vielschichtigen intra- und interorganisationalen Prozesse, nämliche die Beziehungen zwischen einem Auftraggeber (‚Prinzipal‘) und seinem Auftragnehmer (‚Agent‘) durchleuchten. Typische Beispiele für solche Auftrags- und Agenturbeziehungen sind die Verhältnisse zwischen manager und stockholder, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Käufer und Verkäufer (interorganisational bei Abnehmerfirmen), Eigentümer und Geschäftsführer, Vorgesetztem und Untergebenem, Aufsichtsrat und Vorstand etc. ( vgl. Ebers, Gotsch 1995: 185). Dabei beauftragt der „Prinzipal... ( aus verschiedenen Gründen, wie z.B. Zeitmangel, fehlende Spezialkompetenz usw.) einen Agenten gegen Entgelt mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben und überträgt ihm dazu bestimmte Verfügungsrechte (z.B. der Vorstand einer Aktiengesellschaft beauftragt einen Angestellten mit der Leitung eines Geschäftsbereichs).“ (Schreyögg 1996: 78), wobei die Handlungen des Auftragnehmers die Ressourceneinnahmen des Auftraggebers beeinflussen (vgl. Barney, Hesterly 1996: 124). Dieser Ansatz geht von bestimmten Annahmen über die individuellen bzw. menschlichen Akteure aus. Menschliches Verhalten beruht auf gegebenen, stabilen und konsistenten Präferenzen und orientiert sich am eigenen individuellen Nutzen, so daß opportunistische Praktiken also die Vornahme bestimmter Handlungen wie List, Betrug und Täuschung zum Verhaltensrepertoire gehören. Die Präferenzen der beschränkt rationalen Akteure umfassen ein breites Spektrum wie das Streben nach Geld, Macht, Prestige und Selbstbestätigung (vgl. Ebers, Gotsch 1995: 196; vgl. Barney, Hesterly 1996: 124). Bei Informationsasymmetrien zwischen dem Prinzipal und dem Agenten (zugunsten für den Letzteren) steigt die Chance für opportunistisches Verhalten. Dies ist nicht unrealistisch, da gerade bessere Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen des Agenten den Prinzipal veranlassen, ihn zu engagieren. Darüber hinaus besteht ein Informationsdefizit des Prinzipals aus der mangelnden Beobachtbarkeit der Handlungssituation, der Intentionen und der Handlungen des Agenten. Ein weiteres Defizit an Informationen beim Prinzipal besteht darüber, in welchem Ausmaß die Erledigungen der Aufgaben von Umwelteinflüssen und vom Agenten abhängt (vgl. Ebers, Gotsch 1995: 197). Der Agent orientiert sich an seinem eigenen Nettonutzen, der von den Kosten seines Leistungsbeitrags wie Arbeitsleid, Zeitverlust, monetäre Kosten etc. und von seinem Nutzen (Vergütung, Karriere etc.) abhängt. Der Agent erbringt dann, und nur dann für den Prinzipal optimale Leistungen, falls diese auch mit seinem Interesse vereinbar sind (vgl. Ebers, Gotsch 1995: 1997). So, “agency theory seeks to understand the causes and consequences for organizations of these goal disagreements” (Barney, Hesterly 1996: 124) and “agency theory assumes that agents cannot be relied upon to perform as agreed; they may shirk (i.e. avoid their duties, work, responsibilities.” (Hatch 1997: 335) Bei vollständiger Information des Prinzipals und des Agenten entstehen keine Gelegenheiten für den Agenten, inoptimale Leistungen zu erbringen. Es entstehen bei unvollständiger Information Agenturkosten als Differenz zwischen einer Leistungserstellung durch einen Agenten bei vollständiger Leistungserstellung und einer Leistungserstellung bei Informationsasymmetrien: Steuerungs- und Kontrollkosten des Prinzipals, Kosten des Agenten aus seiner Einhaltung des Garantieversprechens, nicht gegen die Prinzipalinteressen zu verstoßen (Garantiekosten) und Kosten des Wohlfahrtsverlustes des Prinzipals infolge einer nicht optimalen Leistungserstellung des Agenten (vgl. Jensen, Meckling 1996: 308). Diese Kosten könnten die Ressourcen von Organisationen nicht unerheblich mindern und so die Wahrscheinlichkeit des organisatorischen Sterbens erhöhen. Es besteht nun ein Bedarf des Prinzipals an der Kontrolle der Agentenhandlung zur Verhinderung seiner Nutzens- Ressourcenminderung durch (kostenwirksame) Anreiz-, Kontroll-, Sanktions- und Informationsmechanismen wie Ergebnisbeteiligung des Agenten, negative Sanktionierung des Agenten bei Nichteinhaltung vertraglich festgelegter Einhaltung von Handlungen oder Minderung des Informationsdefizits des Prinzipals durch eine Ausweitung des Rechenschaftspflichtes des Agenten (vgl. Ebers, Gotsch 1995: 200-201).
b) die Anwendung
- Dieser Ansatz läßt sich auf Konzerne (Organisationen) anwenden, welche sich in einem Kampf um knappe Ressourcen mit anderen Unternehmen befinden, wobei wichtige unternehmenspolitische Funktionen aus Unkenntnis, Zeitmangel und Koordinationsschwierigkeiten der vielen Kapitalseigner (Prinzipal) an Manager (Manager) delegiert werden. Der Aufsichtsrat ist z.B. ein Kontrollorgan zur Überwachung der Topmanager (Agenten) bei Firmen (Organisationen) im Interesse der Anteilseigner (Prinzipal) durch Genehmigung wichtiger unternehmenspolitischer Initiativen, Bestellung und Festlegung der Vergütung der Topmanager (vgl. Ebers, Gotsch 1995: 202). Die Überwachung und Kontrolle gelingt nicht immer, wie ein Beispiel aus dem Unternehmen Mannesmann belegen kann. Der Topmanager (Prinzipal) Werner Dieter dieses Unternehmens hatte „mit einer Firma, die ihm und seiner Familie gehört, mit dem Konzern, den er leitet, Geschäfte gemacht- der Privatmann Dieter hat an den Aufträgen, die ihm der Vorstandschef Dieter ermöglichte, verdient.“ (Der Spiegel 24/1994: 96) Er soll seiner eigenen allerdings von Strohmännern gedeckten Firma , der Hydac- Gruppe, Milliardenaufträge verschafft haben, wobei er Millionen auf sein eigenes Konto gelenkt haben soll (vgl. Der Spiegel 24/1994: 96). Das Anreizsystem für prinzipalkonformes Agentenverhalten, das Topmanagergehalt, hat bei Dieter laut Aussagen des zitierten Nachrichtenmagazins kaum ausgereicht (vgl. Der Spiegel 24/1994: 96). Das Kontrollorgan, der Aufsichtsrat, weiß nach eigenen Angaben von nichts; es besteht somit im Falle der Wahrhaftigkeit dieser Aussage des Aufsichtsrats die Möglichkeit von Informationsdefiziten, die nichtoptimales Agentenverhalten begünstigen. Die Einkäufer der Mannesmann - Tochter Rexroth haben auf Dieters Handlungsanweisungen hin, ausschließlich Zubehörteile der Hydac- Gruppe, deren Preise weit über denen der Konkurrenz liegen würden, erwerben müssen (vgl. Der Spiegel 24/1995: 97). Infolge asymmetrischer Machtressourcen sind Dieters Anweisungen durch andere Manager aus deren Karrieresorgen befolgt worden. Dabei sind nach einigen Schätzungen Schäden in Millionenhöhe bei dem Tochterunternehmen entstanden, wobei andere Mannesmann- Tochterfirmen auch ausschließlich zu Einkäufen bei der Hydac - Gruppe gedrängt worden seien, so daß der Schaden für Mannesmann weit aus höher liegt: dies produziert Agenturkosten, die den Konzern zumindest teilweise lädieren und so ihre Überlebenswahrscheinlichkeit senken kann. Dies wird durch weitere Faktoren begünstigt: es soll darüber hinaus ein Techniker- und Ingenieurentransfer mit Plänen von technischen Innovationen von Mannesmann an die Hydac- Gruppe vollzogen worden sein (vgl. Der Spiegel 24/1994: 100). Die einseitige durch den Agenten Dieter erzeugte Abhängigkeit von Mannesmann an den Lieferanten und Produzenten Hydac führte bei deren Lieferschwierigkeiten selbst zu Auftragsverlusten von Mannesmann- Tochter Rexroth. Die Forschung und Weiterentwicklung von Produkten soll bei Rexroth aufgrund der Gewährung von Handlungsspielraum gegenüber dem Lieferanten Hydac unterblieben sein, was die Konkurrenzfähigkeit der Organisation Rexroth und damit dessen Überleben gefährdet (vgl. Der Spiegel 24/1994: 101). Die Hydac- Gruppe hat sich durch die von Dieter erzeugten Beziehungen auch zu „einem ernsthaften Konkurrenten von Rexroth entwickelt. Beim Verkauf von Antriebsaggregaten konnte Hydac der Mannesmann - Firma schon so manchen Auftrag wegschnappen.“ (Der Spiegel 24/1994: 101). Dies gefährdet zumindest langfristig das Überleben der Mannesmann- Tochterorganisation und mindert selbst Einnahmen von Ressourcen von Mannesmann bzw. erhöht die Gefahr des Untergangs der Organisation.
- Ein zweites Beispiel sind Betreiber von türkischen Reisebüros bzw. Reiseagenturen verschiedener türkischer Fluggesellschaften. Dieses Beispiel ist nicht intersubjektiv nachvollziehbar. Der Autor geht davon aus, daß dieses Beispiel auf einige Konkurrenten seines Bekannten zutrifft. Fluggesellschaften (Prinzipal) beauftragen die Reisebüros zum Verkauf von ausschließlich deren- und nur deren- Flugkarten gegen Entgelt (Provision). Agent und Prinzipal haben verschiedene Interessen: dem Prinzipal geht es um den Verkauf seiner eigenen Karten, dem Agenten geht es um seine Provision aus Verkäufen, wobei ihm eigentlich egal sein kann, welche Fluggesellschaft diese Karten anbietet. Die Ressourcenversorgung durch seinen eigenen Abnehmerkreis und damit sein Überleben ist ihm wichtiger, so daß er auch Verkaufslizenzen anderer Gesellschaften erwirbt oder mit anderen Konkurrenten zumindest teilweise in der Hinsicht kooperiert. Er bietet gegen Beteiligung an deren Provisionen auch Karten seiner Partner bzw. deren Gesellschaften an seine Kundschaft im Rahmen einer Diversifikation und Kooperation an. Da die Fluggesellschaften über wenige Kontrollmechanismen verfügen, bestehen bei ihnen Informationsdefizite, die nicht prinzipalkonforme Agentenhandlungen begünstigen. Nur wenn eine bestimmte vorher mit dem Agenten vereinbarte Mindestverkaufszahl unterschritten wird, hat Lizenzverlust als negative Sanktion zur Folge. Das führt dazu, daß u.U. die Karten des Prinzipals weniger und bis etwa zum vertraglichen Minimum verkauft werden, was bei ihnen zu Ressourceneinbußen führt und deren Überleben beim Hyperwettbewerb zwischen den Gesellschaften gefährdet.
2.4. Der Ressourcendependenzansatz
a) der Ansatz
Es wird bei diesem Ansatz davon ausgegangen, daß keine Organisation, welche sich mit ihrer Umwelt bzw. mit ihrer Konkurrenz auseinandersetzt, autark ist. Alle Organisationen brauchen die Umwelt bzw. andere Organisationen, um Ressourcen zur Bestandssicherung zu erhalten (vgl. Schreyögg 1996: 360)8. Es gibt drei zusammenhängende Faktoren, welche die Ressourcenabhängigkeit von Organisationen bestimmen: Organisationsgrad im Sinne von Anzahl der Organisationen in einem Bereich, Ressourcen-Knappheits- und Ressourcenkonzentrationsgrad innerhalb der organisatorischen Umwelt (vgl. Kenis, Knoke 1998: 15). Die Organisation verhält sich aber nicht (nur) passiv und ist nicht ihrer Ressourcenabhängigkeit hilflos ausgesetzt, sondern, sie bestimmt aktiv ihr eigenes Los (vgl. Scott 1986: 166): “subunits of the organization, usually managers or dominant coalitions, scan the relevant environment for opportunities and threats, formulate strategic responses, and adjust organizational structure appropriately.” (Hannan, Freeman 1994: 162) Die Organisation besitzt eine Strategiefähigkeit in dem Umgang mit ihrer Umwelt und ist darauf bedacht, ihre Abhängigkeit von der Umwelt zu vermindern. Es dafür nun interne und externe Handlungsstrategien, um mit der Ressourcenabhängigkeit besser fertig zu werden. Einerseits paßt sich die Organisation intern durch Absorption und Kompensation der Umweltlage an, aber, andererseits sucht sie aktiv, Verbindungen zu ihrer Umwelt zu schmieden (vgl. Scott 1986: 258), wobei die ersten Strategien den Maßnahmen des in der ersten Fußnote erläuterten situativen Ansatzes am nächsten kommen. Es gehören zur ersten Strategie, der Absorption, Puffermaßnahmen in Form von Bildungen von (Wareneingangs -, Zwischen-, Absatz-) Lagern bzw. Ressourcenreserven und die Veränderung der Organisationsstruktur (Hierarchie, Formalisierung und Einführung der losen Kopplung). Der Aufbau neuer Geschäftsfelder bzw. die Schaffung eines weiteren Standbeins (Diversifikation) senkt indirekt die Ressourcenabhängigkeit von Lieferanten oder Abnehmern, da eventuelle negative Auswirkungen nur einen Systemteil betreffen (vgl. Schreyögg 1996: 363). Die zweite Strategie hat den Zweck zur Einbeziehung bzw. Einbindung der Umwelt in den eigenen Kontrollbereich der Organisation zur besseren Handhabbarkeit, Kontrollierbarkeit und Berechenbarkeit. Diese besteht im wesentlichen aus drei Formen: Integration, Kooperation, Intervention (vgl. Schreyögg 1996: 368):
- Integration: diese besteht aus der Inkorporation der Unsicherheitsquelle durch deren Kauf, Eingliederung in das eigene System oder durch eine Fusion mindestens zweier Organisationen zu einem Kollektivakteur (vgl. Scott 1986: 268-269; vgl. Schreyögg 1996: 360-364) mit totalem Autonomieverlust der Unsicherheitsquelle als Folge
- Kooperation mit der Unsicherheitsquelle zur Herstellung deren Berechenbarkeit, wobei deren Strategien je nach Bindungsintensität und Formalisierungsgrad enger oder weiter von der Integrationsstrategie mit dem dazugehörigem jeweiligen Autonomieverlust der Unsicherheitsquelle entfernt liegen (vgl. Schreyögg 1996: 364-368): Joint Ventures , Abschluß langfristiger Liefer- und Abnahmeverträge und Kooptation im Sinne von der Einbeziehung von Vertretern externer Gruppen bzw. der Unsicherheitsquelle in den eigenen Entscheidungsprozeß oder in die eigene Beratungsstruktur (vgl. Scott 1986: 266) mit dem Ziele der Herstellung von Vertrauen zwischen beiden Organisationen durch Berücksichtigungen der Wünsche und Ansprüche der Unsicherheitsquelle (vgl. Schreyögg 1996: 367). Kooptation geschieht bei den Kapitalgesellschaften in der Bundesrepublik nicht selten durch den Aufsichtsrat, in dem diese Verbindung hergestellt wird (vgl. Schreyögg 1996: 366).
- Intervention zur Schwächung der Unsicherheitsquelle durch beeinflussende Veranlassung Dritter zur Schwächung der Machtbasis dieser Organisationen bzw. zur Stabilisierung des überlebenswichtigen Ressourcenverbundes (vgl. Schreyögg 1996: 368-369) wie zum Beispiel Lobbyismus und Mobilisierung der Öffentlichkeit
Bei Unterlassung dieser internen und externen Strategien bei Gefährdung der Ressourcenzufuhr und bei großer Ressourcendependenz ist die Chance des Untergangs der Organisation ziemlich groß.
b) die Anwendung
Es sollen nun einige politische Beispiele und aber auch Anwendungen aus der nahen sozialen Umgebung des Autors dieser Arbeit folgen, bei denen einige dieser Strategien angewandt worden sind:
- Kooptation und Integration im Sinne von Fusion: es befanden sich auf dem Territorium von Bosnien- Herzegowina faktisch drei Staaten bzw. drei (staatliche) Organisationen, die um knappe Ressourcen wie Anerkennung, Macht und Territorium kämpften: die von Bosniaken dominierte international anerkannte bosnische Zentralregierung des international anerkannten Staats Bosnien- Herzegowina und die beiden anderen (Quasi-) Staaten bzw. Organisationen der bosnischen Kroaten (‚Herceg-Bosna‘) und bosnischen Serben (‚Republika Srpska‘), wobei Bosnien- Herzegowina wenige Ressourcen hatte und Gefahr lief, ihre bestehenden zu verlieren und damit unterzugehen. ‘Herceg- Bosna‘ und ‚Republika Srpska‘ , die von ihren Mutterländern Kroatien und Restjugoslawien mit Ressourcen unterstützt wurden, waren für das durch ein Embargo benachteiligte Bosnien- Herzegowina Unsicherheitsquellen, die sie bedrohten und auch noch von bestehenden lebenswichtigen Ressourcen wie Macht und Territorium fernhielten und somit ihre Überlebenschancen gefährdeten. Um den Zweifrontenkrieg der Bosniaken und damit kritische Ressourcenausgaben zu beenden und um neue Ressourcen zu bekommen, kam es zur einer Fusion des faktisch kontrollierten Rumpfstaats Bosnien- Herzegowina mit der ‚Herceg-Bosna‘ im Form einer muslimisch-kroatischen Föderation (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung 273,23.11.1995:3) als Integration mit Einbeziehung bzw. Berücksichtigung der Wünsche und Ansprüche der bosnischen Kroaten als Vetomächte in den bosnisch- herzegowinischen Entscheidungsgremien als Kooptation. Die Folge war die Beendigung des Zweifrontenkriegs und die des damit verbundenen Ressourcenverbrauchs, die Zusammenlegung von Ressourcen der bosnischen Kroaten und Bosniaken, die Erschließung von militärischen Ressourcen von Kroatien an die Bosniaken, was das militärische Kräfteverhältnis zuungunsten der bosnischen Serben wandelte, welche dadurch auf dem Schlachtfeld immer mehr Territorial- und Machtressourcen verlieren mußten (vgl. Calic 1996: 127-128, Krech 1997: 138). Hätte die bosnische Zentralregierung keine Fusion und Kooptation durchgeführt, hätte sie weiter bestehende Ressourcen verloren, ohne neue aus Kroatien erschließen zu können, was ihr Überleben gefährdet hatte.9
- Intervention: es soll zunächst davon ausgegangen werden, daß die USA eine Organisation sind und wirtschaftliche und andere Ressourcen zum Überleben brauchen. Dazu zählt auch Erdöl, was sich auch auf dem Territorium der zentralasiatischen Turkrepubliken befindet und eine Alternative zum Nahen Osten darstellt. Die USA haben ein Interesse an zentralasiatischem Erdöl, wobei sie eine Ölpipeline über Afghanistan zum deren Transport schlagen möchten (vgl. Süddeutsche Zeitung 190,20.8.1998: 4). Da seit dem Rückzug der Sowjetunion Bürgerkrieg zwischen verfeindeten afghanischen Milizen herrscht, was die politische Stabilität Afghanistans und damit die Auslegung der Pipeline und wiederum die künftige Erdöl- bzw. Ressourcenversorgung gefährdet, stellt diese Lage eine Unsicherheitsquelle für die USA dar. Die USA unterstützen (m.E. im Rahmen einer Dritte- Partei- Intervention) die radikalreligiöse Taliban - Miliz (vgl. Meyers Lexikonredaktion 1997: 17). Diese würde durch einen Sieg über die anderen afghanischen Bürgerkriegsparteien das Land als künftiger politischer Ordnungsfaktor befrieden und stabilisieren und die Chance der Auslegung der Erdölpipeline nach Zentralasien erhöhen: „Washington sieht in den Taliban die Macht, die Afghanistan befrieden und dafür sorgen können, daß US- Konzerne endlich eine Ölpipeline durch das Land schlagen können.“ (Süddeutsche Zeitung 190,20.8.1998: 4) Ohne eine politische Stabilität würde es nicht unwahrscheinlich keine Ressourcenversorgung der USA über Afghanistan geben, was zwar deren Überleben nicht gefährdet, aber die Risiken des Untergangs zumindest teilweise erhöht. Dieses Beispiel dient nur zur Plausibilität der Argumentation.
- Diversifikation: Mein Bekannter, der Betreiber eines türkischen Reisebüros, hat sich zur Verringerung seiner Abhängigkeit von Abnehmern (hier fliegende Kunden) ein weiteres Standbein geschaffen und bietet als offizieller Lizenzanbieter deshalb Fähre- bzw. Schiffstickets zwischen Italien und der Türkei an.
- Kooperation und Diversifikation: es ist dem Autor dieser Arbeit bekannt, daß einige sich am selben Ort befindende Konkurrenten meines Bekannten bzw. Betreiber von Reisebüros mit Lizenzen verschiedener Gesellschaften in der Hinsicht zusammenarbeiten, um ihr Überleben durch Abnehmer zu sichern, daß sie inoffiziell ihren eigenen Kunden wechselseitig auch die Karten anderer Fluggesellschaften bzw. ihrer Partner gegen eine prozentuelle Beteiligung an deren Provision verkaufen, um verschiedene Anbieter im Sortiment zu haben (Diversifikation ) und um Zweitprovision zur weiteren Bedarfsdeckung zu kassieren. Da sie Konkurrenten sind und somit jeweils eine Unsicherheitsquelle füreinander darstellen, kommt es zur Stabilisierung durch Kooperation mit Beteiligungen an der jeweiligen Provision. Ohne die Kooperation und Diversifikation würde deren hohe Sterbewahrscheinlichkeit m.E. weiter erhöht werden.
2.5. Der unternehmensstrategische Ansatz
a) der Ansatz
Dieser Ansatz hebt auch wie der Ressourcenabhängigkeitsansatz die interorganisationelle Interaktion hervor, welche hier kompetitiv bestimmt ist bzw. einen Nullsummenspielcharakter aufweist (vgl. Schreyögg 1996: 375). Er „begreift [im Gegensatz zum Ressourcendependenzansatz; BG] die Umwelt nicht nur als Quelle potentieller Bedrohungen, sondern auch als Ort neuer Chancen.“ (Schreyögg 1996: 370) Ein weiterer Unterschied zum Ressourcendependenzansatz liegt darin, daß die behandelte Thematik nicht auf strategisch wichtige Ressourcen beschränkt wird, sondern, es geht hier eher darum, aus den Stärken und Schwächen einer Organisation bei dem Primat des Wettbewerbs eine geeignete unternehmensspezifische Strategie zur Verschaffung von Wettbewerbsvorteilen auf Kosten der Rivalen zu finden, die diese eigenen Fähigkeiten bzw. Möglichkeiten und Schwachpunkte mit berücksichtigt (vgl. Schreyögg 1996: 369, 375). Die strategischen Handlungen der Organisationen zwingen die rivalisierenden Organisationen bzw. die Umwelt, sich reaktiv damit auseinanderzusetzen, die Handlungsimitationen oder Gegenoffensiven provozieren kann, so daß die interorganisatorischen und kompetitiven Beziehungen aus „Rekursionsschleifen aus Aktion und Reaktion“ (Schreyögg 1996: 375) bestehen. Das Rezept des Erfolgs bzw. Überlebens besteht darin, „schnell von einem Wettbewerbsvorteil zum nächsten zu springen“ (Schreyögg 1996: 376). Wenn eine Organisation beim Primat des Wettbewerbs keine proaktive oder reaktive Strategie bei einer Rekursionsschleife entwickelt bzw. umsetzt, ist die Chance ihres Untergangs hoch.
b) die Anwendung
- Dies soll am Beispiel der Luftverkehrsindustrie verdeutlicht werden, in der es ein
Hyperwettbewerb gibt: die American Airlines wurde und blieb durch aufeinanderfolgende, Wettbewerbsvorteile stiftenden Ideen Marktführer mit (Bonusflug, Rabatt-) Angeboten für Vielflieger oder mit Angeboten von Flugmeilengutschreibungen für die Nutzung bestimmter Kreditkarten (wobei die gutgeschriebenen Flugmeilen in Preisnachlässe auf Computer, Mietwagen, Schmuck und Finanzdienstleistungen umgewandelt werden konnten). Diese Strategien wurden von der Konkurrenz imitiert, wobei sie dann schon neue Ideen umgesetzt hatte, worauf ihre Rivalen noch nicht vorbereitet waren. Da aber die American Airlines Anfang der 90er Jahre keine angemessene reaktive Strategie für die Begegnung mit den neuen aufsteigenden Billigfluganbietern ausgearbeitet hatte, geriet sie im Wettbewerb mit ihnen immer weiter in Bedrängnis und machte hohe Verluste (vgl. Schreyögg 1996: 375-376).
- Ein zweites Beispiel wäre mein Bekannter als Betreiber eines Reisebüros, der wegen der neuen Konkurrenz als neue Strategie sein Sortiment an Geschenken [an (potentielle) Kunden] um Haushaltswaren bzw. um Küchengeräte erweitert hat, um im Rahmen seiner Wettbewerbsstrategie Kunden zu gewinnen bzw. alte zu erhalten. Seine first-mover- advantage - Lage hat noch keine Reaktion der Konkurrenz ausgelöst, wobei einige seiner Rivalen aus Ressourcenmangel aufgaben, so daß deren Organisationen untergingen.
2.6. Der Ansatz der losen Kopplung
a) der Ansatz
Dieser Ansatz hebt die organisatorische Binnenstruktur und deren Beziehung zur Umwelt hervor: im Gegensatz zu dem Organisationsideal, wonach „möglichst alle Abteilungen und Stellen in einem stringenten Zusammenhang gebracht werden sollen, so daß Anweisungen von der Spitze eine reibungslose, genau vorhersagbare Unterstützung erfahren können („enge Kopplung“)“ (Schreyögg 1996: 273) besteht eine lockere (horizontale und vertikale) Verkopplung innerhalb des organisatorischen Binnenstrukturgefüges, was die Beziehungen zwischen diesen binnenstrukturellen Einheiten wie z.B. Abteilungen oder Stellen anbelangt, die dann nur locker und nur in bestimmten Punkten zusammenhängen (vgl. Scott 1986: 156-157), welche auch das organisatorische Gesamtgefüge zusammenhalten (vgl. Warglien, Masuch 1995: 15).
Diese Abteilungen haben untereinander eine geringe Interaktionsrate, ihr Handlungsspielraum wird durch das organisatorische Gesamtsystem wenig eingeschränkt, so daß sie ihre Eigenidentität und Autonomie wahren können (vgl. Warglien, Masuch 1995: 15).
b) die Anwendung
Loose Coupling is not unimportant “for the long term survival of organizations, especially when environments are fragmented and locally turbulent, when experimentation is needed, and when errors or system breakdown may be fatal.” (Warglien, Masuch 1995: 18) Die Organisationen mit lose verkoppelten Elementen haben dann große Überlebenschancen (Warglien, Masuch 1995: 16 - 18):
- Persistenz: Probleme der Organisation werden durch die geringe vertikale Binnenintegration bzw. -kohäsion von lokalen Abteilungen auf lokaler Ebene behandelt und absorbiert.
- Adaptibilität : da die Abteilungen über mehr Autonomie bzw. Handlungsspielraum verfügen, können Experimente durch lokale Einheiten als Antwort auf Probleme durch multiple und turbulente Umwelten gewagt werden, ohne ‚oben‘ nachzufragen und dadurch auch noch Zeit zu verlieren. Es entstehen dann verschiedene Handlungsmöglichkeiten je nach Umweltzustand. Lose gekoppelte Gesamtsysteme von Organisationen können dann ein reiches Verhaltensrepertoire zum Umgang von verschiedenen Umweltzuständen erwerben und sich so immunisieren. Der Bezugsrahmen (framing) des Gesamtsystems (bei der subjektiven Deutung der Situation) beeinflußt auch das Überleben und wird seinerseits durch die selektive Wahrnehmung und perceptual sensitivity beeinflußt. Perceptual sensitivity is the ability of a system “to sense and discriminate variation in its environment. Since perception is enhanced by the presence of multiple, independent elements...,loose coupling may support fine grained, accurate sensing processes” (Warglien, Masuch 1995: 17). Dies erhöht (neben der lokalen von der organisatorischen Obrigkeit unabhängigen Rationalität) die Multiplizität der Gesichtspunkte und damit auch die Chancen der Problemerkennung durch die lokalen Einheiten als ersten Schritt der Problemlösung10 und leistet so einen Beitrag zum Systemerhalt und damit zum Überleben der Organisation.
- “Reliability can be defined as the ability of a system to avoid generating errors and to resist the insurgence of local failures or breakdowns.” (Warglien, Masuch 1995:17, meine Hervorhebung). Wo in eng miteinander verkoppelten Systemen innerhalb von Organisationen der Fehler einer Einheit bzw. Abteilung zum Zusammenbruch des gesamten Systems (vgl. Warglien, Masuch 1995: 17) und damit zum Untergang der Organisation wegen den dichten und starken Beziehungen und Zusammenhängen zwischen den Abteilungen bzw. Systembestandteilen führen kann, ist diese Gefahr durch die schwache Interdependenz zwischen den Einheiten bei Organisationen mit losen verkoppelten Systemeinheiten geringer. Da Probleme eher lokalisiert sind, können sie an Ort und Stelle behoben werden, ohne sich auf das ganze System auszubreiten (vgl. Warglien, Masuch 1995: 18).
- Organisationen o h n e eine lockere (horizontale und vertikale) Verkopplung innerhalb ihres Binnenstrukturgefüges haben ganz besonders in fragmentierten, lokal turbulenten Umwelten dann geringere Überlebens- bzw. hohe Sterbechancen, da sie dann die zum Systemerhalt beitragenden Eigenschaften - Persistenz , Adaptibilität, Reliabilität - ebennicht besitzen.
- Ein empirisches allerdings aus der Erfahrungswelt des Autors dieser Arbeit entsprungenes Beispiel ohne Quellenbeleg bzw. Intersubjektivität wäre der Aufbau der türkischen Charterfluggesellschaften (‚Organisationen‘), die als Zentralen exklusive Verkaufslizenzen an viele örtliche Betreiber von Reisebüros (‚Filialen‘, ‚Abteilungen‘) im Rahmen eines den Verkaufsraum vergrößernden Netzes vergeben, die miteinander nichts zu tun haben bzw. keine oder schwache Beziehungen zueinander unterhalten. Die Reisebüros besitzen als lose Subunits eine relative Autonomie gegenüber der Zentrale, welche durch den Verkauf dieser Karten durch eine prozentuelle Beteiligung entlohnt werden. Das regionale Werbeproblem wird an die örtlichen Betreiber delegiert, d.h. diese müssen eigenständig örtliche Ressourcenprobleme lösen und sich um ihr Überleben kümmern, ohne die Zentrale damit zu belasten (Persistenz). Sie regeln wegen ihrer Autonomie ihre regionalspezifischen bzw. örtlichen / lokalen Probleme weitgehend nach ihren eigenen Regeln bzw. Deutungs- und Handlungsmustern auf lokaler Ebene , um ihr Überleben durch Flugticketverkauf zu gewährleisten (Adaptibilität). Denn ihr Verantwortungsbereich besteht nur darin, eine bestimmte Mindestzahl von Karten und ausschließlich von ihren Karten zu einem von den Gesellschaften festgelegten Preisen zu verkaufen, um der Lizenz gerecht zu werden. Falls die eine oder andere Filiale untergeht, wird die Lizenz an einen anderen Kandidaten gegeben, ohne daß das Problem auf die gesamten Zentrale ausgebreitet wird, wobei die Filialen untereinander eine schwache Beziehung zueinander unterhalten (Reliabilität).
3. Schluß
Die Zusammenfassung wird kurz ausfallen und soll einen groben Vergleich zwischen den Ansätzen darstellen. Der Leser sei um Verständnis gebeten. Der Institutionalismus geht von u.a. (kognitiv, sozial und rechts-) normkonformen Verhalten der Organisationen aus, welche bewußt oder unbewußt (durch Internalisierung und Routinen) den Erwartungen ihrer Umwelt entsprechen, um Legitimität und wichtige Ressourcen zu erhalten, die ihr Todesrisiko senkt. Dabei wird passive Anpassung an die Umwelt unterstellt, wobei der technischen Effizienz und die intentionale organisatorische Mitgestaltung der institutionellen Umwelt m.E. nicht genügend Beachtung geschenkt wird, was die Definitionsmenge von legitimen Art und Weisen und damit den Ressourcenzufluß bzw. das ‚Untergangs- und Todesrisiko‘ beeinflußt. Es wurden zwar Verbindungen zwischen Organisationen und staatlichen bzw. gesellschaftlichen Akteuren erwähnt, aber graduell scheint die institutionelle Umwelt dominant zu sein, der sich die Organisationen anzupassen haben. Der Ansatz der losen Kopplung betont die Beschaffenheit der organisatorischen Binnenstruktur zum erfolgreichen Umgang mit der jeweiligen Umwelt, die damit auch die Gefahr des Untergangs der Organisation mitbedingt und stellt somit intentionale Organisationsgestaltung zur eigenen Mitbeeinflussung des Organisationsschicksals mit in Aussicht. Er vernachlässigt jedoch die (kosten- und ressourcenwirksamen) Umstellungsmechanismen, die Flexibilität oder das strukturelle Beharrungsvermögen zur Umstrukturierung von Organisationen in Betracht zu ziehen. Die Agenturtheorie hebt intra- und interorganisationale Beziehungen zwischen Auftraggeber und opportunistischen Auftragnehmer hervor, dessen Verhalten u.U. der Nichtbindung und - beobachtung u.U. zu ‚tödlichen‘ Ressourceneinbußen von Organisationen führen kann. Der Ressourcendependenzansatz geht zumindest implizit von der Organisation als einem ganzheitlichen Akteur aus und hebt deren Beziehungen zur Umwelt hervor, die hier nur als Bedrohung der Organisationssicherheit begriffen wird und durch deren intentionales Verhalten durch Einbindung und Kontrolle handhabbar und berechenbar zur Senkung des Sterberisikos gemacht werden kann. Dieser Ansatz vernachlässigt aber materielle und technische Sachzwänge der Organisation, die die Entscheidungsmöglichkeiten und Flexibilität der Organisation einschränken. Der unternehmensstrategische Ansatz hebt auch die Interaktion des ganzheitlichen und sich zielgerichtet verhaltenden Akteurs zu seiner Umwelt hervor, die aber im Gegensatz zum vorherigen Ansatz nicht als eine bloße Bedrohung, sondern auch als Quelle neuer Möglichkeiten betrachtet wird. Sie beeinflußt nicht unbedingt als ein den Handlungsspielraum einschränkender Sachzwang das organisationale Verhaltens- repertoire, sondern als neue Chance vieler Möglichkeiten. Dadurch kann die Gefahr des Untergangs gesenkt werden. Der evolutionstheoretische Ansatz ist m.E. bei der Erklärung organisatorischen Sterbens umweltdeterministisch: die Umwelt entscheidet bei einer Auslese, welche Organisationspopulation überlebt oder ausstirbt. Es sind die Eigenschaften Alter und Größe, die hervorgehoben und mit Überleben oder Tod von Organisationstypen in einen kausalen Zusammenhang gebracht werden. Aber ohne Erläuterung der Wirkungsmechanismen bzw. dritten Variablen haben diese Aussagen nur den Charakter einer partiellen Erklärung mit impliziten Gesetzten. Erst die teilweise soziologische Explizierung dieser Zusammenhänge, wie es in dieser Arbeit durchgeführt wurde, kann dieses Manko zumindest etwas beheben. Diese Ansätze berücksichtigen intentionale Organisationsgestaltungen bei Variationen, vernachlässigen aber eventuelle zielgerichtete Handlungsstrategien zur Erhöhung der Überlebenschancen und somit zur Senkung des Todesrisikos. Sie sind - wenn die religiösen Wendungen gestattet sind - schon ‚prädestiniert‘; ihr ‚Schicksal liegt in Gottes Hand, denen sie sich fügen müssen‘. Es wird vorgeschlagen, den theoretischen Bezugsrahmen durch Integration anderer Ansätze (wie z.B. Institutionalismus oder Ressourcendependenzansatz), welche zielgerichteten Maßnahmen von Organisations- gestaltern etwas mehr Bedeutung zumessen, zu verändern, um diese Wechselbeziehungen zwischen Akteur (Organisationen) und System (Umwelt) in einen institutionelle Kontext einzubetten: dieser Kontext bestimmt die Umwelt, welche wiederum über Leben und Tod von Organisationen entscheidet. Organisationen mit sozial und juristisch gültiger Definitionsmacht, die über einflußreiche Kanäle zu Behörden und gesellschaftlichen Elite- Akteuren verfügen und die Umwelt als Bedrohung wahrnehmen, können so die institutionelle und andere Umwelt mitgestalten und damit ihre subjektive Situation verbessern bzw. ihr Todesrisiko senken.
Es sei noch auf Folgendes hingewiesen: intentionale Ansätze beinhalten m.E. eine Tautologie, da sie die theoretisch vermuteten Intentionen durch die empirische Existenz von Handlungen zu erklären suchen, weil sie die vermuteten Intentionen weder logisch noch empirisch - operational unabhängig von der Handlung untersuchen. Handlungen werden bei den Beispielen dann ex post ursächlich nur unterstellten Intentionen zugeordnet, ohne daß wahre Absichten der Akteure selbst ermittelt worden sind. Wenn dadurch eine Handlung als Indikator für eine Absicht angenommen wird, ist die Argumentation zirkulär und trivial.
Es werden darüber hinaus die Entstehung bestimmter Handlungen oder struktureller Zustände durch ihre Befriedigung eines bestimmten Bedarfs (Überleben bzw. Umweltbewältigung ) bzw. durch ihren antizipierten Problemlösungsbeitrag erklärt (Funktionalismus): es wird zwar erwähnt, warum ein bestimmter Zustand bzw. eine bestimmte organisationale Struktur oder Handlung entstanden oder durchgeführt ist, aber es wird nicht erwähnt, wie der Prozeß der Bedarfsbefriedigung überhaupt abgelaufen ist, so daß solche Erklärungen nur partiellen Charakter aufweisen.
Organisations- Phänomene haben vielfältige Ursachen und Folgen, die über verschiedene Wirkungsmechanismen in einem kausalen Zusammenhang miteinander verknüpft sind. Beispielsweise wird das Überleben oder der Untergang einer Organisation beim Ressourcendependenzansatz nur durch deren intentionale Handlungen erklärt, ohne auf die Transaggregierung der Handlungen verschiedener anderer Akteure zu verweisen, die durch ihr Zusammenwirken Leben und Sterben von Organisationen mitbeeinflussen. Es wurden bei der Erläuterung der Ansätze aus forschungs- und darstellungsökonomischen nicht alle Wirkungsmechanismen oder Handlungen der allen anderen Akteure expliziert, was aber die Erklärungen unvollständig läßt.
4. Literaturangaben
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In: Clegg, Stewart R.; Hardy, Cynthia; Nord, Walter(Ed.): Handbook of Organizational Studies. London, Thousand Oaks, New Delhi: Sage Publications 1996.
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[...]
1 Interessenten können aber in der Fußnote diesen Ansatz nachlesen. Die Kontingenztheorie geht genau wie evolutionstheoretische Ansätze von der Isomorphie zwischen der formalen organisationalen Struktur und der Umwelt aus (vgl. Frese 1992: 198), wobei sie im Gegensatz zu ihnen eine intentionale Anpassung der Struktur an Situationsbedingungen hervorhebt: “Fit is the underlying key. Organizations move into fit by adjusting their structure to their contingencies and this produces the observed association between contingency and structure.” (Donaldson 1996: 63) Es wird m.E. davon ausgegangen, daß das Überleben einer Organisation von ihrer Effizienz abhängt. Diese wiederum wird durch die geeignete, d.h. den Situationsbedingungen angepaßte formale Organisationsstruktur bedingt (vgl. Kieser 1995b: 155, ). Die zentralen Thesen in bezug auf die zielgerichtete Adaption sind (vgl. Galbraith 1973: 2):
1. Es gibt keine beste Organisationsmethode bzw. -struktur
2. Nicht jede Organisationsmethode bzw. -struktur ist gleich effektiv.
Eine dritte kann dann als Schlußfolgerung gezogen werden: die beste Organisationsmethode bzw. -struktur ist situativ relativ (vgl. Scott 1986: 163)
Die Situation der Organisation wird durch die Umweltbeschaffenheit bedingt. Umweltveränderungen führen zu unterschiedlichen Situationsbedingungen. Wenn die Organisation überleben soll, muß sie effizient sein. Dies hängt wiederum von der Situationseignung der Organisationsstruktur ab: „ In dynamischen Umwelten sind organische Strukturen effizient und in statischen Umwelten mechanistische. Als ‚organisch‘ [gilt; BG]... dabei eine Struktur, die u.a. große Leitungsspannen, wenige Hierarchieebenen, ein geringes Ausmaß an formalen Regelungen, geringe Zentralisation der Entscheidungen, einen hohen Stellenwert fachlicher Autorität und relative geringe Qualitätsunterschiede bei den Stelleninhabern aufweist, und als ‚mechanistisch‘ eine, die in allen diesen Dimensionen konträre Ausprägungen hat.“ (Walgenbach 1995: 156)
Bei einer turbulenten Umwelt ist der Grad an Ungewißheit ziemlich hoch: eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen ‚nach unten‘ entlastet die Zentrale, da viele sachdienliche Entscheidungen gewählt werden müssen. Die fachlich qualifizierten Abteilungen können die ‚Probleme‘ wegen ihres durch die geringe Zentralisation und den geringen Formalisierungsgrad entstandenen größeren Handlungsspielraums auf lokaler Ebene autonom und sachlich bearbeiten. Da es eine schwache vertikale und horizontale Kompetenzentrennung gibt, bearbeiten viele Experten mit geringen Qualifikationsunterschieden aus verschiedenen oder gleichen Abteilungen zusammen ein und dasselbe Problem , wobei die Vorgesetzten durch die Selbstabstimmung entlastet werden, so daß sich die Leitungsspanne erhöht. Damit werden dynamische Umwelten am besten durch eine organische Struktur bewältigt. Dies steigert die Effizienz und damit die Überlebensfähikeit der Organisation. Wenn bei dynamischen Umwelten keine organische Organisationsstruktur vorhanden ist, sinkt die Effizienz und dieüberlebensfÄhigkeit : es steigt somit die Untergangs- und Sterbegefahr der Organisation.
In einer statischen Umwelt ist der Grad an Ungewißheit ziemlich gering: vieles ist planbar und durch routinierte konditionale Handlungssequenzen einfach zu bewältigen. Der Formalisierungsgrad ist ziemlich hoch, da erstens die einfachen erlernbaren Regeln definieren, wer in welcher Situation welche Handlungsoptionen auszuwählen hat und zweitens ihnen die Autonomie und damit willkürliche Handlungsmöglichkeiten verwehrt werden sollen. Denn dadurch wird Ungewißheit weiter reduziert und die Erwartungssicherheit und damit die Chance der Bewältigung der Umwelt erhöht. Es wird keine Entlastung der Zentrale benötigt, da wenige und einfache Entscheidungen gefällt, geplant und implementiert werden müssen. Es besteht eine feste vertikale und horizontale Abgrenzung von Kompetenzen und Zuordnung von Funktionen bzw. Verantwortungen und der dazu notwendigen Weisungsbefugnisse. Dabei werden kollektive Probleme in Teilaufgaben zerlegt und anschließend durch das von der Satzung und den Vorgesetzten geordnete und koordinierte Zusammenwirken von einzelnen Bearbeitern, die sich jeweils gesondert als unterschiedlich qualifizierte einem Teilproblem zuwenden, bewältigt. Da die Kompetenzen- und Qualifikationsunterschiede hoch sind, ist die hierarchische Koordination mit geringen Leitungsspannen vorherrschend. Damit werden statische Umwelten am besten durch eine mechanistische Struktur bewältigt. Diese steigert die Effizienz und die Überlebensfähigkeit der Organisation. Wenn bei statischen Umwelten keine mechanistische Organisationsstruktur vorhanden ist, sinkt die Effizienz und dieüberlebensfÄhigkeit : es steigt damit die Untergangs- bzw. Sterbegefahr der Organisation.
2 Es geht hier nicht um das Überleben oder den Untergang einer bestimmten Organisation, sondern, die Perspektive der population ecologists betrachtet die Population von Organisationen als Analyseeinheit, was weiter unten ausgeführt wird (vgl. Hatch 1997: 81).
3 Diese strukturelle Trägeit läßt sich nicht monokausal auf einen Faktor zurückführen, wobei die Wirkungsmechanismen implizit mit Hilfe anderer Theorien erklärt werden (vgl. Kieser 1995: 240-241) : es schränken bereits für eine bestimmte Organisationsstruktur und -zweck erfolgte Investitionen in Maschinen, Gebäude, Ausbildung des Personals die Transformationsmöglichkeiten einer Organisation ein, da eine Umstellung zu aufwendig oder unmöglich ist. Das Informationssystem ist auf bestehende routinierte Aktivitäten und die dafür entsprechenden Segmente der Umwelt fokussiert, so daß eine Umstellung zu aufwendig wäre. Strukturänderungen könnten das bestehende Gleichgewicht der Mächte innerhalb einer Organisation gefährden und den Widerstand einflußreicher status quo - orientierter Akteure hervorrufen. Da Organisationsmitglieder oftmals keine Alternativen vorstellen können und wenn sie es können, diese als unrealistisch betrachten, begünstigt das bestehende durch ihren sozial als realistisch wahrgenommenen Charakter eine Konformität und eine Abneigung zu großen Änderungen. Das entstandene Kollektivbewußtsein der Mitglieder kann eine Barriere für große Veränderungen wegen der potentiellen Bedrohung der Kollektividentität darstellen.
4 Auch wenn er ein Einzelunternehmer ist, soll sein Reisebüro hier beispielhaft als Organisation ‚herhalten‘.
5 Ergänzungsökonomie heißen: Ausländische Erwerbstätigkeit, welche sich primär auf die Nachfrage der Mitglieder der eigenen Immigrantengruppe orientiert. Beispiele dafür sind Reisebüros, Export-Import- Geschäfte, Banken und Lebensmittelgeschäfte (vgl. Heckmann 1992: 109; Goldberg 1992: 77)
6 Dies ist m.E. eine partielle Erklärung mit impliziten Gesetzen, wobei Variablen wie Größe mit dem Überleben von Organisationen kausal in Beziehung gesetzt werden, ohne daß die dahinter liegenden Wirkungsmechanismen expliziert werden. Damit ist es dann auch möglich, gerade diese postulierte Beziehung zwischen Größe und Überleben auch durch andere impliziten Gesetze zu erklären.
7 Dies könnte ein Brückenschlag zwischen Institutionalismus und evolutionstheoretischen Ansätzen sein.
8 Ein Beispiel kann dies an einem vertikalen Leistungsverbund verdeutlichen: die bei der Agenturtheorie erwähnte MannesmannTochter Rexroth hat in bezug auf bestimmte Produkte wie z.B. Magnete nur ein und denselben Lieferer bzw. bezieht nur von der Hydac-Gruppe diese Ressourcen, wobei daraus eine einseitige Abhängigkeit entstanden ist. Als die Hydac-Gruppe Lieferschwierigkeiten hatte, kam es bei Rexroth selbst zu Auftragsverlusten (vgl. Der Spiegel 24/1994: 101).
9 Es lassen sich ex post viele Handlungen als rationale rekonstruieren. Inwiefern Verhaltensdispositionen den Akteuren unterstellt oder deren eigentliche Relevanzstrukturen vernachlässigt werden, ist eine andere Frage.
10 Die lokale Anpassungsmöglichkeit hilft allerdings bei plötzlichen und großen Umweltveränderungen nichts, sondern verschlechtert die schnelle Anpassung des organisatorischen Gesamtsystems an die Umwelt (vgl. Warglien, Masuch 1995: 17) und trägt somit zum Untergang der Organisationen bei. Enge Kopplung mit zentralisierten Kompetenzen kann dann Koordinationsprobleme, Denk- und Zeitkosten reduzieren und abrupten globalen Umweltveränderungen begegnen.
- Citation du texte
- Assist. Prof. Dr. Burak Gümüs (Auteur), 1998, Ansätze zur Erklärung des Unterganges von Organisationen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106554
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