In dieser Arbeit stellt sich die Frage, warum setzte sich Bismarck 1884/85 für Kolonialpolitik ein? Als ihn der deutsche Afrikaforscher Eugen Wolf 1888 bat, eine Expedition nach Afrika zu schicken, um Emin Pascha, einen anderen deutschen Afrikaforscher zu suchen, der als verschollen galt, antwortete ihm der Reichskanzler des Deutschen Reiches Otto von Bismarck: „Ihre Karte von Afrika ist ja sehr schön, aber meine Karte von Afrika liegt in Europa. Hier liegt Rußland (sic!), und hier (…) liegt Frankreich und wir sind in der Mitte; das ist meine Karte von Afrika.“ Dieses Zitat zeigt deutlich, wo Bismarcks politischer Fokus lag: in Europa. Seine Interessen lagen vor allem auf der Sicherung des Deutschen Kaiserreichs, welches von drei Großmächten umgeben war, was seine Sicherheit stark gefährdete.
Diese gefährliche Lage verbot es, mit anderen Nationen Konflikte zu beginnen, die mit einem Eintritt in die Kolonialpolitik wahrscheinlich unausweichlich waren. Dementsprechend konnte er sich nie wirklich mit außereuropäischen Kolonien anfreunden, ganz im Gegensatz zu anderen europäischen Großmächten wie Frankreich und England. Dennoch gelangte Deutschland 1884/85 in den Besitz von Kolonien in Afrika (Togo, Kamerun, Deutsch-Südwestafrika und Deutsch-Ostafrika) und im Südpazifik. Soweit konnte es ohne Bismarcks Einverständnis und Einsatzes nicht kommen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Wirtschaftliche Gründe für Bismarcks Kolonialpolitik
3. Innenpolitische Gründe für Bismarcks Kolonialpolitik: die Kronprinzenthese
4. Außenpolitische Gründe für Bismarcks Kolonialpolitik
4.1 Allianz mit Frankreich
2.2 Schwächung Englands
5. Fazit
6. Quellen- und Literaturverzeichnis
6.1. Quellenverzeichnis
6.2. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Als ihn der deutsche Afrikaforscher Eugen Wolf 1888 bat, eine Expedition nach Afrika zu schicken, um Emin Pascha, einen anderen deutschen Afrikaforscher zu suchen, der als verschollen galt, antwortete ihm der Reichskanzler des Deutschen Reiches Otto von Bismarck: „Ihre Karte von Afrika ist ja sehr schön, aber meine Karte von Afrika liegt in Europa. Hier liegt Rußland (sic!), und hier (…) liegt Frankreich und wir sind in der Mitte; das ist meine Karte von Afrika.“1Dieses Zitat zeigt deutlich, wo Bismarcks politischer Fokus lag: in Europa. Seine Interessen lagen vor allem auf der Sicherung des Deutschen Kaiserreichs, welches von drei Großmächten umgeben war, was seine Sicherheit stark gefährdete.2Diese gefährliche Lage verbot es, mit anderen Nationen Konflikte zu beginnen, die mit einem Eintritt in die Kolonialpolitik wahrscheinlich unausweichlich waren. Dementsprechend konnte er sich nie wirklich mit außereuropäischen Kolonien anfreunden, ganz im Gegensatz zu anderen europäischen Großmächten wie Frankreich und England. Dennoch gelangte Deutschland 1884/85 in den Besitz von Kolonien in Afrika (Togo, Kamerun, Deutsch-Südwestafrika und Deutsch-Ostafrika) und im Südpazifik. Soweit konnte es ohne Bismarcks Einverständnis und Einsatzes nicht kommen. Deshalb stellt sich die Frage,warum setzte sich Bismarck 1884/85 für Kolonialpolitik ein?Dieser Frage soll in der Hausarbeit nachgegangen werden. Aus Platzgründen soll der Fokus dabei vor allem auf den wirtschaftlichen, innenpolitischen (Kronprinzenthese) und außenpolitischen Gründen liegen. Gestützt habe ich mich dabei hauptsächlich auf die gesammelten Werke von Bismarck und auf Baumgarts Quellensammlung „Bismarck und der deutsche Kolonialerwerb 1883-1885“, sowie auf „Die Geheimen Papiere Friedrich von Holsteins“. Meine Hauptliteratur sind Konrad Canis´ „Bismarcks Außenpolitik 1870 bis 1890“, sowie das Werk von Andreas Rose „Deutsche Außenpolitik in der Ära Bismarck (1862-1890)“.
2. Wirtschaftliche Gründe für Bismarcks Kolonialpolitik
Als Folge der Wirtschaftskrise in den 1870er Jahren nahm die Exportfixiertheit im Deutschen Reich stark zu, wobei Kolonien als Fördermaßnahmen dafür dienen sollten.3Mit den Kolonien sollte somit ein zusätzlicher Absatzmarkt für deutsche Produkte entstehen und die Wirtschaft wieder angekurbelt werden. Zusätzlich sollten die Kolonien als Rohstofflieferanten dienen.4Diese Argumente bewegten den Reichskanzler dazu, seine Meinung über deutsche Kolonien noch einmal zu überdenken, wie in einer Rede Bismarcks am 10. Januar 1885 deutlich wird: „(…) nach der Genesis unserer Kolonien fast noch wichtiger die Gewinnung neuer Absatzmärkte für unsere Industrie ist, auch selbst für die kleinsten unserer Industrien (…).“5Allerdings dachte Bismarck dabei nicht an formelle und staatliche Kolonien. Er wollte eher informelle Schutzgebiete, also Modelle indirekter Herrschaft.6In diesen Schutzgebieten sollten die jeweiligen wirtschaftlichen Interessenten dann selbst das Risiko tragen.7Das Deutsche Kaiserreich minimierte so das finanzielle Risiko, es war hauptsächlich für den Schutz der jeweiligen Gebiete zuständig.8Dies ist auch ein weiteres Indiz dafür, dass sich Bismarck letztendlich doch nicht hundertprozentig mit Kolonien anfreunden konnte. Insgesamt erfüllten sich die wirtschaftlichen Erwartungen, die Bismarck in die Kolonien gesteckt hatte, nicht. Es fanden sich kaum Firmen und Beamte, die bereit waren, die Schutzgebiete zu verwalten. Außerdem wagte die einheimische Bevölkerung immer wieder Aufstände, die das Deutsche Reich militärisch unterbinden musste, was eine zusätzliche Belastung für die Staatskasse bedeutete.9Der Anteil des Kolonialhandels am gesamten Handelsvolumen Deutschlands betrug nie mehr als 0,5% und auch der Anteil an den Auslandsinvestitionen war verschwindend gering (ca. 2%).10Bis 1912 hatten die deutschen Schutzgebiete Schulden im Wert von 171 Millionen Mark angehäuft.11Die Kolonien waren wirtschaftlich für das Deutsche Reich somit weitgehend unbedeutend.
3. Innenpolitische Gründe für Bismarcks Kolonialpolitik: die Kronprinzenthese
1884 war der Kaiser des Deutschen Reiches, Wilhelm I., schon 87 Jahre alt. Mit dem baldigen Tod des Kaisers durfte also gerechnet werden. Sein Nachfolger wäre dann der Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen (Friedrich III.) geworden. Dieser hatte komplett andere politische Ansichten als Bismarck. Friedrich Wilhelm galt als liberal und probritisch, was auch an dem Einfluss seiner englischen Frau Victoria gelegen haben könnte.12Allerdings will er auch eine machvolle Stellung haben, was Bismarcks starke Position im Reich wiederum gefährdet.13Diese machtvolle Position Bismarcks in der Politik beruhte nicht zuletzt darauf, dass Wilhelm I. sich ihm mehr oder weniger untergeordnet hat.14Bismarck fürchtet also bei einem Thronwechsel um seine machtvolle politische Stellung. Außerdem befürchtet er, dass es aufgrund der unterschiedlichen politischen Meinungen zwischen ihm und Friedrich III. zu Konflikten kommt, die zu seiner Entlassung führen könnten. Zusätzlich erwartete er eine Liberalisierung der deutschen Politik nach britischem Vorbild und eine Annäherung an das liberale England.15
Den Tod Wilhelms I. erwartete nicht nur Bismarck, sondern auch die deutsche Parteienlandschaft. Darum schlossen sich im Frühjahr 1884 die bismarckkritischen Nationalliberalen und die Fortschrittspartei zur Freisingen Partei zusammen, welche sich als Partei des Kronprinzen verstand und auf die Thronbesteigung Friedrich Wilhelms hoffte, um an die Macht zu gelangen.16Diese suchte auch sofort die Konfrontation mit Bismarck und versuchte unter anderem die Nationalliberalen von Bismarck fernzuhalten.17Der Reichskanzler reagierte darauf, indem er seine Beziehungen zu den Nationalliberalen intensivierte, mit dem Ziel einer konservativ-nationalliberalen Allianz nach den Reichstagswahlen 1884.18Sein Ziel war es die Linksliberalen zu schwächen und dem Kronprinzen eine freundlich gesinnte Mehrheit im Parlament zu verbauen.19Bismarck stand also im Jahre 1884 ziemlich unter Druck. Deswegen bediente er sich zusätzlich der Kolonialpolitik um Kronprinz und Linksliberale zu schwächen. Durch das Eintreten Deutschlands in die Reihe der Kolonialmächte waren Spannungen mit England vorprogrammiert. Wenn diese Spannungen groß genug waren konnte Friedrich Wilhelm folglich eine Annäherung an einen direkten Konkurrenten wie England schwer durchziehen. Gelegen kam Bismarck, dass die Linksliberalen grundsätzlich englandfreundlich und kolonialkritisch eingestellt waren.20Falls es zu scharfen Reaktionen Englands wegen der kolonialen Ansprüche Deutschlands kommen sollte, könnte so eine englandkritische Stimmung im Land entstehen, die die Linksliberalen zusätzlich schwächt.21Diese, als Kronprinzenthese bekannt gewordenen Überlegungen, dürften einer der Hauptgründe für Bismarcks Betreiben der Kolonialpolitik gewesen sein.
Dafür, dass Bismarck die Kolonialpolitik unter anderem betrieb um Friedrich Wilhelm zu schwächen und eine Liberalisierung Deutschlands und englische Einmischungen in die deutsche Politik zu verhindern, sprechen auch einige Quellen. So heißt es in einer Aufzeichnung des Flügeladjutanten Karl Graf von Weber22aus dem Jahre 1891, die ein Gespräch zwischen dem damaligen Kaiser Wilhelm II., dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Adolf Freiherr von Bieberstein23und Wedel aufzeichnet: „Als nämlich Kaiser Wilhelm I. immer älter und damit ein Thronwechsel in immer größere Nähe gerückt sei, habe Bismarck in der Furcht, daß der englische Einfluss durch die Kaiserin Friedrich die deutsche Politik beherrschen wird, die Kolonien geschaffen, um damit ein Objekt zu besitzen, das er im Notfalle jederzeit zur Heraufbeschwörung von Streitigkeiten mit England und damit zur Erkaltung unserer Beziehungen zu jener Macht benutzen könne.“24Auch in einem Tagebucheintrag des deutschen Diplomaten Ludwig Raschdaus25, der ein Gespräch zwischen Bismarcks Sohn Herbert und dem Botschafter Hans Lothar von Schweinitz26belegt, heißt es, Bismarck habe diese Politik aus Furcht vor einer Annäherung an England nach dem Regierungsabtritt Friedrich Wilhelms eingeschlagen.27
Sein Ziel hatte Bismarck auf jeden Fall erreicht: Die Partei des Kronprinzen war geschwächt und Friedrich Wilhelm versicherte ihm 1885, dass Bismarck Reichskanzler bleiben konnte und ein liberaler Kurswechsel der deutschen Politik nicht zu befürchten war.28
[...]
1 Bismarck: Gesammelte Werke Bd.8, S. 646.
2 Vgl. Pflanze: Konservativer Revolutionär, S. 37.
3 Vgl. Canis: Bismarcks Außenpolitik, S. 209.
4 Vgl. Dülffer: Europäische Bindung, S. 56.
5 Bismarck: Gesammelte Werke Bd. 12, S. 562.
6 Vgl. Canis: Bismarcks Außenpolitik, S. 210.
7 Vgl. Ebd., S. 210.
8 Vgl. Hertz-Eichenrode: Deutsche Geschichte, S.135.
9 Vgl. Pflanze: Konservativer Revolutionär, S. 37.
10 Vgl. Rose: Deutsche Außenpolitik, S. 102.
11 Vgl. Baumgart: Bismarcks Kolonialpolitik, S. 145.
12 Vgl. Baumgart: Bismarcks Kolonialpolitik, S. 149.
13 Vgl. Canis: Bismarcks Außenpolitik, S. 212.
14 Vgl. Ebd., S. 212.
15 Vgl. Rose: Deutsche Außenpolitik, S.104.
16 Vgl. Ebd., S. 105.
17 Vgl. Canis: Bismarcks Außenpolitik, S. 213.
18 Vgl. Ebd., S. 213.
19 Vgl. Riehl: Tanz um den Äquator, S.340-342.
20 Vgl.Canis: Bismarcks Außenpolitik, S. 214.
21 Ebd., S. 214.
22 Vgl. Baumgart: Bismarck und der deutsche Kolonialerwerb, S. 14.
23 Vgl. Ebd., S.14.
24 Ebd., S. 496.
25 Vgl. Ebd., S. 14.
26 Vgl., Ebd., S. 14.
27 Vgl. Ebd., S. 497.
28 Vgl. Rose: Deutsche Außenpolitik, S. 106.
- Citation du texte
- Nils Keukert (Auteur), 2017, Bismarcks Kolonialpolitik 1884 bis 1885, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1064734
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