Neben den üblichen Bewerbungsunterlagen wie etwa einem individuellen Anschreiben und einem lückenlosen Lebenslauf zur eigenen Person, gilt in den meisten Unternehmen das Arbeitszeugnis nach wie vor als eine voraussetzende, allemal wünschenswerte Anlage. Auch wenn bei der Auswahl der Bewerber mehrere Faktoren berücksichtig werden, kann das Arbeitszeugnis das Gesamtbild des potenziellen Mitarbeiters beeinflussen – sowohl positiv als auch negativ. Allerdings gerät das qualifizierte Arbeitszeugnis v.a. bei jüngeren Arbeitgebern vermehrt in Verruf und wird zunehmend als wenig aussagekräftig wahrgenommen. Um dieser Behauptung näher auf den Grund zu gehen hat sich die vorliegende Arbeit zum Ziel gesetzt, den Aspekt der aktuellen Praxisrelevanz des qualifizierten Arbeitszeugnisses aus Sicht des Arbeitgebers näher zu hinterfragen. Doch bevor sich die Ausarbeitung dieser Thematik annimmt, sollen dem Leser in den ersten Teilen der Arbeit alle grundlegenden rechtlichen Kenntnisse und zu berücksichtigen Formalien nähergebracht werden. Gefolgt davon werden die wesentlichen Inhalte und Besonderheiten der Zeugniserstellung näher beleuchtet. Die Beantwortung der Frage, ob das Arbeitszeugnis als sinnvolles Informationsmittel dient, erfährt der Leser in einer meinungsbasierten Schlussbetrachtung.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Allgemeine Grundlagen zum Rechtsanspruch
3 Äußere Form des Zeugnisses
4 Das qualifizierte Arbeitszeugnis
4.1 Grundsätze derZeugniserstellung
4.2 Inhalt und Zeugnissprache
4.2.1 Tätigkeitsbeschreibung
4.2.2 Leistungsbeurteilung
4.2.3 Verhaltensbeurteilung
4.2.4 Beendigungsformel
4.2.5 Schluss- und Dankesformel
5 Praxisrelevanz
6 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zufriedenheitsskala
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Neben den üblichen Bewerbungsunterlagen wie etwa einem individuellen Anschreiben und einem lückenlosen Lebenslauf zur eigenen Person, gilt in den meisten Unternehmen das Arbeitszeugnis nach wie vor als eine voraussetzende, allemal wünschenswerte Anlage. Auch wenn bei der Auswahl der Bewerber mehrere Faktoren berücksichtig werden, kann das Arbeitszeugnis das Gesamtbild des potenziellen Mitarbeiters beeinflussen - sowohl positiv als auch negativ. Allerdings gerät das qualifizierte Arbeitszeugnis v.a. bei jüngeren Arbeitgebern vermehrt in Verruf und wird zunehmend als wenig aussagekräftig wahrgenommen. Um dieser Behauptung näher auf den Grund zu gehen hat sich die vorliegende Arbeit zum Ziel gesetzt, den Aspekt der aktuellen Praxisrelevanz des qualifizierten Arbeitszeugnisses aus Sicht des Arbeitgebers näher zu hinterfragen. Doch bevor sich die Ausarbeitung dieser Thematik annimmt, sollen dem Leser in den ersten Teilen der Arbeit alle grundlegenden rechtlichen Kenntnisse und zu berücksichtigen Formalien nähergebracht werden. Gefolgt davon werden die wesentlichen Inhalte und Besonderheiten der Zeugniserstellung näher beleuchtet. Die Beantwortung der Frage, ob das Arbeitszeugnis als sinnvolles Informationsmittel dient, erfährt der Leser in einer meinungsbasierten Schlussbetrachtung.
2 Allgemeine Grundlagen zum Rechtsanspruch
Die Erstellung eines Zeugnisses gehört zur allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und stellt somit einen Teil seiner Nebenpflichten i.S.v. §241 II BGB dar.1 Somit besteht für jeden Arbeitnehmer ab dem 01.01.2003 ein Anspruch auf ein Arbeitszeugnis gegenüber seinem Arbeitgeber aus §640 S.4 BGB i.V.m. §109 GewO. Die zuvor angewandte Norm §630 BGB wurde um §630 S.4 BGB ergänzt und findet dementsprechend nur noch für anderweitige Dienstverhältnisse (wie beispielsweise für freie Mitarbeiter oder arbeitnehmerähnlich Personen) ihre Anwendung.2 Es ist allerdings anzumerken, dass die im Folgenden nicht näher behandelten Auszubildenden keinen Anspruch unter genannten Normen geltend machen können. Denn diese haben ausschließlich aus §16 BBiG einen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis von ihrem Ausbildenden bzw. ihrem Ausbilder, der ihnen dies unaufgefordert aushändigt (außer es soll Angaben über Verhalten und Leistung enthalten, §16II BBiG).3 Zudem fällt nach der Einführung des §109 GewO auf, dass diese Norm nicht mehr auf ein dauerndes Dienstverhältnis begrenzt ist. So besteht fortan ein Zeugniserteilungsanspruch unabhängig der Dauer der erbrachten Arbeitsleistung. Wird der zeitliche Aspekt betrachtet ist festzuhalten, dass ein Anspruch auf Zeugniserteilung grundsätzlich erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§§630 S.l BGB, 1091 S.l GewO) und somit erst am letzten Tag der Beschäftigung entsteht.4 Neben dem endgültigen Arbeitszeugnis gibt es allerdings noch weitere Zeugnisarten, die sich aufgrund des Ausstellungszeitpunkts unterscheiden.5 So hat ein Arbeitnehmer im Falle einer ordentlichen Kündigung mit Kündigungsausspruch oder im Rahmen eines Aufhebungsvertrags den Anspruch auf ein vorläufiges Arbeitszeugnis.6 Das auf dessen Verlangen ausgestellte Zeugnis soll dem Mitarbeiter dazu befähigen, sich noch während seiner Anstellung anderweitig einen Arbeitsplatz zu suchen und ist zudem als vorläufiges Zeugnis zu kennzeichnen. Sofern während der Periode zwischen Ausstellung des vorläufigen Zeugnisses und des endgültigen Zeugnisses keine besonderen Umstände eine Änderung des Zeugnisses veranlassen, ist der Inhalt ohne Abänderung in das Endzeugnis zu übernehmen.7 Bedarf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen gesonderten Kündigungsausspruch (z.B. aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags), so hat der Arbeitnehmer den Anspruch auf Erteilung des Zeugnisses ab dem Zeitpunkt, an der die gesetzl. Kündigungsfrist (§622 I, II BGB) eintreten würde.8 Ferner hat ein Arbeitnehmer unter besonderen Umständen (z.B. wegen einer internen Versetzung o. einem Wechsel des Vorgesetzten9 ) noch während des Beschäftigungsverhältnisses Anspruch auf ein Zwischenzeugnis, dass ihm der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgeplicht (i.S.v. §241II BGB) ausstellt. Es sei denn, dies ist bereits tarifvertraglich geregelt. Ähnlich des vorläufigen Zeugnisses hat der Arbeitgeber sich bei der Erteilung des Endzeugnisses grundsätzlich an diesen Inhalt zu halten.10 Ein Anspruch auf ein Zeugnis besteht gemäß der regelmäßigen Verjährungsfrist (§195 BGB) drei Jahre und beginnt gemäß §199 I BGB mit dem Schluss des Jahres, indem der Anspruch entstanden ist. Sofern die in §199 I Nr. 2 BGB genannten Gründe die Verjährung nicht verzögern, hat der Arbeitnehmer somit grundsätzlich bis zum Ende des dritten Kalenderjahres nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Recht auf ein Zeugnis.11 Allerdings kann es vorkommen, dass der Anspruch bereits vor dem Eintreten der Verjährungsfrist erlischt. Die sog. Verwirkung tritt ein, wenn der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf ein Zeugnis längere Zeit nicht geltend macht und der Arbeitgeber somit signalisiert bekommt, dass dieser keinen Anspruch mehr erheben wird.12 Wenn sich der Arbeitgeber im Falle der unvorhersehbaren Einforderung eines (qualifizierten) Zeugnisses nicht mehr an die Leistungen und das Verhalten des Anspruchsberechtigten erinnern kann, hat der Arbeitnehmer auch keinen Anspruch mehr. Die Literatur spricht von einer ungefähren Zeitspanne von fünf bis 15 Monaten nach Beginn des Anspruchs, in der dieser noch nicht verwirkt ist.13 Neben den bisher genannten zeitlichen Gründen kann ein Anspruch zudem durch vertragliche oder tarifliche Ausschlussfristen erlöschen. Diesbezüglich ist sich die Literatur jedoch uneins, ob dies zu verallgemeinern ist.14 Der Zeugnisanspruch ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber das Zeugnis ordnungsgemäß ausstellt und dem Arbeitnehmer zur Abholung bereitlegt. Es handelt sich somit um eine Holschuld i.S.v. §269 II BGB. Allerdings hat der Arbeitgeber im Rahmen seiner nachwirkendenden Fürsorgepflicht dem Anspruchsberechtigtem das Zeugnis zu übersenden, sofern auf ihn unverhältnismäßige Kosten (z.B. durch Wechsel des Wohnortes) bei einer Abholung zukommen würden oder eine dem Arbeitgeber verschuldete Verspätung der Bereitstellung vorliegt.15
3 Äußere Form des Zeugnisses
Wie in §109 I S.l GewO (und zudem für andere Beschäftigte mit Ausnahme der Auszubildenden in §630 S.l BGB) definiert ist, ist das Zeugnis dem Arbeitnehmer in schriftlicher Form zu übergeben und ist deshalb auch eigenhändig vom Arbeitgeber bzw. seinem Vertreter16 zu unterschreiben (§126 I BGB). Damit Dritte erkennen, um wessen Unterschrift es sich handelt, darf sie sich nicht von einer üblichen Unterschrift unterscheiden.17 Außerdem könnte eine außergewöhnliche Unterschrift als eine Art Geheimcode dienen und würde somit §109 II S. 2 GewO widersprechen.18 Gleichermaßen verstoßen jegliche Merkmale oder Formulierungen, die den Zweck haben, eine andere aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen gegen §109 II S. 2 GewO. So zählen auch Anführungszeichen, Ausrufezeichen oder Unterstreichungen zu besagter Kategorie - ganz gleich ob diese positive oder negative Absichten haben.19 Ferner wird in §109 III GewO geregelt, dass eine Erteilung in elektronischer Form ausgeschlossen ist. Dies umfasst auch eine Ausstellung per Telefax.20 So ist das Zeugnis grundsätzlich in Maschinenschrift auf dem sonst verwendeten Firmenbogen (inkl. Firmenbezeichnung, Rechtsform und Adresse21 ) zu erstellen, sofern der Anspruchsverpflichtete diese im üblichen Geschäftsverkehr benutzt. Daraus ergibt sich, dass ein Arbeitszeugnis gleichermaßen behandelt werden muss, wie ein sonstiger Geschäftsbrief auch. Dies ist damit zu begründen, dass im Falle einer Bewerbung kein unseriöser bzw. skeptischer Eindruck beim potenziellen Arbeitgeber entstehen soll.22 Zudem darf ein ausgestelltes Zeugnis keine Flecken, durchgestrichene Passagen, sonstige Verunreinigungen oder gar negativ zu deutende Rechtschreibfehler aufweisen und dürfte in einem solchen Fall vom Arbeitnehmer zurückgewiesen werden.23 Gegensätzlich der weit verbreiteten Meinung, dass ein Arbeitszeugnis eine Art unantastbare Urkunde darstellt und nicht geknickt werden darf, ist es laut BAG durchaus zulässig, dieses zweimalig sauber zu falten. Allerdings nur, um das Zeugnis in einen gängigen und im Geschäftsverkehr üblichen Umschlag zu legen. Dies setztjedoch voraus, dass sich die gefaltete Gestalt nicht negativ auf einer Fotokopie des originalen Zeugnisses auswirkt. Darüber hinaus ist das Zusammentackern von Seiten rechtens.24 Bezugnehmend auf die Sprache des zu erteilenden Zeugnisses ist sich die Rechtsprechung noch uneins. Injedem Fall gilt aber der Anspruch auf ein deutschsprachiges Zeugnis.25 Ein entscheidendes Merkmal der äußerlichen Form des Zeugnisses stellt zudem das Ausstellungsdatum dar. Dieses ist deshalb von größerer Bedeutung, da die Leser des Zeugnisses anhand des Datums Rückschlüsse über das bisherige Arbeitsverhältnis ziehen können. Ein Datum weit vor dem eigentlichen Austrittsdatum impliziert eine Freistellung des Arbeitnehmers und ein Datum weit nach der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses könnte auf einen möglichen Rechtsstreit hindeuten.26 Wie in der Praxis schon längst üblich, ist das Ausstellungsdatum i.d.R. der Tag der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Diese häufig zum Selbstschutz vor rechtlichen Konsequenzen angewandte Angewohnheit des Arbeitgebers wurde dieses Frühjahr mit einem Urteil des LAG Köln besiegelt. Demnach hat der Arbeitgeber das Zeugnis nicht auf den eigentlichen Zeugniserstellungstag zu datieren, sondern auf den rechtlichen Tag des Ausscheidens. Dies entspreche der Billigkeit des BAG und sei in der Praxis üblicherweise so anzutreffen. Zudem ist es einem potenziellen Arbeitgeber durch dieses Datum nicht möglich, etwaige genannte Spekulationen über ein verspätetes oder verfrühtes Ausstellungsdatum anzustellen.27 So ist es ebenfalls, wenn der Arbeitgeber eine verspätete Erteilung selbst zu verschulden hat. Auch dann hat der Arbeitgeber das Datum auf den letzten rechtlichen Beschäftigungstag zu setzen.28 Sofern ein Arbeitgeber aufgrund einer eingeforderten bzw. gerichtlich angeordneten Änderung das Zeugnis erneut ausstellen muss, ist dieser außerdem verpflichtet das Ausstellungsdatum auf den ursprünglichen Zeitpunkt des ersten Zeugnisses zurückzudatieren. Dies soll, wie erwähnt, keine Spekulationen bei zukünftigen Lesern zulassen.29 Allerdings besteht dieser Anspruch nicht immer. Sofern ein Arbeitnehmer erst nach einer erheblichen Zeit ab Austritt ein Arbeitszeugnis fordert, ist der Arbeitgeber nichtmehr zu einer Rückdatierung verpflichtet.30
4 Das qualifizierte Arbeitszeugnis
Wie im Laufe dieser Ausarbeitung erwähnt, gibt es verschiedene Zeugnisarten. Die bereits genannten Zeugnisarten (vorläufiges Zeugnis, Zwischenzeugnis, Endzeugnis) unterscheiden sichjedoch ausschließlich in zeitlicher Hinsicht. Alle genannten Zeugnisse können nun zusätzlich in Form eines einfachen oder qualifizierten Zeugnisses ausgestellt werden (§109 I GewO).31 Dabei unterscheiden sich beide Arten hinsichtlich ihres Inhalts. Während ein einfaches Zeugnis nur Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthält (§109 I S.2 GewO), trifft das qualifizierte Zeugnis zusätzlich Aussagen über die Leistung und das Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis (§ 109 I S.3 GewO). Wie genau dieser Inhalt zu formulieren ist, erfährt der Leser zu einem späteren Zeitpunkt der Arbeit. Es istjedoch anzumerken, dass ein Anspruchsberechtigter auch den Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis hat, wenn ihm bereits ein einfaches Zeugnis vorliegt. Hat der Arbeitgeber bereits ein qualifiziertes Zeugnis erteilt, ist seine Pflicht erfüllt und der Arbeitnehmer hat folglich keinen Anspruch mehr auf ein einfaches Zeugnis.32 Im Sinne dieses Wahlrechts ist es in der Praxis die Regel, ein qualifiziertes Zeugnis zu verlangen, da ein einfaches Zeugnis meist einen negativen Anschein beim neuen Arbeitgeber erwecken würde.33 Da das einfache Zeugnis keine weiteren Aussagen über den Arbeitnehmer trifft und somit keine entscheidende Praxisrelevanz aufweist, schenkt die vorliegende Ausarbeitung diesem keine weitere Beachtung. Stattdessen beschäftigt sich das kommende Unterkapitel mit den allgemeinen Grundsätzen, die während der Erstellung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses zu berücksichtigen sind.
4.1 Grundsätze derZeugniserstellung
Das Arbeitszeugnis hat zwei wesentliche Funktionen. Wenn sich ein Arbeitnehmer auf eine neue Stelle bewirbt, soll ihm zum einen das Fortkommen im Berufsleben nicht grundlos erschwert werden (Werbefunktion) und zum anderen soll ein neuer Arbeitgeber über den Bewerber, dessen Einstellung er in Erwägung zieht, über dessen bisherige Leistungen und Verhalten aufgeklärt werden (Informationsfunktion). Diese beiden Funktionen führen dazu, dass der Arbeitgeber dem Grundsatz der Wahrheitspflicht und dem Grundsatz des verständigen Wohlwollens bei der Zeugniserstellung gerecht werden muss.34 Im Rahmen der Wahrheitspflicht muss das Zeug- nisjegliche „wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers und für den potenziellen Arbeitgeber von Bedeutung und Interesse sind.“35 Aus diesem Zitat ist zu entnehmen, dass für die Formulierung des Zeugnisses sowohl alle entscheidenden positiven als auch negativen Aspekte berücksichtigt werden müssen, sofern ein neuer Arbeitgeber tatsächliches Interesse an den Inhalten hätte. Dies schließt allerdings aus, dass einmalige bzw. nicht ins Gewicht fallende Vorfälle genannt werden dürfen, wenn sie die Gesamtbeurteilung nicht beeinträchtigen. In jedem Fall haben die Formulierungen des Zeugnisses auf tatsächlichen Gegebenheiten zu beruhen und nicht auf unbelegten Behauptungen.36 Dies ist der Grund, weshalb der Wahrheitspflicht ein höherer Stellenwert zugeschrieben wird als dem Grundsatz des verständigen Wohlwollens. Denn obgleich der Inhalt des Zeugnisses wohlwollend formuliert werden muss, hat sich dieses Wohlwollen im Rahmen der Wahrheitspflicht zu bewegen.37 Wie sich unschwer erkennen lässt, stehen diese beiden Grundsätze in einem regelrechten Zielkonflikt miteinander. Formuliert ein Arbeitgeber das Zeugnis eines mittelmäßigen Arbeitnehmers eher negativ, hat er vermutlich durchaus wahre Aussagen geschildert, erschwert ihm dadurch jedoch das berufliche Fortkommen. Fertigt er allerdings bewusst ein durchweg (ungerechtfertigtes) positives Zeugnis an, entspricht das Zeugnis nicht länger der Wahrheitspflicht. Unter den Voraussetzungen des § 826 BGB macht sich der Zeugnisausteller gegenüber dem neuen Arbeitgeber wegen Täuschung sogar schadensersatzpflichtig. Laut BGH wäre auch ein Schadensersatzanspruch aus § 280 I BGB denkbar.38 Aus diesem Grund hat sich in der gängigen Praxis eine Art Blitzableiter etabliert, der die entstehenden Spannungen zwischen beiden Grundsätzen abfangen soll: Die Zeugnissprache.39
4.2 Inhalt und Zeugnissprache
Wie angemerkt ist die Zeugnissprache ein Resultat aus dem sich zwangsläufig bildenden Spannungsfeld beider Grundsätze und wird v.a. für die wohlwollende Umschreibung der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung innerhalb des qualifizierten Arbeitszeugnisses eingesetzt. Umso höher die hierarchische Position des Arbeitnehmers war, desto genauer sollten diese beiden Beurteilungsbereiche ausformuliert werden. Während eine Aussparung einer dieser Teilbereiche zulässig, allerdings auf „beredtes Schweigen“40 deuten lässt, ist eine vollständige Auslassung unzulässig.41 Dabei stellt die Zeugnissprache keine Form eines unzulässigen Geheimcodes i.S.v. §109II S.2 GewO dar, da sie mit etwas Übung vonjedem verstanden werden kann.42 Wie genau die Zeugnissprache in der Praxis angewandt wird und welche indirekte Bedeutung ein Sachkundiger solchen Floskeln entnehmen kann, erfährt der Leser in folgenden Unterkapiteln. Konkret wird dies an den (wesentlichen) Inhalten eines qualifizierten Zeugnisses betrachtet.
4.2.1 Tätigkeitsbeschreibung
Identisch des einfachen Zeugnisses hat das qualifizierte Zeugnis neben den hier außen vor gelassenen formalen Punkten (wie Nachname etc.) die Art und Dauer der im Arbeitsverhältnis ausgeübten Tätigkeit zu beinhalten (§109 I S.l GewO).43 Einem Dritten soll zusätzlich der eigentlichen Stellenbeschreibung ein nachvollziehbarer Überblick aller grundlegenden im Betrieb ausgeführten Tätigkeiten und übertragenen Leistungsbefugnisse vermittelt werden. Umso höher die Position im Unternehmen, desto genauer ist dieser zu erstellen. Besetzte der Arbeitnehmer während seiner Laufbahn intern mehrere Stellen, so sind diese zum Zweck eines nachvollziehbaren Gesamtbilds in (wie sonst auch) chronologischer Reihenfolge aufzuführen. Nicht zum Arbeitsverhältnis gehörig und somit auch nicht zu nennen ist bspw. eine Betriebsrat Angehörigkeit (Ferner wegen § 78 S.2 BetrVG).44 Die zu erwähnende Dauer des Arbeitsverhältnisses bezieht sich auf die rechtliche Dauer von Vertragsbeginn bis zum offiziellen Ausscheiden. Fehlzeiten und Unterbrechungen sind nur zu nennen, wenn sie ca. die Hälfte des Arbeitsverhältnisses ausmachen und somit einen signifikanten Einfluss auf den Inhalt des Zeugnisses haben.45
[...]
1 Vgl. Hirdina [Grundzüge], S. 249
2 Vgl. Brox/Henssler/Rüthers [Arbeitsrecht], S. 221 und Kokemoor/Wörlen [Arbeitsrecht], S. 114
3 Vgl. Hirdina [Grundzüge], S. 249
4 Vgl. Kaufmann-Jirsa/ Kilian [Arbeitgeber], S. 211
5 Vgl. Hirdina [Grundzüge], S. 251 f.
6 Vgl. Backer/Rambach/Wilken [Praxishandbuch], S. 15 f.
7 Vgl. Hirdina [Grundzüge], S. 251
8 Vgl. Hirdina [Grundzüge], S. 249
9 Vgl. Hirdina [Grundzüge], S. 251 f.
10 Vgl. Brox/Henssler/Rüthers [Arbeitsrecht], S. 221 f.
11 Vgl. Backer/Rambach/Wilken [Praxishandbuch], S. 55
12 Vgl. Brox/Henssler/Rüthers [Arbeitsrecht], S. 222
13 Vgl. Hirdina [Grundzüge], S. 250 undKaufmann-Jirsa/Kilian [Arbeitgeber], S. 214
14 Vgl. Backer/Rambach/Wilken [Praxishandbuch], S. 58 und Hirdina [Grundzüge], S. 250
15 Vgl. Hirdina [Grundzüge], S. 250 und Backer/Rambach/Wilken [Praxishandbuch], S.53f.
16 z.B.Prokurist (§48 ff. HGB) oder dem Arbeitnehmer ranghöherer Weisungsbefugter
17 Vgl. Backer/Rambach/Wilken [Praxishandbuch], S. 35
18 Vgl. Kokemoor/Wörlen [Arbeitsrecht], S. 222
19 Vgl. Kokemoor/Wörlen [Arbeitsrecht], S. 116
20 Vgl. Hirdina [Grundzüge], S. 251
21 Vgl. Kokemoor/Wörlen [Arbeitsrecht], S. 115 f.
22 Vgl. BAG, Urteil vom 03.03.1993, 5 AZR 182/92 (www. hensche.de)
23 Vgl. Hirdina [Grundzüge], S. 251 und Backer/Rambach/Wilken [Praxishandbuch], S. 36
24 Vgl. Kaufmann-Jirsa/ Kilian [Arbeitgeber], S. 228
25 Vgl. Backer/Rambach/Wilken [Praxishandbuch], S. 36
26 Vgl. Kokemoor/Wörlen [Arbeitsrecht], S. 116
27 Vgl. LAG Köln, Beschluss vom 27.03.2020, AZ 7 Ta 200/19 und Schmitt [Datum]
28 Vgl. Kaufmann-Jirsa [Arbeitszeugnis] und BAG, Urteil vom 09.09.1992, 5 AZR 509/91
29 Vgl. BAG, Urteil vom 09.09.1992, 5 AZR 509/91 (www.hensche.de)
30 Vgl. Kaufmann-Jirsa [Arbeitszeugnis]
31 Vgl. Hirdina [Grundzüge], S. 252
32 Vgl. Hirdina [Grundzüge], S. 252
33 Vgl. Hromadka/Maschmann [Arbeitsrecht], S. 554
34 Vgl. Kokemoor/Wörlen [Arbeitsrecht], S. 114 f., S. 117
35 Kokemoor/Wörlen [Arbeitsrecht], S. 117
36 Vgl. Hirdina [Grundzüge], S. 253
37 Vgl. Wilcken [Arbeitszeugnis], S. 395
38 Vgl. Caspers/Klumpp/Löwisch [Arbeitsrecht], S. 193 und Hirdina [Grundzüge], S. 255
39 Vgl. Kokemoor/Wörlen [Arbeitsrecht], S. 119
40 Negativ zu deutendes Schweigen (Kokemoor/Wörlen [Arbeitsrecht], S. 117)
41 Vgl. Kokemoor/Wörlen [Arbeitsrecht], S. 117
42 Vgl. Kokemoor/Wörlen [Arbeitsrecht], S. 119
43 Vgl. Wilcken [Arbeitszeugnis], S. 391
44 Vgl. Hirdina [Grundzüge], S. 252 und Wilcken [Arbeitszeugnis], S. 391
45 Vgl. Kokemoor/Wörlen [Arbeitsrecht], S. 116 undWilcken [Arbeitszeugnis], S. 391 f.
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