Die folgende Arbeit setzt sich im Rahmen eines künstlerischen Ansatzes mit dem sogenannten textilen Aktivismus auseinander. Sie geht dabei besonders auf die Arbeiten des in Afghanistan geborenen Künstlers Faig Ahmed ein.
1. Zum textilen Aktivismus 1990-2020.
Von der Seite eines textilen Aktivismus betrachtet, zeigen sich auch im kulturellen Gedächtnis fest verankerte Protestaktionen. Beispielsweise vollzog sich im Rahmen der 1968er-Studentenrevolte, als die beiden Studenten Detlev Albers und Gert H. Behlmer bei der feierlichen Übergabe des Rektorats der Universität Hamburg am 9. November 1967 unter ihren Anzügen ein Transparent hervorholten, auf dem „Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“ zu lesen war. Hier treffen textile Metaphern und Operationen zusammen: Albers beschreibt seine Kleidung retrospektiv als „Tarnanzug“, die Talare repräsentieren die Würdenträger sowie das Verschleiern der NS-Vergangenheit. Die Möglichkeit das Transparent zu falten sorgte dafür, dass die Durchführung der Aktion überhaupt erst möglich war. Bemerkenswert ist, dass das Banner mit weißem Klebeband auf schwarzem Stoff gestaltet war, statt wie üblich Schwarz auf Weiß. Die Schrift auf dem schwarzen Banner bezeichnet das, was unter einem anderen schwarzen Stoff verborgen wird.1
Textiler Aktivismus beruht auf einer langen Tradition. Vor allem in den Umbruchphasen der Revolution bzw. Kriegszeiten spielte der textile Aktivismus eine maßgebende Rolle. Er dient, z.B., als Mittel der Kriegspropaganda (Stricken für US-AMERIKANISCHEN Soldaten mit Slogan „Remember Pearl Harbor – Purl Harder“), als weibliche Geste der nationalen Unterstützung unter Bedingungen der industriellen Produktion, oder auch Zeichen des feministischen Einsatzes an der textilen Heimatfront in Österreich zwischen den Jahren des ersten Weltkriegs.
Der textile Aktivismus kann daher auch andernfalls für ein pazifistisches Andenken stehen. Wie zum Beispiel bei der Aktion "Knitting for Good". Die Schriftstellerin Betsy Greer agiert unter der Devise: "Make peace not war - Socken stricken für den Frieden."2 (Abb.1).
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Abb.1.Buch von Betsy Greer
Während der Corona Krise im Jahr 2020 waren die sogenannte DoItYourself (DIY) Community besonders aktiv. Als Beispiel dienen Hobbyschneiderinnen, die sich auf dem Youtube Kanal "einfach nähen" zusammengetan haben und dort diverse Schnittmuster für das Nähen von Mundschutzmasken erläutern (Abb.2).
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Abb.2. Bild von dem YouTube Kanal
"Händischer Aktivismus“ scheint in der aktuellen Krise dem vermeintlichen Gefühl von Nutzlosigkeit, verstärkt durch Inaktivität, Inmobilität und Ängsten als eine Art Beschäftigungstherapie entgegenzuwirken. Die heute neben dem Homeoffice und Care-Arbeit ihren Platz findet.3
Eine andere Online Initiative, die sich „Stay Home and Sew“ nennt, näht und strickt für lokale Helfergruppen. Somit "verbindet der über die individuelle, selbstgenähte Maske, die vereinzelt zu Hause Nähenden direkt mit der Front etwa das Pflegepersonal" 4
Außerdem sind solche von Hand gefertigten Objekte besonders begehrt und sinnvoll, wenn sie als ein Geschenk gedacht sind. Sie wirken mit einem ganz anderen energetischen Output und sorgen für Animismus bzw. wirken in einem gewissen Sinn "soulful" und sind somit wertvoller als industriell gefertigte Objekte in unserem Besitz. 5
Als ein anderes Beispiel lässt sich die Kampagne des „Weißen Ringes“ zur Sensibilisierung von häuslicher Gewalt nennen, bei der prominente Frauen Masken mit entsprechenden Aufschriften tragen.
Ebenso dient der Fall des George Floyds mit der Aufschrift „I Cant Breathe“ als Beispiel für Craftivist Collective (Abb.3).
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Abb.3. Bild von einem Aktivisten
In den oben genannten Beispielen ging es in erster Linie um handgefertigten Aktivismus, der mit dem Begriffcraft/craftismdefiniert werden soll.
Craft oder Craftism meint das Erstellen eines handgefertigten Produktes oder das Produkt selbst.
Craftistas haben schon mehr als eine hundertjährige Tradition hinter sich. Überwiegend sind Frauen dafür zuständig gewesen
Als Beispiele kann man die Tricoteuses in Frankreich, Suffragetten in England oder Frauenvereine in Deutschland bzw. Österreich nennen. Es gibt auch eine männliche Gruppe Sansculottes (Abb.4).
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Abb. 4 Aktivistin Emmeline Pankhurst strickt im Gefängnis
Dabei sollten feministische Aktivistinnen nicht zwangsweise mit stricken, nähen, weben oder sticken verbunden werden.
Aktivistinnen gehen auch auf die Straßen oder veranstalten Proteste vor den Amtsgebäuden wie z.B. im Sommer 2020 bei dem Protest in Warschau gegen den von Polens Justizminister initiierten Austritt aus der Istanbul-Konvention. Die Aktivistinnen sind in schwarze und rote Roben gekleidet und tragen weiße Hauben als Erinnerung an die Kampagne im Jahr 1977 von Suzanne Lacy und Leslie Labowitz, bei der gegen die häusliche Gewalt an Frauen protestiert wurde.
In Russland und der Ukraine sind beispielsweise die politische Aktivistengruppe „Pussy Riot“ bekannt.
Die textilen Aktivisten benutzen verschiedene Mittel für ihren Einsatz. Dazu zählen Banner, Verhüllungen, Kleidungen oder Mischformen der genannten Methoden.
Die Formen von textilem Aktivismus zeigen symptomatische Ambivalenz. Einerseits existiert der Prozess des Stickens, Webens, Strickens und Nähens, anderseits die Handlung des Anziehens, Auftragens, Entfaltens, Auslegens und Aushänges in der Öffentlichkeit.
Als weiteres Beispiel werden die Aktionen von Kommando Agnes Richter genannt. Das ist die Gruppe von jungen Künstler, die verschiedene Denkmäler bestricken oder behäckelt. Damit versuchen sie die verschiedensten politischen oder historischen Ereignisse ins Bewusstsein widerzurufen. Am Samstag den 12.03.2011 hat das Kommando Agnes Richter Aktion in Frankfurt am Main (Abb. 5).
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Abb.5. Strick-Flashmob an der Börse, Bernd Kammerer
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1 Leena Crasemann und Anne Röhl, Einleitung. Hard-Pressed zum Aktivismus, 1990-2020, in: FKW. Zeitschrift für Geschlechlechterforschung und visuelle Kultur, Nr.68 (Oktober 2020), S.020
2 Elke Gaugele, Revolutionäre Strickerinnen. Textilaktivistinnen und die Militarisierung der Wolle. Handarbeit und Feminismus in der Moderne, in: Dies. Critical Crafting Circle (2011): Craftivista! Handarbeit Aktivismus, Mainz, Ventil Verlag KG, S.26
3 L. Crasemann und A. Röhl, S.007
4 L.Crasemann und A. Röhl, S.008
5 Vgl.S.008
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