Autismus
Was ist Autismus:
Wenn man das Wort Autismus hört, denkt man sogleich an Automobil, das von selbst fährt und an Automat, der selbst bedient. Damit hat man die griechische Wurzel des Wortes autos, das selbst bedeutet.
Die Wortschöpfung Autismus geht auf den bekannten Schweizer Psychiater Eugen Bleuler zurück. Er prägte 1914 die Begriffe ,,autistisch" und ,,Autismus". Damit meinte er einseitig auf sich selbst bezogenes Denken, das er vor allem bei Schizophrenen beobachtet hatte. Diese psychische Krankheit hieß vor ihm - nicht sehr glücklich - Dementia praecox (frühzeitiger Schwachsinn). Bleuler dehnte die Bezeichnung ,,autistisch" auch noch weiter aus, indem er in einer Schrift von 1919 über ,,das autistisch undisziplinierte Denken in der Medizin und seine Überwindung" schrieb.
Leo Kanner, im Osten der Donaumonarchie geboren, vorwiegend in Berlin ausgebildet und 1924 nach Amerika ausgewandert, und der Wiener Pädiater Hans Asperger haben ihr Augenmerk auf eigenartige Verhaltensweisen bei Kindern gelenkt, bei denen Kontaktstörungen und extreme Bezogenheit auf sich selbst die am meisten hervorstechenden Merkmale sind. Kanner nannte dieses Erscheinungsbild ,,frühkindlicher Autismus" und Asperger ,,autistische Psychopathie". Der Zeitpunkt dieser Erstbeschreibung war der Zweite Weltkrieg, nämlich 1943/44. In Europa wurde diese schwere Verhaltensstörung als neues Syndrom erst Ende der vierziger Jahre bekannt. Das Interesse für sie wuchs dann etwa von 1962 an rapide. Immer mehr Kinderpsychiater, Psychologen, Heilpädagogen und Angehörige verwandter Berufe, nicht zu vergessen aber auch die Eltern betroffener Kinder entdeckten bei ihren eigenen, bei ihnen anvertrauten oder vorgestellten Kindern seltsame Verhaltensweisen, die den Beschreibungen von Kanner und Asperger entsprachen oder ähnlich sahen. Die Bereitschaft, sich mit kindlichem Autismus zu beschäftigen, schwoll bis 1980 so stark an, dass man geradezu von einem Boom sprechen könnte.
In den ersten Jahrzehnten nach der Entdeckung des kindlichen Autismus ging es vorwiegend um die Diagnose und um den Versuch der Abklärung der Ursachen. Die ersten therapeutischen Versuche bestanden in verschiedenen Konditionierungsmaßnahmen. Aus diesen Anfängen heraus hat sich allmählich ein breit gefächertes Behandlungsangebot entwickelt. Seitdem man sich, vor allem im deutschsprachigen Raum, mit dem autistischen Kind beschäftigt, hat sich die Tendenz verbreitet, seine eigenartigen Verhaltensweisen zu mythologisieren. Weil Reaktionen und Lebensäußerungen des Autisten für den Laien so wenig einfühlbar sind, er sich auch schwer erklären kann, wie derartig abnormes Verhalten auftritt, wird Autismus zur rätselhaften Krankheit oder Behinderung. Das Kind wird zum ,,unheimlichen Fremdling" (Delacato), es befindet sich in einem ,,Schneckenhaus" oder einer ,,Glaskugel" (K.S. unker) oder in einer ,,uneinnehmbaren Festung" (C. ark). Diese gewisse Rätselhaftigkeit teilt der kindliche Autismus mit vielen psychischen Krankheiten, sicher mit den sog. Schizophrenen Psychosen, zu denen im Erscheinungsbild eine Beziehung besteht.
Das Syndrom des kindlichen Autismus ist heute klar definiert. Wenn die Symptome deutlich ausgeprägt sind, kann niemand an der Diagnose zweifeln. Wenn diese Diagnose oft so spät gestellt wird, worüber Eltern immer wieder klagen, so liegt das nicht an der Rätselhaftigkeit des Autismus, sondern an der Unkenntnis der entsprechenden Diagnostiker.
Auch gewisse Schwierigkeiten, die Ursachen autistischen Verhaltens aufzuklären, machen das autistische Syndrom nicht rätselhafter als andere psychische Störungen, z.B. die Psychosen. Selbst bei zahlreichen körperlichen Krankheiten weiß man über die Ursache(n) nicht sehr viel.
Autismus Spezialgebiet Psychologie Zusammengefaßt kann die anfangs gestellte Frage ,,Was ist Autismus?" wie folgt beantwortet werden: Der kindliche Autismus ist eine schwere chronische Verhaltensstörung, bei der die Einschränkung des Kontakts, die Bezogenheit auf sich selbst im Vordergrund steht.
Das Erscheinungsbild:
Wie das autistische Syndrom bei einzelnen betroffenen Individuen sich darstellt, wird am besten klar, wenn wir uns das Erscheinunsgbild an einem Beispiel vor Augen führen: Beispiel Thomas(9 Jahre alt):
Die Mutter hatte in der Schwangerschaft im 8. Monat Blutungen. Die Geburt 14 Tage vor dem errechneten Termin verlief bis auf die Gabe von Wehenmitteln normal. Das Kind verhielt sich von Anfang an auffällig, war am liebsten allein, hatte schlechten Blickkontakt; es schien die Mutter mit den Händchen abzuwehren, wenn sie es auf den Arm nehmen wollte. Es nahm eher mit den niederen Sinnen Riechen und Tasten Kontakt mit der Umwelt auf, reagierte manchmal nicht auf akustische Reize, erschien wie taub. Das Schreien in der Säuglingszeit hatte keinen Signalcharakter. Bei der Ernährung bestanden insofern Schwierigkeiten, als der Junge spät und bis heute unvollkommen kauen lernte. Es waren und sind z.T. heute noch verschiedene motorische Stereotypien wie Sich-Wiegen, Hüpfen, Drehen der Hände und Arme, Sich-um-sich- selbst-Drehen vorhanden. Es bestehen und bestanden auch gewisse Zwangsmechanismen. Auffallend ist auch ein geringes Schlafbedürfnis.
Diesen als negativ bewerteten Verhaltensauffälligkeiten steht eine ganze Reihe von positiven Leistungen gegenüber: Die Sprache entwickelte sich ziemlich früh. Mit 6 bis 7 Monaten soll Thomas schon das Wort ,,Auto" gesagt haben. Mit dem Thema Auto, Drehen, Räder beschäftigte er sich von da an intensiv. Der Junge hatte bald einen großen Wortschatz, sprach früh vollständige und grammatikalisch richtige Sätze. Er kannte bald danach Wochentage, konnte die Farben benennen. Er sprach aber immer etwas eigenartig, oft zu laut, obwohl er gut hört. Er beschäftigte sich früh mit Zahlen, die für ihn z.T. eine magische Bedeutung zu haben schienen. Thomas führt häufig Selbstgespräche; er hat eine z.T. abstruse Phantasie, beschäftigt sich mit einem Traumland, für das er eigenartige geographische Namen erfindet. Er zeichnet von diesem Land Phantasielandkarten. Sein frühes und starkes Interesse für Rock- und Pop-Musik hat zwanghaften Charakter, indem er stets das Rundfunkprogramm auswendig weiß und dabei kontrolliert, ob und wann die Sendungen kommen. Thomas besitzt ein Kalendergedächtnis, d.h. er kann über Jahre jeden beliebigen Wochentag bestimmen. Schon mit 5 Jahren hat er sich ohne wesentliche Hilfe der Eltern das Lesen und Schreiben selbst beigebracht. Auch seine Rechenleistungen sind vorwiegend autodidaktisch entstanden. Thomas beschäftigt sich vorwiegend allein, er hat keine richtigen Freunde. Durch sein eigenartiges Verhalten stößt er sicherlich Partner zurück, legt auf den Umgang mit Gleichaltrigen aber auch keinen Wert. Er kommuniziert fast nur mit Erwachsenen.
Bei diesem psychopathologisch erheblich gestörten Jungen wurde die Diagnose ,,autistisches Syndrom" erst im 9. Lebensjahr gestellt. Er galt bis dahin als gesund, wurde nur als ,,Spätentwickler" bezeichnet; man vertröstete die Eltern.
Symptomatik:
Kanner hat 1943 folgende Punkte herausgestellt: Am Anfang steht die Unfähigkeit, zu Menschen und in Situationen normale Beziehungen aufzunehmen, das extreme autistische Alleinsein. Hinzu kommen das ausgezeichnete mechanische Gedächtnis, der zwanghaft ängstliche Wunsch nach Beibehaltung des Gleichmaßes, die Neigung zum Wiederholen und die damit verbundene Einschränkun in der Variabilität spontanen Handelns. Dazu kommen verschiedene Störungen der Sprache, angefangen mit völliger Sprachunfähigkeit - von Kanners 11 Kindern waren 3 mutistisch (stumm) - bis zu verschiedenen Spracheigentümlichkeiten, wie Echolalie (echohaftes Autismus Spezialgebiet Psychologie Nachsprechen) - auch als sog. Verspätete Echolalie - , pronominale Umkehr - du statt ich - , gestörte Sprachmodulation - Monotonie der Aussprache, fehlende Hebungen, zu laut oder zu leise etc. - , eigenartiger Umgang mit Begriffen, die z.T. einen Bedeutungswandel erfahren. Es kommen aber auch sog. Neologismen ( Wortneubildungen) und die Erfindung einer eigenen Sprache vor.
Zu diesen Verhaltensauffälligkeiten werden von Asperger noch einige hinzugefügt. Er beobachtete Bewegungsstereotypien, Negativismus, ,,Bosheitsakte", gelegentlich sogar sadistisches Verhalten; weiter Abneigung gegen bestimmte Berührungsqualitäten, aber auch gegen manche Geschmacksempfindungen, Bevorzugung von sauren, salzigen und scharfen Speisen, was für Kinder ganz ungewöhnlich ist und bei Autisten oft zu Eßproblemen führt. Asperger erwähnt auch Ordnungszwang, die Neigung zum Sammeln und den fetischartigen Umgang mit Lieblingsgegenständen. Die Sexualität autistischer Kinder sei unharmonisch, exzessive Masturbation komme öfters vor, dabei fehle es meist an Schamgefühl. Überhaupt sei die Gefühlswelt disharmonisch, man finde Gemütsarmut, Egozentrik, Distanzlosigkeit und Humorlosigkeit.
Die bisher erörterten Verhaltensauffälligkeiten autistischer Kinder geben noch keine erschöpfende Übersicht über die gesamte Vielfalt der Symptomatologie. Im Laufe der Jahrzehnte sind noch manch andere Besonderheiten beobachtet worden:
- Ungewöhnliche Reaktion auf Laute/Geräusche (z.B. Nichtreagieren auf sehr laute Töne oder Sprache; Faszination durch Raschel-, Rauschtöne etc.; unerklärliche Angstreaktionen, überschießende Reaktion auf bestimmte Laute)
- Das jeweilige Kind bevorzugt typische, spezifische Geräusche (z.B. Wasserrauschen;
Haushaltsmaschinen; Motorgeräusche; Scheppern; Klopftöne; Musik); verhält sich aber oft wie taub.
- Ungewöhnliche Reaktion auf optische Reize (z.B. Nichtreagieren auf Gesten oder auffällige Reize; Faszination durch Glitzern, Flimmern, Reflexe, gleichmäßige Objektbewegungen, Drehbewegungen runder Gegenstände, Blättern in Bücher etc.)
- Das jeweilige Kind bevorzugt typische, spezifische optische Reize.
- Vermeidung des Blickkontakts (Augenschließen, Vorbeisehen bei Ausrichten des Gesichts auf Personen.
- Wahrnehmung von Personen/Dingen durch (scheinbares) Vorbeisehen - kein Fixieren (,,schweifender" Blick).
- Tendenz, nur kurze Blicke auf Personen/Dinge zu werfen.
- Paradoxe Reaktionen auf Sinnesreize (z.B. Augen bedecken bei Geräuschen, Ohren zuhalten bei Lichtreizen).
- Stereotype Bewegungen von Körperteilen (z.B. Händen, Fingern) und Gegenständen (z.B. Lappen, Fäden) im Blickfeld (kratzt häufig und langandauernd auf allen möglichen Oberflächen).
- Bevorzugung komplizierter optischer Strukturen (z.B. Puzzle, verschiedene Muster, Tapeten). · Bevorzugung des Geruchssinns (z.B. Schnüffeln an Personen/Dingen), des Geschmackssinns (z.B. Ab-, Anlecken von Gegenständen) gegenüber dem Gesichts-/Gehörsinn. · Unempfindlichkeit gegenüber Kälte-, Hitze-, Schmerz- oder unangenehmen Geschmacksreizen · Ungewöhnliche Reaktionen auf Berühren (z.B. Ablehnung sanfter Berührungen, Umarmungen, Küsse - Bevorzugung heftiger, manchmal schmerzhafter Reize)
- Neigung, sich selbst Schmerzen zuzufügen (z.B. Kopf gegen harte Gegenstände schlagen, Augen/Ohren bohren, Wunden aufkratzen).
- Ordnung der Umwelt nach starren, kaum durchbrechbaren Regeln (z.B. Zimmerordnung, Bevorzugung bestimmter Kleidung; gleiche Spazierwege)
Autismus Spezialgebiet Psychologie
Besonderheiten der Sprache:
Die bisher nur kasuistisch beschriebenen Eigentümlichkeiten der Sprache müssen noch ausführlicher erörtert werden. Wenn man davon absieht, daß etwa 40% der autistischen Kinder mutistisch sind, so zeigt auch der größte Teil der restlichen 60% irgendwelche Sprachabnormalitäten. Die erste ist die sog. Echolalie: Vorgesprochene Wörter oder Sätze werden wiederholt. Das kommt als kurzes Durchgangsstadium jeder normalen Sprachentwicklung vor, denn ohne Imitiation der Elternsprache kann kein Kind sprechen lernen. Bei den Autisten bleibt jedoch die Echolalie über Jahre - evtl. bis ins Jugendalter - erhalten. Bei der Frage: ,,Willst du ein Bonbon haben?" wiederholt das Kind: ,,Willst du Bonbon haben?". Es spricht diese Sätze oder Satzfragmente im gleichen Tonfall aus, wie sie vorgesprochen wurden. Man beobachtet aber auch verspätete Echolalie, d.h. Sätze der Mutter, oft Aufforderungen oder Verbote, werden bei einer anderen Belegenheit wieder vorgebracht. Dann wiederholt das Kind diese Sätze oft ständig, was man Iteration nennt. Man hat den Eindruck, daß es Beschäftigungslücken einfach mit dieser Echolalie ausfüllt, die gar keinen Bezug zur augenblicklichen Situation hat.
Im Zusammenhang mit der Echolalie entwickelt sich beim autistischen Kindern oft eine weitere, recht spezifische Spracheigentümlichkeit: die pronominale Umkehr. Aus der Fragewiederholung in obengenanntem Beispiel entsteht die Tendenz, sich selbst mit Du zu benennen. Auch dieses Phänomen kann bei autistischen Kindern über viele Jahre erhalten bleiben. Sie benennen sich grundsätzlich nicht mit Ich, sondern mit Du, evtl. mit ihrem Eigennamen. Dieses verspätete oder erschwerte Ich-Sagen autistischer Kinder ist offenbar kein psychologisches, sondern ein linguistisches Phänomen. Die gesamte Sprachentwicklung ist meistens gestört, oft verzögert. Teils in Zusammenhang mit der Tendenz zur Isolation - das Kind hat Sprache als Kommunikationsmittel nicht nötig - aber wahrscheinlich auch wegen gewisser Defekte der zerebralen Sprachapparate, der Sprachzentren, entwickelt sich eine qualitativ andere Sprache als bei normalen Menschen. Das autistische Kind hat Schwierigkeiten, eine ganze Reihe von Sprachregeln richtig zu verstehen. Manche Autisten haben Probleme mit den Präpositionen; sie tun sich z.B. schwer, auf, über und unter richtig anzuwenden. Manchmal funktioniert auch der Ausdruck der Zeiten nicht richtig oder andere grammatische Regeln können nicht zufriedenstellend beachtet werden. Manchmal hat man den Eindruck, dass die Kinder überhaupt den eigentlichen Sinn der Sprache als Kommunikationsmittel nicht richtig verstanden haben. Ein typisches Beispiel dafür, dass Sprache nicht zur Kommunikation angewandt wird, ist die Neigung zu Selbstgesprächen. Ein autistisches Kind spricht kaum mit Partnern, aber alleingelassen viel mit sich selbst. Spiele werden mit Sprechen begleitet. Es unterhält sich mit Puppen oder diese sprechen miteinander. Bei höherer Intelligenz werden im eigenen Zimmer sogar komplizierte Diskussionen geführt, manchmal mit verteilten Rollen. Gelegentlich kommt bei Autisten ein eigenartiges Sprachphänomen vor: sie erfinden Ausdrücke (Neologismus) oder sogar eine eigene, für niemand verständliche Sprache. Eigentümlichkeiten der Sprache:
- Vorsprachliche Lautäußerungen des Säuglings, wie z.B. Schreien, haben für die Mutter keinen Signalcharakter
- Kein Sprechen, stattdessen Ziehen oder Reißen am Kommunikationspartner bei Willensäußerung (auch fehlendes Sprachverständnis)
- Verzögerte Sprachentwicklung. Zurückgehen schon erworbenen Sprachvermögens bis zum Verstummen (Sprachknick)
- Ein-Wort-Äußerungen statt Satz- und Textäußerungen
- Vorwiegender Gebrauch von Haupt- und Tätigkeitswörtern (Schwierigkeiten bein Benutzung
Autismus Spezialgebiet Psychologie von Für-, Verhältnis- und Bindewörtern): Konkretischer Sprachgebrauch · Grammatisch nicht korrekter Satzbau
- Wörtliche Wiederholungen von Fragen und Äußerungen des Kommunikationspartners (unmittelbare Echolalie)
- Schwierigkeiten bei der Anwendung örtlicher Präpositionen (auf, unter, vor etc.) und anderer örtlicher Begriffe (oben, unten, innen, außen etc.)
- Vertauschen von Personalpronomen (Du statt Ich) · Wenig oder kein spontanes Sprechen
- Sprechen häufig nicht der Situation angemessen
- Wenig oder kein kommunikatives Sprechen, Neigung zu Selbstgesprächen (gelegentlich mit verteilten Rollen)
- Bizarre Äußerungen, floskelhafte Sprache, Wortspiele, Wortverdrehungen, skurrile Neuschöpfungen, Schimpfen (bei höherem Sprachniveau)
- Wenig personenorientiertes Sprechen mit Blickzuwendung
- Fehlende oder das Sprechen nicht unterstützende Gestik, Mimik (geringe Veränderungen bei emotionalem Ausdruck; manchmal ,,gegenläufige" Mimik)
- Auffälliges Sprechen (hohes, leises, sehr gleichartiges, schnelles, verwaschenes oder singendes Sprechen)
- Artikulationsschwierigkeiten bei bestimmten Lautkombinationen oder wegen zu geringer Mund/Zungenmotorik
- Insgesamt größeres Sprachverständnis als aktive Sprachkompetenz
- Bedeutungs- Informationsentnahme über die Situation, in der gesprochen wird (weniger über die Sprache selbst)
- Schwierigkeiten im Verständnis von weniger gebräuchlichen Fragefürwörtern und komplexen Sätzen
- Verwechseln von klang-/bedeutungsähnlichen Wörtern
- Bedeutungsentnahme (Sinn) beim Verständnis von Sprachäußerungen vorwiegend über Haupt/Tätigkeitswörter (Schwierigkeiten im Verständnis von Für-, Verhältnis- und Bindewörtern): Konkretistisches Sprachverständnis
- Schwierigkeiten, Informationen/Bedeutungen aus Gesten, Mimik,Betonung, Ironie etc. zu entnehmen (Unfähigkeit, Konnotationen zu verstehen)
- Häufige Beschäftigung mit negativen Themen (Tod, Unfall, Krankheit etc.)
Sonderleistungen:
Es ist schon lange bekannt, dass Autisten, wenn ihre Intelligenz im Bereich der Norm oder der Lernbehinderung liegt, manchmal auffallende Sonderleistungen zeigen. Bei solchen Menschen sind in der Literatur schon öfters hervorstechende Fähigkeiten auf bestimmten Spezialgebieten beschrieben worden. Sie stechen in auffallender Weise von sonstigen Mängeln ab. Bekannt sind hier vor allem musikalische Sonderbegabungen.
Erstaunlich ist das schnelle Lernen von Melodien, welches oft mit der entsprechenden Einordnung nach Komponisten bzw. Schallplatten einhergeht. Ferner gibt es zahlreiche Autisten, die Instrumente spielen, von denen einige sich das sogar selber beigebracht haben. Unter anderen Sonderleistungen autistischer Menschen sind vor allem solche zu nennen, die sich auf das Gedächtnis beziehen.
Hier ist immer wieder auf das sog. Kalendergedächtnis hingewiesen worden. Es handelt sich dabei um Menschen, die in der Lage sind, von jedem beliebigen Datum nach einigen Sekunden den richtigen Wochentag zu sagen. Eine solche Fähigkeit erwächst wohl nicht allein aus einer gesteigerten Leistung der Merkfähigkeit und des Gedächtnisses, vielmehr muss auch das
Autismus Spezialgebiet Psychologie Vorstellungsvermögen auf visuellem oder akustischem Gebiet besser funktionieren als im Normalfall. Dazu gehört dann noch ein starkes Interesse für ein bestimmtes Gebiet wie hier die Daten (bekannt sind auch Autisten, die das ganze Kursbuch im Kopf haben und sich mit größtem Vergnügen von der pünktlichen Abfahrt der Züge am Bahnhof oder durch eigene Bahnfahrten überzeugen).
Auch noch ein paar andere außergewöhnliche Leistungen werden in der einschlägigen Literatur genannt: Ein autistischer Junge konnte das Alphabet fast so gut rückwärts wie vorwärts hersagen. Ein anderer Junge konnte tadellos japanisch und altenglisch schreiben, allerdings ohne den Inhalt des Textes zu verstehen. Auch erstaunliche Kenntnisse auf bestimmten Wissensgebieten werden bei autistischen Menschen immer wieder beobachtet, so z.B. in der Geographie. Als Mehrleistung, die über derjenigen Gleichaltriger steht, kann auch das hervorragend exakte und schnelle Lösen von schwierigen Puzzles gelten.
Eine andere Besonderheit autistischer Kinder ist ihre eigenartige Gewohnheit beim Malen und Zeichnen. Das zeigt sich zunächst in dem z.T. abstrusen Inhalt ihrer Zeichnungen - Hunde mit 5 Beinen etc.
Dabei fällt oft auf, dass die Kinder den Gegenstand, nämlich den Stift, nicht fixieren, sondern scheinbar daneben gucken.
Sonderleistungen:
- Musikalische Fähigkeiten (z.B. absolutes Tongehör)
- Außergewöhnliche umschriebene Leistungen im Umgang mit Zahlen (z.B. sog. Kalendergedächtnis), evtl. auch ohne aktive Sprache
- Umschriebene hervorragende Leistungen auf Spezialgebieten (Geographie, Chemie, Mathematik, Ornitologie etc.)
- Großes Geschick auf technischem Gebiet, aber auch bei komplizierten Puzzles
- Fähigkeiten eher im abstrakten als im konkreten Bereich (insbesondere bei hohem Funktionsniveau)
- Ein ungewöhnliche Gedächtnisform, die eine langfristige Speicherung von Einzelheiten in der exakten Form, in der sie zuerst aufgenommen wurden, zu erlauben scheint (z.B. Sätze und Teile von Unterhaltungen, Gedichte, Tabellen, Musikpassagen, den Weg zu einem bestimmten Ort, das Arrangement von Gegenständen, die einzelnen Stufen, die bei einer Routinehandlung befolgt werden müssen, ein kompliziertes visuelles Muster usw.)
- Erkennen von auf dem Kopf stehenden Bildern und Schrift
- Manche Fähigkeiten sind plötzlich vorhanden, ohne daß man weiß, wie sie erworben wurden · Erfinden eigener Wörter (Neologismus), gelegentlich einer - unverständlichen - Privatsprache
Angst:
Eine bisher sehr unterschiedlich interpretierte Frage ist die, ob autistische Kinder besonders ängstlich sind oder nicht. Schon aus manchen älteren Symptombeschreibungen erfuhr man, dass Autisten reale Gefahren nicht erkennen und abschätzen könnten, dass sie z.B. ohne Bedenken in lebhaftem Verkehr die Straße überqueren würden oder dass sie in halsbrecherischer Weise auf das Dach des Hauses kletterten.
Beim Menschen läßt sich Angst nicht nur aus dem Verhalten - Flucht, Rückzug u.ä. - ableiten, sondern in starkem Maße aus der Mimik.
Alle diese Kriterien der Angstbeurteilung haben für autistische Menschen nur mit Einschränkung Gültigkeit. Die Mimik ist eben oft nicht adäquat. Ein Kind lacht, wenn man Mißstimmung erwartet und umgekehrt. Auch bei den Kindern, bei denen es möglich ist, ein geordnetes Gespräch zu führen, erfährt man selten etwas über ihre Gefühlswelt. Diese entspricht häufig nicht der Altersnorm. Die Denkinhalte sind nicht selten negativ. Die Kinder beschäftigen sich
Autismus Spezialgebiet Psychologie gerne mit Unglücken, Todesfällen, Bränden, Katastrophen u.ä. Sie bevorzugen solche Themen in Gesprächen, beim Fernsehen oder beim Zeitunglesen. Dazu gehört manchmal auch eine negative Grundstimmung.
Dem stehen aber auch zahlreiche autistische Kinder gegenüber, meist sind es die weniger intelligenten, die einen durchaus zufriedenen, ja glücklichen Eindruck machen, obwohl sie schwere Verhaltensstörungen aufweisen.
Der autistische Mensch ist nur schwer in der Lage, seine Gefühle durch sein Verhalten - evtl. durch Rückzug -, durch seine Mimik und/oder verbal so auszudrücken, dass es die Partner verstehen.
Eßstörungen:
Nicht selten beobachtet man bei autistischen Kindern Störungen, die mit der Nahrungsaufnahme und der Darmentleerung zusammenhängen. Mangelndes Kauen, eigentümliche Vorlieben, viel Trinken aufgeführt. Zusätzlich beobachtet man aber auch unmäßiges Essen und das Verschlingen von nicht eßbaren Dingen.
Nicht nur der Verzehr, auch die Ausscheidung der verdauten Nahrungsmittel kann bei autistischen Menschen gestört sein. Unabhängig vom Einnässen und Einkoten im Zusammenhang mit einer Entwicklungsverzögerung gibt es vor allem Stuhlverhaltungen, die im Grunde nichts mit Verstopfung zu tun haben. Der Stuhl wird mehr oder weniger bewußt - oder zwanghaft - zurückgehalten. Er wird nur unter ganz bestimmten Bedingungen - viel zu selten - entleert. Die Kinder oder Jugendlichen manipulieren in ihrem After und schmieren dann mit ihrem Kot.
Diese Symptome hängen wahrscheinlich auch mit der gestörten Wahrnehmungsverarbeitung zusammen. Dabei können Hunger- und Durstgefühl und die Wahrnehmung des gefüllten Enddarms nicht normal sein. Aber auch das normale Gefühl des Ekels scheint zu fehlen.
Irgendwie werden von den Autisten nicht nur die Reize aus der Umwelt, sondern auch diejenigen aus dem eigenen Körper in gestörter Weise wahrgenommen. Deswegen fällt es auch so schwer bei einem autistischem Kind etwas über sein Befinden, über Schmerzen oder Unwohlsein zu erfahren.
Physiognomie:
Schon die Erstbeschreiber des autistischen Syndroms Kanner und Asperger haben hervorgehoben, dass die meisten autistischen Kinder besonders ansprechend aussähen. Sogar von ,,Prinzengesicht" war die Rede.
Die Physiognomien der Autisten unterscheiden sich nur geringfügig von denen der normalen Kinder. Charakteristisch für den ,,autistischen" Gesichtsausdruck ist der Eindruck der Traurigkeit, Leere, Abwesenheit und Ausdrucksarmut.
Epileptische Anfälle:
Autistische Kinder und Jugendliche sind, wenn man von angeborenen Fehlbildungen und eventuellen Begleitkrankheiten absieht, körperlich gesund. Eine krankhafte Störung kommt aber beim autistischen Syndrom häufig vor: Neigung zu epileptischen Anfällen. Gelegentlich treten diese schon im Säuglings- oder Kleinkindalter auf - evtl. auch als sog. Fieberkrämpfe -, häufiger werden sie aber erst von der Pubertät an beobachtet.
Epileptische Anfälle treten bei schwerer geistig behinderten Autisten häufiger auf als bei den übrigen.
Ätiologie(Lehre von den Ursachen der Krankheiten):
Autismus Spezialgebiet Psychologie Störung der Wahrnehmungsverarbeitung:
Es steht fest, dass beim voll ausgeprägten autistischen Syndrom eine Störung der Wahrnehmungsverarbeitung vorliegt. Das Kind kann die sensiblen und sensorischen Reize aus seiner Umwelt, wahrscheinlich auch aus seinem eigenen Körper, nicht richtig koordinieren. Die Synthese, die zum normalen psychischen Funktionieren notwendig ist, gelingt nur unvollkommen. Diese Schwierigkeit in der Wahrnehmungsverarbeitung beginnt wahrscheinlich schon bei der Auswahl der angebotenen Reize aus der Umwelt. Um sich in der Umwelt zu orientieren, bedarf es eines Filters, der das in der aktuellen Situation nicht Notwendige aussondert. Es wird angenommen, dass ein Reglersystem im Gehirn gestört ist. Möglicherweise in Zusammenhang mit diesen Störungen ist aber auch die Koordination der Reize auf den verschiedenen Sinnesgebieten beeinträchtigt (Psychologische Experimente: Kinder hatten Schwierigkeiten, optische und akustische Reize zu koordinieren => Verhalten wie Taube oder Blinde, obwohl Wahrnehmung der Augen und Ohren intakt.)
Die Annahme einer solchen Koordinationsstörung der Wahrnehmung erklärt u.a. das Ausweichen autistischer Kinder auf die niederen Sinne (Riechen, Tasten, Bewegungsempfindung). Die Speicherung von Sinneseindrücken - das Gedächtnis - ist bei autistischen Menschen anders. Sie behalten Geschehenes und Gehörtes im Gedächtnis, was man normalerweise vergisst, andere Erlebniseindrücke können sie nicht wieder reproduzieren. Der exakte Mechanismus dieser Wahrnehmungsverarbeitungsstörungen ist bis heute nicht bekannt. Es werden verschiedene Hypothesen angeboten (Kybernetisches Modell, 2-System-Prozeß, der die Wahrnehmungseindrücke in Neues und Bekanntes unterteilt).
Anatomische Befunde:
Bis heute gibt es ziemlich wenig Autopsiebefunde des Gehirns von verstorbenen Autisten. 1976 hat Darby die bis zu diesem Zeitpunkt bekannten anatomischen Befunde zusammengestellt. Das Problem => die in früheren Zeiten unbestimmte Diagnose. Es wurde zum Teil nicht klar, zwischen kindlicher Schizophrenie, infantiler Demenz, verschiedenen Formen von geistiger Behinderung und kindlichem Autismus unterschieden. Man fand verschiedene Hirnkrankheiten wie: Tuberöse, Sklerose und Lipoidose, entzündliche Veränderungen sowie atrophische und hypotrophische Prozeße (Schrumpfung und mangelnde Entwicklung).
Es scheint jedoch kaum ein ganz typischer Autist bei diesen Untersuchungen dabeigewesen zu sein. 1985 haben Baumann und Kemper über die Autopsie eines 22jährigen wohl typischen Autisten berichtet. Hier fand man eine Schrumpfung(Atrophie) der Kleinhirnrinde mit Verlust der sogenannten Purkinje-Zellen (Gehirnzellen).
Bei einem Versuch anhand von Computertomogrammen fand man jedoch keine signifikanten Unterschiede, die auf Hirnatrophien oder dergleichen hinweisen würden. Die Motorik und ihr abnormes Funktionieren ist sicher ein wichtiger Bestandteil des autistischen Syndroms. Das Hin-und Herbewegen des Körpers, das Schaukeln, das sich wie ein Kreisel um-sich-selbst- drehen, das Ausführen und Beobachten kreiselnder Bewegungen mit Objekten kommt bei den meisten Autisten vor.
Die Wiege und das Schaukel auf dem Arm sind das beste Mittel, um einen Säugling zur Ruhe zu bringen. Diese Bewegungen werden peripher vom Labyrinth des Innenohrs aufgenommen, von dort zum Vestibulariskern im verlängerten Rückenmark und dann zum sogenannten Deiters-Kern im Kleinhirn weitergeleitet. Mit der Reifung des Kleinhirn-Vestibularis-Systems, wenn das Kind älter wird, wird das Bedürfniss zu schaukeln geringer. Für den Erwachsenen nimmt diese
Autismus Spezialgebiet Psychologie Vestibularis-Reizung gelegentlich eher einen unangenehmen Charakter an und führt zu Schwindelgefühl (z.B.Seekrankheit).
Die Hypothese, dass eine Störung im Kleinhirn-Vestibularis-Bereich zumindest eine Reihe von Symptomen des Autistischen Syndroms erklärt, hat also einiges für sich. Sie lässt sich mit einer Verminderung der Purkinjezellen in der Kleinhirnrinde in Zusammenhang bringen. Dabei muß offen bleiben, ob es sich um Reifungsverzögerung oder um eine erworbene Störung handelt. Viele Hypothesen zur Lokalisation der Autismus-Symptomatik im Gehirn deuten auf die Schläfenlappen, auf das Kleinhirn und auf Verbindungen zwischen diesen Hirngegenden bis herab zum Vestibulariskern im Stammhirn hin. Es bestehen zweifellos auch Zusammenhänge mit einigen Hirnkrankheiten wie Entzündungen, die in frühen Entwicklungsstadien durchgemacht wurden, oder mit mehr diffusen Erkrankungen wie z.B. der tuberösen Sklerose oder der Lipoidose.
Die 4 Ursachen-Hypothesen:
- Ein normal veranlagtes, hirngesundes Kind wird durch Erlebnisse und Ereignisse, die es psychisch nicht richtig verarbeiten kann, autistisch.
- Das autistische Syndrom entwickelt sich aufgrund einer bereits bei der Konzeption vorhandene krankhaften Anlage.
- Ein normal veranlagts Kind erleidet intrauterin(in Gebärmutter), perinatal(während Geburt) oder postnatal(nach Geburt) bis zum 30. Lebensmonat eine exogene Schädigung des Gehirns. · Autistische Symptomatik tritt im Rahmen einer anderen definierten Krankheit auf, die mit Hirnstörungen verbunden ist.
a) Die psychogene Entstehung:
Die erste Hypothese der Entstehung des Autismus durch negative Erfahrungen des Kindes und damit z.T. durch Betreuungsmängel im weitesten Sinne des Wortes, schien anfangs ziemlich einleuchtend zu sein. Kommt es doch bei schwerer Deprivation von Kindern in frühen Entwicklungsstadien zu autismusähnlicher Symptomatik, zum sog. Hospitalismus-Syndrom. Auch die Schilderung der Persönlichkeiten der Eltern bei Kanners ersten autistischen Kindern hatte eine solche Annahme nahegelegt.
Dennoch hat eine exakte Prüfung der Elternpersönlichkeiten und der Betreuungspraxis der
Mütter ergeben, daß der Umgang der Mütter mit dem Kind nicht die Ursache des Autismus sein kann, sondern dass derartige Umweltfaktoren höchstens gelegentlich als weiters verschlimmerndes Agens in Frage kommen.
b)Vererbung:
Dass Autismus vererblich sein soll, kann nicht wirklich nachgewiesen werden, da Kinder mit einem vollausgeprägten autistischen Syndrom kaum zur Fortpflanzung kommen, so dass aus dieser Sicht autistische Nachkommenschaft sehr unwahrscheinlich ist. Eine andere Frage ist die nach Wesenseigentümlichkeiten in der Blutsverwandtschaft, die eventuell Ähnlichkeit mit den Symptomen des Autismus haben. Hier wären vor allem Kontaktarmut und Zwangsmechanismen zu nennen.
Ein solcher Zusammenhang ist nicht von der Hand zu weisen. Schon Kanner fand Besonderheiten bei den Eltern seiner ersten 11 autistischen Kindern. Sie kamen alle aus hochintelligenten Familien, die sich mit Wissenschaft, Literatur usw. beschäftigten. Für das Vorliegen einer genetischen Disposition des autistischen Syndroms sprechen auch einige andere neuere Untersuchungen. Hier fand man heraus, dass die Brüder und Schwestern autistischer Kinder viel häufiger Wahrnehmungsstörungen und Sprachentwicklungsverzögerung, Lernschwierigkeiten sowie geistige Behinderung aufwiesen als die Geschwister von normalen Kindern, aber auch als solche mit Mongolismus.
Autismus Spezialgebiet Psychologie
Auch die Zwillingsforschung erlaubt Aussagen darüber, welche Rolle eine erbliche Disposition für die Entstehung des autistischen Syndroms spielt. Aus den Untersuchungen ergibt sich, dass bei den eineiigen Paaren sehr viel häufiger beide Kinder autistisch sind, als bei den zweieiigen. Es muß dabei aber berücksichtigt werden, dass Zwillingsgeburten häufig Risikogeburten sind, d.h. wenn sich die Geburt des 2. Kindes verzögert, besteht die Gefahr, dass es an einem vorübergehenden Sauerstoffmangel leidet, und dadurch einen Hirnschaden erleiden könnte.
c)Hirnschädigung als Ursache:
Bei dem 3. Ursachenkomplex handelt es sich um sog. Exogene Gehirnschädigungen. Darunter
versteht man alle negativen Einflüsse die von außen auf das Gehirn einwirken, einschließlich des Sauerstoffmangels bei der Geburt.
d)Hirnkrankheiten als Ursache:
Das 4. Ursachenbündel, definierte Krankheiten, die irgendwie das Gehirn betreffen, hat wohl die gleiche Bedeutung für die Entstehung des Autismus wie die exogene Hirnkrankheiten. Die Störung der Wahrnehmungsverarbeitung kann auch dadurch entstehen, dass das Gehirn kongenital (schon in den Chromosomen vorgegeben) in seiner Funktion beeinträchtigt ist. An erster Stelle sind hier die Krankheiten zu nennen, die auf Anomalien der Chromosomen beruhen.
Der Mongolismus, der in jeder Weise sowohl vom Körperlichen als auch vom Geistigen her ganz klar definiert ist, gilt eigentlich als die Form der geistigen Behinderung, bei der das Verhalten der Kinder sich besonders deutlich von denen mit autistischem Syndrom unterscheidet. Mongoloide sind recht kontaktfreudig, im Gegensatz zu Autisten. Es gibt auch nur Einzelfälle von Autisten verbunden mit dem Down-Syndrom. Auch beim Klinefelter-Syndrom wurde in einzelnen Fällen das Zusammentreffen mit autistischer Symptomatik beschrieben. Körperliche Stigmen, die sonst bei Menschen mit dem Fragile-X Syndrom in Verbindung gebracht werden, liegen bei autistischen Kindern, vor allem bei solchen mit geistiger Behinderung öfters vor.
Es gibt noch eine Reihe von anderen Krankheiten des Zentralnervensystems, bei denen manchmal autistische Symptome beobachtet werden.
Kindheit und Adoleszenz:
Bei der 5. Bundestagung ,,Hilfe für das autistische Kind" im November 1981 in Baunatal wurden bei einem Expertengespräch, an dem 14 namhafte Jugendpsychiater aus der BRD und der Schweiz teilnahmen, 11 Thesen zum autistischen Syndrom aufgestellt. Die 5. These lautet: Der Verlauf des autistischen Syndroms ist charakteristisch: Beginn der Symptomatik vor dem 30. Lebensmonat, Höhepunkte der typischen Symptome zwischen 5. Und 8. Lebensjahr. Völlige Heilung ist kaum möglich, aber in günstigen Fällen eine einigermaßen gelingende soziale Anpassung.
Die wenigsten Autisten können sich im Laufe der Jahre gut anpassen, auch nur einige haben einen bezahlten Beruf. Die meisten Autisten haben kein erotisches Interesse am anderen Geschlecht. Bei manchen erwachsenen Autisten, bei denen in der Kindheit ein autistisches Syndrom diagnostiziert worden war, ist die Kernsymptomatik, das Autistische, die Kontaktstörung, bis zum Erwachsenenalter weitgehend zurückgegangen. Sie blicken andere Menschen normal an, viele der anderen Symptome bleiben jedoch bestehen. Es gibt eigentlich keine Autisten, die verheiratet sind, und auch nur sehr wenige haben heterosexuelle Freundschaften. Bei der Betrachtung der erwachsenen Autisten ist es noch von Interesse, zu erfahren, wo sie sich befinden, wo sie wohnen. Es stellt sich heraus, dass die meisten in Heimen für Geistigbehinderte oder in psychiatrischen Einrichtungen untergebracht sind. Somit bestätigt
Autismus Spezialgebiet Psychologie sich die allgemeine Erfahrung, dass ein großer Teil der erwachsenen Autisten auf fremde Hilfe angewiesen bleibt. Geschlechtsverteilung:
Schon Kanner und Asperger, aber auch alle anderen Wissenschaftler, die sich mit autistischen Kindern beschäftigt haben, haben festgestellt, dass das männliche Geschlecht gegenüber dem weiblichen überwiegt.
Bezüglich der Geschlechtsverteilung wurde ermittelt, dass bei den autistischen Kindern mit einem IQ über 50 signifikant mehr Jungen als Mädchen zu finden sind. Bei den Mädchen findet man mehr Neurologische Störungen(Epilepsie) und schließlich mehr nahe Verwandte mit Autismus oder diesen nahestehenden psychischen Veränderungen.
Soziale Schicht:
Die ersten 11 autistischen Kinder, die Leo Kanner 1943 beschrieb, stammten alle von besonders intellektuellen Eltern, meist Akademikern. Der Eindruck, dass die oberen sozialen Klassen überrepräsentiert seien, hat sich lange gehalten, da - ebenso wie in Afrika - autistische Kinder aus unteren sozialen Schichten seltener dem Experten vorgestellt wurden. In den letzten 10 Jahren, als das Erscheinungsbild des Autismus bekannter wurde, fanden Kinder aus allen Schichten den Weg zur Diagnose des Syndroms. Nun kamen sie aus allen sozialen Klassen.
Autismus-Therapie
Ziele der Autismus-Therapie:
1. Kontakt zu Gleichaltrigen
2. Aufgabe der Isolation
3. Gruppenfähigkeit (z.B. in der Schule)
4. Selbstständigkeit (an- und ausziehen, waschen, trocken- und saubersein)
5. Normale, auch kommunikative Sprache
6. Zeichensprache
7. Angepaßtheit zu Hause
8. Angepaßtheit außer Haus
9. Gutes Spiel- und Arbeitsverhalten
10. Intellektueller Fortschritt
11. Kulturtechniken
12. Schulbesuch und Berufsausbildung
13. Berufliche Tätigkeit
14. Vermeidung von Heimunterbringung im Kindesalter
15. Leben in einer Gruppe
Geeignete und zust ä ndige Therapeuten:
Die nächste Frage ist, wer für die Therapie autistischer Kinder und Jugendlicher geeignet und zuständig ist. Zum Aufspüren des Syndroms, aber auch die Behandlung, soweit sie nicht medizinisch ist, sind die PsychologInnen kompetent.In der Forschung haben viele dieser Berufsgruppe Behandlungsverfahren entwickelt und angewandt; andere haben reiche Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt. Da bei autistischen Kindern Lernen und Erziehen eine wichtige Rolle spielen, sind Pädagogen, vor allem Sonderpädagogen auch im Zusammenhang mit der Therapie gefordert.
Eine wichtige Aufgabe haben hier aber Heilpädagogen, Sozialpädagogen,
Autismus Spezialgebiet Psychologie Beschäftigungstherapeuten, Logopäden, Musiktherapeuten und Erziehern, denen noch Krankengymnasten, Motopäden und ähnl. Ausgebildete hinzuzufügen wären. Die meisten von ihnen bringen von ihrer Ausbildung her gute Voraussetzungen für die Behandlung und Betreuung derartig Behinderter mit. Ihre Ausbildung allein macht sie dafür aber sicher noch nicht kompetent genug. Zu fordern ist daher eine längere persönl. Erfahrung mit autistischen Menschen.
Zu diesen verhältnismäßig zahlreichen von Berufs wegen mit Autismus Befaßten kommt dann noch die Gruppe der Co-Therapeuten hinzu. Dies sind in erster Linie die engeren Bezugspersonen, also die Eltern, manchmal auch die Geschwister. Ohne sie geht bei der Autismus-Therapie nichts.
Behandlungsmethoden:
Lerntheoretisch begründete Verfahren: Der am meisten einleuchtende therapeutische Mechanismus beim autistischen Syndrom ist der behaviouristische, der lerntheoretisch begründete im weitesten Sinne: das autistische Kind soll lernen, mit seinen vorhandenen geistig-seelischen Kapazitäten die Umwelt zu verstehen um das Leben zu bewältigen.
Ein solcher verhaltenstherapeutischer Ansatz wird von den meisten Autismusexperten als der für die Praxis am meisten wirkungsvolle gehalten.
Formen der versch. Verhaltensprobleme und deren Behandlungsmaßnahmen:
1.Soziale Isolation geplantes Angebot v. srukturierten Interaktionen
2. Mangel an Reaktionsvermögen Üben des Blickkontakts, Aufmerksamkeits-Interaktions- Therapie
3. Mangel an Verständnis d. Umwelt vereinfachtes Angebot v. Gegenständen u. Örtlichkeiten
4. Mangel an Verständnis d. soz. Situation vorsichtiges Heranführen an Partner in einfacher Spielsituation
5. Sprachdefizite: Training im Benennen v. Gegenständen
a) Mangel an Sprachverständnis ständen, Personen, Örtlichkeiten u. Handlungen in kleinen Schritten
b)zu geringer Wortschatz verbale Sprechanbahnung über Imitationstraining, Aufbau v. Zeichensprache
c) mangelnde allgem. Sprachkompetenz Sprachtraining im Dialog
d) mangelnde Kommunikationssprache Einüben v. Grußformeln, Höflichkeitsbezeugungen, Fragen u. Antworten
6. Unvollkommene Motorik Krankengymnastik, Mototherapie
7. Stereotypien Verstärkung nicht-stereotypen Verhaltens, Entzug v. Stimulationsobjekten
8. Mangel an Eigenantrieb u. Initiative strukturelles Lernen, auffordern zu Handlungen, die Freude machen
9. Aggressivität Manipulation der Vorstadien
10. Autoaggressivität verhindern v. Verletzungen durch Fixierung u. Abschirmung (Helm), Musik-Körpererfahrungstherapie, Veränderung d. aktuellen Milieus
11. Mangelnde Selbständigkeit Training d. notwendigen Fähigkeiten
12. Mangelndes Spielverhalten allmähl. Aufbau v. strukturiertem Spiel
13. Mangelndes Gruppenverhalten Spiele mit einem Partner in kleinen Schritten auf 2,3,4 erweitern
14. Einnässen, Einkoten systematisches Training
15. Zwänge, Rituale Abbau durch systemat. Verstärkung nicht zwanghaften Verhalten Autismus Spezialgebiet Psychologie
16. Störendes Verhalten Manipulation d. Vorstadien
a) in Familie u. Schule time out, Beschäftigung m. Handl. die Freude machen
b) außerhalb d. elterlichen Wohnung allmähliche Gewöhnung an fremde Umgebungen(Geschäfte...)
17. Mangelnde Kulturtechniken gezieltes strukturelles Lernen ohne Überforderung zu Hause, in Schulen, Autismusspezialklassen
BASISTHERAPIEN:
Festhaltetherapie:
Eine weitere Behandlungsmethode des autistischen Syndroms ist die Festhaltetherapie. Sie geht von der Hypothese aus, dass früher, ev. schon intrauterin, Bindungen zwischen Mutter und Kind gestört gewesen seien (Tinbergen 1984). Zusammen mit der Psychoanalytikerin Welsh hat Tinbergen die Holding Therapy entwickelt. Das Kind wird- ev. stundenlang- von der Mutter oder dem Vater festgehalten und eng an deren/dessen Körper gedrückt. Dabei soll es ,,getröstet" werden. Die Festhaltetherapie ist oft effektiv, das Kind wird ruhiger, manchmal weniger aggressiv, beginnt, da es dem Gesicht der Mutter lange nahe ist, gelegentlich mit Sprachansätzen. Eine einleuchtende Erklärung für diese Erfolge kann man auch aus lerntheoretischer Sicht geben: Das Kind macht die Erfahrung, dass der bisher kaum zustandegekommene Körperkontakt mit der Mutter nach längerem Halten und wenn Beruhigung eingetreten ist, positive Seiten hat.
Musiktherapie:
Musiktherapie st ein viel angewandtes Element der Autismustherapie. Da autistische Kinder häufig enge Beziehungen zur Musik haben, ist es naheliegend, sich der Musik als einem den akustischen Sinn ansprechenden Reiz zu bedienen. Über den akustischen Reiz hinaus ergeben sich aber auch Beziehungen zur Kinästhetik (Muskel- und Gelenkwahrnehmungen) und zum Tastsinn, wenn gewisse tiefe und laute Töne über den ganzen Körper wahrgenommen werden. Schließlich ist das hervorbringen der Musik auf einem Instrument optisch wahrzunehmen. Über den Gesang ergeben sich letztendlich Beziehungen zur Sprache.Das Vorspielen von Musik, oder das Vorsingen fördern die Kommunikation mit dem Kind.
Die Klänge wecken sein Interesse. Schließlich soll es dazu kommen, dass es sie selbst produziert, mitspielt oder mitsingt.
Musiktherapie ist also zweifellos ein wirkungsvolles Mittel, auf die
Wahrnehmungsverarbeitungsstörung der Kinder einzuwirken. Hier eignet sich das Instrumentarium des Orff-Schulwerkes oder Teile davon.
Da die meisten autistischen Kinder Musik gerne hören, läßt sie sich auch als Verstärker in einem verhaltenstherapeutischen Programm verwenden.
Die Verwendung der Musik zu Heilzwecken reicht vom Abendland bis in die Antike zurück. Im 29. Buch der Odyssee Homers wird Blut durch Musik gestillt. Ein antiker Kommentator merkt an dieser Stelle an: „ Die alte Heilkunde beruht auf dem Gesang“. Demokrit (460-371 v. Christus) meinte, jeder kranke Körperteil könne durch das Flötenspiel geheilt werden. Pythagoras setzte die Musik als Heilfaktor ein, bes. den Gemeinschaftsgesang, der eine musikalische Reinigung des Menschen bewirken sollte. Die mal. Medizin nahm an, durch die Musik würden die Poren geöffnet, so dass die bösen Geister den Körper verlassen könnten (Athanasius Kircher: „Musurgia“). Paracelus und Kepler gingen davon aus, dass die musikalische Heilwirkung letztlich nur auf der =>Sphärenmusik beruht, da der Mikrokosmos und Makrokosmos identisch sind (Heilung durch die Harmonie). Anklänge der modernen
Autismus Spezialgebiet Psychologie Musiktherapie finden sich bei Niedt, der die Bedeutung des Rhythmus und der Intervalle erkannte. Im 19. Jh. wurde von den Ärzten l. Raudnitz, Hofgartner und Lichtenthal („Der musikalische Arzt“) und J.P. Schneider („System einer medizinischen Musik“) die Grundlagen der modernen Musiktherapie gelegt. Neben der vasomotorischen Wirkung der Musik (Erhöhung des Pulsschlages), kannte man ihre Heilwirkung auf das Nervensystem (Geisteskrankheiten, bes. Hysterie). Heute hat die Musik einen festen Platz in der med. Praxis, da ihre physiologische Wirkung durch die => Zymatik gesichert ist. Sie wird angewandt bei psychischen Störungen (Autismus), Angst- und Spannungszuständen, autogenem Training, Schlaftherapie, Depressionen. Eine wichtige Rolle spielt die pentatonische Heilmusik in Verbindung mit dem Tanz, deren therapeutische Wirkung den Sufis und den Derwischorden bekannt war (orientalische Musiktherapie).
Sphärenmusik:
Pythagoras übertrug die Gesetze der Toneinteilung auf die Bewegung der Himmelskörper, die durch ihre
Bewegungen eine Art Planetenmusik erzeugen. Die Planeten bewegen sich in Abständen um das Zentrum des Alls, die denen der Tonleiter ähnlich sind. So wurden sieben Urharmonien gefunden: Oktave, Quinte, Quarte, große Sexte, große Terz, kleine Terz und kleine Sexte. Wichtiger aber ist die Erkenntnis, dass die Verhältnisse der Planetenbahnen denen der Obertonreihe entsprechen. Die Professoren Willie Ruff und John Rodgers haben zuerst mit Hilfe eines Synthesizers die Planetenmusik hörbar gemacht.
Zymatik:
Lehre von der Beziehung zwischen Vibrationen (Wellen) und der Materie. Schon im 18 Jh. war diese Beziehung bekannt. Ernst Chladni zeigt, dass durch Töne Muster im Sand entstanden, der auf Metallplatten gestreut wurde (Chladnische Klangfiguren). Die Zymatik liegt der Musiktherapie und der Farbentherapie zugrunde.
Physikalische Therapie:
In diese Rubrik gehören Krankengymnastik, Mototherapie u.ä. Verfahren. Da ein ziemlich großer Teil der autistischen Kinder in Folge von Hirnstörungen gewisse neurologische Symptome aufweist, und damit teils bleibende motorische Unvollkommenheiten, teils motorische Entwicklungsverzögerungen zeigt, sind Schritte zur Normalisierung der Körperbewegung sehr häufig angezeigt. Sie tragen zweifellos dazu bei, dem Kind einen besseren Kontakt zu Gleichaltrigen zu ermöglichen und das Selbstwertgefühl zu erhöhen. Die äußere motorische Normalisierung ist aber auch ein Beitrag, das Anderssein des Kindes in seiner Umwelt zu verringern.
Ein ähnliches Thema ist der Einsatz von Arbeitstherapie. Schon in den Zwanzigerjahren hat der deutsche Psychiater Hermann Simon den Wert von körperlicher Arbeit bei psychisch Kranken erkannt. Er bildete Arbeitskolonnen, die vorwiegend in der Landwirtschaft täglich intensiv arbeiten mussten. Daraus hat sich dann später die sogenannte Beschäftigungstherapie entwickelt. Bei ihr legt man mehr Wert auf handwerkliche und künstlerische Tätigkeit. Sie ist sicher auch eine effektive Maßnahme bei der Behandlung autistischer Kinder, wenn es gelingt, sie dazu zu motivieren. Hier soll aber mehr von gröberen Tätigkeiten die Rede sein. Sie haben eine zweifache, eventuell sogar dreifache Wirkung. 1. Führt die längere körperliche Anstrengung zum Agressions- und Hyperakitivitätsabbau, 2. Fördert die immer in Gruppen geübte Tätigkeit den Kontakt , 3. Bewirkt ein eventuell eingeführtes, kreatives Element Freude am Handeln. Den Einsatz von körperlicher Anstrengung als Mittel gegen Agessivität und Hyperaktivität kommt vorwiegend für Geistigbehinderte mit autistischen Verhaltensweisen in Frage.
Autismus Spezialgebiet Psychologie
Medikament ö se Therapie:
Ebenso gehört die medikamentöse Therapie zu den physikalischen Behandlungsmethoden. Sie wirkt über den Körper auf das Zentralnervensystem und soll psychische Veränderungen hervorrufen. Als Therapeut kommt hier nur der Arzt in Frage. In welcher Weise können Medikamente die Verhaltensstörungen autistischer Kinder positiv beeinflussen? Hier stehen theoretisch 2 Möglichkeiten offen: 1. Die symptomatische Behandlung, d.h. die gezielte Einwirkung auf best. Verhaltensweisen, wie z.B. die Unruhe und 2. Eine medikamentöseVeränderung von biochemischen Störungen, die dem autistischen Syndrom zugrunde liegen. Diese beiden Ansätze werden sich allerdings manchmal nicht streng von einander trennen lassen. Ein durchaus greifbares Ziel der medikamentösen Behandlung ist es, den autistischen Menschen für psychotherapeutische und heilpädagogische Maßnahmen zugänglich zu machen.
Neurotransmitter-Therapie:
Die biochemische Forschung hat in den letzten Jahren neue Wege eröffnet, indem sie die von der Schizophrenieforschung schon länger bekannten Neurotransmitter beim autistischen Syndrom genauer unter die Lupe genommen hat. 1982 ist F. Geller auf die Idee gekommen, den Stoff Fenfluramin, von dem man weiß, daß er den Spiegel des Neurotransmitters Serotonin im Blut und Gehirn senkt, bei autistischen Kindern anzuwenden. Er beobachtete bei 3 autistischen Jungen eine Verbesserung des IQ und einiger klinischer Symptome. Das hat G.J. August 1985 an 9 autistischen Kindern nachgeprüft.
Er stellte fest, daß Fenfluramin den Serotoninspiegel um etwa 60% senkt, ohne wesentliche negative Nebenwirkungen hervorzurufen, unabhängig von dem vorher gemessenen Serotoninspiegel. Der Aktivitätsgrad, die Aufmerksamkeit und die motorischen Störungen besserten sich. Auf die Intelligenz hatte diese Behandlung keinen Einfluß. Unruhe, Schlaflosigkeit und Aggressivität sowie Autoaggressivität besserten sich. Fenfluramin hat bei 1/3 der autistischen Kinder einen positiven Effekt auf Hyperaktivität und Stereotypien. Am besten sprechen Kinder mit einem höheren IQ an.
Au ß enseitermethoden:
Vitamintherapie:
B. Rimland hat vor 14 Jahren zum ersten Mal hochdosierte Vitamingaben zur Behandlung von Kindern ,,mit schweren Geisteskrankheiten" empfohlen. Er gab 37 Autisten 2 Tabletten Vitamin- B-Komplex, 200 mg Pantothensäure, 1-3g Ascorbinsäure, Nikotinamid und 150 - 450 mg Vitamin B6. Bei 59% der Patienten soll sich der Zustand gebessert haben. Später hat Rimland (1978) 16 autistischen Kindern nur Vitamin B6 (Pyridoxin) in nicht näher spezifizierten hohen Dosen verabreicht und dabei ebenfalls Besserungen erzielt. Diese sollen wieder zurückgegangen sein, als das B6 ohne Wissen der Eltern und Betreuer durch ein Placebo ersetzt wurde. Emotionelle Ausbrüche, Negativismus und Selbstbeschädigung gingen zurück. Die Gebesserten waren eher etwas atypische Autisten mit Begleitkrankheiten und anderen Verhaltensstörungen. Es ergibt sich also, dass die Behandlung mit hohen Dosen von Vitamin B6 und Magnesium bei etwa einem Drittel der autistischen Kinder positive Wirkungen zeigt. Da schädliche Wirkungen dieser Medikation kaum zu erwarten sind, sollte man einen Behandlungsversuch dann machen, wenn andere Therapiemaßnahmen fehlschlagen.
Di ä tformen:
Autismus Spezialgebiet Psychologie
Die zweite Behandlungsmaßnahme zur Besserung autistischer Verhaltensweisen, die als Außenseitermethode gelten muss, ist die Anwendung bestimmter Diätformen. Von der Annahme ausgehend, dass bestimmte außergewöhnliche Verhaltensweisen, vor allem die Überaktivität (das sog. Hyperkinetische Syndrom) etwas mit allergischen Vorgängen zu tun haben, hat der Amerikaner B.F.Feingold (1975) eine Diät empfohlen, die keine künstlichen Farbstoffe und keine Salicylate enthält. Die von Feingold anfangs beschriebenen Erfolge, d.h. die Beruhigung der hyperaktiven Kinder hielt einer wissenschaftlichen Prüfung nicht stand. Die Eliminationsdiät wurde gelegentlich sogar als schädlich angesehen. Sie ist nicht speziell beim kindlichen Autismus empfohlen worden.
Frischzellentherapie:
Eine weitere, schon sehr lange bekannte Außenseitermethode,deren Wirkung in der letzten Zeit auch für das autistische Syndrom geltend gemacht worden ist, ist die Frischzellentherapie. Behauptete Erfolge bei Mongoloiden (Down-Syndrom) halten einer kritischen Prüfung nicht stand. Durch die Injektion von Frischzellen wird in das Immunsystem eingegriffen, was evtl. vorübergehende Entwicklungsschübe in Gang setzen kann. Diese gleichen sich innerhalb von wenigen Wochen wieder aus (Hoene, 1987). Hinzu kommt, dass es gelegentlich schwere allergische Reaktionen und Schockerscheinungen gibt.
Tomatis-Therapie
In den letzten Jahren ist zu den genannten Außenseitertherapien die Methode von Tomatis hinzugekommen. Die Urteile der Eltern, die sie bei ihrem Kind angewandt haben, sind ganz unterschiedlich: Meldungen über gute Erfolge stehen negativen und sehr kritischen Berichten gegenüber.
Prof. A. Tomatis hat als Hals-Nasen-Ohrenarzt in Paris einige Hypothesen entwickelt. Die Hypothese von Tomatis ist eine Mischung von Neurophysiologie und Psychoanalyse. Das Ohr sei für die ,,energieladungen des Gehirns" verantwortlich. Tomatis hat für seine Therapie einen Apparat entwickelt, das sog. Elektrische Ohr. Mit diesem werden aus dem Tonangebot, z.B. aus der Musik, bestimmte Frequenzen herausgefiltert. Dies geschieht in unterschiedlicher Weise, was die Frequenz und das rechte oder linke Ohr anbetrifft. Die Patienten müssen über viele Stunden die gefilterten Tonangebote anhören. Hierzu gehört, bei Kindern auch die Stimme der Mutter, die z.B. so gefiltert wird, dass sie dem Höreindruch des Föten um Uterus ähnelt. Die Therapie besteht also nach Tomatis darin, dass das autistische Kind über das elektrische Ohr lernt, ,,wieder zuzuhören", und zwar auf die Stimme der Mutter, so wie es sie aus dem Uterus gehört hat. Damit wird - ohne dessen Beweis - unterstellt, dass bei dem Föten, der später Autist wird, die Fähigkeit des ,,Zuhörens" unterbrochen worden sei. Wie das zustande kommen soll, bleibt dunkel.
Diese unbewiesenen tiefenpsychologischen Hypothesen haben auch noch den Nachteil, dass sie bei den Müttern Schuldgefühle hervorrufen, denn es wird irgendwie unterstellt, dass sie sich in der Schwangerschaft falsch verhalten und damit ihr Kind geschädigt hätten.
Dunkelzimmertherapie:
Ein von der Theorie her nicht abwegiges Vorgehen ist die in Japan propagierte Dunkelzimmertherapie. Sie wurde von Satoh vom Staatlichen Institut für Sonderpädagogik in Yokohama (1988), und von O.Speck in Deutschland bekannt gemacht. 4 autistischen Jungen wurde in einem dunklen Zimmer Video-Filme (Sesamstraße) vorgespielt. Dabei hatte der dunkle Raum eine beruhigende Wirkung; die Kinder sahen z.T. konzentriert auf den Fernseher. Im
Autismus Spezialgebiet Psychologie Dunkelzimmer wurden ihnen aber auch noch andere Reize angeboten, nämlich Dias mit Bildern ihrer eigenen Tätigkeit in der Schule und der Lehrer sowie mit chinesischen Schriftzeichen. Diese Kinder wurden auch mit dem Training der Zen-Meditation behandelt. Zu dieser Art von Therapie ist folgendes kritisch anzumerken: Daß ein dunkler Raum für autistische Kinder eine positive Wirkung hat, leuchtet ein. Sie werden hier nicht mit Reizen überschüttet, die sie infolge ihrer Wahrnehmungsverarbeitungsstörung schwer verkraften können. Sie lernen, sich auf eine optische und akustische Reizkombination das Videobild zu konzentrieren und profitieren von dieser Darbietung mehr als in einem anderen Raum. Das Dunkelzimmer dient also dazu, die Anwendung von Lernstoff zu erleichtern. Das Verbringen in einen dunklen Raum für eine vorübergehende Zeit (30-60 Minuten) ist als Therapiemaßnahme kaum geeignet, an der hypothetisch um Uterus entstandenen autistischen Störung etwas zu ändern. Hier findet man konfuse Ideen wieder, die schon bei der Tomatistherapie so schwer nachzuvollziehen waren.
Andererseits ist das Hilfsmittel ,,Dunkelzimmer" ein nachahmenswerter Versuch, mit autistischen Kindern unter für sie günstigen Bedingungen zu arbeiten.
Therapie mit Tieren:
Die letzte hier zu besprechende Außenseitermethode für das Arbeiten mit autistischen Kindern ist die Therapie mit Delphinen. Dr. Betsie Smith ließ 1978 in Florida den 18-jährigen autistischen Jugendlichen Michael 4 Wochen lang mit Delphinen zusammen schwimmen. Michael, der vorher nie gesprochen hatte, sagte von da an ,,Klick", wenn er das Bild eines Delphins sah. Er hatte diesen Laut von den Tieren übernommen. Michael sei aber nach dieser Therapie ein Viertel - bis eine Stunde ruhiger, weniger autoaggressiv und konzentrierter gewesen. Autistische Kinder geben sich gerne mit Tieren, wohl meist mit Haustieren, ab. Da das Tier weniger fordernd ist als die menschlichen Partner, wird hier oft eine gute, wenn auch nicht immer ganz dem üblichen Umgang mit dem Tier adäquate Beziehung aufgebaut. Die gestörte Wahrnehmung der Autisten bewirkt manchmal, dass das Tier zunächst wie eine Sache angefaßt wird.
Spezifische Verhaltnesweisen gegenüber Tieren, nach ethologischer Nomenklatur als sog. ,,Kindchen-Reaktion" liegen beim Menschen im Erbgut bereit. Eine seit längerer Zeit in der Behandlung von Kindern angewandte Methode, die in diesem Zusammenhang erwähnt werden sollte, ist die Reittherapie. Auch hier wirkt sich die Begegnung mit dem Tier positiv aus. Sie wird des öfteren bei autistischen Kindern angewandt. Ihre Vorteile sind der notwendige behutsame Umgang mit dem großen Tier, die Förderung der Motorik bei den Übungen und die Verbesserung des Kontakts mit den anderen Mitgliedern der Voltigiergruppe. Das Tier kann also in verschiedener Weise bei der Therapie von autistischen Kindern eingesetzt werden. Es wirkt mit als ein Hilfsmittel in einem größeren Behandlungskonzept und muß nicht unbedingt ein Delphin sein
Quellenangabe:
Hans E. Kehrer: „Autismus- Diagnostische, therapeutische und soziale Aspekte“ www.yahoo.de (Autismus)
http://members.tripod.de/Rautende
Helmut Werner: Lexikon der Esoterik www.musiktherapie.de
Anschließend soll am Beispiel von Robin, einem Autismuspatienten, gezeigt werden, wie der Alltag mit einem autistischen Kind aussieht.
- Citation du texte
- Rappold, Evelin (Auteur), 2002, Autismus. Ursachen, Symptomatik und Therapiemöglichkeiten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106404
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