Inhalt
1. Analyse der einzelnen Szenen Hd 1,4,5 sowie Ha 7
1.1. Hd 1:
1.1.1. Kurze Inhaltsangabe
1.1.2. Sprachanteile
1.1.3. Stilmittel
1.1.3.1. Sonstige angewendete gestaltende Mittel
1.1.4. Wortwahl
1.1.5. Satzbau und Grammatik
1.2. Unterschiede zu Hd 1 / neue sprachliche Mittel in Hd 4
1.2.1. Kurze Inhaltsangabe
1.2.2. Sprachanteile
1.2.3. Stilmittel
1.2.3.1. Anlehnungen an den hessischen Dialekt / Umgangssprache
1.2.4. Wortwahl
1.2.5. Satzbau und Grammatik
1.3. Unterschiede zu Hd 1 / neue sprachliche Mittel in Hd 5
1.3.1. Kurze Inhaltsangabe
1.3.2. Sprachanteile
1.3.3. Stilmittel
1.3.4. Wortwahl
1.3.5. Satzbau und Grammatik
1.4. Unterschiede zu Hd 1 / neue sprachliche Mittel in Ha 7
1.4.1. Kurze Inhaltsangabe
1.4.2. Sprachanteile
1.4.3. Stilmittel
1.4.4. Wortwahl
1.4.5. Satzbau und Grammatik
2. Allgemeine Funktion der Sprache Woyzecks
2.1. Funktion bezüglich der Gesellschaftskritik
2.2. Funktion bezüglich des Charakters Woyzecks und zum Ausdruck seiner Gefühle
Einleitung
Ich werde in meinem Referat zunächst die Sprache des Hauptdarstellers Woyzeck in Bezug auf Sprachanteile, Stilmittel, Wortwahl sowie Satzbau (und Grammatik) in der Szene Hd 1 analysieren, danach die Unterschiede in den übrigen Szenen (Hd 4,5, Ha 7) feststellen und anhand dieser gesamten Analyse die Funktion der Sprache im gesamten Stück darstellen.
1. Analyse der einzelnen Szenen Hd 1,4,5 sowie Ha 7
1.1. Hd 1
Zur Ergänzung der Analyse habe ich die Sprachanteile Woyzecks in Szene Hd 1 abgeschrieben, um anhand von Farben die einzelnen Ergebnisse meiner Untersuchung zu markieren.
Woyzeck: Ja Andres, den Streif da über das Gras hin, da rollt abends der Kopf, es hob ihn einmal einer auf, er meint` es wär` ein Igel. Drei tag und drei Nächt und er lag auf den Hobelspänen (leise) Andres, das waren die Freimaurer, ich hab`s, die Freimaurer, still! Andres:
Woyzeck: Still! Es geht was! Andres:
Woyzeck: Es geht hinter mir, unter mir (stampft auf den Boden) hohl, hörst du? Alles hohl da unten. Die Frei- maurer!
Andres:...
Woyzeck: `s so kurios still. Man möchte den Atem halten. Andres!
Andres:
Woyzeck: Red was! (Starrt in die Gegend) Andres! Wie hell! Ein Feuer fährt um den Himmel und ein Getös herunter wie Posaunen. Wie`s heraufzieht! Fort. Sieh nicht hinter dich .(Reißt ihn in`s Gebüsch)
Andres:
Woyzeck: Still, alles still, als wär` die Welt tot. Andres:...
1.1.1. Kurze Inhaltsangabe:
In Szene Hd 1 wird ein Gespräch zwischen Woyzeck und Andres wiedergegeben. Es fällt jedoch auf, dass Woyzeck weit mehr spricht als Andres, da er diesem offensichtlich versucht, seine Visionen mitzuteilen. Andres reagiert wahrscheinlich aus Verunsicherung und Nichtverstehen kaum auf die schwer verständlichen Äußerungen Woyzecks, der unter anderem durch seine Angst vor den Freimaurern anfängt zu fantasieren.
1.1.2. Sprachanteile:
Wie schon erwähnt überwiegen die Äußerungen Woyzecks, er führt zunächst einen „Monolog“ (Zeile 3-7), es folgen zwei Zeilen eines von Andres gesungenen Liedes gefolgt von einem Ausruf Woyzecks (Zeile 10). Nach zwei weiteren Zeilen des Liedes spricht wieder Woyzeck (Zeile 13-15), in Zeile 16 Andres, dann wieder 2 Zeilen lang Woyzeck. Auf Andres Frage in Zeile 19 reagiert Woyzeck in den vier Zeilen danach, dann folgen abwechselnd je ein Ausspruch Andres` und ein Satz Woyzecks.
Man sieht also, dass Woyzeck im Gegensatz zu Andres zweimal längere Zeit spricht und dass diese Monologe am Anfang und am Ende der Szene stehen.
1.1.3. Stilmittel
Die Ergebnisse der Stilmittelanalyse werde ich nach ihrer Art geordnet auflisten, um so ihren Zusammenhang durch die ganze Szene hindurch darzustellen.
Wiederholungen:
„Andres“ : Z.3,6 18,20
„Freimaurer“: Z.7 (zweimal) 14/15
„still“ : Z.7,10 17 25 (zweimal)
„drei“ Z.5 (zweimal)
„hohl“: Z.14 (zweimal) „es geht“ : Z.10,13 „da“ : Z.3,4
„und“ Z.5 (zweimal) „mir“: Z.13 (zweimal) „wie“: Z.22
Alliterationen:
Zeile 3 / 4 : den, da, das, da
Zeile 4 / 5 : es, einmal, einer, er, es
Zeile 6: das, die
Zeile 7: Freimaurer, Freimaurer
Zeile 13: mir, mir
Zeile 14: hohl, hörst, hohl
Zeile 17: man, möchte
Zeile 21: Feuer, fährt
Zeile 25: still, still alles, als wär, Welt
Parallelismen:
Zeile 4 / 5 / 6: „es hob, er meint`, es wär`, er lag“
Zeile 13: „hinter mir, unter mir“
Anaphern:
Zeile 11 /13 : „Es geht“ Zeile 20 / 22: „wie“
Ellipsen:
Zeile 3: „ den Streif da über das Gras hin“ ( Subjekt und Prädikat fehlen)
Zeile 5: „er meint` es wär` ein Igel“ es fehlt zum Beispiel: er meint, dass es ein Igel wäre (Konjunktion)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Personifikationen:
Zeile 21: „ein Feuer fährt“
Parenthesen:
Zeile 7: „...,ich hab`s,...“
Correctio:
Zeile 13: „Es geht hinter mir, unter mir.“
Zeile 25: „Still, alles still,...“
Vergleiche:
Zeile 22: „ein Getös herunter wie Posaunen.“
Zitate:
Zeile 5: „drei Tag und drei Nächt“ aus NT Matthäus 12,40
Zeile 21/22: „ Ein Feuer fährt um den Himmel und ein Getös herunter wie Posaunen“ aus: Bibel
Zeile 25: „Still, alles still, als wär`die Welt tot.“ Möglicherweise angeregt von Thieck „Der Abschied“
1.1.3.1. Sonstige angewendete gestaltende Mittel:
Redewendungen:
Zeile 6: „und er lag auf den Hobelspänen“ für „gestorben sein“
Vieles wurde außerdem aus dem Clarus - Gutachten übernommen, so zum Beispiel:
Zeile 3: „Streif“ Im Gutachten: „drei feurige Streifen“
Zeile 13: „Es geht..., unter mir“ Im Gutachten: „unterirdisch Töne“
Zeile 7: „Freimaurer“ Im Gutachten: Woyzecks Angst vor den Freimaurern
1.1.4. Wortwahl:
Wie man schon in 1.1.3. bei der Untersuchung auf Ellipsen erkennt, lässt Woyzeck oft Prädikate, also Verben aus. Ebenso verhält er sich mit Pronomen wie „es“ / „wir“, die meistens als Subjekt in den Sätzen hätten stehen müssen.
Wenn er Pronomen benutzt, dann ist es meistens das Personalpronomen „es“ ( insgesamt: siebenmal), was auch manchmal keinen Bezug auf einen Sachverhalt hat, es also etwas Unbestimmtes ersetzt (zum Beispiel: Zeile 10: „ es geht was!“ / Zeile 13: „ Es geht hinter mir, unter mir“ / Zeile 22: „Wie `s heraufzieht!“).
Nur einmal benutzt Woyzeck das Pronomen „ich“ ( Zeile 7) und zweimal in Zeile 13 „mir“, was darauf hinweist, dass er selten über sich selbst spricht, sondern eigentlich nur von anderen Dingen oder Personen, die er mit „einer“, „er“, „das“, „man“, „was“ und „alles“ ersetzt.
Die anderen Pronomen nehmen im übrigen auch kaum Bezug auf Andres, nur einmal wird „dich“ ( Zeile 23) benutzt und in Zeile 14 „du“. Stattdessen redet er diesen direkt mit Namen an, zum Beispiel in Zeile 3 und 18.
Ansonsten beschränkt er seine Sprache auf nur wenige Wörter, die er immer wieder anwendet. So benutzt er ausschließlich das Wort „da“ (Zeile 3 / 4) um auf einen Ort hinzuweisen und als Satzverknüpfung wählt er entweder „und“ (Zeile 5 / 21) oder benutzt keinen Konjunktion.
Die einzigen Adjektive die Woyzeck benutzt sind „still“, „hohl“, „hell“ und „tot“.
Er besitzt also nicht die Fähigkeit, seine Empfindungen und Eindrücke mit eigenen Worten zu beschreiben und verwendet dazu lieber, wie in Zeile 22 ( „wie Posaunen“) oder Zeile 25 („als wär die Welt tot“), Vergleiche oder direkt ganze Zitate (Zeile 21/22)
Die Nomen beschränken sich auf Begriffe wie „Gras“, „Kopf“, „Igel“, „Hobelspänen“, „Tag“, „Nächt“, „Atem“, „Feuer“, „Himmel“, Man sieht also, dass auch diese Wortwahl auf eine eher einfache Sprache hinweist, da Woyzeck eigentlich nur Wörter des „alltäglichen Gebrauchs“ und nie abstrakte Wörter verwendet. Nur die Begriffe („Getös“, „Posauen“) in dem Bibelzitat (Zeile 21/22) fallen ein wenig aus dieser Reihe, doch das lässt sich ja damit erklären, dass sie eben nur zitiert wurden.
Die meisten verwendeten Wörter sind entweder neutral oder negativ („Nächt“, „Hobelspänen“, „Freimaurer“ = für Woyzeck negativ belegt, „still“, „hinter“/ „unter“, „hohl“, „kurios“,“ Feuer“, „Getös“, „tot“...) belegt, positive Wörter verwendet Woyzeck kaum.
1.1.5. Satzbau
Woyzeck spricht nur in parataktischen Sätzen, die er aneinander reiht, oder in zwei Fällen mit „und“ verbindet.
Manche Sätze sind durch Ellipsen, Anakoluthe sowie durch völlig falsche Grammatik in Bezug auf die Wortstellung, nur schwer verständlich.
Der Satz in Zeile 3 besitzt so überhaupt keine syntaktische Ordnung und Logik; es fehlt unter anderem das Subjekt sowie das Prädikat. Er könnte zum Beispiel folgendes damit meinen: „Ja Andres, dort, wo der Streif über dem Gras (hin)schwebt, da rollt abends der Kopf... “Auch in den anderen Sätzen, wo man Ellipsen auffinden kann, fehlen meistens Subjekt und Prädikat (siehe 1.1.3.: Ellipsen).
In Zeile 5 werden zwei Sachverhalte mit „und“ verbunden, die deswegen keinerlei Logik mehr aufweisen. Dies geschieht auf Grunde fehlender Wörter, der Satz könnte beispielsweise lauten: „Drei Tag und drei Nächt, in denen er auf den Hobelspänen lag.“ So entstehen in allen Reden Woyzecks logische Brüche oder unzusammenhängende Inhalte (Zeile 3-7 / 5 / 14/ 20-23 (ohne die Regieanweisung wüsste man nicht, von was er spricht), die auch einen Hinweis auf seine einfachen Aneinanderreihungen von Gedanken / Visionen und seine Angst vor diesen geben.
1.2. Unterschiede zu Hd 1 / neue sprachliche Mittel in Hd 4
1.2.1. Kurze Inhaltsangabe:
Das Ende der Szene (denn nur dort tritt Woyzeck auf) beschäftigt sich mit einem Gespräch zwischen Marie und Woyzeck. Marie versucht ihre, von dem Tambourmajor geschenkten, Ohrringe vor Woyzeck zu verbergen und behauptet, als dieser sie entdeckt, sie hätte sie gefunden. Woyzeck zweifelt daran, jedoch lässt er es dabei beruhen und weist Marie stattdessen an, dem Kind eine bequemere Lage zu beschaffen. Außerdem beklagt er sich über ihre Armut, besonders über das Elend des Kindes, und gibt Marie sein verdientes Geld.
1.2.2. Sprachanteile:
Anders als in Hd 1 besitzen beide Personen fast gleiche Sprachanteile; sie führen von Zeile 22 bis 28 einen Dialog (Z.22: W. ; Z.23: M. ; Z.24: W. ; Z.25: M. ; Z.26/27: W. ; Z.28: M.), dann folgt ein längerer Monolog Woyzecks ( Zeile 29-34). Am Ende der Szene spricht zuerst Marie (Z.35), es antwortet in Zeile 36 Woyzeck, woraufhin drei Zeilen eines Selbstgespräches Maries folgen.
Man sieht also, dass man die Szene in drei Stücke aufteilen kann, nämlich in den ersten Dialog, den Monolog Woyzecks, der ungefähr dieselbe Länge des Dialoges besitzt, sowie den zweiten Dialog, der jedoch nur aus zwei Zeile besteht (das Selbstgespräch lasse ich weg, da Woyzeck nicht mehr da ist.)
1.2.3. Stilmittel:
Ich werde nur die Stilmittel aufschreiben, die Büchner in Hd 1 noch nicht benutzt hat:
Metaphern
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Euphemismen:
Zeile 30/31: „hellen Tropfen“ für: Schweiß
Ansonsten kann man auch Ellipsen, Alliterationen, Bibel- und sonstige Zitate(Zeile 32/ Zeile 32), Wiederholungen, zum Beispiel von dem Namen „Marie“ und sonstige schon bekannte Stillmittel in dieser Szene vorfinden.
1.2.3.1. Anlehnungen an den hessischen Dialekt/ Umgangssprache:
Zeile 29: „Was der Bub schläft“ hessisch für: „Wie der Bub schläft“ (7)
Zeile 36: „Adies“ umgangssprachlich für das alte „Ade“ oder das vornehme „Adieu“ (8)
1.2.4. Wortwahl
Im Gegensatz zu Hd 1 ist der Pronomengebrauch in dieser Szene fast normal, nur selten lässt Woyzeck einige aus (zum Beispiel Zeile 31: „ es ist alles Arbeit...“).
Ansonsten gleicht die Wortwahl der in Hd 1.
1.2.5. Satzbau
Wie in der vorherigen Szene weist Woyzecks Satzbau Mängel, wie zum Beispiel logische Brüche oder Anakoluth(e), und grammatische Fehler auf.
1.3. Unterschiede zu Hd 1 / neue sprachliche Mittel in Hd 5
1.3.1. Kurze Inhaltsangabe
Die Szene Hd 5 gibt ein Gespräch zwischen Woyzeck und dem Hauptmann wieder, die sich unter anderem über, so die Meinung des Hauptmanns, Woyzecks Dummheit und dessen fehlende Moral und Tugend unterhalten. Woyzeck verteidigt sich mit seiner Armut und macht durch seine Überlegungen und Vorstellungen den Hauptmann völlig unsicher, da dieser die Äußerungen seines Untergebenen nicht versteht.
Da diese Szene meiner Meinung nach für die Interpretation des gesamten Stückes, also auch für die Funktion der Sprache, wichtig ist, werde ich sie in Bezug auf wichtige Stilmittel, sowie Wortwahl, Satzbau und Grammatik etwas ausführlicher analysieren.
1.3.2. Sprachanteile
Man kann das gesamte Gespräch genau in zwei Hälften teilen, nämlich in die Phase, in der Woyzeck außer „Ja wohl, Herr Hauptmann“ nichts sagt (Zeile 3-38) und dafür lange Vorträge von Seiten des Vorgesetzten zu hören bekommt und in die Phase des „lebhaften Dialoges“ zwischen Woyzeck und seinem Hauptmann. In dieser zweiten Phase sind die Sprachanteile von der Länge her ziemlich gleich, wobei jedoch der Hauptmann das „letzte Wort“ hat.
1.3.3. Stilmittel
wichtige Wiederholungen
Zeile10/20/30: „Ja wohl, Herr Hauptmann“
Zeile 47: „Geld“ (dreimal)
Zeile 48/50: „Welt“ (zweimal)
wichtige Metaphern
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anakoluth:
Zeile 47/48: „da setz einmal einer seinesgleichen auf die Moral in die Welt“
Zeile 61/62: „Ich hab`s noch nicht so aus.“
Zeile 62-66: „Sehn Sie, ich wollt schon tugendhaft sein.“ (siehe Satzbau)
wichtige Ellipsen:
Zeile 47: „Wer kein Geld hat.“ (nötiger Relativsatz / Folge der Bedingung fehlt)
Zitate:
Zeile 41/42: „Der Herr sprach, lasset die Kindlein zu mir kommen.“: Bibel: Markus 10,14
1.3.4. Wortwahl
In dieser Szene kann man einen auffälligen und auch teils unterschiedlichen Pronomengebrauch vorfinden.
Woyzeck benutzt, anders als in den schon beschriebenen Szenen, oft das Personalpronomen „wir“ (Zeile 46/50/51/62) und auch andere Pronomen, wie „man“ und „unseins“, die alle auf Woyzecks niedrigen Stand hinweisen. Er spricht in dieser Szene also allgemein über die ärmere Schicht („wir gemeinen Leut“) und nicht wie sonst nur über seinen eigenen Ängste und Visionen.
Seine eigene Meinung, diesmal nicht in Form eines Zitates, äußert er ab Zeile 61 bis 67, was man an dem häufigen Gebrauch des Personalpronomen „Ich“ erkennt.
Woyzecks Nomen sind, wie schon in den anderen Szenen beschrieben, meist nicht abstrakt, jedoch fallen diesmal einige wenige aus der Reihe; er benutzt so zum Beispiel die Wörter „Moral“, „Gott“ und „Tugend“.
Fast alle gebrauchten Adjektive beziehen sich auf die Armut Woyzeck und die seines Standes. Er sagt so dreimal „arm“ („armer Wurm“; „arme Leut“; „armer Kerl“) und einmal benutzt er „gemein“, was in diesem Kontext nicht nur „gewöhnlich“ bedeutet, sondern auch den niedrigsten, wenn auch zahlenmäßig am größten, Teil der Bevölkerung bezeichnet.
Auffällig ist in dieser, wie auch in allen übrigen Szenen der Gebrauch des Wortes „einmal“, was auf eine wenig niveauvoll Sprache hinweist und als „Füllwort“ benutzt wird.
1.3.5. Satzbau und Grammatik
Wie auch in den anderen Szenen weist auch hier Woyzecks oftmals fehlende Satzordnung und Grammatik auf dessen Schwäche hin, seine Gedanken nicht geordnet und zusammenhängend darlegen zu können. In dieser Szene ist es sogar noch extremer als in den anderen. Häufig fängt er Sätze an (siehe 1.3.3.: Ellipsen) und lässt einfach den Rest weg oder verwendet wie in Zeile 47/48 eine so „verdrehte“ Grammatik (siehe 1.3.3.: Anakoluth) , dass man den Sinn des Satzes kaum verstehen kann.
Diese falsche Grammatik wird besonders deutlich in Zeile 62-66: Woyzeck benutzt „das“ als Pronomen für „ gemeinen Leut“ anstatt „wir gemeinen Leute, wir haben keine Tugend...“ und verwendet so auch die falsche Verbform. Im nächsten Satz „es kommt einem nur so die Natur“ wird abermals ein anderes Pronomen verwendet, anstatt „uns kommt...“ sagt er „einem“. Ähnliche Fehler weist auch der Rest des Satzes auf.
1.4. Unterschiede zu Hd 1 / neue sprachliche Mittel in Ha 7
1.4.1. Kurze Inhaltsangabe
Woyzeck befindet sich in dieser Szene, die nach dem Mord an Marie spielt, im Wirtshaus, wo er versucht, Käthe zu gewinnen. Diese weigert sich jedoch und entdeckt die Blutspuren an Woyzecks Hand. Er behauptet, er habe sich geschnitten, jedoch glaubt dies weder Käthe, noch der Wirt oder der Narr. Als sie ihre Zweifel äußern, weist Woyzeck sie an, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern.
1.4.2. Sprachanteile
Bis auf den Anfang und das Ende der Szene besitzen alle Personen ungefähr dieselben Sprachanteile (ungefähr ein bis zwei Sätze pro Person).
Nur an den schon erwähnten Stellen spricht Woyzeck länger, am Anfang von Zeile 2 bis 14, wobei dieses Stück noch ein fünfzeiliges Lied beinhaltet, und am Ende sagt er neun kurze Sätze (Zeile 38-41).
1.4.3. Stilmittel
Extrem auffallend sind in dieser Szene nur die vielen Wiederholungen( Z.2/3:„alle“; Z.9/11/12: „Käthe“; Z.9/11:“heiß“; Z.18: „Schuh“; Z.25: „Ich“; Z.28:“Blut“; Z.10/38/39: „Teufel“; Z.38/39/40: „Ihr“; Z.38/40: „Euch“; Z.38/40: „was“; Z.39/41: „Platz“) und die „Variation“ des Wortes „Rot“ („heiß“, „blutig“, „Blut“).
Ansonsten verwendet Büchner auch hier die „gewöhnlichen“ Stilmittel.
Erwähnenswert sind noch die Zeilen 38 bis 41, in denen Woyzeck sich zu verteidigen versucht. Dort kommen außer den schon genannten Wiederholungen noch viele Alliterationen ( zum Beispiel: Z.38 :“was - wollt - was“), Anaphern (z.B.: Z.38. „was“) und Ellipsen (Z.B. Z.39: „oder der erste - ...“ Z.40: „Bin ich Mörder““ )vor.
1.4.4. Wortwahl
Bei dem Pronomengebrauch fällt als erstes auf, dass Woyzeck sehr häufig das Personalpronomen „Ich“ gebraucht, sowie oft „ihr“ und „euch“ verwendet, was meiner Meinung nach zur Verteidigung seiner eigenen Person („ich“) vor den übrigen dient. Indem er sie direkt anspricht, startet er eine Art „Angriff“ auf sie.
Die Wortwahl ist allgemein noch negativer („tanzt“ = negative, erotische Belegung, „schwitzt“, „stinkt“, „Teufel“, „kalt“, „Höll“, „Blut“, „geschnitten“, „umgebracht“, „Mörder“, „gafft“...) als in den anderen Szenen und kommt größtenteils aus dem Sprachgebiet des Todes: „Teufel“, „kalt“, „Höll“, „Blut“, „umgebracht“, „Mörder“. Die restlichen negativen Wörter beschäftigen sich mit dem Leben, was also in diesem Zusammenhang auch als etwas Schlechtes angesehen wird: „tanzt“, „schwitzt“, „stinkt“, „gafft“.
Das Adjektiv „heiß“ bezeichnet also das Leben, „kalt“ den Tod.
1.4.5. Satzbau und Grammatik
Im Großen und Ganzen ähnelt der Satzbau sowie die Grammatik der schon beschriebenen Szenen.
2. Allgemeine Funktion der Sprache Woyzecks
2.1. Funktion bezüglich der Gesellschaftskritik
Woyzeck spricht zwar hessischen Dialekt, was man zum Beispiel an seiner Aussprache und den benutzten Redewendungen erkennt, jedoch ist dieser vermischt mit Hochdeutsch. Das weist darauf hin, dass Büchner die „Armen“ nicht nur als einzelnen, von den höheren Klassen getrennten Stand betrachtet sondern die Menschen als einzelne Individuen ansieht, die einen persönlichen und individuellen Sprachstil haben. Damit fordert der Autor also die Aufhebung der Klassengesellschaft (Zugehörigkeit zum „Jungen Deutschland“), da er findet, dass nur die Bildung und das Geld (siehe Hd 5) die Menschen trennt und zu unterschiedlichen Moralvorstellungen und Handlungsweisen (hier auch Sprechweisen) zwingt. Woyzeck besitzt, wie übrigens auch der Doktor oder der Hauptmann, nicht die Möglichkeit, sich auszudrücken, so dass er an bestimmten Stellen zum Beispiel auf Bibelzitate oder Lieder (siehe Analyse) zurückgreifen muss. Er besitzt einen nur sehr geringen Wortschatz und ist kaum in der Lage, seine Gedanken abstrakt zu formulieren.
Das jedoch lässt sich mit seiner mangelnden Bildung durch seine Armut „entschuldigen“, denn dass er doch Intellekt besitzen muss, erkennt man in Szene Hd 5. In dem Gespräch ist er dem Hauptmann von seinen Gedanken und Inhalten her überlegen, jedoch scheitert seine Argumentation an seinem fehlenden Wortschatz und an seinen grammatikalischen Mängeln, so dass der Hauptmann sich trotzdem überlegen fühlt und sogar das „letzte Wort“ besitzt. Woyzeck spricht seine Gedanken so aus, wie er sie denkt, was man an seinen parataktischen und auf Grunde des falschen Satzbaus und der falschen Grammatik manchmal recht schwer zu verstehenden Sätzen erkennt. Er reiht das, was er denkt einfach aneinander, logische Zusammenhänge und Satzverknüpfungen (außer durch „und“) fehlen oft. Die begonnene syntaktische Konstruktion wird selten durchgehalten (Anakoluth) und es werden wichtige Satzteile einfach ausgelassen (Ellipse).
Alle diese Mängel kommen wahrscheinlich unter anderem aus der fehlenden Unterhaltung mit seinen Mitmenschen, niemand interessiert sich für seinen Gedanken und Meinungen, so dass Woyzeck nie „gezwungen“ wird, sich richtig und verständlich auszudrücken. Auch hier kritisiert Büchner die Umgebung Woyzecks und damit die real existierende Gesellschaft im 19.Jahrhundert, die den Hauptdarsteller praktisch zu dem gemacht hat, was er ist. So ist er nämlich zu einem nicht ernst zu nehmenden Mann geworden, der nur dafür da ist, ausgenutzt zu werden, sei es als Versuchs“tier“ für den Doktor (= intellektuelle Bürgerschicht) oder als unterhaltsamer, jedoch dummer und unterlegener Untertan für den Hauptmann (= aristokratische Herrschaftsschicht). Sogar Marie, die ihn vielleicht trotz allem liebt, nutzt ihn bloß aus, da sie sich für einen gesellschaftlich höheren Menschen entscheidet.
Die häufigsten Stilmittel sind Wiederholungen, Ellipsen, Anakoluthe und Alliterationen; Büchner verwendet nur in einer Szene Hd 4 (sowie Hd 5) mehrere Metaphern, die von Woyzeck jedoch eher „unbewusst“ verwendet werden. Ich bin der Meinung, dass Büchner gerade durch Woyzecks einfache und wenig niveauvolle oder abstrakte Sprache ausdrücken möchte, dass auch „einfache“ Menschen sehr wohl die Fähigkeit zur Reflektion besitzen, diese jedoch nur „durch die Blumen“ und wahrscheinlich auch nur unbewusst äußern können. Mir wurde dies in Szene Hd 4 deutlich, da dort Büchner zum ersten Mal Metaphern verwendet, die von Woyzeck jedoch in einem ganz „einfachen“ Sachverhalt (Sorge um unbequeme Lage des Kindes) verwendet werden und dennoch seine „höheren“ (eigene Lage/ Lage seiner „Familie“) Gedanken, die ihm selbst unbewusst sind, ausdrücken. Diese Gedanken kommen unter anderem direkt in der nachfolgenden Szene Hd 5 zu Ausdruck.
2.2. Funktion bezüglich des Charakters Woyzecks und zum Ausdruck seiner Gefühle / Stimmung
Die sprachlichen Mängel treten, wie auch die verschiedenen Stilmittel (Ellipsen, Alliterationen usw. und besonders Wiederholungen) immer dann vermehrt auf, wenn Woyzeck besonders erregt, aufgebracht oder verängstigt ist, sowie dann, wenn er sich mitteilen möchte (Hd 5).
Büchner verwendet also den oftmals falschen Satzbau (ausführliche Beschreibung fand schon in 2.1. statt) nicht nur um seinen Bildungsstand darzustellen, sondern auch, um seine Ängste oder Gefühle wie Aufregung...auszudrücken.
In Hd 1 kann man zum Beispiel anhand der vielen Wiederholungen und Ellipsen Woyzecks Angst vor den Freimaurern / seinen Visionen herauszulesen. Er ist zu aufgebracht, um sich Andres verständlich mitteilen zu können und „verschluckt“ so sogar ganze Wörter. Er möchte jedoch, dass Andres an seinen Empfindungen teilnimmt, was in der häufigen Benutzung dessen Namens deutlich wird.
Allgemein kann man sagen, dass Woyzeck seine Gesprächspartner gerne direkt mit Namen anspricht und so den Gebrauch von Pronomen vermeidet. Daran erkennt man sein großes Mitteilungsbedürfnis (auch in Hd 4: „Marie“, Ha 7: „Käthe“) und sein Betteln um Aufmerksamkeit.
Die übrige Verwendung von Pronomina ist sehr unterschiedlich, mal vermeidet er zum Beispiel das Pronomen „ich“, in einer anderen Szene jedoch kommt es wiederum häufig vor, was auf sein gestörtes Bewusstsein zum eigenen Körper hinweist. In Hd 1 ist er sich selbst völlig fremd, da er nur noch seine Visionen im Kopf hat (schizophren?!), in Ha 7 dagegen empfindet er sich als „sich selbst“ („ich“) und möchte sich gegen die anderen verteidigen, da er sich auch seiner Tat bewusst ist. Büchner macht also anhand des Pronomengebrauchs Woyzecks zwiespältige Person deutlich.
Mehrmals kann man den „unbestimmten Gebrauch“ von „es“ vorfinden, manchmal ist also unklar, welches Nomen Woyzeck damit ersetzten will. Es bleibt also vor dem Leser verborgen, vor was Woyzeck überhaupt Angst hat, so dass auch hier die fehlende Mitteilungsund Ausdrucksgabe Woyzecks deutlich wird.
Die psychische Krankheit Woyzecks untermauert Büchner mit den „Zitaten“ aus dem Clarus - Gutachten und stellt so den Realitätsbezug her.
Woyzeck ist unzufrieden mit seinem Leben, er ist frustriert und traurig,, was man ja unter anderem durch die oben beschriebene gesellschaftliche Situation herauslesen kann. Daher ist es auch vollkommen logisch, dass sich Woyzecks Wortwahl größtenteils auf negative Wörter (besonders die wenigen Adjektive sind meist negativ belegt) beschränkt, was man in Szene Ha 7 ja besonders deutlich zu sehen bekommt.
Er findet sein Leben, oder besser das Leben allgemein, als schlecht (siehe Analyse von Ha 7: Wortwahl: Bezug auf Tod + Leben) und empfindet zum Beispiel „heiß“, was für das Leben/ „lebendig sein“ steht, als unangenehm („ich hab heiß, heiß“). Er verabscheut also sein eigenes Leben; bei Käthe meint er „heiß“ jedoch eher erotisch, wenn auch mit einer gewissen negativen Belegung. (Dies erkennt man an dem nachfolgenden Satz ( „ warum denn? “ ). Er fragt sich also, warum Käthe am Leben ist, Marie aber tot.)
- Citation du texte
- Simone Kirst (Auteur), 2001, Büchner, Georg - Woyzeck - Die Sprache, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106303
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