Einleitung
Nachdem Mead in den vorherigen Kapiteln des III. Teils des Buches Geist, Identität und Gesellschaft, den Entwicklungsprozess der Identität, die er aus einem gesellschaftlichen Prozess der Verinnerlichung der Haltungen anderer heraus erklärt, darlegt, geht er im 22.
Kapitel dazu über, die innere Struktur der Identität zu untersuchen. Er stellt die Frage nach der Beschaffenheit des " Ich ", dem ein " gesellschaftliches ICH " bewußt wird (Mead 1973, S. 217) , also nach einem "Ich" das sich selbst zu Objekt hat. Außerdem fragt er, wo das "Ich" im Gegensatz zum "ICH" auftritt (Mead 1973, S. 217). Im folgenden gehe ich seinen, am Anfang gestellten Fragen nach und versuche seine Überlegungen zu erläutern .
Gegensatz von "Ich" und "ICH"
Nach ersten einleitenden Sätzen versucht Mead das "Ich" vom "ICH" zu trennen. Er sagt, dass wenn wir uns in Bezug auf die Gesellschaft definieren, dies in Bezug auf ein "Ich" geschieht, dieses "Ich" jedoch klar vom "ICH" zu trennen ist. Beide sind Teil der Identität, jedoch nicht wie dies bei der Trennung von positiven und negativen Zügen der Fall ist. Wenn wir einen von diesen hervorheben betrachten wir ihn als ein "ICH". Wir stellen ihn uns gegenüber und betrachten ihn. Indem man die Haltungen anderer übernimmt, man sie verinnerlicht stehen sie als ein "ICH" dem Einzelnen gegenüber. Die Reaktion darauf geschieht als "Ich". Beide stehen in einer Wechselwirkung miteinander. Das "ICH" ist die Vorgabe auf die das "Ich" reagieren muss. Diese stattgefundene Reaktion fließt nun in das neue "ICH" als Erinnerung und Erfahrung mit ein. Mead sagt, dass es erst durch das Vorhandensein beider Phasen der Identität es möglich ist, bewußte Verantwortung zu übernehmen und neue Erfahrungen zu machen (Mead 1973 S. 221).
Definition des "ICH" ( ME)
Das "ICH", welches im englischen Originaltext als "me" bezeichnet wird, ist wie oben schon angeschnitten dass, was uns objektiv gegenüber tritt. Im "ICH" liegen die von den anderen übernommenen Haltungen. Das Individuum ist sich diesen Haltungen bewußt. Bewußtsein heißt für Mead das Auslösen von Haltungen der anderen in uns selbst. Mead trennt hier sehr scharf Haltungen von Gewohnheiten, die auf einer unbewussten Identitätsebene bleiben (Mead, 1973 S. 205). Er sagt, dass nur die Haltungen in unsere bewußte Identität eindringen. Indem wir die Haltungen der Anderen in uns auslösen, entwickelt sich aus diesen eine organisierte Gruppe von Haltungen (Mead, 1973 S.218). Diese organisierten Haltungen sind uns bewusst. Man weis was andere in einer bestimmten Situation erwarten. Man kennt die Folgen einer möglichen Handlung. Dieses "ICH" ist von seine Struktur her etwas Vorhandenes, eine Basis, die die Forderung nach einer Reaktion auf die Haltungen der Anderen stellt.
Ein weiterer Teil dieses "ICH" ist das "historische Ich". Wie schon oben gesagt, reagiert das "Ich" auf ein "ICH". Wenn wir nun etwas tun, zum Beispiel einen Ball werfen oder etwas sagen, können wir uns an das Getane oder Gesagte erinnern. Hierdurch wird das "ich", das zum Beispiel darauf reagiert das jemand sagte," wirf mir den Ball zu", zu einem "ICH". Durch die Erinnerung ist das "ich" bewusst. Allerdings nur das vergangene "Ich" (Mead, 1973 S. 217 f.). Das "Ich", an welches man sich als Erfahrung erinnert, muss jedoch tatsächlich abgelaufen sein. In der Gegenwart stellt man sich zwar auch Dinge aus der Zukunft vor und habt Erwartungshaltungen an jemanden, zum Beispiel wenn man eíne Frage stellt und sich die Antwort vorstellt. Jedoch nur das wirklich Gesagte oder Getane fließt als Erfahrung in das "ICH" ein.
Das " ICH " ist immer etwas Gegebenes und daher auch Bestimmtes, es umfaßt die organisierten Haltungen der anderen und unsere Erinnerungen und Erfahrungen. Es entsteht durch die Internalisierung der Haltungen anderer und durch die Erinnerung an ein "Ich". Es steht uns, indem wir die Haltungen der anderen in uns auslösen und durchdenken, objektiv gegenüber. Das "ICH" wird zum Objekt unserer Überlegungen.
Definition des "Ich" ( I )
Der andere Teil der Identität, der im englischen Originaltext als "I" und in der deutschen Übersetzung als " Ich" bezeichnet wird, ist der Teil der Identität, der auf das gegebene "ICH" (im Englischen als "me" bezeichnet) reagiert. Zur besseren Verständlichkeit verwende ich ab jetzt die Originalbegriffe.
Das "I" ist in vielen Dingen dem "me" entgegengesetzt. Es ist, nach Mead, eine Reaktion auf das "me". Als Reaktion ist es ein Bestandteil der Gegenwart mit einem Schritt in die Zukunft, während das "me" als etwas Gegebenes ein Teil der Vergangenheit in der Gegenwart ist. In der ständigen Zukünftigkeit des "I" liegt auch der Grund warum man es nicht erfassen kann, wie Mead auf Seite 217 sagt. Indem man als "I" reagiert, ist es geschehen, also ist es schon ein Teil der Vergangenheit. An die Vergangenheit kann man sich erinnern, damit ist das "I" schon ein Teil des "me". Da man das "I" nicht erfassen kann, es nicht wie es beim "me" möglich ist, es zu durchdenken kann, bleibt es etwas Subjektives. Nur in der Erinnerung als historische Figur wird es zum Objektdes Denkens.
So wie das "me" etwas Gegebenes und Berechenbares ist, ist das "I" etwas Aufgegebenes, etwas was zu tun ist und dadurch, dass es noch nicht geschehen ist, auch etwas Unberechenbares.
Die Unberechenbarkeit einer Aktion durch das "I" ist sicher von der jeweiligen Situation abhängig und es mag Situationen geben die auf Grund von Institutionalisierung über eine hohe Berechenbarkeit des Verhaltens verfügen (Mead 1973 S. 210). Trotzdem gibt es keine 100% Sicherheit. Durch die Unbestimmtheit der Reaktion ergibt sich, dass das "I" die Quelle von etwas Neuem ist. Die Reaktion war vorher nicht in der durchgeführten Form im "Me" präsent, sie ist erst in dem Moment in dem sie ausgeübt wurde entstanden. Dies bringt mit sich, dass erst hieraus neue Erfahrungen entstehen können. Bei einer 1:1 Umsetzung der Haltungen in eine Reaktion wäre dies nicht möglich. Im "I" liegt die Spontanität und die Originalität von Verhalten begründet. Zum Beispiel wird von mir erwartet, dass ich den Ball meinen Mitspielern zuwerfe, doch wie ich es tue und ob, ergibt sich erst aus einem Prozess des Abwägens und Überlegens, des Einnehmen der Haltungen der anderen.
Das Ergebnis hieraus ist mehr oder weniger offen ( Mead 1973, S.221 ). An diesem Punkt wird meiner Meinung nach deutlich, dass es bei dieser Beschreibung der Identität nicht um Gewohnheiten und glatt ablaufende Handlungen geht sondern um Probleme mit denen man sich bewußt auseinandersetzen muss. Deutlich wird dies auch dadurch, dass Mead diese Beschaffenheit der Identität als die Voraussetzung für bewußte Verantwortung bezeichnet (Mead 1973 S.221).
Schriftliche Zusammenfassung des 23. Kapitels.
Einleitung
Nachdem Mead die innere Struktur der Identität erläutert hat, widmet er sich in diesem Kapitel dem Verhältnis der Identität zur gesellschaftlichen Organisation. Außerdem trennt er an Hand des Identitätsbegriffes den Menschen von der ihn umgebenden Umwelt.
Das Wirken der Identität auf den Gesellschaftlichen Prozess Wie schon im 22. Kapitel deutlich wurde, ist der Identitätsbegriff geprägt von einer ständigen Wechselwirkung des "Ich" und dem "ICH". Es handelt sich also nicht um etwas gegebenes sonderen um einen Prozess. Dieser Prozess besteht aus der Vermittlung von Gesten innerhalb eines Einzelnen. Dieser, in das Individuum hereingenommene Prozess, in dem die Haltungen der anderen den Haltungen des Einzelnen gegenübergestellt werden und so eine Reaktion produziert wird, ist Teil der gesellschaftlichen Organisation.
Diese Organisation der Gesellschaft, wird durch ihre Verinnerlichung, zum Geist des Einzelnen ( Mead, 1973 S. 222).
Die Verbindung des eigenen Organismus mit den anderen, die Verinnerlichung im Dialog von "Ich" und "ICH", führt zur Identität.
Was ergibt sich aber aus so einer Identitätskonstruktion ?
Nach Mead bietet die Möglichkeit der Herennahme der Haltungen der anderen, die Chance Handeln besser zu koordinieren, zum Beispiel bin ich in der Lage mir verschiedene Szenerien zu entwickeln und durchzuspielen.
Außerdem wird es für den Einzelnen möglich, effektiver auf den gesellschaftlichen Prozess einzuwirken und ihn mitzubestimmen. Ein, meiner Meinung nach, schönes Beispiel ist das Schachspiel. Je besser ich in der Lage bin die Haltung meines Gegenübers in mich herein zunehmen, ich die Fähigkeit entwickle seine Zugmöglichkeiten mitzubedenken, desto besser bin ich in der Lage meine Züge zu koordinieren, gleichzeitig kann es mir gelingen auch seine Züge durch mein Verhalten zu beeinflussen.
An diesem Beispiel wird auch die Prozesshaftigkeit der Identität deutlich.
Es muss möglich sein, die Haltung der anderen durch die Haltung des Einzelnen gegenüber den Reizen der anderen zu ändern. Haltungen müssen änderbar sein. Dies geschieht dadurch, dass man ständig auf die Haltungen der anderen reagiert, und zwar durch den Dialog zwischen "Ich" und "ICH" auf eine originäre Art und Weise. Eine Reaktion kann die Haltung der anderen verändern.
Gemeinschaft und Idee
Die Möglichkeit der Veränderung der Gemeinschaft liegt also in der Fähigkeit der Hereinnahme der Haltungen der Gemeinschaft in den Denkprozess. Nach Mead liegt hier auch die Basis der Ideen. Durch das schaffen von Situationen in im Denken, entwickelt man Ideen wie man auf die Situationen reagieren können. Beim Schachspiel entwickelt man die Idee einer Zugkombination die der Gegenspieler anwenden könnte. Die Idee ist also eine Antwort auf die gestellte gesellschaftliche Forderung. ( Mead, 1973, S. 223). Wichtig und Einleuchtend ist hier der Unterschied zum Tier.
Der Hund, der sich in Angriffsposition bringt, tut dies tatsächlich, ebenso bringt der andere Hund sich tatsächlich in Verteidigungsposition. Ein Mensch, der im Affekt seinem Nachbarn den Schädel einschlägt weil der ihn beleidigt hat, hat keine Ideen entwickelt, er reagiert ohne Reflexion auf einen Reiz. Der Mensch aber, der vielleicht auch nur kurz darüber nachdenkt, wie er seinen Nachbarn um töten kann entwickelt eine Idee. Er stößt ihn zum Beispiel wenn keiner hinsieht die Treppe runter, damit es wie ein Unfall aussieht. Der qualitative
Unterschied wird auch in der unterschiedlichen juristischen Bewertung von Totschlag im Affekt und Mord sichtbar. Mead macht hieran noch einmal den Unterschied zwischen einem Symbol und einem signifikanten Symbol deutlich. Ein Symbol ist ein Reiz mit dem eine bestimmte Reaktion verbunden ist. Falls aber die Reaktion ein Teil einer kontrollierenden Haltung sein kann, ist, wie Mead sagt, die Beziehung zwischen diesem Reiz und der Reaktion ein signifikantes Symbol (Mead, 1973 S. 224).
Der Denkprozess als Spiel der Symbole
Gesten lösen in unseren Haltungen Reaktionen aus, diese lösen wiederum neue Haltungen aus. Der Sinn der sich, wie Mead im 11. Kapitel erläutert, aus der Geste von A und der darauf folgenden Reaktion von B konstituiert, wird selbst zu einem Symbol mit einem eigenen Sinn. Der Sinn löst als Reiz eine neue Reaktion aus. Es läuft also eine Art Kettenreaktion ab. Über diesen ständigen Wechsel von einer Reaktion, die einen Sinn enthält der zum Reiz für eine neue Reaktion wird, wird es möglich, Situationen zu verändern und erfolgreich gesellschaftliche Handlungen zu vollenden (Mead, 1973, S. 225).
Dieses ständige Wechselspiel macht Mead nun noch einmal an den Begriffen "Ich" und "ICH" deutlich. Das "ICH" repräsentiert die gesellschaftliche Situation in der wir leben Es umfaßt die uns umgebende Welt soweit wir sie in uns hereingenommen haben. Wir sind in unseren Denkprozessen auf dieses "ICH" hin ausgerichtet. Dadurch werden wir ein Teil der gesellschaftlichen Strömungen und Prozesse.
Differenz zwischen Mensch, Tier und Umwelt
Die Prozesshaftigkeit des Denkens, die Fähigkeit, die Haltung der anderen in uns auszulösen, Ideen und Reaktionsmöglichkeiten zu entwickeln, bietet uns wie gesagt die Möglichkeit einer hoch organisierten Gesellschaft. Ebenso gewinnen wir durch die Hereinnahme, der um uns herum gegebenen Dinge in unseren Denkprozess, Geist und Bewusstsein. Wir sind der Reflexion fähig.
Diese Fähigkeit unterscheidet uns Menschen von den Tieren. Mead macht diese Trennung schon am Fehlen der Sprache fest, da sie für ihn die Basis ist, auf der die Hereinnahme von anderen Haltungen und damit die Bildung einer Identität und Persönlichkeit erst möglich wird. Der Mensch übernimmt, da er sich mit der Situation in der er sich befindet, identifizieren kann, Verantwortung. Auch diese Fähigkeit zur Verantwortung fehlt den Tieren. Auch wenn man Tiere manchmal eine Persönlichkeit zuschreibt, wissen wir, dass sie eigentlich keine haben. Deutlich wird dies, so meint Mead, dass wir Tiere als rechtlos behandeln.
Weiterhin sagt Mead, dass ein Tier auch nicht über eine Zukunft oder eine Vergangenheit verfügt. Eine Zukunft habt es nicht, da es nicht über ein "ICH" verfügt, es nicht in der Lage ist seine Handlungen zu kontrollieren.
Ebenso habt es keine Vergangenheit, da es über keine Identität verfügt, die Erfahrungen in die Vergangenheit übertragen kann (Beim Menschen wird das "Ich", an das wir uns erinnern zum "ICH").
Ebenso sind Tiere nicht in der Lage Ideen und Erinnerungen zu entwickeln in dem Sinn, dass sie ein Ding als Zeichen für etwas anderes erkennen und dieses gebrauchen.
An diesem Punkt muss ich Mead jedoch widersprechen. Es gibt zahlreiche Tierversuche vor allen Dingen mit Schimpansen und anderen Menschenaffen, die zeigen, dass sie sehr wohl in der Lage sind Dinge als Zeichen für etwas zu erkennen und diese auch sinnvoll einzusetzen. Diese Versuche gehen weit über ein reines Abrichten auf ein Signal hinaus.
Es mag stimmen, dass ein Großteil der Tiere sich seiner Situation nicht bewußt ist und daher nicht über eine bewußte Vergangenheit und Zukunft verfügt, bei Menschenaffen halte ich jedoch Zweifel an Mead`s These für angebracht. Ein wohl eher ethisches als sozialpsychologisches Problem ist Mead`s Schlussfolgerung, dass man Tiere, da sie weder über Vergangenheit noch Zukunft verfügten, einfach töten darf (Mead, 1973 S. 226).
Ebenso wie die Tiere, sieht der Mensch auch die unbelebte Natur oft als gesellschaftliches Wesen an. Der Mensch, so Mead, tritt der Natur in einer gesellschaftlichen Beziehung, der Liebe, gegenüber. Die Grundlage ist eine Art Elternreaktion, die in uns ausgelöst wird. Auf der nächsten Ebene abstrahieren wir aus dem gesellschaftlichen Gegenüber der Natur, leblose Dinge.
Der Mensch trennt das physische Objekt von dem Vollzug der Handlung.
Ein physisches Objekt ist etwas allgemeines .Es gehört dem Erfahrungsbereich aller Menschen an, bzw. es könnte dem Erfahrungsbereich aller Menschen angehören. Physische Objekte lassen sich allgemeingültig definieren. Die .Merkmale für physische Objekte werden meisten durch den Umgang der Hand mit ihnen gebildet. Sie sind erfassbar im wahrsten Sinn des Wortes. Der Vollzug einer Handlung jedoch bleibt etwas persönliches, individuelles. Nahrung ist ein physisches Objekt, wenn man sie aber ißt, bleibt diese Erfahrung individuell.
Wie oben gesagt, tritt der Mensch den leblosen Objekten auf einer gesellschaftlichen Ebene gegenüber. Ein Ingenieur, der eine Brücke baut, muss gewisse Parameter der Natur mit in seine Überlegungen einbeziehen, auf seine Handlungen reagiert die Natur, worauf er wieder reagieren muss, es findet also eine Art Dialog zwischen ihm und der Natur statt. Aus diesem Dialog mit der Natur hat sich die Wissenschaft entwickelt. Ihr Vorläufer die Magie unterstellte der Natur jedoch zusätzlich, dass sie denkt und handelt wie die Menschen.
Fragmente davon haben sich erhalten, wenn man mit Dingen umgeht, diese ihren Nutzen verlieren und wir ihnen fluchen.
Wenn wir denken, so die Schlussbemerkung Mead`s nehmen wir der uns umgebenden Welt eine gesellschaftliche Haltung ein.
Schriftliche Zusammenfassung des 24. Kapitels.
Einleitung
In dem 24. Kapitel definiert Mead noch mal was der Begriff des Geistes bei ihm bedeutet, wie er funktioniert und wie er entstanden ist. Er greift dabei viele schon vorher erläuterte Aspekte auf und veranschaulicht sie.
Die Funktion der Hereinnahme der Gesten
Nach Mead ist die Hereinnahme der Gesten in das individuelle Verhalten das basale Element zur Entwicklung von Geist. Der Einzelne Mensch ist nicht ein Individuum was losgelöst exsistiert, sondern er ist mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft eng verwoben. Das Individuum ist ein Teil des gesellschaftlichen Prozesses.
Durch die Fähigkeit der Hereinnahme der Gesellschaftlichen Situation in sich selbst entsteht eine Art Kettenreaktion, ein komplexer gesellschaftlicher Prozess.
Entstehung des gesellschaftlichen Prozesses
Der gesellschaftliche Prozess muss nach Mead vor der Identität und dem Geist entstanden sein ( Mead,1973, S.230). Mead zeichnet eine Art Kausalkette, die sich durch die Definitionen der zentralen Begriffe gut verfolgen lässt.
Er beginnt seine Kette mit der Geste. Die Geste ist für ihn die Basis alle Interaktion. Aber erst die vokale Geste gibt uns nach Mead die Möglichkeit der Kommunikation, da der Mensch erst durch sie in die Lage versetzt werden in uns das selbe auszulösen wie in anderen. Durch vokale Gesten lösen wir in uns die Reaktionen aus, die wir in anderen auslösen und nehmen daher die Haltung der anderen in unser Verhalten hinein (Mead,1973 S.108).
Aus dieser Fähigkeit der Hereinnahme der Haltungen der anderen, der einen umgebenden relevanten gesellschaftlichen Situation, entwickelt sich nach Mead erst die Identität. Er beschreibt sie als eine Struktur von Haltungen (Mead1973, S.205), die einer Gruppe gemeinsam sind. Erst in Beziehung zu anderen entwickelt sich Identität.
Eine Gruppe setzt aber wie er es sagt, gewisse kooperative Tätigkeiten voraus. Es muss also schon einen gesellschaftlichen Prozess vor der Identität geben. Geist und Identität lassen sich bei Mead schwer trennen. Beide sind durch die Hereinnahme der gesellschaftlichen Situation bedingt. Mead ordnet dem Geist den Begriff der Reflexionsfähigkeit zu. Geist ist vorhanden, wenn eine Situation durchdacht wird, wenn es kontrollierende Handlungen im Individuum gibt. Geist gehört zur Identität, er ist eine Art Charakterzug der Identität.
Beziehung zwischen Geist und Körper
In der Fußnote 17 (Mead 1973, S.230) wird auf die Unterschiede zwischen Geist und Körper eingegangen. Der Geist umfaßt die Identität als Mitglied einer rationalen Gemeinschaft. Dem gegenüber steht der Körper als ein physisches Objekt. Also als ein Objekt, auf das man zwar hinweisen kann, dass aber nicht auf einen Reiz reagiert.
Trotzdem darf man nicht vergessen, dass der Mensch, wie im vorherigen Kapitel ausgeführt, auch mit Objekten, die außerhalb der Kommunikation stehen, in eine Art gesellschaftliche Beziehung tritt. Bei alten Menschen die mit ihren Gelenken reden wird dies deutlich. Sie behandeln z.B. ihr Knie wie einen Menschen.
Gesellschaftliche und individuelle Organisation
Zum Schluss geht Mead noch einmal auf die Entstehung von individueller Organisation (als Geist und Identität) aus der gesellschaftlichen Organisation ein.
Er vergleicht die Entstehung der spezifischen Organisation mit dem Entstehen von funktional differenzierten Zellen aus einem biologischen Prozess heraus.
Bedeutend wird hier noch einmal der bei Mead oft auftauchende Prozessgedanke.
Der gesellschaftliche Prozess verändert nicht nur die Individuen genauso wie auch sie ihn verändern können, sondern er macht sie auch erst möglich. Nur durch den gesellschaftlichen Prozess, in dem Menschen verantwortlich funktionieren können, ist der Mensch möglich (Mead, 1973, S. 233).
Mead betont hier auch noch die Bedeutung der Gesten für den Prozess, vor allen Dingen die Bedeutung der vokalen Geste als signifikantes Symbol.
Er schließt hier den begonnen Kreis, indem er darauf verweist, dass die vokale Geste sich aus gesellschaftlichen Beziehungen erst entwickelt. Die Geste, so Mead, existiert nur im Hinblick auf eine Reaktion. Die Geste, hier als vokale Geste oder konkret als Wort, braucht also einen Sinn, der in der Reaktion liegt. Es muss eine grundsätzliche Reaktion oder Haltung auf eine Geste schon gegeben sein. Dies bedeutet jedoch nicht ein reines Reiz (Geste)- Reaktionsschema, sondern dass wir durch eine Geste, die wir in uns hereinnehmen, eine Reaktion, eine Haltung auslösen können, also bestimmte gesellschaftliche Vorstellungen vorhanden sind.
Sprache ist also nicht willkürlich sondern an den gesellschaftlichen Prozess gebunden.
Deutlich wird dies meiner Meinung nach auch an der Veränderung der Sprache durch die Veränderung der Gesellschaft. Wörter, die ihre Relevanz verlieren, fallen weg, neue entstehen durch neue Situationen in der Gesellschaft. Bei Naturvölkern lässt sich beobachten, dass sie oftmals für bestimmte Naturphänomene über eine Menge von Begriffen verfügen, die verschiedenste Bedeutungsnuancen aufzeigen. Die Sprache von Industrienationen weißt dafür jedoch nur noch ein Wort auf.
Geistige und äußerliche Prozesse
Im letzten Teil des 24. Kapitels geht Mead noch einmal auf den Unterschied zwischen Mensch und Tier ein. Er macht an Hand dieser Abgrenzung ein weiteres Mal die Bedeutung der Hereinnahme der Haltungen anderer in sein eigenes Verhalten deutlich.
Der Unterschied zwischen der Reaktion eines Tieres und der eines Menschen, liegt im Bewusstsein der Situation. Das Tier nimmt einen Rez war, dieser löst bei ihm eine Fluchtreaktion aus. Mead sagt, dass sich das Tier der Situation jedoch nicht bewusst ist. Es reagiert und gibt für andere Tiere einen Reiz zur selben Reaktion, es weiß jedoch nicht, dass es der Signalgeber ist. Es versetzt sich nicht in die Situation der anderen Tiere, nimmt nicht deren Haltungen in sich auf.
Ein Anführer einer Gruppe Menschen, der ein Feuer oder ein wildes Tier sieht, und z.B. Feuer oder Löwe sagt, löst in sich die selbe Reaktion aus wie in den anderen der Gruppe. Der Mensch wird durch das Hereinnehmen der Situation in die Lage versetzt, die Situation zu durchdenken und zu organisieren.
Wichtig ist mir hier zu sagen, dass der Mensch wohl diese Möglichkeit hat, sie aber meiner Meinung nach nicht immer nutzt. Bei einem Feuer kann der Einzelne zwar sein Verhalten durch die Hereinnahme der Situation kontrollieren , aber man hört doch oft von Massenpaniken und blinden Reaktionen, die keinen Hinweis auf den von Mead beschriebenen geistigen Prozess hinweisen, sondern eher an die Flucht einer Antilopenherde vor einem Buschfeuer erinnern.
- Citar trabajo
- Ludger Christian Stallmann (Autor), 2001, Über Georg Herbert Meads "Geist, Identität und Gesellschaft Frankfurt" 1973, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106056
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