Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die kontrastive Analyse der Phaseologismen mit Komponenten wie Gesicht, Auge, Nase und Mund in der deutschen und in der polnischen Sprache. Dank der Analyse soll die Frage beantwortet werden, ob Somatismen im Deutschen und im Polnischen gleich sind. Als Forschungsmethode wird die vergleichende Analyse gewählt. Die Arbeit besteht aus dem theoretischen und dem empirischen Teil. Nach der theoretischen Einführung folgt die kontrastive Analyse der Somatismen in der deutschen und in der polnischen Sprache. Danach werden die Ergebnisse der Analyse zusammengestellt. Die Arbeit schließt mit Zusammenfassung.
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. Phraseologie und Phraseologismen
1.0 Bemerkungen zur gebrauchten Terminologie
1.1 Zum Gegenstand der Phraseologie
1.2 Phraseologische Merkmale
1.2.1 Polylexikalität
1.2.2 (Relative) Festigkeit
1.2.2.1 Gebräuchlichkeit
1.2.2.2 Psycholinguistische Festigkeit
1.2.2.3 Strukturelle Festigkeit
1.2.2.4 Pragmatische Festigkeit
1.2.2.5 Lexikalisierung / Reproduzierbarkeit
1.2.3 Idiomatizität
1.3 Klassifikation der Phraseologismen
1.3.1 Referentielle Phraseologismen
1.3.1.1 Nominative Phraseologismen
1.3.1.2 Propositionale Phraseologismen
1.3.2 Pragmatische Phraseologismen
1.3.3 Spezielle phraseologische Klassen
1.4 Somatismen
1.5 Funktionen von Phraseologismen
1.6 Fazit
2. Grundlagen der konfrontativen Linguistik
2.1 Ziele des Sprachvergleichs
2.2 Methoden des Sprachvergleichs
2.2.1 Unilateraler Vergleich
2.2.2 Bilateraler Vergleich
2.3 Grundbegriffe der konfrontativen Linguistik
2.3.1 Tertium comparationis
2.3.2 Interlinguale Äquivalenz
2.3.3 Interlinguale Äquivalenz in der kontrastiven Phraseologieforschung
2.3.3.1 Phraseologische Äquivalenz nach Koller
2.3.3.2 Phraseologische Äquivalenz nach Kempcke
2.3.3.3 Phraseologische Äquivalenz nach Krohn
2.3.3.4 Phraseologische Äquivalenz nach Eckert
2.3.4 Interlinguale Äquivalenz im Bereich der (somatischen) Idiome
2.3.4.1 Vollständige Äquivalenz
2.3.4.2 Teilweise Äquivalenz
2.3.4.3 Die nicht-phraseologische Äquivalenz
2.3.4.4 Nulläquivalenz
2.3.4.5 Scheinäquivalenz
2.4 Fazit
3. Deutsche Somatismen mit den Lexemen Gesicht, Auge, Nase, Mund als Strukturkomponente und ihre polnischen Entsprechungen – eine kontrastive Analyse
3.1 Zur Materialsammlung und Arbeitsmethode
3.2 Deutsche Somatismen mit dem Lexem Gesicht als tragende Strukturkomponente und ihre polnischen Entsprechungen
3.2.1 Vollständige Äquivalenz
3.2.2 Teilweise Äquivalenz
3.2.3 Nulläquivalenz
3.3 Deutsche Somatismen mit dem Lexem Auge als Strukturkomponente und ihre polnischen Entsprechungen
3.3.1 Vollständige Äquivalenz
3.3.2 Teilweise Äquivalenz
3.3.3 Nicht-phraseologische Äquivalenz
3.3.4 Nulläquivalenz
3.4 Deutsche Somatismen mit dem Lexem Nase als Strukturkomponente und ihre polnischen Entsprechungen
3.4.1 Vollständige Äquivalenz
3.4.2 Teilweise Äquivalenz
3.4.3 Nulläquivalenz
3.5 Deutsche Somatismen mit dem Lexem Mund als Strukturkomponente und ihre polnischen Entsprechungen
3.5.1 Vollständige Äquivalenz
3.5.2 Teilweise Äquivalenz
3.5.3 Nicht-phraseologische Äquivalenz
3.5.4 Nulläquivalenz
3.6 Ergebnisse der durchgeführten vergleichenden Analyse
4. Resümee/Schlussbemerkungen
5. Literaturverzeichnis
5.1 Quellenverzeichnis
5.1.1 Printwörterbücher
5.1.2 Internetwörterbücher
5.2 Wissenschaftliche Literatur
0. Einleitung
Sprache und Sprachgebrauch spielten und spielen immer in der Geschichte der Menschheit eine sehr große Rolle. Eine der wichtigsten Funktionen der Sprache ist zweifellos ihre kommunikative Funktion. Sie galt und gilt als eine Form der Verständigung zwischen den Menschen. Im Falle der Sprache hat man mit solchem Phänomen zu tun, das sich ständig entwickelt. Sie ist doch ein Kommunikationsmittel, die Generationen verbindet. Man übernimmt den Wortschatz von unseren Vorfahren, was aber nicht bedeutet, dass er konstant bleibt. Ganz im Gegenteil. Es entstehen neue Wörter, viele von ihnen werden im Laufe des Globalisierungsprozesses aus den anderen Sprachen übernommen.
Von besonderer Bedeutung ist eben der pragmatische Aspekt der Sprache. Sie ist eine Form des sozialen Handels und das wichtigste Mittel der Handlungssteuerung. In dieser Hinsicht soll man dieses Phänomen als ein Werkzeug des Denkens und Handelns betrachten. Auf diese Art und Weise werden auch Phraseologismen gebildet, darunter auch Somatismen, die den Kernpunkt der Arbeit bilden, und durch die die Emotionen ausgedrückt werden.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die kontrastive Analyse der Phaseologismen mit Komponente wie Gesicht, Auge, Nase und Mund in der deutschen und in der polnische Sprache. Dank der Analyse soll die Frage beantwortet werden, ob Somatismen, im Deutschen und im Polnischen gleich sind. Als Forschungsmethode wird die vergleichende Analyse gewählt. Die Arbeit besteht aus dem theoretischen und dem empirischen Teil. Nach der theoretischen Einführung, folgt kontrastive Analyse der Somatismen in der deutschen und in der polnischen Sprache. Danach werden Ergebnisse der Analyse zusammengestellt. Die Arbeit schließt mit Zusammenfassung.
1.Phraseologie und Phraseologismen
Das folgende Kapitel skizziert einen problemorientierten Einblick in die aktuelle Phraseologieforschung. Es soll vordergründig der Phraseologismus als Gegenstand der vorliegenden Arbeit definitorisch aufgefasst werden. Dazu sollen in erster Linie phraseologische Merkmale besprochen werden. Des Weiteren sollen Phraseologismen klassifiziert werden, wobei Somatismen, die den Hauptgegenstand der vorliegenden Arbeit bilden, separat dargestellt werden. Zum Schluss sollen Phraseologismen unter funktionalem Aspekt besprochen werden.
1.0 Bemerkungen zur gebrauchten Terminologie
Die Phraseologie als linguistische Teildisziplin ist durch eine terminologische Vielfalt gekennzeichnet. So hat der Begriff ,Phraseologie‘ in der heutigen Linguistik zweianerkannte Bedeutungen. Er fungiert einerseits als sprachwissenschaftliche Teildisziplin, die sich mit der Erforschung der Phraseologismen beschäftigt. Er stellt andererseits den Bestand (Inventar) von Phraseologismen von einer bestimmten Einzelsprache dar (vgl. Fleischer 1997: 3). Deshalb wird in der vorliegenden Arbeit zu Zwecken der Eindeutigkeit für die erste Bedeutung die Benennung ‚Phraseologieforschung‘, für die zweite ‚die Phraseologie‘ bzw. der Bestand/das Inventar der Phraseologismen‘ gebraucht.
Da die Phraseologieforschung im Laufe der Zeit seit ihrer Etablierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihren Objektbereich immer mehr ausweitete und (heute) zahlreiche facettenreiche sprachliche Erscheinungen umfasst, werden auch für ihren Untersuchungsgegenstand mehrere, mehr oder weniger etablierte Benennungen gebraucht (vgl. Fleischer 1997: 8; Burger 2003: 33). So führt Schemann (1993: XXVII) mehrere Bezeichnungen für phraseologische Einheiten an wie ‚Idiome‘, ‚Phraseme‘, ´Wortgruppenlexeme´, ´ fertig geprägte Ausdrücke´, ´idiomatische Ausdrücke´, ‚stehende Ausdrücke´, ´phraseologische Einheiten´, ´erstarrte Formeln´, ´sprachliche Formeln´, ´erstarrte Fügungen´, ´feste Fügungen´, ´fest gefügte Wendungen´, ´feste Wortgruppen´, ´feste phraseologische Wortverknüpfungen´ oder ´stereotype Wendungen´ (vgl. auch Fleischer 1997: 8). Da in der heutigen deutschen Fachliteratur am häufigsten der Terminus ´Phraseologismus´ als Oberbegriff für alle Erscheinungen des umfangreichen Phraseologiegebietes verwendet wird (vgl. u.a. Fleischer 1982: 3; Sulikowska 2019), soll zu Zwecken der terminologischen Einheitlichkeit in der vorliegenden Arbeit das Untersuchungsobjekt als ´Phraseologismus´ bezeichnet werden. Aus stilistischen Gründen wird die Bezeichnung ‚phraseologische Einheit‘ abwechselnd benutzt.
1.1 Zum Gegenstand der Phraseologie
Aus der oben erwähnten terminologischen Vielfalt geht hervor, dass als Phraseologismen unterschiedliche, vieldimensionale sprachliche Erscheinungen gelten. Einer der ersten deutschen Wissenschaftlern, der sich dem Terminus ‚Phraseologismus‘ widmete, war Burger (2015). Der Forscher erklärte, dass eine Verbindung von zwei oder mehreren Wörtern als phraseologisch angesehen werden, wenn die Wörter eine durch die syntaktischen und semantischen Regularitäten der Verknüpfung nicht voll erklärbare Einheiten bilden und wenn die Wortverbindung in der Sprachgemeinschaft, ähnlich wie ein Lexem, gebräuchlich ist. Diese Kriterien stehen hierbei in einem einseitigen Bedingungsverhältnis, d.h. wenn die erste Bedingung erfüllt ist, gilt dasselbe für die zweite Bedingung, doch nicht umgekehrt (vgl. Burger 2015: f.).
Eine zweite Auffassung stammt von Fleischer (1997). Laut seiner Meinung nach, können alle syntaktischen Wortverbindungen, die sich von freien Verbindungen von Wörtern unterscheiden und wenigstens ein Autosemantikon besitzen, als Phraseologismen gesehen werden. Der Sprachforscher nennt drei Merkmale von Phraseologismen: die Idiomatizität, die semantisch-syntaktische Stabilität und die Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit. (vgl. Fleischer 1997: 29 ff.).
Die meisten der Sprachforscher finden, dass man die Phraseologie nicht nur auf solche Wortverbindungen eingrenzen sollte, welche alle drei von Fleischer (1997) genannten Eigenschaften enthalten. Es sollten auch solche Ausdrücke in die Kategorie der Phraseologismen fallen, die nur über das Merkmal der Polylexikalität und Festigkeit verfügen. Die Idiomatizität sollte hierbei lediglich als ein zusätzliches Merkmal angesehen werden (vgl. Lüger 1999: 3).
Aus den zwei oben genannten Ansätzen geht hervor, dass man die Phraseologie entweder im weiteren oder im engeren Sinne betrachten kann.
Zur Phraseologie im weiteren Sinne werden Wortverbindungen gerechnet, die nur über die Merkmale Polylexikalität und Festigkeit verfügen.
Die Phraseologie im engeren Sinne beinhaltet Wortverbindungen, die gemäß dem Ansatz von Fleischer (1997) über die Merkmale der Polylexikalität, Festigkeit und Idiomatizität verfügen. In der heutigen Phraseologieforschung dominiert deutlich die erstere Auffassung und sie soll auch in der vorliegenden Arbeit vertreten werden.
1.2 Phraseologische Merkmale
Phraseologismen werden in der Literatur durch ihre charakteristischen Merkmale bestimmt. Diese Merkmale erfüllen vor allem eine wichtige Funktion: sie helfen dem Leser dabei zu unterscheiden, welche Ausdrücke im Text als phraseologisch betrachtet werden können und welche nicht. Dazu gehören in erster Linie die oben genannten, sie von freien Wortverbindungen unterscheidenden Merkmale der Polylexikalität, der (relativen) Festigkeit und der Idiomatizität, die jedoch nur für eine Gruppe von Phraseologismen kennzeichnend ist. Diese Eigenschaften gelten als phraseologische Hauptmerkmale (vgl. Sulikowska 2019: 29). Darüber hinaus lassen sich Phraseologismen durch sekundäre Merkmale charakterisieren. Sie sollen im Folgenden besprochen werden.
1.2.1 Polylexikalität
Das Merkmal der Polylexikalität liegt dann vor, wenn ein Phraseologismus aus mehr als einem Wort besteht. Sprachwissenschaftler bestimmen bei dieser Eigenschaft die untere und obere Grenze der Wortmenge. Gemäß Burger (2015) besteht ein Phraseologismus aus mindestens zwei Wörtern, was die untere Grenze festsetzt (vgl. auch Sulikowska 2019: 29).
In der heutigen Phraseologieforschung wird jedoch weitgehend die Ansicht vertreten, dass auch einwortige Ausdrücke als Phraseologismen gelten können, wenn sie eine ähnliche Funktion haben wie mehrwortige Ausdrücke. Es handelt sich hier um die pragmatischen Phraseologismen, die die Struktur des Einzelwortes haben, aber gleiche Aufgaben erfüllen wie zwei- oder mehrwortige Wendungen, z.B. Hallo!, Gesundheit!, Danke!; Cześć!, Dziękuję!, Serio?, d.h. viele Höflichkeits- und Gesprächsformeln (vgl. Stein 1995: 27; Hyvärinen 2011: 35) (vgl. dazu 1.3.2).
Eine obere Grenze der Wortmenge wird zumeist nicht definiert, jedoch aus syntaktischer Sicht, gilt der Satz als die Obergrenze. Ausnahmen davon können laut Burger (2015: 15) auch kleine Texte, wie Gedichte, Gebete darstellen, die einen Status haben können, der demjenigen der Phrase ähnelt. Um diesen Status zu bekommen, müssen sie allerdings nicht nur von einzelnen Personen verwendet werden, sondern zum Sprachgut größerer Gruppen oder sogar ganzer Generation gehören (vgl. auch Sulikowska 2019: 30 f.).
Uneinigkeit herrscht darüber hinaus, ob es bei den phraseologischen Komponenten um Autosemantika oder Synsemantika handeln soll.
1.2.2 (Relative) Festigkeit
Das Merkmal der Festigkeit erweist sich als viel komplexer als das der Polylexikalität. Es besteht aus mehreren Ebenen, die entweder im mentalen Lexikon, in der Struktur der Sprache oder in typischen Kommunikationssituationen vorkommen. Im Folgenden sollen sie besprochen werden.
1.2.2.1 Gebräuchlichkeit
Für alle Phraseologismen gilt laut Burger als Grundbedingung ihrer Festigkeit, dass sie in einem Querschnitt der Sprache als gebräuchlich angesehen werden. Das bedeutet, dass ein Ausdruck objektiv für eine größere Gruppe von Sprachteilhabern bekannt ist. Burger (2015) schreibt dazu:
Wenn jemand ein Phrasem (Phraseologismus) hört oder liest, versteht er es - ohne auf die potenzielle wörtliche Bedeutung zurückgreifen zu müssen – unmittelbar in der phraseologischen Bedeutung und wenn jemand ein Objekt oder einen Sachverhalt benennen oder beschreiben will, steht ihm dafür – sofern die jeweilige Sprache für diesen Zweck über ein Phrasem verfügt – das Phrasem in der gleichen Weise zur Verfügung, wie ihm u.U. ein Wort zur Verfügung steht. (Burger 2015:16)
1.2.2.2 Psycholinguistische Festigkeit
Die psycholinguistische Festigkeit bedeutet laut Burger (2015: 17), dass Phraseologismen im mentalen Lexikon als Einheitenfest gespeichert sind und als solche beim Sprechen oder Schreiben abgerufen und reproduziert werden können. Die psycholinguistische Festigkeit ist das einzige Merkmal, dass für alle Phraseologismen gilt. Wie Burger (2015: 17 f.) betont, ist sie jedoch schwer nachweisbar. Doch solche Erscheinungen wie „Versprecher“ stellen Beweise dafür dar, dass Phraseologismen im mentalen Lexikon der Sprecher verankert sind. Anderseits erweist die psycholinguistische Festigkeit einen Nachteil. Psycholinguistische Kriterien sind nicht für die Abgrenzung eines linguistischen Gebietes auf der System-Ebene geeignet. Darüber hinaus sind die psycholinguistische Prozesse nicht ohne weiteres nachweisbar (Burger 2015: 17 ff.).
1.2.2.3 Strukturelle Festigkeit
Die strukturelle Festigkeit bedeutet, dass die Struktur des Phraseologismus fest ist und der Phraseologismus sich deswegen nicht verändern lässt, damit er seine Bedeutung und phraseologischen Charakter nicht verliert.
Die Festigkeit eines Phraseologismus zeigt sich auch oft in Irregularitäten die auf ältere Sprachzustände zurückzuführen sind (Burger 2015: 19 f.). Dies sind u.a. das vorangestellte Genitivattribut, das im heutigen Deutsch zwar noch verständlich, allerdings nicht mehr produktiv ist, z.B. in (des) Teufels Küche kommen, Verwendung des Pronomens, wenn es sich textlinguistisch auf nichts konkretes bezieht, z.B. es schwer haben, spezifische Verwendung der Verbvalenz, z.B. an jmdm. einen Narren gefressen haben (vgl. Burger 2015: 20).
Die Festigkeit des Phraseologismus manifestiert sich des Weiteren in (vgl. Burger 2015: 20 ff.): morphosyntaktischen Restriktionen, die darin bestehen, dass bestimmte morphologische Operationen mit einem Phraseologismus unmöglich sind , z.B. Das ist kalter Kaffee → * Der Kaffee ist kalt sowie in lexikalisch-semantischen Restriktionen, die darin bestehen, dass es nicht möglich ist, einen Bestandteil des Phraseologismus durch ein Synonym oder bedeutungsähnliches Wort zu ersetzen, ohne dabei die phraseologische Bedeutung des Phraseologismus zu beseitigen und es in eine freie Wortverbindung zu verwandeln, wie z.B. die Flinte ins Korn werfen → *das Gewehr ins Korn werfen oder * die Flinte in den Hafer werfen (vgl. Burger 2015: 21).
Die neueste Phraseologieforschung hat jedoch, wie Burger (2015: 22) betont, gezeigt, dass sich absolute lexikalische Festigkeiten nur bei einer sehr geringen Anzahl an Phraseologismen tatsachlich beobachten lassen und dass die Mehrheit phraseologischer Einheiten in bestimmten Grenzen, Möglichkeiten von Ersetzungen aufweist. Deswegen gilt in der heutigen Phraseologieforschung das Merkmal der Festigkeit als relativ. Dabei zeigt sich die Relativität der Festigkeit in der Variation und der Modifikation.
Variation besteht darin, dass es zahlreiche Phraseologismen gibt, für die es nicht nur eine vollständig fixierte Nennform gibt, sondern zwei oder mehrere sehr ähnliche Varianten möglich sind. Laut Fleischer (1997: 205) kann es sich handeln um a) grammatische Varianten in einer oder mehreren Komponenten des Phraseologismus, z.B. seine Hand /seine Hände im Spiel haben, b) lexikalische Varianten, z.B. ein Gesicht wie drei/sieben/zwölf Tage Regenwetter haben, c) die Reihenfolge der Komponenten, z.B. aussehen wie Milch und Blut/wie Milch und Blut aussehen, d) eine kürzere oder längere Version des Phraseologismus, z.B. sich etw. im Kalender anstreichen/ sich etw. rot im Kalender anstreichen (vgl. auch Burger 2015: 23).
Anders als bei der Variation, wo usuelle Erscheinungen auftreten, kommen bei Modifikationen, okkasionelle, d.h. für die Zwecke eines Textes hergestellte Abwandlung eines Phraseologismus vor. Burger (2015: 24 f.) nennt an dieser Stelle als Beispiel den Phraseologismus sich in die Höhle des Löwen begeben, welcher bedeutet, dass jemand eine andere Person mit einem Anliegen aufsucht und dabei Furcht empfindet. Es reicht allerding schon aus, wenn man diesen Phraseologismus ein wenig modifiziert, z.B. in die Höhle der Löwin verwandelt. Dann bedeutet dieser Ausdruck buchstäblich eine Höhle, in der sich eine Löwin befindet.
1.2.2.4 Pragmatische Festigkeit
Pragmatische Festigkeit betrifft die verschiedenen Typen von Phraseologismen, die in bestimmten schriftlichen und mündlichen Kommunikationssituationen verwendet werden, d.h. pragmatische Phraseologismen. Es sind laut Burger (2015: 26) verschiedene Arten von Formeln, die in sehr allgemein zu definierenden Situationstypen verankert sind wie z.B. Gruß-bzw. Abschiedsformeln, die eine Funktion der Eröffnung oder des Abschlusses eines Gesprächs haben. z.B. Guten Tag!, Auf Wiedersehen! Oder Formeln, die man in spezifischeren Situationstypen verwendet, z.B. von einem Vorsitzenden im Gericht: Ich eröffne die Verhandlung (vgl. Burger 2015: 26) (vgl. dazu 1.3.2).
1.2.2.5 Lexikalisierung / Reproduzierbarkeit
Einige Sprachwissenschaftlersprechen noch von der Lexikalisierung und der damit zusammenhängenden Reproduzierbarkeit der Phraseologismen und behandeln diese als weitere phraseologische Eigenschaften, die mit dem Merkmal der Festigkeit verbunden sind. Fleischer (1982) definiert sie folgendermaßen:
Die Lexikalisierung der syntaktischen Konstruktion bedeutet, dass sie nicht mehr nach einem syntaktischen Strukturmodell in der Äußerung produziert, sondern dass sie als fertige lexikalische Einheit reproduziert wird. (Fleischer 1982: 69)
Palm (1997:36) versteht unter Lexikalisierung die Aufnahme und Speicherung einer phraseologischen Einheit im Lexikon oder Phraseolexikon. Es handelt sich dabei um einen Prozess, der dazu führt, dass die phraseologische Einheit „nicht mehr nach einem syntaktischen Strukturmodell in der Äußerung ¸produziertʽ, sondern als ¸fertigeʽ lexikalische Einheit ¸reproduziertʽ wird“. Solche fertigen Wortverbindungen fungieren dann in der Kommunikation wie die kleinsten selbstständigen Bedeutungsträger und deswegen werden sie auch als ¸Wortgruppenlexemeʽ oder ¸Paralexemeʽ bezeichnet (vgl. Fleischer 1997:63).Es soll dabei auch betont werden, dass bei Phraseologismen oft nicht eine ganz bestimmte Form lexikalisiert wird. Wenn man die phraseologischen Wendungen in verschiedenen Wörterbüchern miteinander vergleicht, findet man oft mehr oder weniger unterschiedliche Formen des gleichen Phraseologismus.
Nach dem Prozess der Speicherung eines Phraseologismus im Lexikon folgt Reproduzierbarkeit. Im Rahmen dieses Prozesses werden die Phraseologismen, die von den Sprachbenutzern schon einmal gehört oder gelesen wurden, als fertige Konstruktionen betrachtet, die in konkreter Kommunikation als solche verwendet und reproduziert werden. Falls bestimmte phraseologische Wortverbindungen gebraucht werden sollen, müssen sie nicht neu gebildet werden, sondern sie stehen den Sprachbenutzern schon als fertige Einheiten zur Verfügung (vgl. Palm 1997:36). So werden die Phraseologismen als fertige komplexe Einheiten in unserem mentalen Lexikon gespeichert und je nach Bedarf abgerufen. Auf diese Art und Weise werden sie einfach reproduziert und nicht, wie freie Lexemverbindungen, immer wieder neu gebildet. In manchen Fällen werden sie auch morphologisch und syntaktisch an die Satzumgebung angepasst (vgl. 1.2.2.3).
1.2.3 Idiomatizität
Der Begriff ‚Idiomatizität‘ wird in der Phraseologieforschung unterschiedlich verstanden. Nach Burger (2015) „umfasst [er] einerseits die strukturellen Anomalien, die einen Aspekt der Festigkeit ausmachen, anderseits die spezifisch semantischen Besonderheiten, die viele Phraseologismen von freien Wortverbindungen abheben (Burger 2015:26).
In der vorliegenden Arbeit wird die Idiomatizität mit Fleischer (1997: 30) im semantischen Sinne verstanden und besteht darin, dass sich die Bedeutung des Phraseologismus nicht aus der Summe der Bedeutungen seiner Komponenten ableiten lässt, sondern als eine neue Bedeutung verstanden werden muss, z.B. bei jdm. einen Stein im Brett haben bedeutet phraseologisch <bei jdm. beliebt sein, sich jds. Wertschätzung erfreuen>.
Die Idiomatizität ist dabei graduell. Nach dem Grad der Idiomatizität unterscheidet Burger (2015: 27) drei Gruppen von Phraseologismen: voll-idiomatische, teil-idiomatische und nicht-idiomatische Phraseologismen.
Voll-idiomatische Phraseologismen (auch Vollidiome) weisen den größten Grad der Idiomatizität auf. Die semantische Bedeutung der Komponenten eines vollidiomatischen Phraseologismus ist transformiert, so dass eine neue idiomatisierte Bedeutung konstituiert wird, die aus den Bedeutungen der einzelnen Komponenten nicht erklärbar ist, weil alle Komponenten ihre ursprüngliche Bedeutung, die sie außerhalb der phraseologischen Wendung tragen, verloren haben.
Dt.: Öl ins Feuer gießen <etwas oder jemanden provozieren, zum Streit oder Konflikt führen>
jemandem einen Korb geben <jemanden zurückweisen>
Pl.: dolewać oliwy do ognia <zaostrzanie konfliktu, prowokowanie kogoś, wzbudzanie w nim negatywnych emocji>
kupować kota w worku <kupić coś bez obejrzenia, sprawdzenia>
Teil-idiomatische Phraseologismen (auch Teilidiome), bei denen mindestens eine Komponente ihre ursprüngliche Bedeutung behalten hat, in dem die Komponente in ihrer wortwörtlichen Bedeutung steht und der Phraseologismus bedeutet.
Dt.: einen Streit vom Zaun brechen < einen Streit noch verschärfen>
Pl.: szukać igły w stogu siana <szukać czegoś pośród ogromnej ilości innych rzeczy>
Nicht-idiomatische Phraseologismen sind dagegen solche, die laut Burger (2015) „durch keine oder nur minimale semantische Differenz zwischen phraseologischer und wörtlicher Bedeutung charakterisiert sind“ (Burger 2015: 27).
Dt.: sich die Zähne putzen, in der Sonne liegen
Pl.: odejść jak zmyty, śmiać się do rozpuku
Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Konzeptionen der Phraseologie sowie der phraseologischen Merkmale lassen sich Phraseologismen bestimmen als mehr oder weniger feste (vorgeprägte) Wortverbindungen, die als Ganzes den Sprachbenutzern bekannt und somit lexikalisiert sind und in derselben oder variierten bzw. modifizierten Form immer wieder gebraucht werden. Seltener haben sie die Struktur eines Einzellexems. Sie können voll-, teil- und nichtidiomatisch sein
1.3 Klassifikation der Phraseologismen
Laut Burger (2015: 31) stellt die Klassifikation von Phraseologismen nicht das primäre Ziel der Phraseologieforschung dar. Aufgrund der Heterogenität des phraseologischen Bestandes einer Sprache sowie des graduellen Charakters der phraseologischen Merkmale erweist sich eine Klassifikation als äußerst schwierig. Ausgesonderte phraseologische Klassen sind schwer voneinander abzugrenzen und überschneiden sich oft. Trotzdem soll in der vorliegenden Arbeit ein Versuch unternommen werden, Phraseologismen in Anlehnung an die einschlägige Literatur zu klassifizieren.
In der germanistischen Phraseologieforschung wurden viele Klassifikationen der Phraseologismen vorgeschlagen. Am Anfang handelte es sich um eine Klassifikation, die nur auf einem Kriterium basierte. Danach kamen noch andere Kriterien hinzu, weil der phraseologische Bestand einer Sprache sehr vielfältig und mehrdimensional ist (vgl. Sulikowska 2019: 43). Die repräsentativsten Klassifikationen sind die von Burger (2015) und Fleischer (1997). Aufgrund dessen, dass diese Klassifikationen sehr ähnlich sind, wird für diese Arbeit die Klassifikation von Burger unter Betracht genommen und besprochen.
Burger (2015: 31) verwendet das Kriterium der hauptsächlichen drei Zeichenfunktionen, die die Phraseologismen in referentielle, strukturelle und kommunikative einteilt. Da strukturelle Phraseologismen nicht von allen Forschern anerkannt werden, werden sie auch in dieser Arbeit nicht besprochen. Es werden lediglich die weiteren zwei Gruppen besprochen(vgl. 1.2.2.5).
1.3.1 Referentielle Phraseologismen
Referentielle Phraseologismen haben Bezug auf Objekte, Vorgänge oder Sachverhalte der Realität. Aus der semantischen Sicht und unter Bezug des Kriteriums der kommunikativen Leistung können die Wortverbindungen entweder Objekte und Vorgänge bezeichnen und hier sprechen wir von nominativen Phraseologismen. Die Phraseologismen können auch Aussagen über Objekte und Vorgänge sein. In diesem Fall bezeichnet man sie als propositionale Phraseologismen. Die nominativen Wortverbindungen sind dabei die satzgliedwertigen Phraseologismen, während die propositionalen Wortverbindungen als satzwertige Phraseologismen bezeichnet werden (vgl. Burger 2015: 31 f.).
z.B.: Nominativ - schwarzes Brett; kozioł ofiarny propositional - Morgenstund hat Gold im Mund.; Bez pracy nie ma kołaczy.
Gleichzeitig dient zur weiteren Klassifikation das syntaktische Kriterium. Nominative Phraseologismen stellen gleichzeitig Wortverbindungen unterhalb der Satzgrenze und Phraseologismen mit Satzgliedwert dar und propositionale Phraseologismen sind zur selben Zeit satzwertige Satzverbindungen. Dabei ist die Berücksichtigung von formelhaften Texten nicht ausgeschlossen (vgl. Burger 2015: 32 f.).
1.3.1.1 Nominative Phraseologismen
Nominative Phraseologismen stellen Wortverbindungen unterhalb der Satzgrenze dar. Das bedeutet, dass sie die Rolle eines Satzgliedes übernehmen und deshalb in den Satz eingebettet werden müssen.
Dt.: im Handumdrehen, schwarzer Humor, Hinz und Kunz
Pl.: w okamgnieniu, czarny humor, wszyscy razem wzięci
Die nominativen Phraseologismen lassen sich in weitere Unterkategorien einteilen. Das erste Kriterium ist syntaktisch und bezieht sich auf die Funktion, die der Phraseologismus im Satz erfüllt (vgl. auch Fleischer 1997: 138 ff.). Fleischer (1997: 139 ff.) unterscheidet danach verbale, substantivische, adjektivische und adverbiale Phraseologismen (vgl. auch Burger 2015: 33).
a) Verbale Phraseologismen weisen ein Verb als obligatorische Komponente auf.
Dt.: reinen Tisch machen
Pl.: wyłożyć karty na stół
b) Substantivische Phraseologismen bestehen aus einem attribuierten substantivischen Kernwort, (enthalten kein obligatorisches Verb und erfüllen im Satz die für Nomina typischen syntaktischen Funktionen).
Dt.: die letzte Stunde
Pl. : ostatnia godzina
c) Adjektivische Phraseologismen erfüllen im Satz typische Funktionen des Adjektivs.
Dt.: frisch gebacken
Pl.: świeżo upieczony
d) Adverbiale Phraseologismen erfüllen im Satz die typischen Funktionen des Adverbs.
Dt.: mit offenen Armen
Pl.: z otwartymi ramionami
Das zweite Kriterium, nachdem es möglich ist, die nominativen Phraseologismen einzuteilen, ist das semantische Kriterium der Idiomatizität (vgl. Burger 2015: 26). Je nach Grad der Idiomatizität, existieren Vollidiome und Teilidiome (vgl. Burger 2015: 26 f.) (s. dazu 1.2.4.).
1.3.1.2 Propositionale Phraseologismen
Satzwertige Phraseologismen teilt Burger (2015: 41) anhand des syntaktischen Kriteriums in zwei Hauptgruppen:
1. Feste Phrasen, die satzwertige Formulierungen darstellen, die explizit an den Kontext angeschlossen sind (vgl. Burger 2015: 42), z.B.:
Dt.: jmds. Thron wackelt, jmdm. fällt ein Stein vom Herzen
Pl.: wyszło szydło z worka, ręce opadają
2. Topische Formeln, zu denen die mit Hilfe vom semantischen Kriterium voneinander abgrenzbare Untertypen aufweisen, und zwar Sprichwörter, die in sich geschlossene Sätze [darstellen], die durch kein lexikalisches Element an den Kontext angeschlossen werden müssen” (vgl. Burger 2015: 39), sowie Ratschläge oder Lehren ausdrücken (vgl. Burger 2015: 41) und Gemeinplätze, mit denen Selbstverständlichkeiten ausformuliert werden (vgl. Burger 2015: 39).
Dt.: Was man hat, das hat man.
Pl.: Się gra, się ma.
1.3.2 Pragmatische Phraseologismen
Pragmatische Phraseologismen werden in der germanischen Linguistik von Burger (1973) berücksichtigt. Sie werden von den meisten Forschern aufgefasst als „ polylexikale, verfestigte, präformierte, tendenziell nicht-idiomatische Wortverbindungen aufgefasst.
Von anderen phraseologischen Typen heben sie sich dabei insbesondere durch ihre spezifische Funktion in der Kommunikation ab (vgl. Coulmas 1981: 16; Stein 2001: 264; Burger 2015: 45). Sie fungieren als vorgeformte Ausdrücke, die bei einem konkreten Kommunikationsanlass den Sprachteilhabern in einer mehr oder weniger unveränderten Form zur Realisierung rekurrenter kommunikativer Züge dienen, also zur Bewältigung rekurrenter kommunikativer Aufgaben reproduziert werden. Darüber hinaus sind sie insbesondere kulturspezifisch, das heißt, sie können übereinzelsprachlich große Unterschiede aufweisen, z.B. im Deutschen wird der Ausdruck Wie geht’s? fast obligatorisch gebraucht, während sein polnisches Äquivalent Co słychać ? fakultativ und eher selten gebraucht wird.
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