Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Was ist Gemeinwesenarbeit ?
3.Gründe für die Veränderung der GWA und Kritik am GWA Konzept
4. Konzepte der GWA
4.1. Wohlfahrtsstaatliche Gemeinwesenarbeit
4.2. Integrative Gemeinwesenarbeit
4.3. Aggressive Gemeinwesenarbeit
4.4. Gemeinwesenarbeits-Strategien nach S.D.Alinsky
4.5. Katalytisch-aktivierende Gemeinwesenarbeit
5. Kritik an den klassischen Ansätzen der Gemeinwesenarbeit
6. Verbesserungsmöglichkeiten der GWA
7. Stadtteil bezogene Sozialarbeit
7.1 Prinzipien / Perspektiven stadtteilbezogener Sozialarbeit
8. Der Lebensweltansatz nach Oelschlägel
8.1. Prinzipien der GWA nach Oelschlägel
8.2. Dimensionen der GWA nach Oelschlägel
8.3. Aktivierung
8.4. Kulturarbeit
8.5. Einmischung und Skandalierung
8.6. Schlussbemerkungen
9. Aktionsforschung in Gemeinwesenarbeit
9.1. Aktionsforschungsprinzipien
9.2. Wissenschaftliches Interesse
9.3. Aktivierende Befragung
9.3.1. Methodik
9.3.2. Schematische Darstellung der Aktivierenden Befragung
9.3.3. Ablauf der Aktivierenden Befragung
9.3.4. Erhalt und Motivation der Arbeitsgruppen
10. Grenzen und Möglichkeiten der Gemeinwesensarbeit als Strategie für Sozialarbeit am Beispiel des Stadtteils Frankfurt-Hausen
10.1. Einleitung
10.2. Entwicklung Hausens
10.3. Klientel
10.4. GWA in Hausen
10.5. Jugendtreff Hausen
10.6. Weitere Angebote in der Jugendarbeit
10.7. Weitergehende Projekte
10.8. Der Hausener Jugendarbeitskreis
10.9. Fazit und Stellungnahme
11. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit stellt die schriftliche Zusammenfassung der theoretischen Konzepte von Gemeinwesenarbeit da, mit denen sich die Arbeitsgruppe Gemeinwesenarbeit auseinander gesetzt hat.
Die Darstellungen der verschiedenen Ansätze für Gemeinwesenarbeit basieren dabei hauptsächlich auf dem " Studienbuch Gruppen- und Gemeinwesenarbeit" von W. Hinte und F. Karas, erschienen 1989 in Frankfurt am Main. Zusätzlich dazu haben wir uns noch mit der Aktionsforschung beschäftigt die ebenfalls in dem Buch von Hinte und Karas dargestellt wird.
Der zweite Teil der Arbeit basiert auf einem Besuch in den Räumen der "Aufsuchenden Jugendarbeit Hausen" und den dort stattgefundenen Gesprächen mit den zwei Sozialarbeitern.
Da ich seit einem halben Jahr 10 Stunden die Woche ehrenamtlich in dieser Einrichtung tätig bin, und seit Januar die Geschäftsführung des "Hausener Jugendarbeitskreises e.V." übernommen habe, fließen natürlich meine eigenen Erfahrungen mit in die Darstellung ein. Ich habe versucht, einerseits das Feld und die dort geleistete Arbeit darzustellen, andererseits sie aus dem Blickwinkel der Gemeinwesenarbeit kritisch zu betrachten und zu beurteilen. Bei der Darstellung bin ich auf einem schmalen Grad gewandert, da ich als Mitarbeiter der Einrichtung über nicht-öffentliche Informationen verfüge, die aber meiner Meinung für eine reale Darstellung von Bedeutung sind. Falls an einigen Punkten die Darstellung der Einrichtung oberflächlich wirkt, oder Andeutungen gemacht werden die ich nicht konkretisiere, muss man diesen Konflikt bedenken.
2. Was ist Gemeinwesenarbeit ?
Gemeinwesenarbeit wird als ein Konzept zur Förderung der Eigeninitiative von Menschen mit gleichen Problemlagen verstanden[1].In den klassischen Ansätzen wird hierin eine Chance zur Organisation von Gegenmacht / "Widerstand von unten" gesehen. Der Ansatz sieht sich als Gesellschaftskritisch / emanzipatorischer Ansatz.
Die in den 50er / 60 er Jahren in Deutschland beginnende Gemeinwesensarbeit wurde oft als Gegenaktion zu etablierten Sozialdienstleistern ( Kirchen, Kommunen, Gewerkschaften) initiiert und auch von deren Seite so aufgefasst. Dabei wurde versucht, Konzepte der GWA aus Großbritannien, USA und den Niederlanden nach Deutschland zu übertragen.
Der Ausgangspunkt war die Unzufriedenheit mit herkömmlichen Methoden der Sozialarbeit, die sich auf die Herstellung und Erhaltung der Arbeitskraft, sowie die Erhaltung einer minimalen Lebensfähigkeit von Arbeitsunfähigen bezieht. GWA beinhaltet eine Kritik an der Arbeitsmarkt orientieren Sozialarbeit.
Die GWA wurde als Ansammlung von Techniken verstanden, die, von Professionellen eingesetzt, Menschen und Stadtteile beeinflussen und verändern kann.
Heutzutage ist GWA in der klassischen Form nicht mehr präsent. Ursprüngliche GWA Projekte wurden von alten etablierten Trägern funktionalisiert.
3. Gründe für die Veränderung der GWA und Kritik am GWA Konzept
In den 70er Jahren erlebte die Sozialarbeit eine Expansion. Der Beruf des Sozialarbeiters wurde professionalisiert und spezialisiert, es entstand eine Ausdifferenzierung in verschiedene Arbeitsfelder ( Drogen-, Jungend-, Familien-, Ausländer-,) Der ganzheitliche Ansatz ging dadurch jedoch verloren.
Diese Ausdifferenzierung betraf jedoch nicht nur die Sozialarbeit. Hinte macht dies deutlich am Ausländerbegriff. In allen Bereichen wurden Ausländer -programme, -beauftragte, -räte, etc. geschaffen. Durch den Aufbau dieser gruppenspezifischen Institutionen und Organisationen wurde, hoffentlich nur als unbeabsichtigte Folge, eine Ausdifferenzierung dieser Gruppen auch aus der Gesamtgesellschaft unterstützt[2]. Man muss jedoch auch sehen, dass eine spezialisierte Betreuung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen sinnvoll ist, da sie über spezifische Problem- und Lebenslagen verfügen.
Besondere Kritikpunkte an der Gemeinwesenarbeit waren:
- In der GWA gab es keine Präzisierung der Arbeitsansätze, dadurch war sie auch nur schwer zu vermitteln. ( mangelnde Kommunizierbarkeit)
- Keine ausformulierten Theorien, z.B. Herstellung von Kontakt zwischen Sozialarbeiter und Klientel.
- Fehlende Theorien und Konzepte zur Lebensweltbeschreibung
- Keine Ansätze zur Veränderung von Institutionen
- Keine klaren Anforderungen an Handlungskompetenzen von Sozialarbeitern
- Durch Berührungsängste mit Institutionen wenig Einfluss auf sozialpolitische Entwicklungen.
Nach dieser kurzen Einleitung stelle ich nun verschiedene Konzepte dar. An Hand der verschiedenen Modelle, wird die Heterogenität der Gemeinwesenarbeit deutlich. Diese, unter einem Begriff zusammengefasste Menge von verschiedenen Modellen, die, so unser Eindruck, teilweise nur grobe Ideale oder Prinzipien darstellt, ist ein Problem für die Gemeinwesenarbeit. Hier besteht die Gefahr, dass die Idee der GWA zu einer reinen Worthülse verkommt. Jeder spricht davon, jeder meint etwas anderes.
4. Konzepte der GWA
4.1. Wohlfahrtsstaatliche Gemeinwesenarbeit
Das zentrale Ziel der Wohlfahrtsstaatlichen GWA ist die Verbesserung der Dienstleistungen für die Betroffenen. Der bei vielen anderen GWA Konzepten wichtige Aspekt der Aktivierung und Organisation von Betroffenen zur Selbsthilfe, spielt hier keine Rolle. Im Grunde könnte man in diesem Fall auch von klassischer Sozialarbeit sprechen. Sozialarbeit wird für die Betroffenen organisiert aber nicht mit Ihnen. Die konkrete Arbeit kann dabei viele Gesichter haben, Beratungsbüros, Spiel- und Kindertagesstätten, Hausaufgabenhilfen etc. Es handelt sich hierbei jedoch nur um Einrichtungen die zwar die Lebensumstände der Menschen verbessern, jedoch keine wirklich nachhaltigen Prozesse in den Menschen auslösen wollen. Hinte und Karas weisen darauf hin, dass für die Wohlfahrtsverbände in den 70er Jahren diese, eigentlich "degenerierte Gemeinwesenarbeit"[3] als revolutionär galt. Es geht hier jedoch nur um die Verbesserung des Status Quo nicht um dessen Veränderung. Die Leute werden beruhigt, aber es ändert sich nichts. Ebenso bleibt der Präventionsgedanke hier weitgehend auf der Strecke.
4.2. Integrative Gemeinwesenarbeit
Die integrative GWA basiert auf den Überlegungen von M.G. Ross, der sie in dem Buch "Gemeinwesenarbeit. Theorien, Prinzipien, Praxis" von 1971 darstellt.
Der zentrale Gedanke dieser Gemeinwesenskonzeption ist die Integration verschiedenster Subgruppen unter eine Basis. Die Basis soll von gemeinsamen Werten und Ideen gebildet werden.
durch die Lenkung der Sozialarbeiter in geordnete Bahnen fließen. Seine Aufgabe ist den Beteiligten Wege aufzuzeigen, dabei muss er als eine Art Moderator auftreten der die Interessen aller Beteiligten vertreten soll.
Das Problem bei diesem Ansatz ist, dass die Betroffenen durch im vorhinein getroffene Entscheidungen des Sozialarbeiters oder der Einrichtung in bestimmte Bahnen gelenkt werden. Die Erzeugung von Harmonie als oberste Prämisse des Handelns greift nur sehr kurz. Ursachen werden nicht angegangen, sondern es besteht die Gefahr das nur Phänomene bekämpft werden. Die Änderung von Ursachen benötigen manchmal auch Konfliktbereitschaft. Da diese genau gesenkt werden soll sind hier die Handlungsspielräume sehr begrenzt.
4.3. Aggressive Gemeinwesenarbeit
Dem genau entgegengesetzt ist die aggressive GWA die als Kritik an den beiden oberen Modellen von W. Müller 1971 entwickelt wurde. Sie entstand, so mein Eindruck, auf der Basis der Marxistischen Gesellschaftsanalyse, und folgt in ihren Zielen auch den Forderungen von Marx. Interessant finde ich hier die Verbindung der Sozialarbeit, die sich ja ehr auf kleinere Einheiten der Gesellschaft konzentriert, mit den gesamtgesellschaftlichen Zielen und Forderungen der marxistischen Gesellschaftskritik. Das Ziel ist, ganz marxistisch, die Veränderung der Machtverhältnisse, allerdings nur im lokalen Bereich. Die Minderheiten sollen sich vereinigen und so eine größere Kraft in die Waagschale werfen können. Die Veränderungen sollen durch die Ausübung von Druck erreicht werden, dabei geht es jedoch nicht um eine Revolution der Mitbevölkerung", sondern ehr um das stören des bisherigen Systems. Demonstrationen, Besetzungen, Sit ins, Miet- und Steuerstreiks sind hier legitime Methoden. Bei diesem Ansatz wird von einer Art "Mini Revolution" ausgegangen, dabei werden jedoch die Organisationsmöglichkeiten zu idealistisch bewertet, auch wird der Leidensdruck der einzelnen überschätzt[4]. Es mag sicher Fälle geben in denen auch zu diesen Maßnahmen gegriffen wird, jedoch handelt es sich ehr um Einzelfälle. Positiv zu bewerten ist, dass die Utopie des harmonischen Gemeinwesens aufgegeben wird. Es wird gezeigt, dass Konflikte die provoziert werden auch Dinge verändern können.
4.4. Gemeinwesenarbeits - Strategien nach S.D. Alinsky
Alinsky war einer der bedeutensten Praktiker der USA. Seine Arbeiten prägten die nach Europa übertragene GWA, ein eigener abgrenzbarer Ansatz lässt sich jedoch nicht erfassen Die Grundidee ist, dass ein mit Macht ausgestattetes Volk auf lange Zeit richtige Entscheidungen treffen wird. Er greift hier die Grundideen der liberalen Friedenstheorie auf, die sich aus den Gedanken der Aufklärung entwickelte. Da wenn das Volk die Macht hat, richtige Entscheidungen getroffen werden, ist die Frage wie das Volk die Macht erlangen kann. Hier geht es dann wieder in die Richtung der marxistischen Denkweise, die auch mit dem zwei Klassen-Schema arbeitet und die Revolution der einen gegen die andere Klasse fordert. Nach Alinsky kann die Gruppe der Besitzlosen (Machtlose) der Gruppe der Besitzenden (Machthaber) nur ihre schiere Menge entgegensetzen.
Die Ziele einer GWA sind also Organisation der Benachteiligten zur Entwicklung und Strategien zur Durchführung eines Programms zur Änderung der Verhältnisse. Dabei muss die Organisation von lokalen bis hin zu nationalen Ebenen erfolgen, er wählt also, ganz marxistisch eine gesamtgesellschaftliche Perspektive.
Die GWA soll nun Strategien zu Aufbau und Kampf von Bürgerorganisationen liefern. Der Gemeinwesenarbeiter sollte von den Betroffenen gerufen werden, er soll konsequent auf der Seite der Benachteiligten stehen. Der Ansatz seiner Arbeit sollen die Erfahrungen und individuellen Hintergründe der Betroffenen sein. Der Sozialarbeiter soll nur den Anstoß geben, die Betroffenen müssen Eigeninitiative entwickeln.
Die Bürgerorganisation wird als Bildung von Konfliktpotential verstanden. Dabei geht es um:
- Kampf gegen soziales Unrecht.
- Austragen und Provozieren von Konflikten
- Gegnersuche
- Personalisierung und Polarisierung von Konflikten
- Ausüben von Druck
Kritisch muss man anmerken, dass in Deutschland und Europa die gesellschaftlichen Verhältnisse andere sind, als in den USA. Die Möglichkeiten dieses Vorgehens, des aktiven Widerstands von Unten sind zu positiv eingeschätzt worden[5].
4.5. Katalytisch-aktivierende Gemeinwesenarbeit
Die Katalytisch aktivierende GWA greift ehr wieder Ideen der integrativen GWA auf. Die Grundidee ist eine herrschaftsfreie Gesellschaft in der es keine Unterdrückung gibt. In denen Menschen zur Selbsthilfe fähig sind. Solidarität und Hilfsbereitschaft als gesellschaftliche Normen gelten.
Die Ziele dieses Ansatzes sind die Entfaltung der sozial-kreativen Fähigkeiten des Einzelnen, das Auslösen von Entwicklungs-/ Bewusstseinsprozessen bei Stadtteilbewohnern und das Entdecken und Entwickeln der eigenen Fähigkeiten. Die Bürger sollen sich politisch engagieren.
Diese Ziele sollen durch den Austausch von Informationen, der Organisation von gegenseitiger Unterstützung erreicht werden. Das Schaffen von Initiativen und Kommunikationspunkten, die Bildung von Koalitionen auf Zeit sind von großer Bedeutung.
Ebenso wie bei der Integrativen GWA bildet die Thematisierung von Grundwerten die Basis auf der sich möglichst viele Gruppen treffen können. Es wird also eine innere Harmonie angestrebt.
Absetzen tut sich die katalytisch aktivierende GWA von der integrativen bei der Stellung des Sozialarbeiters. Während er in die Prozesse der Integrativen GWA eingreift und Lenkungsfunktionen hat, geht es hier ehr um Prozesssteuerung. Probleme, Ziele und Wege werden von den Betroffenen selbst gewählt, er steht ihnen unterstützend zur Seite. Der Sozialarbeiter soll die Betroffenen anregen, keinesfalls aber anleiten Auch Konflikte nach außen werden nicht rigoros abgelehnt, sie sollen möglichst nur dann riskiert werden wenn die Betroffenen diese auch durchstehen können.
5. Kritik an den klassischen Ansätzen der Gemeinwesenarbeit.
GWA wurde als Ansammlung von verschiedenen Techniken verstanden, die von Professionellen eingesetzt, Menschen und Stadtteile beeinflussen und verändern konnte.
Im Laufe der Entwicklung gab es eine zunehmende Funktionalisierung und Spezialisierung von GWA. Durch die Expansion Sozialer Dienste in den 70ern trat außerdem eine zunehmende Professionalisierung auf. Randgruppen avancierten zu Zielgruppen, gleichzeitig ging der ganzheitliche Ansatz der ursprünglichen GWA verloren.
GWA sollte eigentlich ein durchgängiges Prinzip sozialer Arbeit sein.
- Sowohl in Theorie und Praxis gab es Versäumnisse
- Es verfügte jedoch nicht über präzise Arbeitsansätze, war daher auch nur schwer zu erläutern.
- Durch eine sehr Institutionenkritische Sicht, fehlten der GWA einerseits Einflussmöglichkeiten auf sozialpolitische Entwicklungen, andererseits gibt es auch keine Konzepte zur Beeinflussung und Veränderung von Institutionen. (Zu große Isolation der GWA im Feld der Sozialen Arbeit)
- Durch eine fehlende Spezifizierung und Ausformulierung der eigenen Ansätze, fehlt die Möglichkeit sich deutlich von anderen Ansätzen abzuheben.
6. Verbesserungsmöglichkeiten der GWA
Die Ansiedlung von GWA Projekten innerhalb von Trägern Sozialer Arbeit und die Nutzung vorhandener Infrastrukturen (Kooperation statt Konfrontation ) wird als eine gute Möglichkeit gesehen Gemeinwesenarbeit durchzuführen. GWA muss praktikable, nachvollziehbare und inhaltlich überzeugende Vorschläge und Ansätze für klassische Arbeitsfelder entwickeln und diese in Institutionen hineintragen.
Alte GWA Aspekte sollen zwar aufgegriffen werden jedoch ohne ideologische Engstirnigkeit, diese Engstirnigkeit wird besonders bei den Ideen der aggressiven GWA und bei den Konzepten von Alinsky deutlich.
7. Stadtteil bezogene Sozialarbeit
Die Stadtteilbezogene Sozialarbeit ist eine Weiterentwicklung der klassischen GWA Ansätze.
Wie in der GWA wird das Wohnumfeld als primäre Lebenswelt und als Ort der Interessen und Problembildung verstanden.
Die grundsätzliche Aufgabe des Sozialarbeiters ist die " Organisation von Betroffenheit". Er soll dabei auf der Seite der Bewohner stehen. Statdteilarbeit wird dabei nicht als Gegensatz sondern als Ergänzung / Unterstützung der Pflichtaufgaben der Komunen verstanden.
Der Stadtteil als Ansatzpunkt für Sozialarbeit ist sinnvoll, da im Stadtteil sich hier die Folgen kommunaler, regionaler aber auch nationaler oder sogar globaler Ursachen manifestieren.
Es muss also eine "Gegenmacht" zur gesamtpolitischen Entwicklung gebildet werden. Die Stadtteilbezogene Sozialarbeit versucht sowohl bestehende Problemlagen zu bekämpfen als auch Präventivarbeit zu leisten.
7.1 Prinzipien / Perspektiven stadtteilbezogener Sozialarbeit
- Orientierung an der Wohnbevölkerung
- offene, aktivierende Befragung der Anwohner
- Suche nach den Interessen und Problemlagen der Anwohner
- Nutzung der Stadtteilressourcen
- Einbeziehung von örtlichen Initiativgruppen
- Selbsthilfekräfte und Eigeninitiative der Bewohner stehen im Vordergrund
- Angebote seitens der Sozialarbeiter erst wenn Stadtteilpotential ausgeschöpft ist.
- Zielgruppen übergreifende Sozialarbeit
- Der gesamte Stadtteil ist das Arbeitsfeld
- Bei Zielgruppenspezifischen Angeboten sollen diese in einem übergreifenden Kontext stehen.
- Organisation von Kooperation unter den verschiedenen Trägern sozialer Dienste und anderer Organisationen im Stadtteil
- Einbeziehung sowohl kommunaler Dienststellen als auch privater Träger/Organisationen. (Netzwerkbildung)
Das Ziel ist die Verdeutlichung einer engagierten Sozialpolitik von unten.
Die Arbeitsweisen sind dabei nicht festgelegt, wenn man obrige Prinzipien mitbedenkt.
- Aktivierende Befragung
- Initiierung / Unterstützung / Beratung von Initiativen
- Offene Angebote
- Punktuelle Aktionen
- Beratung
- Öffentlichkeitsarbeit
Am Anfang jeder Sozialarbeit steht die Kontaktaufnahme mit möglichst vielen Menschen im Stadtteil. Die Entwicklung zu Beginn von Aktivitäten ist dabei oft sehr schwierig und zäh.
Dabei ist wichtig, das keine pädagogischen Zielvorstellungen des ausgebildeten Sozialarbeiters umgesetzt werden sollen, ebenso sind die später entstehenden Angbote aus dem Stadtteil nicht in pädagogische Ansätze zu pressen.
8. Der Lebensweltansatz nach Oelschlägel
Der hier vorgestellte Lebensweltansatz, der auch situativer Ansatz genannt wird, entstand, wie die vielen anderen GWA Ansätze auch, in den 70er Jahren. Wie beschränken uns in unserer Darstellung auf einen Beitrag von Oelschlägel mit dem Titel " Gemeinwesenarbeit im Armutsquatier". Dieser ist 1992 in Essen im Buch " Von der Hand in den Mund" von Johannes Boettner (Hg.) erschienen.
Oelschlägel hat hier die Ideen der GWA und der stadtteilbezogenen Sozialarbeit noch wesentlich vertieft und ausdifferenziert.
8.1. Prinzipien der GWA nach Oelschlägel
- GWA setzt an dem Ort an (Quatier, Institution...), wo die Menschen und deren Probleme zu finden sind.
- Die Arbeit setzt an den
a) Lebensverhältnissen
b) Lebensformen
c) Lebensumständen der Menschen an.
Die GWA erklärt und bearbeitet soziale Probleme in ihrer historischen und gesellschaftlichen Dimension. Die Arbeit ist interdisziplinär, aus den verschiedensten Diziplinen (Psychologie, Sozialforschung, Sozialarbeit, Pädagogik, Politologie etc.) werden Methoden zur Erklärung und Bearbeitung herangezogen. Das Ziel der GWA muss die Aktivierung der Menschen in ihrer Lebenswelt sein. Sie sollen zu aktiv handelnden und lernenden politschen Subjekten werden[6].
GWA nach Oelschlägel, ist ein ganzheitlicher Ansatz, ihre Erklärungsansätze sind makrosoziologisch in dem sie Gesamtgesellschaftliche Entwicklungen im Fokus hat. Sie bleibt jedoch nicht auf dieser Ebene sondern setzt mit ihrer Arbeit in der konkreten Lebenswelt von Menschen an. Dabei wird nicht auf die individuellen Lebensverhältnisse eines Einzelnen sondern auf kollektive Lebensverhältnisse einer Gruppe von Menschen (z.B. der Bewohner eines Stadtteils) zurückgegangen. Die Methodische Vorgehensweise ist dabei fachlich nicht eingeschränkt.
Oelschlägel beschreibt die Betroffenen als Menschen die zwar Opfer ihrer Lebensbedingungen sind gleichzeitig aber auch lernfähige Subjekte, deren Lernfähigkeit durch ihre Lebensumstände eingeschränkt sind[7]. Auch in dieser Situation verfügen Menschen über Handlungsmöglichkeiten in bezug auf ihre Situation. Herausbildung, Sicherung und Erweiterung von Handlungsfähigkeiten wird bei Oelschlägel zum Zentralen Ziel und zur Meßlatte von GWA. Handlungsfähigkeit ist bei Oelschlägel jedoch nicht individuell zu erreichen, sondern nur gemeinschaftlich, durch die Kontrolle der Lebensbedingungen.
8.2. Dimensionen der GWA nach Oelschlägel
Stadtteil Resourcen
Handlungsmöglichkeiten und Handlungseinschränkungen in einem Stadtteil sind an Resourcen (öffentlich oder privat) gebunden, deren Zugänglichkeit unterschiedlich sind. Als Resource bezeichnet Oelschlägel sowohl Infrastrukturen eines Stadtteils als auch dessen Ruf. Er fasst unter diesem Begriff den Teil der Lebenswelt der den Bewohnern eines Stadtteils "gegenüber steht" und mit dem sie leben müssen. Die Resourcen sind ein Ansatzpunkt der Sozialarbeit.
Da Menschen, je geringer ihre finanziellen Mittel sind um so weniger mobil sind[8], ist die Frage,
Inwieweit lassen sich im Stadtteil Resourcen mobilisieren?
Durch die Mobilisierung von Resourcen sollen Handlungsmöglichkeiten für die Betroffenen ausgeweitet werden und so ihre Situation abgemildert werden.
Wichtig ist dass, die Sozialarbeit für die Bewohner einen konkreten Nutzen hat. Auch hier wird der direkte Ansatz an den Lebensbedingungen deutlich. Oelschlägel stellt Beispiele für nützliche Dienstleistungen auf.
- Mobilisierung von materiellen Resourcen
- Räume, Autofahrten, billiges Essen etc.
- Mobilisierung von personellen Resourcen
- Beratung, Betreung, Qualifizierung, anwaltliche Tätigkeiten
- Aufbau von Infrastrukturen
- Orte an denen Organisation von Betroffenen stattfinden kann, Bereiche in denen Betroffene für ihr Verhalten, etc nicht sanktioniert werden
- Aufbau, Stützung von sozialen Netzwerken
- Netzwerke in denen Organisation und Kommunikation von Betroffenen stattfinden kann.
- Möglichkeiten zur Problemfindung und Problemformulierung
Da Oelschlägel sein Konzept auf den Handlungsmöglichkeiten von Betroffenen aufbaut und die Ausweitung von Handlungsmöglichkeiten sein zentrales Ziel ist. Ist die Netzwerk Resource für ihn von besonderer Bedeutung, da das jeweilige Beziehungsnetz die eigenen Problembearbeitungen und Problemanalysen entscheidend mitträgt. Die Schaffung und der Erhalt von Netzwerken[9] wird im Bespiel von Oelschlägel durch einen Nachbarschaftstreff geleistet. Hier können sowohl Kontakte mit anderen Betroffenen als auch mit Profesionellen formlos hergestellt werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt, ist die Schaffung von Arbeit. In diesem Fall geht es um ABM Stellen und sonstige Arbeitsprogramme. Intergration der Betroffenen in ein Projekt.
z.B. Betreuung eines Treff`s etc. durch die Anstellung von Betroffenen.
→ Stärkung des Ansehens der Maßnahme
→ Verbesserung der psychischen und materiellen Situation der Betroffenen, die eine solche Stelle haben.
Bereitstellung von Resourcen für politische Aktivitäten
Da es um die Verbesserung von Lebensumständen geht, spielen (kommunal)politische Aktionen eine wichtige Rolle im Konzept. Gekoppelt mit der Förderung von Handlungsmöglichkeiten heißt dies aber auch, das die GWA sich nicht an die Spitze einer Aktion, Initative etc. stellen darf, sondern im Hintergrund nötige Resourcen ( Kontakte zu informellen Führeren, Presse, Bündnispartnern, Räume, Technik etc. ) zur Verfügung stellen.
Die Angebote der GWA müssen über niedrige Zugangsschwellen verfügen und für die Betroffenen erkennbar und nützlich sein.
8.3. Aktivierung
Soziales Handeln findet, wie Oelschlägel aus konstruktivistischen und interaktionistischen Theorien übernimmt, innerhalb von Lebensformen statt, deren Wirklichkeit aus den Interaktionsprozessen konstruiert wird.
Soziales Handeln ist ein Ergebnis einer bestimmten Lebensformen, diese verfügt sowohl über bestimmte Interpretationsmuster die eine "Wirklichkeit" konsturieren, als auch hängt sie von den Einflüssen der Umgebung ab. Dabei geht es hier nicht nur um die sozialen Netze in denen der Einzelne mit eingewebt ist, sondern auch um die Strukturen die auf den Einzelnen bzw eine Gruppe von Menschen einwirken.
Die Strukturen der Lebenswelt sind für eine GWA die Handlungsmöglichkeiten ausweiten will von Bedeutung, da sie das Handeln und die Handlungsmöglichkeiten stark mitbestimmen
Die Frage die sich in der GWA stellt ist, ob Handlungsmöglichkeiten innerhalb der Lebenswelt geschaffen werden, oder ob die Grenzen der bisherigen Lebenswelt ausgedehnt werden sollen.
Der zentrale Begriff mit dem bei Oelschlägel die Ausweitung von Handlungsmöglichkeiten zusammenhängt ist der Begriff der Aktivierung.
In den 70er Jahren, wurde von der These ausgegangen, dass es reicht Betroffenen ihre Lage bewußt zu machen und ihnen zu helfen ihre Interessen zu erkennen. Die Idee Aufklärung führe automatisch zum Handeln der Betroffenen erwieß sich jedoch als falsch. Passivität als Eigenschaft armer oder benachteiligter Menschen ist jedoch falsch.
Auch Nicht Handeln kann eine Handlung sein, die auf Entscheidungen beruht. Oelschlägel geht davon aus das die Entscheidung Handlen / Nicht-Handeln auf der Basis von Kosten / Nutzen Überlegungen geführt wird.
Als Nutzen stehen hier Gefühle der Zusammengehörigkeit mit anderen aktiven und die Selbstwahrnehmung als aktiver, bedeutungsvoller Mensch. Auf der Kosten Seite sieht er Angst vor Mißerfolgen, Angst vor Sanktionen oder auch der fehlende direkte Nutzen für einen Selbst.
Aktivierung durch die Veränderung der Kosten Nutzen Rechnungen
Den Betroffenen muss ein Nutzen dargestellt werden, der sie dazu bringt Handlungsroutinen zu verlassen. Hier landet man wieder bei der Mobilisierung von Resourcen, der Bildung von Netzwerken etc. Der Nutzen muss für die Betroffenen erkennbar sein und bleiben. Aktionen sollen daher Interessennah angelegt werden.
Aktivierung des Einzelnen bedeutet für Oelschlägel immer auch die Organsiation von Betroffenen.
Der Einzelne mit seinen Handlungsroutinen wird durch die GWA angeregt mit anderen zusammen zu Handeln. Durch ihr gemeinsames Handeln werden Lebensräume verändert. Durch die gemeinsam erreichten Ziele gewinnen die Einzelnen an Selbstbewußtsein. Man kann sich dies in einem fortlaufenden Prozess der Wechselwirkung zwischen dem Einzelnen und einer Organisation (Nachbarschaftstreff o.ä.) vorstellen.
Die GWA hat die Aufgabe diese Prozesse anzustoßen und zu unterstützen auf keinen Fall jedoch nach eigenen Ideeen zu lenken und zu manipulieren.
8.4. Kulturarbeit
Oelschlägel beschreibt Kulturarbeit als einen wichtigen Aspekt der GWA. Das Konzept der Kulturarbeit soll dabei nicht nur als pädagogische Maßnahme verstanden werden die den Abbau von Defiziten der Betroffen fördert, sondern in Anbetracht der Tatsache das alle Menschen kulturelle Ausdrucks- und Aneignungsbedürfnisse haben[10], als Möglichkeit diese Bedürfnisse zu befriedigen und die vorhanden Potentiale auszunutzen. Oelschlägel formuliert 3 verschiedene Ebenen der Kulturarbeit.
- Erweiterung der Genußfähigkeit der Menschen in dem ihnen die Kunst nahegebracht wird.
- Kultur als gem. Erlebnis
- Veranstaltungen im Stadtteil
- Kultur als Angebot zum Genuß . Beratung und Anregung zu kulturellen Angeboten
- Besuche bei Künstlern
- Möglichkeiten der kulturellen Eigenproduktion
- Eigene Theateraufführungen
- Videodreh
8.5. Einmischung und Skandalierung
Für Oelschlägel muss GWA auch immer kommunalpolitische Zusammenhänge bedenken und in ihre Handlungen mit einbeziehen. GWA muss Betroffenen helfen Probleme zu veröffentlichen.
Die Alte GWA Forderung der Veränderung der Strukturen bleibt also auch bei Oelschlägel erhalten.
Er ist dabei jedoch, auch wenn er den Begriff der Skandalierung gebraucht, nicht so radikal wie zum
Beispiel die Ansätze nach Alinsky. Es geht ihm nicht um einen Kampf, sonderen um die Problematisierung von Dingen um die Erregung von Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit.
An den Sozialarbeiter stellt er die Forderung, wie auch schon in klassischen Konzepten der GWA formuliert, sich parteiisch auf die Seite der Betroffenen zu stellen.
8.6. Schlussbemerkungen
In dem Lebensweltkonzept werden viele klassische Forderungen der GWA aufgegriffen.
Zu einem wird die Subjekthaftigkeit der Betroffenen betont. Sie sollen aktiviert und nicht verwaltet werden. Die Betroffenen sollen durch die Aktivierung des Einzelen zur Organisation ihrer Selbst und zur Veränderung ihrer Lebensumstände gebracht werden.
Die Ziele Oelschlägels sind jedoch konkreter als die klass. Ansätze. Sicherlich wird hier auch Gegenmacht gebildet, dies klinkt auch bei Oelschlägel an, wenn er sagt, dass die Ausweitung der Handlungsmöglichkeiten aus der Unmittelbarkeit der eigenen Lebenswelt hinaus zu Konflikten mit herrschenden Instanzen führen kann[11]. Jedoch bleibt er, durch seinen Kosten Nutzen Ansatz, der das Handeln von Betroffen bestimmt, in einem wesentlich konkreterm Rahmen d.h. die Betroffen werden nur dann Dinge unternehmen wenn sie einen Nutzen davon haben.
Eine weitere Überschneidung mit anderen Ansätzen liegt in der Forderung, das Professionelle sich parteiisch verhalten sollen. Grundsätzlich ist bei ihm GWA eine politische Sache. Handeln der Betroffenen bezeichnet er mehrfach als poltisches Handeln. So fordert auch der Schlusssatz seines Aufsatzes,daß das Soziale wieder politsch wird.
9. Aktionsforschung in Gemeinwesenarbeit
Der Ursprung der Aktionsforschung liegt bei Kurt Lewin (Action Research ) in den 40er Jahren in den USA. Der Grundsatz der Aktionsforschung lautet, dass wer forscht auch handeln muss, eine rein erklärende Wissenschaft genügt nicht, ebenso wie eine rein praktische Arbeit ohne theoretische Grundlagen falsch ist[12].
Theorie und Praxis sind nicht von einander getrennte Blöcke sondern bilden eine Synthese. Schon das Sammeln von empirischen Daten und Fakten ist ein Teil der Aktion der das Feld beeinflusst.
9.1. Aktionsforschungsprinzipien
- Der Aktionsforscher soll die Distanz zwischen Forscher und Beobachtetem aufheben. Die Beobachteten sollen als Subjekte mit eigener Erfahrung begriffen werden, und nicht als Forschungsobjekt. Der Forscher soll als Partner auftreten.
- Der Forscher begleitet nach der Forschungsphase die durch Ihn angestoßenen Prozesse. Er soll die Prozesse jedoch nicht lenken oder manipulieren sondern nur helfend zur Seite stehen.
Das Hauptziel und auch Forschungsprinzip, ist die Selbstbestimmung der Betroffenen und die Offenheit der von ihnen angestoßenen Prozesse.
Die Frage ist, in wie weit ein Forscher mit seinem Expertenwissen, auch wenn er seine Rolle immer wieder gegenüber den anderen klar macht, und sich zurücknimmt, nicht doch Prozesse mitsteuert.
9.2. Wissenschaftliches Interesse
Das Interesse ist, was sich an typischen Dingen und wiederkehrenden Fakten aus den Prozessen herauskristallisiert hat . Hieraus lassen sich u.U. Handlungskonzepte und Theorien für andere Projekte entwickeln.
9.3. Aktivierende Befragung
Nachteil der aktivierenden Befragung ist, dass sie sehr arbeitsaufwendig ist. Der Vorteil, besonders für die GWA, ist dass hier die Möglichkeit besteht, Menschen die nur aus der Perspektive eines Defizits betrachtet wurden mit ihren Potentialen kennenzulernen.
Die Beteiligung von Mitgliedern der für das Gemeinwesen verantwortlichen Verwaltung ist zwar machbar, die Meinung der Betroffenen über diese sollte jedoch mit bedacht werden.
Wichtig ist, dass die zu leistende Forschungsarbeit in einem abgesicherten Rahmen stattfindet, der Kontinuität gewährleistet. Da die Arbeit nicht komplett von Professionellen zu leisten ist, bieten sich Hochschulen als Kooperationspartner an. Dem ganzen sollte ein Vertrag die endgültige Form geben.
9.3.1. Methodik
Bei der Aktionsforschung wird zu Anfang eine Informationssammlung durch Beobachtung gemacht. Beispiele für Beobachtungsfelder sind hier Stichwortartig aufgelistet:
→ Infrastruktur, Bauzustand,
→ Interaktion zwischen Bürgern
→ Beliebte Treffpunkte
→ Zeitungsartikel über den Stadtteil
Im Folgenden werden schematisch mögliche Ergebnisbereiche dargestellt, die sich durch die Befragung herausfinden lassen.
9.3.2. Schematische Darstellung der Aktivierenden Befragung
Ziel der Aktivierenden Befragung : Veränderung der Situation durch Aktion der Betroffenen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die oben aufgeführten Ergebnisse informieren einerseits über die objektiven Zustände des Stadtteils, andererseits über die Wahrnehmung des Stadtteils und dessen Verarbeitung in der Kommunikation.
Hieraus sollen sich möglichst Ansatzpunkte zur aktivierenden GWA bieten. Diese sind organisatorischer Natur ( Wer muss mit eingebunden werden ? ), und emotionaler Natur (Wo sind Möglichkeiten der Aktivierung ). Ebenso sollen sich aus der Befragung Ziele ergeben die in der weitergehenden Arbeit zu erreichen sind.
9.3.3. Ablauf der Aktivierenden Befragung
A) Anliegensstadium
Klärung der eigenen Motivation und Ziele
Zeitplanung
Zieleingrenzung
Ressourcenplanung
→ Bildung eines Vorausurteils (Arbeitshypothese)
→ Feedback durch Diskussion mit anderen nicht involvierten Personen
B) Vorausuntersuchung
Überprüfung der Hypothesen an Hand erster Beobachtungen und Interviews.
Erprobung der Methoden
Klärung der Durchführbarkeit
Suche nach Mitarbeiterkreis
C) Hauptuntersuchung
Die Untersuchung muss in einem möglichst kurzem Zeitrahmen stattfinden, da sonst, besonders bei den Bürgern, die Erinnerung an das Interview verblasst. Bei den Experten spielt diese Unmittelbare Nähe zwischen Befragung und weiterer Organisation keine so große Rolle.
Die Befragung muss genau vorbereitet sein, am Besten arbeitet man in zweier Teams. Bei den Gesprächen findet, mit vorheriger Erlaubnis eine kurze Protokollierung statt, die die Probleme und Entrüstungspunkte erfasst.
D) Versammlung und Gruppenbildung
Auf einer Bürgerversammlung werden die Ergebnisse den Bürgern präsentiert.
Hierbei gelten bestimmte Prinzipien:
- Zeitnaher Termin zu der Befragung
- Zentrale Lage des Versammlungsortes
- Konsensfähigkeit des Versammlungsortes
- Richtiges Mischungsverhältnis Bürger-Forscher. Wesentlich mehr Bürger als Forscher
- Gute Vorbereitung der Versammlung (Ankündigung, etc...)
Die Versammlung kann zwar von einem Forscher geleitet werden, jedoch muss zu Anfang klargestellt werden, dass die Forscher nichts für die Bürger tun wollen sondern nur mit ihnen. Nach dem Vortrag der Ergebnisse, muss viel Spielraum für Diskussion, Erregung und sonstige Auseinandersetzung geboten werden. Die Sitzungsleitung soll den Anwesenden möglichst viel Raum geben.
Wichtig ist, nach ausgiebiger Äußerung zu Lösungsansätzen überzuleiten und gemeinsam in die Suche nach Problemlösungen einzusteigen. Bei guten Bedingungen kann es sein, dass sich Arbeitsgruppen bilden, die sich mit bestimmten Problemen auseinandersetzen. Es kann aber auch sein, dass solche Aktivierungen nicht funktionieren. Mangelnde Beteiligung, zu hohe Demoralisation oder Übernahme der Veranstaltung durch etablierte Träger, Parteien können Gründe dafür sein.
9.3.4. Erhalt und Motivation der Arbeitsgruppen
Wenn der Prozess angelaufen ist, ist es wichtig, dass eine ständige Protokollierung der Arbeitsschritte und Ergebnisse durchgeführt wird, um die Informationen einerseits weiterzugeben, andererseits auch eine Reflektion der eigenen Arbeit durchführen zu können und um anderen Gruppen Infomaterial anbieten zu können.
Wichtig ist, nach einer Anfangsphase dem ganzen eine langfristige Motivation zu geben. Von Anfang an sollten alle Prozesse offen gestaltet werden, durch außenstehende Personen die über Ansehen verfügen, lässt sich auch Motivation bilden. Kooperation und Informationsaustausch mit anderen Gruppen ist ebenfalls eine Möglichkeit. Wichtig ist, dass die Teilnehmer kurz-, mittel, und langfristige Ziele formulieren. Grundsätzlich ist eine offene Herangehensweise an neue Situationen sehr wichtig.
Die Forscher sollen sich auf eine Begleitung der AGs zurückziehen. Ebenso ist eine Art Training denkbar. Sie können Angebote machen, die von den Bürgern nicht zu leisten sind, und diese in Kooperation durchführen. Es können Zielgruppen oder Problemgruppenspezifische Aktivierungen durchgeführt werden. Ebenso sind die Aktivierung von Einzelpersonen denkbar.
10. Grenzen und Möglichkeiten der Gemeinwesensarbeit als Strategie für Sozialarbeit am Beispiel des Stadtteils Frankfurt-Hausen
10.1. Einleitung
Ein gesamtes Gemeinwesen zu beschreiben mit der gesamten sozialen, privaten und öffentlichen Infrastruktur, den Kommunikationsstrukturen, der historischen Entwicklung, der Einbettung in andere Gemeinwesen und deren Wechselwirkungen zueinander wäre, wenn es akribisch durchgeführt würde ein langwieriges Projekt. Dies kann leider an dieser Stelle nicht geleistet werden. Daher sehe ich dies hier als kleine Detailskizze, die ein paar Schlaglichter auf die Praxis von stadtteilbezogener Sozialarbeit wirft. Beschränken werde ich mich dabei auf den Schwerpunkt der Jugendarbeit, da ich hier als ehrenamtlicher Mitarbeiter seit einem guten halben Jahr wertvolle Erfahrungen sammeln durfte. Zur Vervollständigung sei gesagt, dass es neben der Jugendarbeit ebenfalls Alten(sozial)arbeit gibt, die sich um die Belange alter Menschen in sozialen Notlagen (drohender Verlust der Wohnung, Beantragung von Pflege, Sozialhilfe etc.) kümmert.
10.2. Entwicklung Hausens
1910 wurde das ehemalige Dorf Hausen nach Frankfurt eingemeindet.
Frankfurt-Hausen liegt am Rande der Innenstadt zwischen Bockenheim, Rödelheim und Ginnheim und Praunheim. Bis 1997 galt Hausen als Sozialer Brennpunkt, dann, in der Sozialraumanalyse, wurden nur 3 Straßenzüge als sozialer Brennpunkt eingestuft.
Die Wohnungssituation ist in Hausen sehr heterogen. So verfügt Hausen über die 2 höchsten Mieten in Frankfurt. Die Straßenzüge am ehemaligen BuGa Gelände werden auch "Goldstaubviertel" genannt. Durch die Ansiedlung der japanischen Schule und jetzt ,in neuster Vergangenheit, der neuen Börse zogen die Mieten weiter an und mit dem Ausbau der neuen Börse werden weitere Mietsteigerungen zu erwarten sein.
Gleichzeitig findet man in Hausen in der Langweidenstr, dem Niddatal und der Hausener Obergasse Hochhäuser. Diese in den 70er Jahren gebauten Häuser wurden von ehemaligen Bewohnern aus Notunterkünften, Migrantenfamilien, Kinderreichen Familien, Spätaussiedlern bezogen.
Durch die Wohnungspolitik wurden in Hausen 2 Pole geschaffen, die mittelständischen Althausener mit Eigenheimen und sozial schwache Neuhausener in den Mitsilos.
Die Infrastruktur des Stadtteils war nicht auf eine derartige Entwicklung ausgelegt. Als Ende 93 nach 30 Jahren die einzige städtische Jugendeinrichtung in Hausen, das JUZ Industriehof geschlossen wurde, fehlte für ca. 80 Jugendliche eine Anlaufstelle. Der Multikulturelle Verein Saz-Rock, der ehr mit Migrantenkindern aus Mittelstandsfamilien arbeitete und seinen Sitz in der ehemaligen Brotfabrik hatte, war mit dem "Ansturm" einer so großen Gruppe sozial gefährdeter Jugendlicher völlig überfordert, was nicht überrascht. 1994 wurde dem Verein eine Planstelle für die Aufsuchende Jugendarbeit zugebilligt.
Im Stadtteil kam es immer wieder zu Überfällen, Sachbeschädigungen, Körperverletzungen etc. Ebenso kam es in der Brotfabrik zu Querelen so das der Vermieter dem Verein Saz Rock kündigte.
Der Sozialarbeiter der die Planstelle bei Saz Rock innehatte wechselte mit der Planstelle 1995 zur AWO, die vom Jugendamt den Zuschlag bekam, aufsuchende Jugendarbeit in Hausen zu betreiben.
10.3. Klientel
Die Jugendlichen bewegen sich in 3 unabhängigen losen Cliquen. Dazu kommt noch eine sehr lose Mädchengruppe. Ein grossteil der insgesamt 124 Klientinnen und Klienten kennen sich untereinander. Dies ist nicht weiter verwunderlich da fast alle die Kerschensteiner Grund- und Hauptschule besucht haben. Außerdem wohnt ein grossteil der Klienten in den gleichen Häusern, bzw. den gleichen Straßenzügen. Alter und Wohnlage strukturieren auch die Cliquenzugehörigkeit.
Das Klientel der Einrichtung bildet sich aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die in diesem Stadtteil leben oder ihren Lebensmittelpunkt hier haben. Der größte Teil der Gruppe sind Migrantinnen und Migrannten. Die größten Gruppen werden von türkischen und marokkanischen Jugendlichen gebildet. Es finden sich aber ebenso Jugendliche aus den Balkan Ländern ( Kroatien, Jugoslawien, Kosovo, Albanien, Kroatien), Afrika (Kenia, Eritrea, Tunesien), und dem Südeuropäischen Raum (Griechenland, Spanien, Süd-Italien). Dazu kommt eine Gruppe deutscher Jugendlicher, die die 3. größte Gruppe ausmacht. 25% des Klientels sind weiblich. Der größte Teil der Gruppe ist in den Jahren 78-83 geboren. Für klassische Jugendarbeit handelt es sich hier um eine relativ altes Klientel, so haben die meisten die Schule schon beendet. Die schulische Qualifikation ist als schlecht zu bezeichnen. Fast 60% verfügen nur über einen Hauptschulabschluss, dieser wurde oftmals mit 4 bestanden. 6% haben gar keinen Abschluss. Von den insgesamt 124 Klienten hat nur 1 ein Abitur, 5 haben ein Fachabitur. Wenn man die Schulabschlüsse geschlechtsspezifisch differenziert, zeichnet sich bei der weiblichen Gruppe ein leicht günstigeres Bild ab, so verfügen hier immerhin 41% über einen Realschulabschluss.
10.4. GWA in Hausen
Aufsuchende Jugendarbeit wurde hier als eine Art Low-Budget Projekt installiert. Die Hauptaufgabe sollte die Befriedung des Stadtteils sein. Die Hauptarbeit bestand in der Anfangsphase aus Streetwork, d. h. Aufsuchen der Jugendlichen an ihren informellen Treffpunkten, Aufbau und Erweiterung einer Vertrauensbasis. Ebenso wurden Kontakte zu den verantwortlichen Polizeistellen hergestellt um eine Deeskalierung der Situation herbeizuführen. In der Zeit von April 1996 bis 1997 wurde von den Jugendlichen und den mittlerweile 2 Sozialarbeitern ein selbstverwalteten Jugendtreff aufgebaut.
10.5. Jugendtreff Hausen
Besonders in diesem Jugendtreff lassen sich Prinzipien der GWA wiederfinden. Eines der, auch von den Jugendlichen selbst, formulierten Probleme war, dass sie über keinen Treffpunkt verfügten. Sie trafen sich nach der Schließung des Juz-Industriehof an der Kerschensteiner Schule und am Friedhof Hausen. Beide Treffpunkte führten zu Konflikten mit Anwohnern, und daraus folgend mit der Polizei. Der Direktor zog als Konsequenz, dass sich Schulfremde auf seinem Schulhof trafen, und es zu einem Einbruch in der Schule und mehreren Sachbeschädigungen kam, für ca. 90.000 .- einen Zaun um die Schule, der das Schulgelände nach Schulende abriegelt. Das Klientel stand nun vor der Schule. Anwohner riefen nach 22 Uhr regelmäßig wegen Ruhestörung die Polizei, die Personalien aufnahm, die Jugendlichen fotografierte und Platzverweise erteilte.
Das Grünflächenamt und das Sozialamt stellten der Jugendarbeit nun eine Grünfläche am Brentanobad zur Verfügung, ebenfalls wurde eine 100m2 Bauhütte gestellt, die aber wie sich zeigte teilweise verrottet war, da sie 10 Jahre am Westhafen gelegen hatte. Den Sozialarbeitern gelang es die Jugendlichen zu aktivieren und in gemeinsamer Arbeit die Hütte aufzubauen. Nach der Fertigstellung wurde die Hütte der Selbstverwaltung der Jugendlichen übergeben. Aus rechtlichen Gründen liegt die Schlüsselgewalt in den Händen der Sozialarbeiter. Sie ist 7 Tage die Woche von 11.00 bis 23.00 geöffnet. Der Zustand der Hütte ist schwankend und hängt natürlich stark an den Jugendlichen. Während am Anfang der Treff in einem guten Zustand war. 2 Billardtische, 3 Kicker, div. Sitzmöbel vom Sperrmüll, Fernseher, Stereoanlage und Teeküche. Sind besonders im letzten Jahr Probleme aufgetreten. Gründe liegen hier in dem bevorstehenden Generationenwechsel der Klienten. Die Jugendlichen die die Hütte mit aufgebaut haben, waren zu diesem Zeitpunkt 16-20 Jahre alt. Diese Generation ist aus dem eigentlichen Alter der Jugendarbeit schon herausgewachsen. Für die Sozialarbeiter bieten sich hier nur wenig Möglichkeiten. Der Sozialisationsprozess dieser Gruppe ist weitgehend abgeschlossen. Ein Grossteil ist im Beruf. Für die ungelernten bestehen auf Grund des Alters kaum noch Chancen auf einen Ausbildungsplatz.
Eigentlich wäre dies das Alter, um sich von seiner Kindheit und Jugend abzunabeln und eine eigene Existenz aufzubauen. Die Hilfe dabei ist das Letzte, was die Sozialarbeiter dieser Gruppe noch als Dienst erweisen können. Hier sind jedoch große Widerstände zu überbrücken. Fast alle wohnen noch bei ihren Eltern in viel zu kleinen Wohnungen im Kinderzimmer und sind nicht bereit zu Hause auszuziehen. Auch ihren Jugendtreff als angestammtes Revier wollen sie nicht für die jüngern, die oftmals ihre eigenen Brüder sind, räumen. Gleichzeitig investieren sie keine Energie mehr in den Erhalt und die Pflege des Jugendtreffs. Die notdürftige Grundreinigung wird entweder von den Sozialarbeitern oder von Sozialstundenpflichtigen geleistet. Besonders im letzten Jahr ließen einige immer wieder ihre Aggressionen an den Einrichtungen des Jugendtreffs ab. So wurden im letzten Jahr 6 Fernseher, 3 Eingangstüren und 10 Fensterscheiben zerstört. Dazu kamen diverse zerschlagene Möbelstücke. Zwar wurden die Einrichtungsgegenstände von den Tätern aus eigenen Mitteln immer wieder ersetzt wenn sie von den Sozialarbeitern darauf angesprochen wurden, jedoch kann dies nicht über die großen Probleme hinwegtäuschen. Die derzeitige Frage ist, wie man den Abnabelungsprozess der jungen Erwachsenen fördern kann ohne dass sie sich verraten fühlen gleichzeitig muss man bei der geringen Mittelausstattung, über die die Jugendarbeit verfügt, darauf achten weitere Zerstörungen zu verhindern und den Jugendtreff und dessen Bausubstanz schützen.
Allein die Tatsache dass der Jugendtreff Hausen, übrigens der einzigste selbstverwaltete Treff in Frankfurt, auch die letzte von ehemals 6 zeitgleich aufgebauten Holzhütten ist, die noch steht und keiner Brandstiftung zum Opfer gefallen ist, ist zugleich ein Hinweis auf den Erfolg unter den Jugendlichen, aber auch eine Warnung.
10.6. Weitere Angebote der Jugendarbeit.
Wie zuletzt am 21.12.2000 in der FR zu lesen war, wird die Vermittlung in Arbeit und Ausbildung als zentrales Ziel der Jugendarbeit in Hausen gesehen. Arbeit, so der Ansatz ist für die Klienten die Möglichkeit zur Integration in die Gesellschaft. Es konnten, da allein in diesem Jahr 32 in Arbeit, 19 in eine Ausbildung und 12 in schulische Weiterbildung vermittelt werden konnten, eine Beruhigung im Stadtteil festgestellt werden. Sicherlich gibt es hier zwei Aspekte die von Bedeutung sind. Der Einer ist der Gesellschaftliche Aspekt. Die Jugendlichen lungern nicht mehr im Stadtteil herum sondern sind tagsüber beschäftigt. Abends nach der Arbeit fehlen ihnen die Kräfte für große Aktionen. Ihre Kräfte werden für die Gesellschaft genutzt. Sie fügen sich ein in die gesellschaftlichen Normen.
Der andere Aspekt ist individueller Natur. Die Jugendlichen kommen zum größten Teil aus sozial schwachen Familien. Die Mütter sind, besonders bei den Familien marokkanischer Herkunft, nicht erwerbstätig, die Väter arbeiten meistens nur in schlecht bezahlten Tätigkeiten oder sind erwerbslos. Außerdem ist ein signifikant hoher Anteil an Halbweisen unter den Klienten festzustellen. Sozialhilfe, Wohngeld, Nebenjobs halten die Familien gerade über Wasser. Die Jugendlichen verfügen so weder über die finanzielle Ausstattung wie sie vielen anderen zu Teil wird. In einer Konsumwelt die besonders das Bild des jungen erfolgreichen und wohlhabenden Menschen als Ideal geradezu anbetet, stehen die Jugendlichen mit leeren Händen da. Die Ressource Zeit wird zum Problem. Zuviel Zeit und keine Idee was man damit machen kann. Schlafen bis in den Mittag, sich mit Kumpels treffen, rauchen, trinken, abhängen bis in die Nacht, ist ein typischer Tagesablauf für viele Jugendliche die in der Einrichtung betreut werden. Für Konsum fehlt das Geld für Kreativität die Sozialisation. Hier ist aber nicht ausschließlich die Schuld bei den Eltern zu suchen, die ihre eigenen Probleme kaum in den Griff kriegen. Besonders der Lehrkörper der ortsansässigen Kerschensteiner Grund- und Hauptschule, auf die 90 % des Klientels gingen ist hier zu kritisieren.
Ein schwacher Direktor ohne Problembewusstsein, ein übermüdetes Kollegium dass die Schüler schon abgeschrieben hat und ein Schulamt das nicht in der Lage ist hier einzugreifen leisten ihren Teil. Ob sich mit der Schulsozialarbeit die nach 3 Jahren hartnäckigen Ringens endlich an der Schule eingerichtet wird, etwas ändert bleibt abzuwarten.
Durch Arbeit, Ausbildung etc. gewinnt die Zeit an Inhalt, gleichzeitig kommt auf legalem Weg Geld in die Kasse. Oftmals verlassen die 20 Jährigen für ihren Job oder ihre Ausbildung den Stadtteil zum Ersten mal. Neue Kontakte ergeben sich, alte Cliquen werden aufgeweicht. Auch Oelschlägel verweist in seinem Lebenswelt Ansatz auf die Bedeutung von Arbeit.
Besonders bei den Jüngern die um die 20 sind, lassen sich diese positiven Effekte beobachten. Sie nabeln sich zusehends ab, gewinnen an Eigeninitiative. Deutlich wird dies an der Menge und den Inhalten der Beratungsgespräche. Ging es vorher in sehr kurzen Abständen immer um gleiche Themen, werden plötzlich neue Themen angesprochen, wie Weiterbildung oder Nachholen eines Schulabschlusses. Auch die Zeitspannen zwischen den Gesprächen werden größer. Bei Gesprächen mit andern Jugendlichen hört man dann nur, "der arbeitet ja, wir wissen auch nicht was der treibt".
Neben der Vermittlung in Arbeit, werden die Jugendlichen auch in allen Problemen des Alltags beraten und betreut. Behördengänge werden mit ihnen erledigt oder vorher durchgesprochen, Briefe an Anwälte, Gerichte etc. aufgesetzt, Unterstützung bei der Wohnungssuche geleistet. Besonders Wohnungsprobleme und Finanzielle Probleme stehen ganz oben auf der Beratungsliste. Innerhalb des letzten Jahres gingen die Beratungsmengen leicht zurück, worin man auch ein Ergebnis des Zuwachses an Berufstätigen unter den Klienten sehen kann.
10.7. Weitergehende Projekte
Jetzt, da eine Stabilisierung der Situation eingetreten ist, gelingt es auch eine nachhaltige präventive Arbeit zu leisten. Ein erster Schritt war hier die Entwicklung eines präventiven Anti-Gewalt- und Sozialtrainings für männliche Jugendliche im Rahmen einer erlebnispädagogischen Kursreihe.
Hierbei sollen zwei Ziele verfolgt werden. Durch erlebnispädagogische Projekte (angefangen, mit Steilwandklettern und Kanutouren auf der Nidda, bis zu einer 2 wöchigen Survival Tour in Schweden, sollen die Jugendlichen aus ihrer reinen Konsumenten Haltung herausgelöst werden. Sie sollen ihre eigenen Grenzen kennen lernen und eigene Fähigkeiten entdecken und verbessern. Der Aspekt des Anti-Gewalt Trainings beinhaltet einen Konfrontationskurse wo die Jugendlichen selber "Opfer" von Gewalt werden.
Bei den Jugendlichen sollen Selbsterkenntnisprozesse in Gang gesetzt werden, alte Rollenmuster aufgeweicht und neue Möglichkeiten des Handelns aufgezeigt werden.
10.8. Der Hausener Jugendarbeitskreis
In Hausen bildete sich 1997 aus einem kommunalpolitischen Arbeitskreis heraus der Hausener Jugendarbeitskreis. Sinn und Zweck dieser Gründung war es ohne das sonst übliche politische oder konfessionelle Konfliktpotential Ziele und Wege in der Sozialarbeit im Stadtteil Hausen zu suchen. Im Verein vertreten sind fast alle Einrichtungen des Gemeinwesens die sich um die Jugendsozialarbeit in Hausen kümmern ( Pfarrer der kath. Kirche, AWO Sozialarbeiter, Jugendgruppenleiter der ev. Kirche, eine ehem. Lehrerin der Hauptschule, der Jugendwart des ansässigen Sportvereins, Mitarbeiter der ev. Lern und Spielstube, der kath. Kindertagesstätte, des Kindergarten, eines psychoorg. und psychosozialen Zentrum, der freiwilligen Feuerwehr, interessierte aus allen Parteien und div. andere Interessierte. Durch die heterogene Mischung ist es gelungen sich nicht in dogmatische Grenzen pressen zu lassen. Als Mitarbeiter einer Einrichtung eines konfessionellen oder parteinahen Trägers kann man nur schwer, ohne großen Druck von übergeordneten Stellen, sich in einer bestimmten Weise zu Dingen äußern. Diese Basis bietet dieser Stadtteilverein. Auch wenn er sich thematisch auf Jugendarbeit eingrenzt wird hier doch ein wichtiges Prinzip der Gemeinwesenarbeit umgesetzt, nämlich die Schaffung eines Netzwerkes über Grenzen hinweg indem man alle relevanten Kräfte versucht einzubinden. Sicherlich ist hier zu kritisieren, dass es sich hier um einen Kreis von Professionellen und Semi-Professionellen handelt. Hierzu sind drei Dinge anzumerken. Erstens gab es zu Anfang auch Mitarbeit von "Betroffenen", so haben 2-3 Jugendliche regelmäßig an den Treffen teilgenommen, diese sind jedoch nach 1 1/2 Jahren weggebröckelt. Zweitens wurde z.B. durch Jugendaktionstage, öffentliche Diskussionen ("ist Hausen ein sozialer Brennpunkt?") versucht, Öffentlichkeit herzustellen und Betroffene versucht zur Mitarbeit und zur Formulierung ihrer Probleme zu bewegen. Als dritte Anmerkung hierzu verweise ich hier auf das grundsätzliche Problem ehrenamtlichen Engagements. Der Prozess der Aktivierung ist mit einem hohen Arbeitsaufwand und, wenn man den Prinzipien der Aktionsforschung, wie sie im Buch " Studienbuch zur Gruppen- und Gemeinwesenarbeit" von Wolfgang Hinte und Fritz Karas beschrieben werden, folgen will, auch mit einer Kontinuitätsgarantie verbunden. Dieses konnte der Verein bisher noch nicht vollbringen, so fehlen allein schon die finanziellen Mittel für eine aktivierende Befragung, ganz zu schweigen von den nötigen Zeitressourcen der Mitglieder.
10.8.1. Erfolge des Vereins
Der größte und greifbarste Erfolg ist mit Sicherheit die Durchsetzung nach Schulsozialarbeit an der Kerschensteiner Grund- und Hauptschule. Nach 3 Jahren gelang es durch öffentlichen und politischen Druck, dass das Jugendamt dieser Forderung zustimmte und die Schulsozialarbeit ausschrieb, den Zuschlag erhielt am Ende Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt. Ansonsten kann man den Verdienst des Vereins darin sehen, dass kontinuierlich auf die sozialen Probleme im Stadtteil hingewiesen wurde, und der Verein als kritische Kraft im Stadtteil wahrgenommen wird.
Das Grundproblem war bis jetzt, dass der Verein, da er erst drei Jahre besteht noch keine Anerkennung als freier Träger erlangen konnte, und so nicht selber Einrichtungen aufbauen konnte die aus den Etat der Stadt finanziert werden.
10.8.2. Ziele des Vereins
Als mittelfristiges Ziel wird die Aktivierung der Betroffenen weiterhin ein Anliegen des Arbeitskreises bleiben. In diesem Jahr wird ihm durch zwei Projekte Rechung getragen. Das Erste ist die Umgestaltung von mehreren Spielplätzen in Kooperation mit dem Spatz Projekt. Dieses wird von dem Kinderbüro der Stadt Frankfurt durchgeführt. Kinder, Eltern und Interessierte werden an einem "runden Tisch" zusammengebracht um in zwei bis drei Planungssitzungen sich über die Umgestaltung eines Spielplatze Gedanken zu machen. Gemeinsam werden dann die Planungen des "runden Tisches" realisiert. Des weiteren soll eine Befragung von Bewohnern des ehemaligen "Housing-Areas" durchgeführt werden. Diese Siedlung, ein ehemaliges Wohngebiet der englischen Armee, wurde nach deren Abzug saniert und von der Stadt belegt. Durch die Belegung mit hauptsächlich sozial schwachen Familien, droht hier ein abrutschen dieser Straßenzüge. Da dieser Prozess erst im Beginnen ist, will der Arbeitskreis hier rechtzeitig ansetzen, hierbei sollen die Bewohner von Anfang an miteingebunden werden.
10. 9. Fazit und Stellungnahme
Wenn ich schaue, in wie weit Prinzipien des Lebensweltansatzes von Oelschlägel in dieser Einrichtung verwirklicht werden, finde ich einige Aspekte die umgesetzt werden. Auch in dem Konzept der Sozialarbeiter wird die Aktivierung der Jugendlichen als Ziel gesehen. Aktivierung soll hier jedoch in einem individuellen Kontext stehen. Die Jugendlichen sollen durch Arbeit und Ausbildung Eigeninitiative entwickeln. Die Arbeit wird als eine Art Schlüsselreiz verstanden seine eigenen Lebensumstände und Verhältnisse zu ändern. Indem die Jugendlichen einen Berufswunsch formulieren, mit den Sozialarbeitern Bewerbungen schreiben, entwickeln sie schon eigene Aktivitäten die ihr Leben ändern können. Trotzdem geht der Impuls von den Sozialarbeitern aus. Die Sozialarbeiter recherchieren für die Jugendlichen nach Jobs und koordinieren deren Bewerbungen.
Sicher lassen sich viele, besonders der älteren, Jugendlichen als lethargisch bezeichnen. Wenn die Sozialarbeiter sagen würden, "schreibe Deine Bewerbungen allein, wir lesen sie dann Korrektur ", wäre dies wohl ein Schlag ins Wasser. Eine nachhaltige Aktivierung würde, so mein Eindruck, vor allem bei den älteren Klienten eine Sisyphusarbeit, bei den jüngeren Klienten stehen nach meinem Eindruck die Chancen noch besser. Vielleicht bietet hier das Anti-Gewalt Training und die erlebnispädagogischen Ansätze eine Möglichkeit.
Sozialarbeit, so mein Eindruck, wird nicht von durchdachten Handlungskonzepten geprägt, die versuchen ein theoretisches Konzept, wie zum Beispiel den Lebensweltansatz von Oelschlägel, umzusetzen. Prägend sind ehr zwei Einflussquellen, eine interne und eine externe.
Die interne Einflussquelle wird von dem zu betreuenden Klientel gebildet. Deren konkrete Nöte sind es die das Handeln zum Grossteil bestimmen. Sicher hat der Einzelne Sozialarbeiter eine Zielvorstellung, eine Idee was er mit den Jugendlichen erreichen will, wie er sich ihre Entwicklung vorstellt, wenn jedoch ein Jugendlicher ins Büro kommt, weil er gerade einen Pfändungsbescheid über 3000.- DM für Handykosten bekommen hat, dann nützen einem pädagogische Konzepte wenig. Hier sind andere Qualitäten von Bedeutung. Bei 124 Jugendlichen und zwei Sozialarbeitern kann man sich eine Vorstellung machen was tagtäglich abgeht. Durchdachte Ansätze können hier erst dann verwirklicht werden, wenn die Grundversorgung, d.h. die Stabilisierung der Lebensumstände, geleistet wurde.
Die externe Einflussquelle wird von den Institutionen gebildet die Einfluss auf die Arbeit der Einrichtung nehmen können. Hierzu gehört der Träger der Einrichtung und indirekt ihm nahestehende Parteien oder Konfessionen. Ebenso gehören hierzu Institutionen die über die Vergabe von Geldern zu entscheiden haben. Ich habe festgestellt dass diesen externen Kräften eine hohe Bedeutung beigemessen werden muss. Um den Jugendlichen überhaupt helfen zu können, muss erst einmal ein organisatorischer und finanzieller Rahmen geschaffen werden. Diese Arbeit der Mittelbeschaffung des Werbens für die eigene Einrichtung, habe ich als einen ebenso wichtigen Aspekt von Sozialarbeit kennengelernt.
11. Literaturverzeichnis
1) Hinte, Wolfgang / Karas Fritz, Studienbuch Gruppen- und Gemeinwesenarbeit, Frankfurt u. Neuwied 1989
2) Iben Gerd (Hrsg.), Kindheit und Armut. In: Chasse, Karl-August (Hg.) Soziale Ungleichheit und Benachteiligung Bd.11, Münster, 1998
3) Stadtteilbüro Malstatt, Von der Not im Wohlstand Arm zu sein, Saarbrücken 1993
4) Oelschlägel Dieter, Gemeinwesenarbeit im Armutsquatier. In: Johannes Boettner (Hg.), Von der Hand in den Mund, Essen 1992
[...]
[1] Hinte, Karas 1989, S.12.
[2] Karas, Hinte 1989, S.30.
[3] (Hinte, Karas, S. 15)
[4] Hinte, Karas, 1989 S.19
[5] Hinte, Karas 1989 S. 23
[6] Vergl.: Oelschlägel, Dieter, Gemeinwesenarbeit im Armutsquartier, S. 94
[7] Oelschlägel, Dieter 1992, S. 94
[8] Stadtteilbüro Malstatt (Hg.)
[9] Oelschlägel, Dieter 1992, S. 96
[10] Vergl. S101
[11] Oelschlägel, Dieter 1992 S. 98
[12] Hinte, Karas 1989 S. 41
- Quote paper
- Ludger Christian Stallmann (Author), 2001, Darstellung von Gemeinwesenarbeit und Praxisbeispiel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106007
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