Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Schule unter den Bedingungen der Individualisierung
2.1. Formale Pädagogik
2.2. Handlungsorientiertes, entdeckendes Lernen
2.3. Lernen in Echtsituationen
3. Das duale System, Ausbildung in Betrieb und Berufsschule
4. Berufliche Chancen Jugendlicher
4.1. Die Tätigkeitsanforderungen
4.2. Qualifikations- und persönlichkeitsspezifische Voraussetzungen bei den Jugendlichen
5. Jugendarbeitslosigkeit
5.1. Ursachen und Folgen der Jugendarbeitslosigkeit
5.2. Fluchtbewegungen von Jugendlichen
5.2.1. Flucht in Alkohol und Drogen
5.2.2. Flucht in Jugendreligion
5.2.3. Flucht in die Kriminalität
5.2.4. Flucht in die Subkultur
5.2.5. Flucht in radikale Gruppen
5.2.6. Flucht in den Freitod
5.3. Statistiken, Zahlen, Daten
6. Zusammenfassung
7. Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Individualisierung bedeutet für mich Verselbständigung, d. h. wir sind zu einer Gesellschaft geworden, die größten Teils aus Einzelgängern oder Egoisten besteht. Es zählt das Motto: „Jeder ist sich selbst am nächsten.“! Und gerade diese Zeit ist für Jugendliche eine sehr schwere, in der sie gerade viel Halt und Unterstützung brauchen. Die frühere Jugend hatte „nur“ das Problem, von der Pubertät individuell den Anschluss an die Außenwelt zu finden.
Nach Brater (1999) hat die heutige Jugend keine klaren Ordnungen und Institutionen an die sie sich wenden kann. Alle Werte und Verhaltensmuster sind offen und gestaltbar. Die vorgegebenen Muster geben lediglich unverbindliche Möglichkeiten von Lebens- und Handlungskonzepten die zur Wahl stehen. So vieles ist der individuellen Gestaltung und Vereinbarung überlassen. Die Eckpfeiler des gesellschaftlichen Lebens, die Sicherheit bieten, fehlen. Oft fehlen in wesentlichen Lebensfragen, wie z. B.: Wie gehe ich mit dem anderen Geschlecht um? oder Welchen Lebensweg will ich gehen?- die gesellschaftlichen Normen.
In meiner Hausarbeit möchte ich die Rolle der Schule erläutern und das System der dualen Ausbildung erklären. Weiterhin gehe ich auf die veränderten Tätigkeitsfelder, sowie die Voraussetzungen an die Jugendlichen ein. Was, wie ich finde, noch direkt mein Thema Jugend und Ausbildung in der individualisierten Gesellschaft betrifft, ist die Jugendarbeitslosigkeit. Dabei bin ich kurz auf die Ursachen und Folgen, sowie auf die möglichen Fluchtwege von Jugendlichen eingegangen. Aktuelle Statistiken unterstreichen den Beitrag.
2. Schule unter den Bedingungen der Individualisierung
Die Stellung und die Aufgabe der Schule haben sich mit der Zeit vollständig geändert. Sie ist nicht mehr die Vermittlungsinstanz, welche die Jugend auf das gesellschaftliche Leben vorbereitet. Nach Brater (1997) muss die Schule mehr als eine Instanz sein, die nur formale Abschlüsse und Zugangsberechtigungen vergibt. Sie muss die Ichfindung begleiten, die eigene Biographie als individuelle Gestaltungsaufgabe begreifbar machen und die Fähigkeit zum selbständigen Handeln bilden. Unter den Individualisierungsbedingungen sind das die Kernaufgaben der Schule im Jugendalter. (Brater 1997: 162)
Nach Brater (1997) müssen 3 methodische Voraussetzungen vorhanden sein, um die Jugend auf das Leben vorzubereiten. Erstens: der Lernstoff muss vom Lernziel zum Lernanlass werden; zweitens: Lernen muss zum selbständigen Erproben und Entdecken werden; und drittens: Lernen muss in möglichst lebensnahen, lebensechten Handlungssituationen als selbstverständliches Moment des Handelns sich vollziehen. (Brater 1997: 163)
2.1. Formale Pädagogik
Die formale Pädagogik möchte, dass die Stoffauswahl in den Schulen unter dem Gesichtspunkt getroffen wird, was für eine Bedeutung die Beschäftigung mit diesem Stoff für die Ausbildung der Fähigkeiten und Kräfte der Kinder und Jugendlichen hat. Parallel zu den zeit- und entwicklungsbedingt notwendigen Lernerfordernissen des Kindes sollen die jenigen Stoffe ausgewählt werden, an denen sich genau die Kräfte und Fähigkeiten bilden können, die das Kind jetzt erwerben muss. (Brater 1997: 164)
Ein gutes Beispiel für die formale Pädagogik sind die Waldorfschulen. Diese haben versucht das Konzept in ihrem Lehrplan zu verwirklichen. Aus eigenen Informationen weiß ich, dass so merkwürdig erscheinende Lehrstoffe wie „Schattenlehre“ oder „Spinnen“, und Goethes Farbenlehre ihren Platz neben der Newtonschen Axiomen erhalten haben, weil gerade im Vergleich dieser beiden Ansätze grundlegend verschiedene Denkweisen erlernt werden können.
2.2. Handlungsorientiertes, entdeckendes Lernen
Für das zweite methodische Grundprinzip gilt grundsätzlich: Lernen findet immer dadurch statt, dass man gewissermaßen probeweise Situationen bewältigen muss, in denen das, was erst gelernt werden soll, bereits praktiziert wird. (Brater 1997: 166) So z. B. kann man keine Sprache erlernen, wenn man nur stur die Vokabeln lernt ohne jemals in dieser Sprache geredet zu haben. Also darf die Schule nicht nur theoretisches Wissen, sondern muss auch konkrete Handlungssituationen anbieten. Dort befinden sich die Schüler in einem geschützten Rahmen, wo genau jene Haltungen, Orientierungen und Kompetenzen von ihnen verlangt werden, die sie für ihr persönliches und gesellschaftliches Leben unter Individualisierungsbedingungen benötigen. Nach Brater (1997) und auch meiner Meinung nach, muss die Schule generell von der klassischen Unterrichtsform wegkommen, die vorwiegend kognitiv und autoritätorientiert abläuft. Der Unterricht darf nicht mehr nur so aussehen, dass die Lehrer 45 Minuten lang ununterbrochen reden, sondern die Schüler müssen mit einbezogen werden. Sie müssen ganzheitlich tätig sein. Der Unterricht muss vom lehrerzentrierten zu handlungsorientierten, schüleraktiven Lernformen hingeführt werden. Diese dürfen sich durchaus noch auf den traditionellen Schulstoff beziehen. (Brater 1997: 167)
2.3. Lernen in Echtsituationen
Das dritte Grundprinzip sieht vor, das typische schulische „Lernen in besonderen Situationen“, welche eigens für das Lernen und nur dafür eingerichtet wurden, zu ersetzen durch das „Lernen vom Leben“, durch das Lernen in Realsituationen, die nicht zu Lernzwecken erfunden wurden. Sie stellen Ausschnitte des wirklichen Lebens dar. (Brater 1997: 170)
Das heißt nur dann, wenn es wirklich „um etwas geht“, wenn es sich also um Ernstsituationen handelt, werden nach Brater (1997) die gewünschten fähigkeitsbildenden Effekte eintreten. Denn nur dann sind die Schüler wirklich gefordert und können sich nicht hinter Schulritualen verstecken.
Die Schule muss Echterfahrungen vermitteln und verarbeiten helfen. Nur so hat sie eine Chance wieder von den Jugendlichen ernst genommen zu werden als eine Einrichtung, die ihnen vielleicht doch helfen kann, das Leben besser zu meistern und seine vielen Rätsel und Widersprüche zu begreifen.
3. Das duale System, Ausbildung in Betrieb und Berufsschule
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es ein duales System der Ausbildung in Lehrberufen. Das bedeutet, das die Jugendlichen auf der einen Seite in den Betrieben die praktischen Fähigkeiten und in den Schulen die theoretischen Dinge des jeweiligen Berufes erlernen.
Der Unterschied zwischen diesen beiden Lernorten ist der, dass sie verschiedene pädagogische Konzeptionen und Rahmenbedingungen haben. (Sinnhold 1990: 25) Wie eben schon kurz erwähnt, wird die gegenseitige Ergänzung der beiden Ausbildungsorte darin gesehen, dass der Betrieb die berufliche Praxis (fachliche Qualifikationen) vermittelt, während die Berufsschule die praktische Ausbildung theoretisch untermauert und die Allgemeinbildung der Auszubildenden fördert.
Die zeitlichen Anteile der beiden Lernorte stehen meistens in einem Verhältnis von 4 : 1, maximal 3 : 2, das heißt 4 oder 3 Werktage im Betrieb und 1 oder 2 Werktage in der Berufsschule.
Dieses System hat viele Vorteile, bringt aber auch Nachteile mit sich. Zwei Beispiele möchte ich nennen: Die Gelegenheit, im Rahmen produktiver Arbeitsaufträge Verantwortung zu tragen und sich in der Ernstsituation zu bewähren, beinhaltet hohe Lernanreize und -möglichkeiten. Auf der anderen Seite ist der pädagogische Standard der betrieblichen Ausbildung oft nur unzureichend. So wird die Ausbildung von nebenamtlichen und pädagogisch mangelhaft ausgebildeten Kräften durchgeführt. (Sinnhold 1990: 26)
Das Ziel der dualen Berufsausbildung ist es, die Handlungsfähigkeit des Lehrlings im beruflichen, privaten und öffentlichen Bereich zu lehren und zu stärken.
4. Berufliche Chancen Jugendlicher
4.1. Tätigkeitsanforderungen
In den Anspruchsvollen Tätigkeitsbereichen von Industrie und Dienstleistung ist eine Verbreiterung der Aufgabenfelder zu beobachten. (Lappe 1999: 30) nach Lappe (1999) werden Mehrfachqualifikationen immer notwendiger, die den Beschäftigten sowohl umfangreiche Material-, Maschinen-, Verfahrens- und Produktkenntnisse als auch Informatikwissen, kaufmännisches Wissen und nicht selten auch Mehrsprachlichkeit abverlangen können. Immer mehr werden Arbeitsvorgänge eines Tätigkeitsfeldes zusammen gefasst und mehr oder weniger in ganzheitlicher Form den Beschäftigten übertragen.
Dadurch kommt es in einigen Berufen schon zur betriebsorganisatorischer Verschmelzung einiger Berufsbilder, so z. B. in der Elektroindustrie. Bei der Koordinierung und Ausdehnung der Handlungsbereiche kommt es zu gesteigerten Anforderungen an die intellektuellen Leistungspotentiale und zu veränderten Sozialisationsvoraussetzungen. (Lappe 1999: 31)
Durch das fortschreitende Eindringen der Informations- und Kommunikationstechniken in alle Arbeitsprozesse, kommt es zu einer enormen Wissensförmigkeit in der Berufspraxis. Das heißt, den Beschäftigten wird viel mehr Wissen abverlangt als bisher. Man muss sich ständig neu informieren und bilden um nicht auf der Strecke zu bleiben.
4.2. Qualifikations- und persönlichkeitsspezifische Voraussetzungen bei den Jugendlichen
Nach Lappe (1999) werden sich die Einstellungs- und Beurteilungskreterien für die Besetzung betrieblicher Ausbildungsplätze wesentlich verschärfen. Hauptschüler sind mit diesem Trend schon lange überfordert, weil sie immer weniger in den klassischen Berufsbereichen unterkommen und sich um Ausbildungsplätze in anderen Bereichen bemühen müssen, wo die Einstellungsmodi anspruchsvoller und die Anforderungen höher sind. (Lappe 1999: 32)
In der heutigen Zeit wird aber auch verstärkt darauf geachtet, wie die soziale Kompetenz ist, ob Motivation vorhanden ist, wie die kommunikativen Fähigkeiten sind und ob es reife Formen des moralischen Urteils gibt. Bei Jugendlichen, die in das Arbeitsleben eintreten wollen, wird aber auch verstärkt darauf geachtet, dass ein starkes Arbeitsinteresse und eine stark ausgebildete Motivation vorhanden ist. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man beim Vorstellungsgespräch sein Interesse an dem jeweiligen Job zeigen muss. Man muss Fragen stellen über diesen Job.
„Vergleichende Längsschnittstudien zur Lernmotivation zeigen, ...dass die emotionalen Empfindungen beim Lernen und Arbeiten im Betrieb deutlich positiver ausfallen als in der Schule.“ (Lappe 1999: 33)
Nach Lappe (1999) wird auch immer mehr eine möglichst große Identifikation mit der Aufgabe und den Zielen der Unternehmung in den Betrieben vorausgesetzt. Die Erfordernis des selbständigen Handelns und der Übernahme der Verantwortung führt immer mehr dazu, dass auch auf die spezifischen Persönlichkeitsmerkmale, wie z. B. das Selbstbewusstsein, die Konfliktlösungsfähigkeit, die Kontrollkompetenz und die reifen Formen moralischer Urteilsfähigkeit geachtet wird.
Nach Lappe (1999) führt schon die Individualisierung von Arbeitsverhältnissen zu Beginn des Berufslebens zu einer starken Verunsicherung der in das Arbeitsleben eintretenden Jugendlichen.
5. Jugendarbeitslosigkeit
5.1. Ursachen und Folgen der Jugendarbeitslosigkeit
Die Ursachen der Jugendarbeitslosigkeit werden vorrangig gesehen in
- dem Rückgang der Zahl von Ausbildungsplätzen,
- einem betriebsfeindlichem Verhältnis zwischen theoretischem und praktischem Unterricht,
- dem Aufbau bürokratischer Hürden im Ausbildungswesen,
- der größeren Kostenbelastung für Ausbildungsbetriebe,
- der Vernachlässigung der Hauptschule und beruflichen Bildung,
- Reibungsverlusten (z. B. Umstellungsschwierigkeiten der Jugendlichen auf die Erfordernisse der Berufswelt) beim Übergang von der Schule in den Betrieb.1 (Schuster- Hrsg. 1980: 1-2)
Die am häufigsten genannten Folgen sind
- ein beschleunigter Anstieg der Jugendkriminalität,
- finanzielle Probleme der arbeitslosen Jugendlichen und ihrer Familien,
- Unzufriedenheit bei den betroffenen Jugendlichen und entsprechende familiäre Schwierigkeiten,
- Entwertung von Bildungsabschlüssen,
- bei anhaltender Arbeitslosigkeit eine Störung der Persönlichkeitsentwicklung und damit weitere Verschlechterung der beruflichen Entwicklungschancen,
- Prestigeverlust im sozialen Umfeld. (Schuster- Hrsg. 1980: 1)
Nach Stephan (1981) sind die Folgen beeinflusst von der Dauer der Arbeitslosigkeit und der Reduzierung des Kontaktbedürfnisses. Weitere Folgen oder Probleme wie z. B. Aggression, Depression, Nervosität und Identitätsverluste, könnten auf den mangelnden sozialen Kontakt zurück geführt werden. Auch die materiellen (finanziellen) Folgen der Arbeitslosigkeit sollten beachtet werden.
Ein vermindertes Einkommen engt die bisherigen Konsumgewohnheiten ein. Die Unzufriedenheit über den Statusverlust und die Inaktivität (Aufgabe von kostspieligen Sport- und Freizeitbeschäftigungen) kann langfristig zu psychischen Störungen führen.
5.2. Fluchtbewegungen der Jugendlichen
Seit Ende der 70er Jahre hat es bei der Jugend einen Umbruch des allgemeinen Bewusstseins gegeben. Resignation ging um, Unsicherheit und Orientierungslosigkeit. Nach Stephan (1981) leben viele Jugendliche bindungs- und orientierungslos in ihrer Umwelt, können sich mit dem, was um sie herum passiert, nicht mehr identifizieren. Die Jugendlichen versuchen verstärkt all dem, was für sie sinnlos erscheint, zu entfliehen. Je nachdem aus welcher Umgebung sie kommen, welche Probleme sie aktuell bedrücken, welche Menschen sie beeinflussen, benutzen sie verschiedene Fluchtwege.
5.2.1. Flucht in Alkohol und Drogen
Statistiken aus den 70er Jahren ergaben, dass über 80.000 Jugendliche in unserem Land rauschgiftsüchtig sind. Heute dürften es noch weit mehr sein. Über 180.000 Jungen und Mädchen trinken regelmäßig Alkohol. 24 % der Dreizehnjährigen konsumieren ständig Bier und Wein, von den Vierzehnjährigen schon 42 % und von den Sechzehnjährigen bereits 50 %. (Knöpfel 1983: 18)
5.2.2. Flucht in die Jugendreligionen
Die meisten Jugendreligionen, wie z. B. Mun-Sekte, Familie der Liebe, ScientologyKirche usw., versuchen den Jugendlichen das zu vermitteln, was vielen in der Gesellschaft vorenthalten wird: Geborgenheit, Nestwärme, Fürsorge, das Gefühl, angenommen zu sein und gebraucht zu werden.
Mildenberger nennt für diese Flucht folgende Gründe:
- Weltflucht aus Zukunftsangst
- Enttäuschung über die als ungerecht empfundene gesellschaftliche Wirklichkeit
- Probleme in Familie, Ehe und Beruf
- Unfähigkeit, gesellschaftlichem Leistungsdruck angemessen zu begegnen
- Wunsch nach einem sinnerfüllten Leben
- Streben nach liebevoller Annahme und personaler Geborgenheit
- Drang, ein asketisch, geistlich ausgerichtetes Leben zu führen. (Knöpfel 1983: 19) Meiner Meinung nach endet diese Flucht in die Jugendsekten immer mit physischer und psychischer Abhängigkeit oder Gefangenschaft.
5.2.3. Flucht in die Kriminalität
Der Rauschgiftmissbrauch, der übersteigerte Alkoholkonsum, die anhaltende Jugendarbeitslosigkeit und auch der mangelnde Sinn für Freizeitaktivitäten außerhalb der elterlichen Wohnung, fördern die Jugendkriminalität enorm. Die Jugendlichen beginnen ungewollt mit kleineren Gelegenheitsdiebstählen an oder klauen ein Auto. Das wird oftmals als Mutprobe hingestellt. Ohne sich dessen bewusst zu sein, rutscht der labile Jugendliche in die kriminelle Szene hinein. Weiterhin gibt es Motive für Straftaten, die aus Rache oder Protest gegen etwas begangen werden.
Aber auch der Gruppenzwang unter Jugendlichen führt zur Flucht in die Kriminalität. Das heißt, man muss sich vor der Gruppe beweisen. Man muss Stärke, keine Schwäche zeigen.
5.2.4. Flucht in die Subkultur
Nach Beck (1997) versteht man unter einer Subkultur hier, das Flüchten der Jugendlichen in die Gleichaltrigengruppen. Dort werden gemeinsam und ohne Erwachsene eigene Ordnungen und Strukturen, Verhaltensregeln und Orientierungen über die „richtige“ Zukunft erstellt.
Bewegungen für Jugendliche, die im alternativen Raum heimisch geworden sind, sind z. B.: die Friedensbewegung, die Frauenbewegung, die Ökobewegung und die Bürgerrechtsbewegung.
5.2.5. Flucht in radikale Gruppen
Die Jugendlichen können aber auch in radikale Kleingruppen flüchten, auf der Suche nach Kameradschaft, Geborgenheit und neuen Lebenssinn. Es gibt z. B. die terroristischen und die militanten, neonazistischen Kleingruppen, wie Rote-Armee- Fraktion und NPD. Jugendliche finden in diesen radikalen Gruppen; Solidarität statt Konkurrenz, Gleichberechtigung statt Hierarchie, freudig getane Arbeit statt fremdbestimmter Leistung und vor allem - Sehnsucht nach der Ganzheit menschlicher Beziehungen. (Knöpfel 1983:23)
5.2.6. Flucht in den Freitod
Ein weiterer, viel weniger beachteter Fluchtweg von Jugendlichen ist der Selbstmord. Nach Ungarn, der Tschechischen Republik, Finnland, Dänemark und Österreich lag Deutschland Anfang der 80er Jahre auf dem sechsten Platz der Suizidländer. (Knöpfel 1983: 24)
Wie bei der Flucht in Alkohol und Drogen, gibt es beim Freitod die gleichen Beweggründe. Die jugendlichen sehen es als einzige Möglichkeit, endlich Ruhe und Geborgenheit zu finden.
5.3. Statistiken, Zahlen, Daten
Nach Angaben der Presse Information der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg (08/2001), waren im Juli 484.947 Jugendliche unter 25 Jahre und 124.041 unter 20 Jahren arbeitslos. Verglichen mit den seit Jahresbeginn gesamten Arbeitslosen von 4.168.849, machen die Jugendlichen einen Prozentsatz von 16,1 % unter den Arbeitslosen aus.
Wenn man sich den Verlauf der Arbeitslosenzahlen bei Jugendlichen unter 25 Jahren, ab Juli 1995 ansieht, bemerkt man, dass im Bundesgebiet West die absolute Zahl nach der Presseinformation der Bundesanstalt für Arbeit von 339.363 auf 308.470 insgesamt gesunken ist. Im Bundesgebiet Ost ist die absolute Zahl hingegen von 115.647 auf 176.477 gestiegen.
Die Lage im Ausbildungsstellenmarkt ist nach wie vor etwas entspannter als vor einem Jahr, allerdings hat sich die positive Tendenz weiter abgeschwächt. (Bundesanstalt für Arbeit, Presseinformation 08/2001: 3)
Nach der Bundesanstalt für Arbeit sind von Oktober 2000 bis Juli 2001 570.800 Ausbildungsstellen beim Arbeitsamt gemeldet worden. Gleichzeitig haben 691.700 Bewerber die Arbeitsämter bei der Suche nach einer Lehrstelle eingeschaltet, 31.700 weniger als noch im Juni. Die geringere Bewerberzahl resultiert vor allem aus der verstärkten Nutzung des Ausbildungsstellen-Informations-Services (ASIS) im Internet, aber auch aus einem regional entspannteren Ausbildungsstellenmarkt. Beides hat zur Folge, dass Jugendlich erst später oder gar nicht die individuellen Vermittlungsangebote der Berufsberatung in Anspruch nehmen. (Bundesanstalt für Arbeit, Presseinformation 08/2001: 3)
6. Zusammenfassung
Auf Grund der Probleme auf dem Ausbildungsstellen- und Arbeitsmarkt für Jugendliche scheint es klar, dass die Gesellschaft auch in Zukunft nicht ohne Förderprogramme auskommen wird. Ein Schritt in diese Richtung wurde ja schon getan.
So gibt es das sogenannte Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit. So z. B. befanden sich nach der Bundesanstalt für Arbeit, Presseinformation (08/2001) zuletzt 46.300 Teilnehmer in entsprechenden Maßnahmen; seit Jahresbeginn sind dort 34.000 Personen eingetreten.
Bei Jugendlichen ohne Berufsausbildung muss ebenfalls die Möglichkeit geboten werden, wie im Sofortprogramm, den Hauptschulabschluss nachzuholen. Dazu gibt es auch das Berufsvorbereitungsjahr, welches neben der Vorbereitung auf bestimmte Berufsfelder auch immer diese Möglichkeit bieten sollte. (Lappe 1999:37)
Trotz der Nachteile2, ist unser duales System der Ausbildung die beste Lösung für das Erlernen eines Berufes. Dabei möchte ich zwei Sätze von Johannes Rau (Bundespräsident) zitieren: „Unsere vergleichsweise günstige Situation3 verdanken wir vor allem den Stärken unseres dualen Systems der beruflichen Ausbildung. Für fast zwei Drittel der jungen Männer und Frauen ist es nach wie vor der Weg in die Zukunft.“ (Groth/Maenning- Hrsg. 2001: 5)
Abschließend möchte ich noch darauf verweisen, dass die Fluchtbewegungen unter 5.2. sehr negativ und pessimistisch erscheinen, aber natürlich gibt es auch viele Jugendliche, die sich trotz Arbeitslosigkeit nicht hängen lassen. Nicht alle arbeitslosen Jugendliche beschreiten welche von den genannten Fluchtwegen.
7. Literatur- und Quellenverzeichnis
BECK, Ulrich (Hrsg.): Kinder der Freiheit, Edition Zweite Moderne, Dritte Auflage, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main, 1997
BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT: Presseinformation, 46/2001
GROTH, Claus/MAENNING, Wolfgang (Hrsg.): Strategien gegen Jugendarbeitslosigkeit im internationalen Vergleich, Auf der Suche nach den besten Lösungen, Peter Lang - Europäischer Verlag der Wissenschaften Frankfurt am Main, 2001
KNÖPFEL, Eckehardt: Werkbuch Jugendarbeitslosigkeit, Eine Chance für die Jugend?, R. Brockhaus Verlag Wuppertal, 1983
LAPPE, Lothar: Berufliche Chancen Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland, aus Politik und Zeitgeschichte, B26/99
SCHUSTER, Franz (Hrsg.): Jugendarbeitslosigkeit -Ursachen, Folgen, Lösungswege-, Fallstudie im Kreis Neuss, Verlag Ernst Knoth, Melle, 1980
SINNHOLD, Heiko: Ausbildung, Beruf und Arbeitslosigkeit, Eine Strukturanalyse der Ausbildung im dualen System und der Beschäftigungschancen junger Fachkräfte, Peter Lang, Frankfurt am Main, 1990
STEPHAN, Jürgen: Arbeitslose, delinquente Jugendliche, Eine explorative Studie im Feld offener Jugendarbeit, BELTZ Forschungsberichte, Beltz Verlag, Weinheim und Basel, 1981
[...]
1 In der heutigen Zeit liegen die Ursachen der Arbeitslosigkeit wahrscheinlich auch darin, dass durch die Weiterentwicklung der Maschinen, die Erfindung des Computers usw., sehr viele Arbeitsplätze weg rationalisiert worden sind. Das gerade auch eine Generation am Beginn zum Eintritt in die Arbeitswelt steht, die eine sehr hohe Geburtenrate aufzuweisen hat, dürfte ein weiterer Grund dafür sein.
2 Unter 3. Habe ich je ein Beispiel für Vor- und Nachteile genannt.
3 Auf der Weltausstellung in Hannover 2000 trafen sich 15 Experten aus 12 Staaten zum 13
- Arbeit zitieren
- Katja Schulz (Autor:in), 2001, Jugend und Ausbildung in der individualisierten Gesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105924
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