INHALTSVERZEICHNIS
1 Einleitung
2 Rahmenbedingungen
2.1 Strukturen des Bauwesens und der Wohnungsversorgung
2.2 Ideologie sozialer Gleichheit
2.3 Die sozialistische Familie als kleinste Zelle der Gesellschaft
3 Phasen des Wohnungsbaus in der DDR
3.1 Lage nach dem 2. Weltkrieg und erste Bauversuche
3.2 Besser, billiger und schneller bauen durch Industrialisierung
3.3 Großplattenbauten P 2 und WBS
4 Sozialistisches Leben in Plattenbausiedlungen
4.1 Wohnumfeld: Zwischen Komfort und Monotonie
4.2 Wohnungsgröße und Wohnungsausstattung
5 Entwicklung der Plattenbauten nach der Wiedervereinigung: Probleme und Chancen
5.1 Differenzierung der Sozialstruktur und wohnungs politische Folgen
5.2 Unattraktive Plattenbauten? Zur aktuellen Problematik in den Großwohnsiedlungen
5.3 „Schöner Wohnen in der Platte“: Beispiel Berlin-Hellersdorf
6 Zusammenfassende Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
1 EINLEITUNG
Die „Platte“1galt in der ehemaligen DDR als Synonym für komfortables Wohnen. Seit dem Zusammenbruch des politischen Systems und der Vereinigung 1990 verlieren die „Gleichheits-Wohnungen“2 der Plattenbau- siedlungen jedoch rapide an Status und Attraktivität. Forderungen nach groß- flächigem Abriss sind eine Folge von Wohnungsleerständen. Das Prinzip der DDR, industrialisiert und typisiert schneller und billiger zu bauen, hat, zumin- destens in dieser Form, ausgedient. Heute dominiert der Wunsch nach indivi- dueller Gestaltung des Wohnraums. Mit der „Platte“ wird Monotonie, mangeln- de Infrastruktur und schlechte Qualität des Wohnumfeldes assoziiert.
Was aber waren die Gründe für den massenhaften Bau von Groß- wohngebieten in der DDR? Wie sah die architektonische Umsetzung der ideologischen Vorgaben aus? Warum gab es nach der Wende veränderte Wohnpräferenzen? Diese Fragen werden anhand von Primärquellen aus der ehemaligen DDR und aktueller Sekundärliteratur in der vorliegenden Arbeit diskutiert. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die gegenwärtigen gesellschaft- lichen Probleme in vielen ostdeutschen Plattenbausiedlungen. Am Beispiel Berlin-Hellersdorf wird abschließend erörtert, ob Bestandserhaltung, Sanierung und Modernisierung Alternativen zum vollständigen Rückbau darstellen können.
2 RAHMENBEDINGUNGEN
Um Wohnungs- und Bauwesen in der ehemaligen DDR zu verstehen, ist es elementar, sich bestimmte Organisationsstrukturen und Hintergründe zu vergegenwärtigen, denn „die quantitative und die qualitative Dimension des DDR-Wohnungsbaus sind kein Zufall, sondern politisch-ideologisch begründet und Ausdruck einer klaren gesellschaftspolitischen Zielsetzung. (...) Mit einer bestimmten Art von Wohnungsbau sollte Gesellschaftsbau betrieben werden - hier der Umbau eines kapitalistischen Erbes in eine „entwickelte sozialistische Gesellschaft“, die sich in einer „sozialistischen Lebensweise“ manifestieren sollte.“ (Häußermann/Siebel 2000, S. 168).
2.1 Strukturen des Bauwesens und der Wohnungsversorgung
In der DDR wurde das Privateigentum zwar nicht völlig abgeschafft, aber restriktiv eingeschränkt. Durch das Aufbaugesetz von 1950 konnte der Staat über bebaute und unbebaute Grundstücke im „Interesse des Volkes“ frei verfügen. Die Bauwirtschaft war in staatlichen Großbetrieben zentralisiert, das Recht auf Wohnung in der Verfassung verankert. Um „soziale Gerechtigkeit“ zu erreichen, standen Bauwesen und Wohnungsvergabe unter staatlicher Planung und Lenkung. Institutionen wie das Ministerium für Bauwesen und die Deutsche Bauakademie wurden zu leitenden Organen, der Berufsstand des selbständigen Architekten immer seltener.
Wohnraum baute man vorwiegend auf staatlicher Basis, Mietwohnungen standen unter staatlicher bzw. kommunaler oder genossenschaftlicher Verwal- tung. Mieten waren gesetzlich festgelegt und äußerst günstig, Mieter faktisch unkündbar3. Wohnraum stellte keine Ware da, Wohnungsversorgung wurde vielmehr „Teil einer staatlichen Infrastruktur, die jeden entsprechend seinem Bedarf und nicht nach seiner Kaufkraft versorgen sollte.“ (Häußermann/Siebel 2000, S. 167).4
2.2 Ideologie sozialer Gleichheit
Die Idee der Annäherung von Klassen und Schichten hinsichtlich wesentlicher Lebensbedingungen wie Einkommen, Bildung und Wohnen zog sich durch die gesamte DDR-Geschichte. Siegfried Grundmann, Stadtsoziologe an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee der SED, konstatierte 1984, dass die schrittweise Verringerung sozialer Unterschiede grundlegendes Gesetz in der Sozialstruktur von Städten sei (Grundmann 1984, S. 205, zit. n. Hannemann 1996, S. 101).
Wohnungspolitisch arbeitete man an der Durchsetzung dieser Egalitäts- ideologie dahingehend, dass der Neubau von gleichen und komfortablen Wohnungen für alle forciert wurde. So kommentierte man die Baupläne von Halle-Neustadt 1972 wie folgt: „Jeder wohnt unter den gleichen Bedingungen in gleichen Wohnungen: Es wohnen der Generaldirektor im gleichen Haus wie der Anlagenfahrer aus dem Chemiekombinat, die Oberbürgermeisterin im gleichen Block mit dem Schaltwart aus der Wärmeversorgungszentrale, (...).“ (Autorenkollektiv 1972, S. 85, zit. n. Hannemann 1996, S. 101). Eine Differenzierung nach Einkommensklassen, Herkunft oder Berufsgruppen sollte es folglich nicht geben.5Die Verschiedenheiten der individuellen Lebensstile und Persönlichkeitstypen wurden nivelliert, Interessenunterschiede im „höheren“ Gemeinschaftsinteresse aufgehoben.
2.3 Die sozialistische Familie als kleinste Zelle der Gesellschaft
Bedeutendes Element der Lebensweise in der DDR war die Orientierung an der Kernfamilie. Sie umfasste im Regelfall zwei Geschlechterfolgen: ein Elternpaar bzw. ein Elternteil und die Kinder. Aufgabe der Familie war es neben der Reproduktion, d.h. der Erzeugung und Versorgung von Nach- kommen, diese zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ zu erziehen und dadurch schon früh für Systemloyalität zu sorgen. Junge und kinderreiche Familien sowie alleinstehende Mütter wurden bei der Wohnungszuweisung begünstigt6. Da die „Platte“ im Gegensatz zu den Altbauten7über eine wesentlich bessere sanitäre Ausstattung verfügte, stellte sie den idealen Wohnraum für Familien dar. Die Frau war in die „gesellschaftliche Produktion“ eingebunden, sie sollte die Beschränkung auf den familiären Lebensbereich aufgeben. Ihre volle Erwerbstätigkeit wurde propagiert. Um dieses Ziel zu erreichen, richtete man in Plattenbausiedlungen Kindertagesstätten, Kinderkrippen, Ganztagsschulen und Jugendclubs ein (Hannemann 1996, S. 103f).
Die Ideologie sozialer Gleichheit und die Fixierung auf die Kleinfamilie führten dazu, dass in der DDR standardisierte Wohngrundrisse entwickelt wurden. Bei der heutigen Umgestaltung und dem Versuch der Aufwertung von Plattenbauten erweist sich diese Tatsache als problematisch. Vor welchen Schwierigkeiten die Stadtplaner genau stehen und welche Lösungsansätze existieren, wird in Kapitel 5 dieser Arbeit ausführlicher dargelegt.
3 PHASEN DES WOHNUNGSBAUS IN DER DDR
Die Entwicklung der Wohnungspolitik und des Wohnungsbaus in der DDR gliedert sich in verschiedene Etappen, welche im folgenden Kapitel skizziert werden. Schwerpunkt liegt dabei auf dem Übergang vom traditionellen zum funktionellen industriellen Bauen.
3.1 Lage nach dem 2. Weltkrieg und erste Bauversuche
Auf dem Gebiet der (späteren) DDR herrschte nach dem 2. Weltkrieg massiver Wohnungsmangel. 50% der Großstädte waren zerstört, 25% des Wohnraums vernichtet, 16% stark beschädigt (Schretzenmayr 1998, S. 40). Dennoch konzentrierte man sich nicht primär auf die Wohnungspolitik, sondern auf den Aufbau der Grundstoff- und Schwerindustrie. Um diese Industriezentren entstanden sogenannte Arbeiterwohnstädte, z.B. Eisenhüttenstadt und Schwedt. In den 16 Grundsätzen des Städtebaus, die 1950 vom Minister für Aufbau, Lothar Bolz, veröffentlicht wurden, hieß es dazu: „Städte werden in bedeutendem Umfang von der Industrie für die Industrie gebaut.“ (Bolz 1951, S. 88, zit. n. Hannemann 1996, S. 54). Architektonisch orientierte man sich, ganz nach sowjetischem Vorbild, an der nationalen Bautradition und dem traditionellen Modell der europäischen Stadt, wobei der Mauerwerksbau dominierte (Hannemann 1996, S. 53).
Parallel dazu war man bemüht, luxuriös ausgestattete Wohnungen für die Massen zu schaffen. Repräsentativbauten in der Hauptstadt Ost-Berlin sollten das Schaufenster des „real existierenden Sozialismus“ in Konkurrenz zum „Schaufenster der Freiheit“ West-Berlins darstellen. Exemplarisch zu nennen sind die 1952-1956 entstandenen monumentalen Wohnbauten an der Stalinallee, der heutigen Karl-Marx-Allee (Schretzenmayr 1998, S. 42).
Für die Lösung der Wohnraumfrage, welche immer dringlicher wurde, erwies sich handwerkliches Bauen jedoch als nicht geeignet, da es kostenintensiv und zeitaufwendig war. Um Massenwohnungsbau zu ermöglichen, war eine Ökonomisierung des Bauens notwendig. Forderungen nach weitreichender Industrialisierung wurden laut.
4.2 Besser, billiger und schneller bauen durch Industrialisierung
Nachdem die Bevölkerung zu Beginn der fünfziger Jahren sich immer unzufrie- dener über die Lebenssituation in der DDR äußerte, musste der Ministerrat mit Verbesserungsmaßnahmen reagieren. Baupolitisch bedeutete das eine Schwerpunktverschiebung vom Industrie- zum Wohnungsbau. Chrustschows Parole „besser, schneller und billiger“ zu bauen, wurde auch in der DDR zum Leitgedanken. Experimentalbauten mit großformatigen Bauelementen entstan- den. Bauarbeiten konnten so verkürzt, Kosten gesenkt werden. Der Grundstein für den Plattenbau und die damit verbundene Umstellung des gesamten Bauwesens auf eine industrielle Vorfertigung war gelegt. So entstand das erste vollmechanisierte Großplattenwerk 1955 in Hoyerswerda. Bauen war in drei Phasen gegliedert: Vorfertigung, Transport und Montage (Schretzenmayr 1998, S. 43f).
4.3 Großplattenbauten P 2 und WBS 70
1961 begann man in der DDR mit den Arbeiten am Experimentalbau P 2. Bei diesem neuartigen Baukastenstil konnten einzelne standardisierte Wohnein- heiten auf genormter Fertigbetonteilbasis aneinandergereiht werden. Ab Mitte der sechziger Jahre bestand die Möglichkeit, Wohnhäuser industriell bis zur Höhe von 21 Geschossen zu errichten. Das Prinzip der „Platte“ war geboren.
Bis in die siebziger Jahre war P 2 der meistgebaute Wohnungstyp. Abgelöst wurde er durch eine Weiterentwicklung, welche die Integration von Sonder- elementen erlaubte. Diese Wohnungsbauserie, kurz WBS 70, prägte die Archi- tektur der DDR bis 1989, senkte den Material- und Zeitaufwand nochmals und verfügte über eine gute sanitäre Ausstattung. Dies erwies sich als dringend notwendig, da die wohnungspolitische Situation immer noch bedenklich war. So gab es 1971 6.057.032 Wohnungen bei anerkannt 6.403.573 Haushalten. Von qualitativen Mängel besonders betroffen waren die Altbauten, die vernach- lässigt wurden und zunehmend verfielen. Gesellschaftsstrategisch formulierte man nun das Ziel, bis zum Jahre 1990 die Wohnraumfrage als „soziales Problem“ zu lösen (Scheumann/Marcuse 1991, S.159f).
5 SOZIALISTISCHES LEBEN IN PLATTENBAUSIEDLUNGEN
Der Einsatz von WBS 70 war Voraussetzung für die angestrebte schnelle Steigerung der Wohnungsbauproduktion und wurde bevorzugt für die Schaffung von Großwohnsiedlungen auf der „grünen Wiese“ verwendet. So realisierte man von 1971 bis 1981 ungefähr 90% des industriellen Wohnungs- baus auf zuvor landwirtschaftlich genutzten Flächen an der Peripherie von Städten. Es entstanden Plattenbauten, die 4- bzw. 5-geschossig waren oder als 11-Geschosser und Hochhäuser errichtet wurden. Je größer die Kern- städte, desto größer waren auch die neuen Wohngebiete und umso mehr Bewohner wanderten aus der Innenstadt an den Stadtrand ab. Das größte Wohnungsbauvorhaben der DDR stellte Berlin-Marzahn dar, das als völlig neuer Stadtbezirk mit circa 135.000 Einwohnern von 1976-1988 gebaut wurde (Topfstedt 1999, S. 534-536). Wie das Leben in den Großwohnsiedlungen sich gestaltete, ist Gegenstand dieses Kapitels. Welche Rolle Wohnumfeld sowie Wohnungsgröße und -ausstattung für die Wohnzufriedenheit spielten, wird dabei im Vordergrund stehen.
5.2 Wohnumfeld: Zwischen Komfort und Monotonie
Wohnen, Familie und sozialistische Gesellschaft waren funktional aufeinander bezogen. Neben den in Kapitel 2 genannten Hintergründen - der Orientierung auf die Kleinfamilie, der Vollzeitberufstätigkeit aller Familienmitglieder und dem Postulat sozialer Gleichheit - existierten noch andere Kriterien, die für die Planung von Wohnung und Wohnumfeld in der DDR bedeutsam waren: Bildung und Erziehung wurden vom Staat übernommen und die Aufhebung der als bürgerlich angesehenen Trennung von Privatheit und Öffentlichkeit sollte erfolgen8. Man nahm an, dass die Interessen von Individuum, Familie und Gesellschaft grundlegend übereinstimmten. Um dies zu garantieren, wurde der „sozialistische Wohnkomplex“ entworfen (Hannemann 1996, S. 111). In einem Lehrbuch der Architektur aus der DDR hieß es dazu: „Der sozialistische Wohnungsbau umfasst nicht nur den Bau bequemer und billiger Wohnungen, sondern auch den Bau gesellschaftlicher Einrichtungen und Anlagen für die Befriedigung der materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Werktätigen.“ (Kürth/Kutschmar 1968, S. 206).
Jedes Wohngebiet erhielt die gleiche Ausstattung mit Kindereinrichtungen, Schulen, Kaufhallen und Läden des täglichen Bedarfs. Hinzu kamen Arzt- praxen, Sportanlagen, Altersheime und Gaststätten. Diese Dienstleistungs- zentren waren als ein- bis zweigeschossige kompakte Flachbauten konzipiert. Kommentiert wurde die Bauweise von Seiten der DDR wie folgt: „Das Bild der Wohnkomplexe wird durch den Wechsel der Gebäudehöhen bewegter und vielfältiger. Die Wohnhochhäuser stehen in eindrucksvollem Kontrast zu den niedrigen gesellschaftlichen Einrichtungen.“ (Kürth/Kutschmar 1968, S. 207).
Tatsächlich war die äußere Erscheinung der Großwohnsiedlungen eher monoton. Bildende Künstler und Landschaftsgestalter versuchten zwar, die uniforme Wohnumwelt durch Plastiken und Wandbilder zu beleben, stießen aber durch den starren Kontext des industriellen Bauens an ihre Grenzen (Topfstedt 1999, S. 540). Weitere Mängel stellten die kargen Kinderspielplätze, unvollendete Grünanlagen sowie wahllos platzierte Müllcontainer und Lager- plätze mit Sperrmüll dar. Kulturelle Einrichtungen konnten, gemessen an den Einwohnerzahlen, kaum den Wunsch nach Unterhaltung befriedigen. Um der Gleichförmigkeit zu entfliehen, gingen viele Bewohner ihren Freizeit- bedürfnissen außerhalb des Viertels nach, wobei sich die „Datschen“9großer Beliebtheit erfreuten (Schretzenmayr 1998, S. 46).
Man darf sich jedoch kein einseitig schlechtes Bild von den Lebensbedingungen in den randstädtischen Großwohngebieten machen. Der überwiegende Teil der Bevölkerung war trotz architektonischer und kultureller Monotonie zufrieden. Familien, in denen beide Elternteile arbeiteten, wurde das Leben durch die soziale Grundbetreuung, vor allem durch die wohnungsnahen Kindereinrichtungen und Schulen erheblich erleichtert. Zudem gestalteten sich die nachbarschaftlichen Beziehungen nicht immer so anonym wie vielleicht vermutet. Eine Einwohnerin Berlin-Marzahns äußerte sich dazu folgendermaßen: „Marzahn ist auch nicht anonym. Im Gegenteil, in den Kreisen, in denen man sich bewegt, haben soziale Kontakte für mich eine dörfliche Qualität. 33 Familien wohnen in meinem Haus. 10 von ihnen kenne ich näher. Das heißt wir duzen uns und sprechen über Kinderkrankheiten, berufliche und persönliche Probleme.“ (Topfstedt 1999, S. 543).
Gesellschaftliche Barrieren belasteten das nachbarschaftliche Verhältnis kaum, da es keine gravierenden sozialen Unterschiede zwischen den Berufsgruppen gab. Die Bewohnerstruktur in den Großwohngebieten war, wie in der Ideologie festgeschrieben, gemischt.
4.2 Wohnungsgröße und Wohnungsausstattung
Ausgehend von der typischen Familie wurden für die Plattenbauten in der DDR standardisierte Wohngrundrisse entwickelt. Eine Neubauwohnung bestand aus ein bis vier Zimmern, innenliegender Küche und Badzelle. Es gab eine klare Nutzungsfestschreibung der einzelnen Räume. Das größte Zimmer sollte Wohnzimmer, das mittlere Elternschlafzimmer sein. Für die Kinder waren die kleinsten Räume vorgesehen.
Die Fläche einer durchschnittlichen Mietwohnung war mit 62,0 qm im Vergleich zu Wohnungen in der BRD mit 69,2 qm relativ klein. In der DDR verfügte jeder Einwohner über durchschnittlich 27,4 qm, im Westen hingegen über 36,8 qm. Dies sollte eine starke Intimität der Beziehungen unter den Familien- mitgliedern erzeugen. Raum für Individualität und Persönlichkeitsentfaltung war kaum vorhanden (Häußermann/Siebel 2000, S. 186f). Zudem kritisierte man schon zu DDR-Zeiten die dunklen innenliegenden Badzellen und Küchen, welche oft zu eng bemessen und ohne Fenster waren. In den meisten Wohnungen existierten keine Abstellräume. Flure waren klein oder lang und schmal und somit kaum nutzbar.
Doch war der Umzug in ein Neubaugebiet für viele DDR-Bürger die einzige Chance, „Vollkomfortwohnung“, d.h. zentrale Warmwasserversorgung und Fernheizung, zu erlangen. Überdies besaßen die meisten Häuser Fahrstühle und sogenannte „Müllschlucker“.10 Viele junge Familien waren froh, den Hinterhofwohnungen mit Außentoilette zu entfliehen. Wenn man bedenkt, dass 1971 lediglich 10% der Wohnungen über eine Zentralheizung, 38,7 % über Bad oder Dusche, 41,8% über Innenwassertoilette und 82,2% über einen Wasseranschluss innerhalb der Wohnung verfügten, ist die hohe Wohn- zufriedenheit im Plattenbau durchaus erklärbar (Schretzenmayr 1998, S.47).11
6 ENTWICKLUNG DER PLATTENBAUSIEDLUNGEN NACH
DER WIEDERVEREINIGUNG: PROBLEME UND CHANCEN
Mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion im Jahre 1990 wurde die sozialistische Lebensweise in der ehemaligen DDR von westlicher Lebensart abgelöst. Soziostrukturelle Umwälzungen bedingten tiefgreifende Veränderun- gen, auch auf dem Wohnungsmarkt. Wohnpräferenzen wandelten sich. Warum das so war und inwiefern die Plattenbauten heute noch betroffen sind, wird im Folgenden dargelegt.
6.1 Differenzierung der Sozialstruktur und wohnungspolitische Folgen
Die soziodemografischen Verhältnisse auf dem Gebiet der ehemaligen DDR veränderten sich nach der Wende erheblich. Individualisierung und Plura- lisierung der Lebensstile setzten sich, vor allem auch im Wohnbereich, durch. Geburten und Eheschließungen gingen abrupt zurück. Konsequenz war die Zunahme von Ein- und Zweipersonenhaushalten zu Lasten der Drei- und Vierpersonenhaushalte (Topfstedt 1999, S. 573)12. Durch die plötzliche Frei- zügigkeit auf dem Arbeitsmarkt entwickelte sich zudem eine starke Mobilität. So verließen zwischen 1990 und 1999 mehr als 2 Millionen Menschen Ostdeutschland, um sich in den alten Bundesländern beruflich zu verbessern.13Zusammen mit dem statistischen Sterbeüberschuss von rund 90.000 Menschen pro Jahr hatten diese Tatsachen den Rückgang der Einwoh- nerzahlen in Ostdeutschland und Wohnungsleerstände zur Folge. Gegenwärtig sind circa 1 Millionen Wohnungen vakant, das entspricht rund 13% des Gesamtbestandes. Bei den Großsiedlungen werden sogar Werte bis zu 26% angenommen (Keim 2001, S. 67-72).
Die Einführung marktwirtschaftlicher und sozialstaatlicher Verteilungsprinzipien führte außerdem zum Aufbau sozialer Ungleichheiten. Am deutlichsten zeigt sich dies am verfügbaren Einkommen. Die Schere zwischen arm und reich öffnete sich rapide (Geißler 1996, S. 64). Langlebige Konsumgüter wie Kraftfahrzeuge und Unterhaltungselektronik wurden hoch bewertet. Wunschtraum vieler ehemaliger DDR-Bürger war nun das eigene Haus. Der Nachfrageboom nach Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentums- wohnungen hält immer noch an (Herlyn/Harth 1996, S. 266f.).
5.2 Unattraktive Plattenbauten? -
Zur aktuellen Problematik in den Großwohnsiedlungen
Die Wohnzufriedenheit in Plattenbausiedlungen ist seit der Wiedervereinigung deutlich abgesunken. Im Gegensatz zu den innenstadtnahen Altbauten, die nach und nach saniert wurden und an Attraktivität gewannen, finden hier kon- stante Statusabwertung und soziale Selektion statt. Städtebauliche und infra- strukturelle Defizite unterschiedlicher Art führen bis heute zu Diskussionen und Kritik.
Häufig aufgezeigt werden grundlegende bautechnische Schäden an den Gebäuden sowie Mängel im Ver- und Entsorgungssystem. Zahlreiche Häuser sind im höchsten Maße sanierungsbedürftig, da in der DDR im Rahmen der allgemeinen Sparmaßnahmen unbeständige Konstruktionen und Materialien verwendet worden sind. Dachbeläge, Heizungen, Fußböden und Sanitärin- stallationen verfügen im Durchschnitt über eine weit geringere Haltbarkeit als beispielsweise in der Bundesrepublik (Schretzenmayr 1998, S. 45)14. Hinzu kommen funktionelle Mängel der Wohngrundrisse. Obwohl es auch in der DDR möglich gewesen wäre, individuell angepasste Wohnungsgrundrisse zu entwickeln, beschränkte man sich aufgrund der Egalitätsideologie auf wenige standardisierte Typen, welche der heutigen Auffassung von individuellem Wohnen widersprechen. Ferner unterliegt das monotone Wohnumfeld anhaltender Kritik. Viele Jugendclubs, Schulen und Gaststätten wurden nach der Wende geschlossen. Konsum-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen sind in den Wohngebieten nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Aufgrund der gestiegenen PKW-Dichte entstanden zudem enorme Parkplatzprobleme (Hannemann 1996, S. 133). Zwar erscheinen die Mieten in den Plattenbauten immer noch günstig, doch werden sie z.T. durch ziemlich hohe Nebenkosten, welche im Fall zentral geregelter Fernheizungs- und Warmwassersysteme durch den Mieter kaum beeinflussbar sind, relativiert (Franz 2000, S. 168).
Auswirkung der wachsenden Unzufriedenheit und daraus resultierender Abwanderung von Besserverdienern, Akademikern und jungen Familien ist, dass sich eine größer werdende Zahl von Großwohnsiedlungen mit ein- kommensschwachen Haushalten herauskristallisiert. „Leerstand, räumliche Konzentration von unterstützungsabhängigen Mietergruppen und störende Verhaltensweisen infolge defizitärer informeller sozialer Kontrolle“ kennzeich- nen nunmehr viele ostdeutsche Neubaugebiete. „Wohnungsleerstände in einem Stadtteil signalisieren zum Ersten sein schlechtes Image als Wohnstandort, reduzieren zum Zweiten das Potenzial nachbarschaftlicher Kontakte und offerieren zum Dritten einen kontrollfreien Raum für Vandalismus.“ (Franz 2000, S. 167). Die Gefahr der Bildung eines sozialen Brennpunktes besteht, falls lediglich ein Rest immobiler Haushalte mit geringen finanziellen und sozialen Ressourcen zurückbleibt.
Stadtplaner, Architekten und Soziologen warnen vor einer einseitigen Sicht auf die Großwohnsiedlungen. Bei aller Vielschichtigkeit der Problemlage sind sich viele Fachleute darin einig, dass der negative Ruf keineswegs in jedem Fall gerechtfertigt sei. Nicht alle Neubaugebiete sind gleichermaßen von massivem Wohnungsleerstand und sozialer „Aussortierung“ betroffen. Anstatt weiter zu stigmatisieren und damit die Bewohner in den Rang der Zweitklassigkeit abzustufen, sollte man versuchen, das vorhandene Potenzial positiv auszu- schöpfen. Die soziale Selektion durch den Wegzug von Besserverdienern muss eingedämpft werden, damit das Image der Gebiete wieder steigt.
Dabei sollten neben den Aufgaben der Instandsetzung, Sanierung und Modernisierung der Gebäude vor allem die gesellschaftlichen Probleme gelöst werden. Eine Aufwertung des Wohnumfeldes, z.B. durch Erweiterung von Grünanlagen und Kinderspielplätzen, sowie die Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft der jeweiligen Region sind unum- gänglich. Durch Steuererleichterungen von Seiten des Staates könnten Dienst- leistungszentren geschaffen werden. Die Entstehung von Fußgängerzonen mit Einzelhändlern und Cafes, die den Wohngebieten städtisches Flair geben, sollte man forcieren. Weitere Möglichkeit, Leerstände zu verhindern, ist die Schaffung von Eigentumswohnungen in sanierten Plattenbauten zu günstigen Preisen. Insgesamt ist es jedoch wichtig, die von Siedlung zu Siedlung unterschiedlichen Profile zu beachten, Bedürfnisse und Interessen der Bewohner zu ermitteln und daraus Entwicklungschancen abzuleiten.
Wenn die Maßnahmen zur Aufwertung der Wohnbedingungen jedoch erfolglos bleiben, die soziale Durchmischung der Bevölkerung unmöglich ist und Leerstände überhand nehmen, sollte man über den großflächigen Rückbau von Plattenbauten nachdenken. Einige Soziologen gehen sogar soweit zu sagen „Lieber Abriss als Ghetto.“ Dies ist zwar volkswirtschaftlich zunächst abträglich, langfristig schützt es aber vor der Bildung von gigantischen Armutsvierteln am Stadtrand (Keim 2001, S. 75f.). Diese Gefahr besteht vor allem, wenn die ursprünglichen Bewohner15 langsam „aussterben“. Um Leerstände zu vermeiden, könnten die Wohnungsverwaltungen dann sozial schwache Bevölkerungsgruppen einquartieren. Aus Erfahrung in den alten Bundesländern weiß man, dass dies zu erhöhter Kriminalität führen kann.
5.3 „Schöner Wohnen in der Platte“: Beispiel Berlin-Hellersdorf
In Berlin-Hellersdorf, einer ostdeutschen Plattenbausiedlung, die massiv von Leerständen bedroht ist, entwickelte die Wohnungsbaugesellschaft Alterna- tiven zum Abriss. Neben Komplettsanierung, Anbau zusätzlicher Balkone und Nachrüsten von Fahrstühlen fanden auf Wunsch der Bewohner Grundriss- änderungen statt. 3-Zimmer-Wohnungen baute man z.B. in großzügige 2- Zimmer-Wohnungen um. Im Jahr 2000 schuf man durch Zusammenlegung von übereinanderliegendem Wohnraum sogar 150 qm große Atelier-wohnungen mit vollständiger Verglasung, Galerien, zwei Bädern und üppig bemessener Küche. Künftig sollen, um zahlungskräftige Mieter zu halten, Hochhäuser in Terrassenhäuser umgewandelt werden. Geplant ist, Elfgeschosser treppe- nartig bis auf vier Etagen rückzubauen, so dass ab dem fünften Stockwerk je ein rund 35 qm großer Dachgarten entsteht (Sethmann 2001, S. 15).
Vom Senat wird die Sanierung der Plattenbauten gefördert, weshalb die Modernisierungskosten auf die meisten Mieten nicht umgelegt werden. Die Nettokaltmiete beträgt durchschnittlich DM 7,50 bis DM 8,00 pro qm. Für die Maisonettwohnungen gab es so viele Bewerber, dass sie verlost werden mussten. Die Leerstandsquote in den sanierten Plattenbauten beträgt 7 bis 8%, wohingegen in unsanierten Elfgeschossern wesentlich mehr Wohnungen vakant sind. Der Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Hellersdorf schließt daraus, dass die Platte ein Potenzial besitzt, das „intelligente, weitsichtige Ansätze bei der Sanierung geradezu herausfordert“ (Sethmann 2001, S. 15).
Bei der Umgestaltung der Wohngebiete darf man jedoch nicht vergessen, dass im Zuge der Modernisierung und Bestandserhaltung auch auf die Verbesse- rung des Wohnumfeldes geachtet werden muss. Architektonische Korrekturen allein werden auf längere Sicht die Mieter nicht halten können. Zumal die Finanzierung in vielen Fällen nicht gesichert ist. Die Pläne z.B., Elfgeschosser zu Terrassenhäusern umzubauen, sind zwar fertig, die benötigten Gelder in Höhe von 6,9 Millionen DM stehen aber noch nicht bereit. Viele Förderprogramme sind auf solche Rückbaumaßnahmen nicht ausgerichtet. Zu hoffen bleibt, dass mit dem „Stadtumbau Ost“ ausreichende Mittel geboten werden (Sethmann 2001, S. 15).
6 ZUSAMMENFASSENDE SCHLUSSBETRACHTUNG
Um die Wohnungsnot zu lindern, errichtete die DDR in den siebziger und achtziger Jahren industriell riesige Plattenbausiedlungen am Stadtrand. Die Ideologie der Gleichheit sowie die Fixierung auf die Kleinfamilie führten zu Einheits-Wohnungen und monotonem Wohnumfeld. Sozialistische Lebens- weise manifestierte sich in allen Bereichen, so auch im privaten Wohnen. Einst heiß begehrt, unterliegen Plattenbauten seit der politischen Wende und der Wiedervereinigung 1990 konstantem Statusverlust. Die Wohnpräferenzen haben sich durch steigende Individualisierung gewandelt. Was früher „Vollkomfort“ darstellte, wird nun mit Zweitklassigkeit assoziiert.
Durch die Abwanderung von Besserverdienern kam es in vielen Plattenbau- siedlungen zu Wohnungsleerständen. Die Gefahr der Ghettoisierung besteht. Um diese zu bannen, werden von vielen Seiten Forderungen nach Abriss laut. Doch wie das Beispiel Berlin-Hellersdorf zeigt, existieren Alternativen. Sie sind leider nicht immer finanzierbar, da die Förderungsprogramme für den Stadtum- bau in Ostdeutschland keineswegs genügenden Mittel bieten. Frage ist auch, ob durch bauliche Korrekturen und kulturelle Aufwertung die Plattenbau- siedlungen auf lange Sicht, d.h. in den nächsten 50 Jahren und später, die Attraktivität behalten können. Durch den Bevölkerungsrückgang und das „Aussterben“ der ursprünglichen Einwohner kann es zu weiteren großflächigen Leerständen kommen. Es bleibt also Aufgabe der Stadtplaner, Architekten und Soziologen, sorgfältig zwischen Abriss und Sanierung abzuwägen. Zusätzlich dürfen die Plattenbauten nicht weiter stigmatisiert werden. In den Medien sollte man versuchen, vorhandene positive Entwicklungen darzustellen, um das subjektive Lebensgefühl in den Großwohnsiedlungen nicht zu verschlechtern.
LITERATURVERZEICHNIS
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Frick, Joachim/ Lahman, Herbert 1996: Verbesserung der Wohnqualität und Entwicklung der Mieten in den neuen Bundesländern seit der Vereinigung, in: Häußermann, Hartmut/ Neef, Rainer (Hg.): Stadtentwicklung in Ostdeutschland. Soziale und räumliche Tendenzen, Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 249-262.
Geißler, Reiner 1996: Die Sozialstruktur Deutschlands, 2. neubearbeitete und erweiterte Auflage, Opladen: Leske und Budrich.
Häußermann, Hartmut/Siebel, Walter 2000: Soziologie des Wohnens. Eine Einführung in Wandel und Ausdifferenzierung des Wohnens, 2. korrigierte Auflage, Weinheim und München: Juventa-Verlag.
Hannemann, Christine 1996: Die Platte. Industrialisierter Wohnungsbau in der DDR, Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg.
Herlyn, Ulfert/Harth, Annette 1996: Zur Differenzierung des Sozialstruktur und der Wohnbedingungen, in: Strubelt, Wendelin u.a. (Hg.): Städte und Regionen
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Keim, Karl-Dieter 2001: „Aufbau Ost“. Schrumpfende Städte, peripherisierte Regionen. Wanderungsbewegungen in den ostdeutschen Ländern und ihre Folgen für Wohnsiedlungen, in: Schader-Stiftung (Hg.): wohn:wandel. Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens, Darmstadt, S. 66
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Kürth, Herbert/Kutschmar, Aribert (Hg.) 1968: Architektur. Bauwerke und Stile von der Antike bis zur Gegenwart. Lehrbuch für die Kunstbetrachtung. Berlin: Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin.
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Scheumann, Wolfgang/Marcuse, Peter 1991: Wohnungsprobleme und wider- sprüchliche Wohnungspolitiken, in: Marcuse, Peter/Staufenbiel, Fred (Hg.): Wohnen und Stadtpolitik im Umbruch. Perspektiven der Stadterneuerung nach
40 Jahren DDR, Berlin: Akademie-Verlag, S. 157-171.
Sethmann, Jens 2001: Schöner Wohnen in der Platte, in: Deutsches Architektenblatt Nr. 8, S. 15
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[...]
1Der Begriff „Platte“ bezeichnet umgangs-, aber auch fachsprachlich das „Grundelement der Großtafelbauweise, die als Haupttechnologie im industriellen Wohnungs- und Gesellschaftsbau der DDR angewandt wurde.“ (Hannemann 1996, S. 13).
2„Gleichheits-Wohnungen“ wurden die DDR-Plattenbauwohnungen genannt, weil nur eine geringe Anzahl von Grundrissvariationen existierte.
3Nur wenn der Mieter mehrmals grob gegen die vertraglichen Verpflichtungen verstoßen hatte, konnte man ihm durch Gerichtsbeschluss kündigen. Es musste jedoch Ersatzwohnraum bereitgestellt werden. Selbst bei jahrelangem Nichtbezahlen der Miete wurden Leute nicht zwangsexmittiert. Man führte „Erziehungsge- spräche“ mit den Betrieben und zog die Miete ggf. direkt vom Lohn ab (Häußermann/Siebel 2000, S. 170).
4Kriterien bei der Wohnungsvergabe waren die Arbeitskräftesicherung, Familien- und Bevölkerungspolitik sowie Stabilisierung des politischen Systems, d.h. gesellschaftlicher Nutzen.
5Bestimmten Berufsständen wie Wissenschaftlern, Ärzten oder Künstlern, deren Systemtreue sicher gestellt werden sollte, wurden jedoch privilegierte Wohnbedingungen zugestanden. Ebenso hatten Bürger, deren gesellschaftlicher Nutzen den Wohnungsvergabestellen nicht einsichtig war, z.B. alte Menschen oder unqualifizierte Arbeiter in unwichtigen Branchen, kaum Chancen, den Altbauten zu entkommen, die mehr und mehr verfielen (Häußermann/Siebel 2000, S. 173).
6Dies führte zu einer allgemein frühen Eheschließung sowie frühem Kinderwunsch. Trotzdem mussten auch junge Familien auf lange Wartezeiten und Anmeldebürokratie bei der Wohnraumzuweisung eingestellt sein. Besonders die damals beliebten Wohnungen in Plattenbausiedlungen waren hart umkämpft.
7Ideologische Vorbehalte gegenüber der vom „Kapitalismus und Faschismus vererbten Altbausubstanz“, die sich zu 65% in Privatbesitz befand, führten dazu, dass diese bis in die achtziger Jahre völlig vernachlässigt wurden (Schretzenmayr 1998, S. 46). Zudem war die Rekonstruktion von Altbauten erheblich teurer als industrialisierter Neubau.
8Der Staat versuchte, die Trennwand zwischen Privatheit und Öffentlichkeit zu durchlöchern und auch innerhalb der Privatsphäre systemloyales Verhalten zu garantieren. Sogenannte Hausgemeinschaftsleitungen (HGL) sollten dafür sorgen. Sie führten z.B. ein Gästebuch, in welchem sich jeder Gast registrieren musste, der über Nacht im Hause blieb (Häußermann/Siebel 2000, S. 175).
9Als Datschen bezeichnete man
10
11Schon im Jahre 1968 hatte die erste soziologische Untersuchung in Neubaugebieten der DDR ergeben, dass 80% der Bewohner mit ihren Wohnungen und den übrigen Wohnbedingungen zufrieden oder überwiegend zufrieden waren (Schwandt 1976, S. 12f., zit. n. Hannemann 1996, S. 122).
12In ostdeutschen Neubaugebieten stehen heute viele große Mietwohnungen leer, da zahlreiche junge Familien, für die diese Wohnungen in der DDR vorgesehen waren, nach 1990 ins „Grüne“ abwanderten.
13Die meisten waren junge, gut ausgebildete Menschen. Dies führte zu einem Verlust von Qualifikation, Wissen und Leistungsfähigkeit in den neuen Bundesländern (Keim 2001, S. 68).
14Die Wohnungsfrage als soziales Problem wurde in der DDR insgesamt nur ungenügend gelöst. Als Fazit 1989 waren
15Viele Bewohner von Plattenbauten sind mit ihrem Haus gealtert. Sie ziehen nicht weg, u.a. weil sie ihr soziales Umfeld nicht verlassen möchten oder sich kein Eigenheim leisten können.
- Citation du texte
- Nadine Kinne (Auteur), 2001, Die "Platte" als Ausdruck sozialistischer Ideologie, Industrialisierter Wohnungsbau in der DDR, aktuelle Tendenzen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105825
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