Inhalt
1. Inhaltsverzeichnis
2. Einleitung
2.1 Historischer Hintergrund
3. Howards Modell: Der Stadt-Land-Magnet
4. Aufbau und Struktur der Gartenstadt
5. Finanzierung und Wirtschaft der Gartenstadt
6. Verwaltung der Gartenstadt
7. Gründe des Scheiterns des Projektes
8. Die Deutsche Gartenstadtbewegung
8.1. Die Gartenstadt Hellerau
9. Auswirkungen der Gartenstadtidee auf heutigen Städtebau
10. Die soziale Bedeutung von Stadtgrün
11. Literaturverzeichnis
2. Einleitung
Eine der wohl beeindruckendsten Ideen in der Geschichte der Stadt ist die Idee der Gartenstadt. Diese wurde von dem Stenografen Sir Ebenezer Howard vor dem Hintergrund der Wohnumstände der Arbeiter Ende des 19. Jahrhunderts in England entwickelt.
Howard lebte von 1850 bis 1928. Im Alter von 22 Jahren wanderte er mit zwei Freunden nach Amerika aus, um dort auf dem Land zu Leben. Aufgrund mangelhafter Erfahrung in der Bewirtung des Bodens scheiterte dieses Objekt, und so kehrte er 1877, fünf Jahre später, wieder nach England zurück. Dort entwickelte er seine Idee um eine neue Art von Stadt, welche die momentane Wohnsituation der Arbeiterklasse verbessern könnte, weiter und veröffentlichte 1898 sein Buch: „Tomorrow: a peaceful path to a real reform“. Es folgten zwei Modellstädte, die realisiert wurden: Die Gartenstädte Letchworth bei Hertfordshire (1903), realisiert von den beiden Architekten Berry Parker und Raymond Unwin, und schließlich Welwyn (1920), die Howard mehr oder minder „auf eigene Faust“ verwirklichte.
2.1 Historischer Hintergrund
Im Zuge der Industrialisierung in Europa stieg der Bedarf an Arbeitskräften in Produktionsregionen rasch an. Die entsprechenden einheimischen und eingeführten ausländischen Arbeiter wurden in Mietskasernen oder in speziell errichteten Werkskolonien untergebracht. Die Wohnumstände dort waren entsetzlich: katastrophale hygienische Mißstände, Raummangel, Wohnungselend und unerträgliche Atmosphäre (keine Erholungsmöglichkeiten, keine Privatsphäre, keine Freizeitanlagen, schlechte und von Kohle verseuchte Luft, Lärm, etc.). Ende des 19.Jahrhunderts befanden sich somit die größeren Städte Europas in einer untragbaren Situation. Die einsetzende Landfluchtbewegung konnte von den Städten nicht bewältigt werden. Ebenso wurde die Infrastruktur der Städte völlig überlastet. Dies führte zu neuen Impulsen der Stadt- und Lebensplanung. Vor Sir Ebenezer Howard, der seinen Rittertitel 1921 erhielt, versuchten sich andere schon darin, eine neue und vor allem bessere Situation für die Arbeiterschaft herzustellen. Unter anderem seien hier Robert Owen, James Silk Buckingham und Titus Salt erwähnt, deren ehrgeizige Projekte wohl Einflußauf die Entwicklung Howards Idee gehabt haben, erwähnt. Den größten Einflußauf Howard scheint Buckinghams Beschreibung seiner Idealstadt „Victoria“ gehabt zu haben, denn hier finden sich viele Gemeinsamkeiten zu den Plänen Howards: Lage in ländlichem Gebiet oder Gemeindeeigentum an Grund und Boden. Der größte Unterschied liegt in einer sozialen Segregation, die bei Buckingham geplant war.
Dennoch sollte Howard der erste sein, der grundlegende Reformpläne im großen Maßstab verwirklichte. Nur vier Jahre nach dem Erscheinen seines oben erwähnten Buches „Tomorrow“ wurde die „Garden City Association“ gegründet, die 1904 in „Town and Country Planning Association“ umbenannt wurde. Howard selbst war selbstverständlich Gründungsmitglied. Schon an dieser Entwicklung kann man das Ausmaßder Wellen erahnen, die Howards Ideen schlugen. Dennoch war Howard eher ein Mann der Tat, ein Prediger, wie ihn Zeitgenossen nannten. Sein Buch beschreibt vielmehr die konkreten Pläne für die Gartenstadt, als es versucht, Ursachenforschung zu betreiben.
3. Howards Modell: Der Stadt-Land-Magnet
Howard beschränkte sich darauf, die einzelnen Faktoren, die immer mehr Menschen in die Stadt zogen, als „Anziehungskräfte“ zu bezeichnen. Ebenso verfügt das Land in seinen Augen über dergleichen. Auf dieser Basis entwickelte er das Modell des Stadt-Land-Magneten.
- Nach seiner Vorstellung reagiert die Bevölkerung, ähnlich wie eine Kompaßnadel, auf eben diese unterschiedlichen „Anziehungskräfte“ der verschiedenen Regionen. So setzen entsprechende Bewegungen der Bevölkerung zu dem Gebiet mit den größeren Kräften ein. Jede Region stellt also nach Howard sozusagen einen „Magneten“ dar, der die Bevölkerung anzieht. Aufgrund der momentanen Lage folgerte Howard, daßder „Stadt-Magnet“ also entsprechend anziehender auf die Bevölkerung wirkte, als dies bei dem „Land-Magneten“ der Fall sein konnte. Seine Lösung bestand nun darin: Er ging davon aus, daßes nötig sei, die „Anziehungskräfte“ des Landes mit denen der Stadt zu kombinieren, um die Menschen zurück auf das Land ziehen zu können. Seine Idee von der Gartenstadt versuchte dies. Mit ihr konstruierte er einen dritten Magneten, der die Vorteile von Stadt und Land in sich vereinen sollte, bei gleichzeitigem Ausschlußder Nachteile von beidem: den „Land-Stadt-Magneten“. Die „Anziehungskräfte“ sollten dann für eine Umsiedlungsbewegung auf freiwilliger Basis sorgen.
Eine Abbildung soll dies nochmals verdeutlichen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(entnommen aus: Posener, 1968, S. 57)
Howard setzte also nicht wie Owen auf eine Veränderung in der sozialen Ordnung, sondern ging vielmehr von einem individualistischen Standpunkt aus. Während Owen sein Modell stark auf einer erhöhten sozialen Ansiedlung des Arbeiterstandes setzte, kam Howards Modell völlig ohne dergleichen aus. Vielmehr scheint sich Howards Modell auf die eigennützige Natur und die Anziehungskraft auf das Individuum zu berufen, was später noch deutlich gemacht werden wird.
4. Aufbau und Struktur der Gartenstadt
Um erfolgreich die Vorteile von Stadt und Land miteinander verbinden zu können, war eine detaillierte Planung der Stadt vonnöten. Diese Planung hatte noch eine weitere entscheidende Rolle in der Finanzierung inne, doch dazu später mehr.
Die Gartenstadt sollte insgesamt eine Fläche von 2400 ha haben. Im Zentrum sollte ein kreisrunder Stadtteil liegen. Die Gesamtfläche sollte aufgrund der so billigeren Bodenpreise und um Abrißkosten u.ä. zu vermeiden komplett unbebaut sein. Während das den eigentlichen Stadtteil umgebende Land vorwiegend aus landwirtschaftlicher Nutzfläche und den Gehöften der ansässigen Landwirte bestehen sollte und so größtenteils folgerichtig keinen Bebauungsplan vorwies, wurde der zentrale Stadtteil genau durchdacht. Schließlich sollte die Gartenstadt sowohl Wohnsiedlung, als auch selbstversorgende, landwirtschaftliche und kleinindustrielle Stadt sein, mit Einkaufsmöglichkeiten und kulturellen Einrichtungen und vor allem genügend Arbeitsplätzen für ihre Bewohner ausgestattet.
Die Einwohnerzahl sollte auf insgesamt 32 000 beschränkt sein, davon 30 000 im Stadtteil und 2 000 im landwirtschaftlichen Bezirk. Damit wurde einerseits einer Überbevölkerung und damit einhergehender Platzmangel, Verwahrlosung, etc., vorgebeugt, als auch erst eine komplette Durchplanung des Stadtgebietes ermöglicht. Es stand damit schließlich im vorhinein fest, mit wie vielen Schulen, Wohngebäuden, usw., gerechnet werden mußte. Wenn die Einwohnerzahl diese Marke überschritt, sollte eine neue Tochterstadt gegründet werden (Abb.2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2: Städtegruppe, etnommen aus: Hartmann, C., 1976.
Bei der Bildung der Tochterstädte soll jedoch der landwirtschaftliche Gürtel um den Stadtteil erhalten bleiben. Ebenso sollen alle entstehenden Tochterstädte mit einer Eisenbahnlinie untereinander verbunden werden, um Warenaustausch, aber auch den Bewohnern Besuche zu ermöglichen. Im Zentrum einer solchen Städtegruppe soll eine sogenannte Zentralstadt liegen, eine größere Ausführung der Gartenstadt mit maximal 58 000 Einwohnern, die von Gartenstädten umgeben ist. Der Aufbau einer Zentralstadt sollte bis auf eine entprechende Grössenänderung, dem typischen Aufbau einer Gartenstadt folgen und damit mit den Tochterstädten strukturell übereinstimmen.
Der Stadtteil sollte kreisrund aufgebaut sein und im Zentrum der ihn umgebenden Landfläche liegen. Der detaillierte Aufbau des Stadtteils sollte nun wie folgt aussehen:
Im Zentrum befindet sich ein kreisrunder Platz mit einer Gartenanlage. Um diese gruppieren sich die größeren öffentlichen Gebäude wie Rathaus, Museum, Krankenhaus, Bücherei, Theater, Konzertsaal. An dieses Rund aus Gebäuden schließt sich wiederum eine kreisrunde, gut ausgebaute Parkanlage mit zahlreichen Spiel- und Erhohlungsplätzen an. Rund um diesen Zentralpark liegt der „Kristallpalast“, eine breite Glashalle, zur Parkseite hin offen. Dieser „Kristallpalast“ hat mehrere Funktionen: Er soll der Geselligkeit dienen oder wie es Howard bezeichnet als „Ort der Begegnung“ fungieren (Posener, 1968, S. 62). Gleichzeitig soll er als Wintergarten dienen und einen Großteil des Geschäftswesens beherbergen, so daßdie Bewohner auch bei schlechtem Wetter ihre Einkäufe tätigen können.
Durchbrochen wird diese gesamte Zentralanlage von sechs 36 m breiten Boulevards, die radial vom zentralen Garten bis an den Rand der Stadt verlaufen und damit die Stadt in sechs gleichgroße Sektoren (Bezirke) teilen. Diese kreuzen acht konzentrische Avenuen, zwischen denen schließlich die Wohnhäuser und von Gärten durchsetzte Plätze liegen. Als zentraler Gürtel verläuft in der Stadt die „Grand Avenue“, ca. 130 m breit und 5 km lang. Sie ist von allen Teilen der Stadt aufgrund ihrer zentralen Lage gleich gut zu erreichen. Der Weg von der entferntesten Wohnung beträgt nach Howard nicht mehr als 3 oder 4 Minuten (vgl.:Posener, 1968, S. 63). Aus diesem Grund sind dort auch au ca. 1 ½ ha großen Plätzen die öffentlichen Schulen mit den zugehörigen Spielplätzen angesiedelt. Auch die Kirchen befinden sich dort. Mit dieser Anordnung sorgt Howard für eine möglichst einheitliche Reisedauer von den Wohnungen zu häufig besuchten Einrichtungen. Bemerkenswert ist auch, daßHoward den Platz für Kirchen verschiedenster Glaubensrichtungen vorsieht, zeigt dies doch erneut die große Toleranz und den Individualisten in ihm.Auch die Fassaden der an die „Grand Avenue“ grenzenden Häuser wurden speziell geplant, wenn auch als einzige in der Gartenstadt. Ihre Fluchtlinien sollten halbmondförmig ausgerichtet sein und damit die „Grand Avenue“ größer und länger aussehen lassen, während die Fluchtlinien der anderen Gebäude innerhalb der Stadt dem Muster der konzentrischen Kreise folgen sollen (siehe Abb.3)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.3: Fassadenfront der Grand Avenue (rot markiert). Entnommen und verändert aus: Hartmann, C. 1976.
Insgesamt ist das Stadtterrain in 5500 Bauplätze (Parzellen) aufgeteilt mit einer durchschnittlichen Größe von 6 x 40 Metern. Die kleinste zulässige Parzelle soll 6 x 31 Meter nicht unterschreiten. Bis auf die Fassaden-Fluchtlinie der an der „Grand Avenue“ liegenden Wohnhäuser und die Grundfläche sind keine baulichen Einschränkungen von Howard vorgegeben. Er hofft auf diese Weise ein möglichst facettenreiches und vielfältiges Stadtbild zu erreichen und dem eintönigen Bild der bekannten Wohnsiedlungen in den Großstädten entgegenzuwirken. Es wird von Seiten der Stadtverwaltung lediglich „...auf die Innehaltung der Fluchtlinien..., unter Zulassung aller Abweichungen, welche die Harmonie des Ganzen nicht stören, und vor allem eine gesunde Bauweise...“ (Posener, 1968, S.62) geachtet. Ansonsten sind den individuellen Geschmäckern und Bedürfnissen der Bauherren alle Möglichkeiten offen gelassen. Dies zeigt erneut den Individualisten in Howard.
Die Industrie, Lagerhäuser, Großmärkte, etc. sind im äußeren Ring um die Stadt angesiedelt, der wiederum sowohl direkten Anschlußan die die Stadt umgebende Eisenbahnlinie besitzt. Auf diesem Wege können die Waren auf direktem Wege importiert oder exportiert werden, da die Eisenbahnlinie auch Anschlußan den regulären außerstädtischen Schienenverkehr hat. Desweiteren entfallen die sonst zusätzlichen Verpackungs- und Transportkosten vom Güterbahnhof zu den Lagerhallen und Fabriken, da diese sich ja direkt bei den Gleisen befinden. Durch den somit entfallenden schweren Lieferverkehr auf den innerstädtischen Straßen sind die Belastungen für die Straßen und damit verbundene Sanierungskosten, als auch das Verkehrswesen insgesamt (Lärm, Verschmutzung) reduziert, bzw. entspannt. Das Problem der Rauchbelästigung durch eine ringförmige Anordnung der Industrie um die Stadt löst Howard, indem ausschließlich elektrisch betriebene Maschinen zum Einsatz kommen sollen. Durch diese Maßnahme erhofft er sich weiterhin geringere Kosten für die Elektrizität allgemein.
Durch das zuvor unbebaute Land und der genauen Stadtplanung wird im Rahmen des Aufbaus der Stadt schon im Vorfeld ein ausgeklügeltes Kanalisations- und Abfallwiederverwertungssystem errichtet. Die verwertbaren Abfallprodukte der Stadt sollen so direkt in den außerhalb der Stadt liegenden landwirtschaftlichen Bereich transportiert werden. Dort finden sie dann beispielsweise als Dünger Wiederverwertung. Das wiederum erspart den Landwirten einen Großteil der Ausgaben für Düngemittel. Ebenso bietet ihnen die naheliegende Stadt einen nahen Absatzmarkt für ihre Produkte, was wiederum zu enormen Einsparungen im Bereich des Transports und der Verpackung führt.
Dieser Aufbau war eine Grundidee von Howards und sollte seinen eigenen Worten zufolge angesehen werden „...als eine Anregung, von der wahrscheinlich in vielen Punkten abgewichen werden wird.“ (Posener, 1968, S. 61).
Tatsächlich wurde von dieser Anregung sehr stark abgewichen. Die verwirklichten Gartenstädte Letchworth und Welwyn sind von einer konzentrischen Bauweise weit entfernt. Auch was die Verwaltung, die später im näheren erläutert werden soll, betrifft, so entspricht keine von beiden den genauen Vorstellungen von Howard, wenn auch Welwyn schon nahe an dem Howard´schen Ideal gewesen ist.
Wie die folgende Abbildung zeigt, betont Howard diesen Umstand selbst in den Skizzen, die er seinem Buch beifügte. Auch dies zeugt wieder von der ungewöhnlich liberalen Person, die er war.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.4: Skizze eines Sektors der Gartenstadt. Man beachte die Beifügung: „A DIAGRAM ONLY. Plan must depend on site selected. (entnommen aus: Posener, , 1968, S. 61)
5. Finanzierung und Wirtschaft der Gartenstadt
Das wirtschaftliche System der Gartenstadt wurde von Howard nur teilweise vorgeschrieben. Eine kapitalistische Marktwirtschaft gehörte ebenso zu Howards Vorstellung, wie auch ein Gemeingut. Howards Überlegungen beziehen sich daher größtenteils auf die Finanzierung der Verwirklichung der Gartenstadt, sowie Attraktivität derselben für die Bewohner durch wirtschaftliche Vorteile. Das Schlüsselelement in Howards Idee ist neben der gut durchdachten Städteplanung auch das Eigentum der Gemeinde an Grund und Boden. Rechtlich bedeutet das für die Gartenstadt, daßsie sowohl die Privilegien des Eigentumsrechts an Grund und Boden, als auch den Status einer öffentlichen Einrichtung innehat.
Hauptpunkt des Finanzierungsplans bei Howard ist ide Amortisation (Schuldendeckung) der Kredite, die für den Bau der Stadt aufgenommen werden müssen, sowie die Abdeckung der daraus entstehenden Zinslast. Anschliessend soll ein Fonds für allgemeinnützige Zwecke, unter anderem Alters- Unfall- und Krankenversicherung, eingerichtet werden.
Die Bewohner der Gartenstadt zahlen jedoch keine Steuern, sondern alle Kosten sind in der Pacht, auch Steuerrente genannt, enthalten.
Diese Steuerrente setzt sich folgendermassen zusammen:
1. Grundsteuerrente: Dies ist der Teil, der von der Pacht zum Zwecke der Zinsdeckung abgeht.
2. Amortisationsquote: Dieser Teil wird zum allmählichen Abzahlen der Schulden der Stadt für das gekaufte Land benutzt.
3. Grundsteuer: Dies bezeichnet den Teil der Steuerrente, die für den Betrieb öffentlicher Einrichtungen und Dienstleistungen, wie z.B. Schulen, Stadtverwaltung, etc., verwendet wird. Sie fliesst in den sogenannten Gemeindefond.
Die gesamten Einnahmen werden vier Treuhändern übergeben, die damit Haushalten sollen.
Die Pachten, die ein Bewohner der Gartenstadt zahlen muß, sind wesentlich billiger als eine entsprechende Pacht (für eine Fläche gleicher Grösse) in einer Stadt. Howard führt hier zum Vergleich immer Pachtpreise von London an. Hingegen steigen die Pachten der Bewohner außerhalb des Stadtteils (Landwirte), also für ca. 2 000 Bewohner. Die finanziellen Vorteile ( Nähe eines direkten Absatzmarktes, geringe Transportkosten, geringere Düngerkosten, etc.), die die Landwirte durch die Gartenstadt geniessen, kompensieren dies in Howards Augen jedoch.
Dadurch kann die Stadt eine relativ autonome Verwaltung aufbauen, was sich dann auch auf die Verwendung der durch die Steuerrente eingenommenen Gelder auswirkt. Die Grundsteuer fliesst direkt in die Gemeinde zurück Auch hier beachtet Howard den Hang des Individuums, nach dem Eigennutz zu handeln, indem er dafür sorgt, dass jeder Bewohner an den Vorteilen der durch seine Pachtzahlungen eingegangenen und verwendeten Gelder teilhat. Bis auf die Schulden- und Zinsentilgung kommt damit alles Geld aus der Pacht der Gemeinde selbst zugute. Privatkapital und dessen Vermehrung sind gestattet und erwünscht und von Abgaben an die Gartenstadt ausgeschlossen. Hinzu kommt, dass die Einwohner von der Last der Kommunalsteuern befreit sind. Dies ist wiederum nur durch das Eigentumsrecht an Grund und Boden möglich.
Die Pacht wird nun im Laufe der Zeit steigen. Howard argumentiert, daßder Bodenwert mit zunehmender Einwohnerzahl steigt, und somit auch die Pacht steigen müsse. Jedoch vergrößert sich dadurch letztlich nur das Gemeindeeigentum in Form des Gemeindefonds, da dieser Wertzuwachs ja keinen Privatpersonen, sondern durch obige Regelung der Gemeinde selbst zukommt.
Ein weiterer Vorteil des im Vorfeld komplett gekauften Landes besteht darin, daßder Preis pro m² natürlich bei unbebautem Land so gering wie möglich ist und somit auch der Schuldenberg auf ein Minimum reduziert ist und jegliche Wertsteigerung erst nach dem Übergang in Gemeindeeigentum erfolgt, als auch, daß(durch die Planung) keine zusätzlichen Baukosten ( Kauf und Abrißeventuell stehender Gebäude, Ausfallentschädigungn und Zivilklagen) entstehen, da ja die gesamte Stadt inklusive der Gebäude schon im Vorfeld eingeplant ist. Um einer übermäßigen oder unangemessenen Pachtzahlung entgegenzuwirken und den Pächtern ein gewisses Vorzugsrecht einzuräumen, entwickelte Howards ein besonderes Pachtrecht, dass jedoch im Detail hier nicht näher dargestellt werden soll.
6. Verwaltung der Gartenstadt
Die Verwaltung besteht aus der sogenannten Zentralverwaltung, sowie den Verwaltungsabteilungen.
Der Zentralverwaltung werden alle Befugnisse und Rechte der Gemeinde als alleiniger Grundbesitzerin übertragen. Sie erhält auch die Einnahmen der Grundsteuer und verteilt diese, ebenso die Gewinne aus kommunalen Einrichtungen (Einrichtungen in öffentlicher Hand). Ihr obliegt die Bestimmung über die Planung und Erschließung des Stadtgeländes, als auch die Bestimmung des Etats für die Verwaltungsabteilungen. Ebenso bestimmt die Zentralverwaltung die Art und den Umfang der Kontrolle der Verwaltungsabteilungen.
Diese gliedern sich in drei Gruppen: Allgemeines Verwaltungswesen, Bau- und Verkehrswesen, sowie Wohlfahrts- und Bildungswesen.
Das Allgemeine Verwaltungswesen befasst sich mit den Finanzen, Pacht und Steuer, Recht und Aufsicht. Aufgaben des Bau- und Verkehrswesens sind: Strassen, Kanalisation, Bewässerung, etc. . Dabei werden die entsprechenden Unterabteilungen bei Bedarf aus Spezialisten gebildet. Das Wohlfahrts- und Bildungswesen schließlich kümmert sich um das Erziehungswesen, Bibliotheken, Badeanstalten und Waschhäuser, Musik und Spielplätze.
Grundsätzlich macht Howard jedoch keine Vorschriften über die detaillierten Aufgaben der Verwaltung. Die Begründung hierfür ist zum wiederholten Male ein deutliches Zeichen seines, zeitgenössisch gesehen, fortschrittlichen und liberalen Denkens: „Je mehr Einsicht und ehrlicher Wille in den Unternehmungen der Gemeinde zutage tritt, je unabhängiger sie von der Zentralregierung ist, desto mehr mußsich das Gebiet ihrer Wirksamkeit erweitern, und zwar ganz besonders da, wo sie Eigentümer des Grund und Bodens ist. Aber die Stadtverwaltung beansprucht kein Monopol, vielmehr bleiben alle Möglichkeiten des Wirkens einzelner und des Zusammenwirkens in Gruppen offen.“ (Posener, 1968, S.95). Howard zitiert an dieser Stelle auch Jospeh Chamberlain: „Das wahre Gebiet der kommunalen Tätigkeit sind die Dinge, die von der Gemeinde besser ausgeführt werden können als von Einzelpersonen.“ (Posener, 1968, S.95).
Er überläßt es also getreu diesem Grundsatz der Gemeinde selber, zu entscheiden, welche Aufgaben in öffentliche und welche in private Hand übergeben werden.
7. Gründe des Scheiterns des Projektes
Trotz der Weitsichtigkeit Howards bei der Durchplanung seiner Gartenstadtidee und trotz zweier erfolgreicher Gartenstädte wurde das Konzept nicht staatlich umgesetzt. Howard hatte die Anziehungskraft des Landes auf die Bevölkerung zu hoch eingeschätzt. Desweiteren bekam die Gartenstadt schnell den Ruf einer Stadt der Reformer und Künstler, und tatsächlich schienen sich vor allem solche Personen von der Gartenstadt angezogen zu fühlen, wie das Beispiel Welwyn, wo Howard auch seinen Lebensabend verbrachte, zu beweisen scheint. Dies schreckte einen großen Teil der Bevölkerung ab. Desweiteren waren die Baukosten wesentlich größer, als Howard erwartet hatte. Doch der Hauptgrund des Scheiterns lag in Entwicklungen, die Howard nicht vorhersehen konnte: Die Aufkommende Mobilität der Bevölkerung, der Hochhausbau und natürlich der Zweite Weltkrieg.
Für die Entwicklung der Gartenstadt in England erwies sich zwar der Zweite Weltkrieg nicht so ausschlaggebend wie in Deutschland, wo die Deutsche Gartenstadtgesellschaft unter dem Regime des Nationalsozialismus schließlich aufgelöst und verboten wurde, doch spielte er auch dort eine große Rolle. Entscheidend war in England jedoch vielmehr der Hochhausbau, der viele der Wohnungsprobleme in England löste.
8. Die Deutsche Gartenstadtbewegung
Die Deutsche Gartenstadtgesellschaft (DGG) wurde 1902 zeitgleich mit der Vereinigung Howards gegründet. Es scheint, daßdie DGG sich in den ersten Jahren hauptsächlich der Verbreitung von Howards Idee in Deutschland widmete.
Während Howard jedoch immer das Individuum im Auge hatte, seine Grundlage also weniger mit der Reformation bestehender Sozialstrukturen, als vielmer mit dem individuellen Vorteilsdenken zu tun hatte, ging die Entwicklung bei der DGG in eine andere Richtung: Sie zeigte stärkere sozialreformerische Gedanken, auf die bei Howard nur hingewiesen wurde (vgl.Schollmeier, 90, S. 57 ff.). C.J.
Fuchs, einer der bedeutendsten Städtereformer in Deutschland kritisierte die DGG, daßsie „...noch zu sehr an den Vorstellungen E. Howards festhalte und die in Deutschland gänzlich anderen Umstände der Agrar- und Besiedlungs- verhältnisse nicht berücksichtige. Die Notwendigkeit zur Gründung neuer Städte sei nicht vorhanden, da im Gegensatz zu England in Deutschland „eine Fülle von mittleren und kleinen Städten und großen Dörfern“ esistiere.“ (Schollmeier, 90, S. 63). Die DGG hatte bisher außer Kritik keine große Beachtung in Deutschland erlangt, bis Ende1905 hatte sie gerade einmal 200 Mitglieder. Um die Unterstützung der Städte- und Wohnungsreformer zu erhalten, änderte sie ihr Satzungsprogramm und entfernte sich damit von Howards Gartenstadtidee.1907 wurde dann auch der Begriff des „Gemeineigentums“ an Grund und Boden in „Obereigentum“ umgewandelt, man entfernte sich immer weiter von Howards ursprünglicher Planung. Diese Anpassungen und Änderungen schritten im Laufe der Zeit fort, weshalb mit Außnahme der Gartenstaft Hellerau bei Dresden (1909), der ersten verwirklichten Gartenstadt in Deutschland, sich keine Gartenstädte in Deutschland finden, die mit dem Vorbild Howards noch zu vergleichen sind. Aus diesem Grunde soll die Entwicklung der DGG auch hier nicht weiter betrachtet werden. Es sei nur erwähnt, daßdie Tendenz zu einer Gartenvorstadt ging. Der Vorwurf, Vorstädte erbauen zu wollen mit kleinen Gärten, war Howard von vielen Kritikern gemacht worden, die Howards Idee mißverstanden. Dies sei nur erwähnt, um noch einmal zu verdeutlichen, wie sehr sich die DGG von Howards Ursprüngen schließlich entfernte. Weiterhin sei noch erwähnt, daßdie DGG schließlich unter der Herrschaft des Nationalsozialismus verboten und aufgelöst wurde.
8.1 Die Gartenstadt Hellerau
Dies soll nur ein kurzer Exkurs werden, um ein deutliches Beispiel zu nennen, daßselbst die erste deutsche Gartenstadt sich schon von Howards Vorgaben entfernt hatte. Wer an einer detaillierten Beschreibung von Hellerau interessiert ist, dem sei das Buch „Vom Sofakissen zum Städtebau“ von Klaus-Peter Arnold ans Herz gelegt (siehe auch Literaturverz.).
Eine Überlegung der Bauherren der Gartenstadt Hellerau war, wie man Betriebe und Wohlhabende wohl zum Einzug in die Gartenstadt bewegen könnte. Man setzte offensichtlich weniger auf Howards Modell der Anziehungskräfte als auf den Gedanken „Wer sich ein Haus bauen will, baut es gern auf eigenem Grunde“ (Arnold, 93, S. 332) und „Je wohlhabender er [der potenzielle Bauherr, Anm. d. Verf.] ist, um so mehr ist er Individualist, und ist er es nirgends sonst, soist er es wenigstens in seinem Hause. Man wird also Bedingungen schaffen müssen, die solches Empfinden [...] berücksichtigt. [...] Vielleicht läßt sich dies am besten Erreichen durch einen Mietvertrag, der in seinen tatsächlichen Wirkungen dem Eigentumserwerb gleichkommt.“ (Arnold, 93, S. 332). Dem wurde dann auch Rechnung getragen und so entpuppten sich einige der Mietverträge als „getarnte“ Kaufverträge für Grund und Boden. Dies sei nur angeführt als Beispiel, wie ich schon oben erwähnte.
9. Auswirkungen der Gartenstadtidee auf heutigen Städtebau
Trotz des Scheiterns der Gartenstadtbewegung hat sie jedoch das Bild des heutigen Städtebaus entscheidend beeinflusst. Seither gab es zum ersten Mal Stadtplanung, die diesen Namen auch verdient. In England beeinflußte seine Idee nachhaltig die Entstehung des „Town Planning Act“ von 1909 und wirkte sich auf den „New Towns Act“ von 1964 aus (vgl. Schollmeier, 90, S. 42 ff.). Man versucht heute, möglichst weit vorauszuplanen, schon allein um Einsparungen treffen zu können. Desweiteren bemüht man sich seitdem um die Schaffung von Grünanlagen wie Parks oder Stadtgärten, die in das Stadtbild fest integriert werden.
Ein weiteres Ergebnis von Howards Bemühungen ist die räumliche funktionale Trennung von Stadtgebieten. Es gibt heute spezielle Einkaufzentren, die dem Kristallpalast ähneln, z.B. das Gutenberg-Center in Mainz, das Main-Taunus- Zentrum bei Frankfurt, etc.. Auch verfügt eine Stadt heute meist über ein Industrie- oder Gewerbegebiet, in dem die Industrie oder die Kleinindustrie beherbergt sind. Eine Planung dieser Gebiete umfasst auch den direkten Anschlußan den Schienenverkehr, zumindest gesonderte Güterbahnhöfe sind in der Nähe der Industriegebiete zu finden, wenn nicht gar eine direkte Gleisverbindung besteht. Auch Fußgängerzonen erinnern ein wenig an den Gedanken der „Grand Avenue“ oder den Kristallpalast. Ebenso eine räumliche Zusammenlegung öffentlicher Gebäude, wie Bibliotheken, Rathaus, Theater, etc. lassen sich wiederfinden.
Insgesamt hat Howard also Pionierarbeit geleistet, die noch heute in den Städten erkennbar ist.
10. Die soziale Bedeutung von Stadtgrün
Dieses Kapitel soll zum Abschlußdieser Arbeit noch einmal kurz die die Funktionen von Stadtgrün (Parkanlagen, Grünflächen, Gartenanlagen) veranschaulichen, um die nach Meinung des Verfassers durchaus sinnvolle Integration von Grünflächen, etc. in das Stadtbild zu verdeutlichen. Diese Integration ist heute Teil einer jeden Stadtplanung geworden.
Zusammengefaßt lassen sich folgende Funktionen feststellen (vgl.: Wagenfeld/ Krommer/ Pauly, 85):
1) Stadtgliedernde und gestaltende Funktion
2) Repräsentationsfunktion
3) Identifikationsfunktion
4) Psychische Funktion
5) Verbindungsfunktion
6) Grünversorgungsfunktion
7) Kommunikationsfunktion
8) Unterhaltungsfunktion
9) Spielfunktion
10) Erholungsfunktion
11) Dispositionsfunktion
12) Stadtökologische Funktion.
Die sozialen und auch pädagogischen Einwirkungen differenzieren nach Altersgruppen, was teils von den durch das Alter und verschiedene Lebensabschnitte zeitlichen Unterschieden, als auch den durch die gleichen Faktoren unterschiedlich häufigem Aufsuchen der entsprechenden Anlagen herrührt. Ein Erwachsener beispielsweise wird selten einen begrünten Spielplatz aufsuchen, es sei denn, er hat Kinder oder Enkel, die er dorthin begleitet. Im umgekehrten Fall wird ein Kind selten eigenmächtig aufgrund der eigenen geringen Mobilität große bewaldete Flächen außerhalb der Stadt oder weiter entfernte Grünanlagen aufsuchen können.
Durch diese unterschiedlichen Vorraussetzungen, Bedürftnisse und Bedeutungen von Stadtgrün müssen also eine breite Palette unterschiedlicher Anlagen in einer Stadt integriert werden. Auch die ökologische Funktion ist nicht zu unterschätzen.
Howard legte bei seinen Überlegungen hauptsächlich Wert auf die Funktionen 1), 4), 6), 8), 9), 10) und 12). Auch wenn er die Funktionen nicht ausdrücklich formulierte, lässt sich dieser Schlußdoch aus seinen Ausführungen ziehen. Dies zeigt erneut den fortschrittlichen Geist, der hinter der Person Howards stand.
11. Literaturverzeichnis
Arnold, K.-P.: „Vom Sofakissen zum Städtebau. Die Geschichte der Deutschen Werkstätten und der Gartenstadt Hellerau.“; Verlag der Kunst; Basel, 1993.
Hartmann, C.: „Die deutsche Gartenstadtbewegung“; München, 1976
Posener, J.(Hrsg.): „Ebenezer Howard: Gartenstädte von morgen. Das Buch und seine Geschichte“; Ullstein-Verlag, Berlin; 1968.
Schollmeier, A.: Gartenstädte in Deutschland. Ihre Geschichte, städtebauliche Entwicklung und Architektur zu Beginn des 20. Jahrhunderts“;in: „Kunstgeschichte: Form und Interesse“, Bd. 28; Lit-Verlag, Münster, 1990.
Wagenfeld,H., Krommes, U., Pauly,K.: „Stadtgrünplätze-wiedergewonnener Freiraum“; Bauverlag Wiesbaden/Berlin, 1985.
- Quote paper
- Dipl.-Päd. Frank Stula (Author), 2000, Die Gartenstadtbewegung (Ebenezer Howard), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105572
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