B. Inhaltsverzeichnis
A. LITERATURVERZEICHNIS
B. INHALTSVERZEICHNIS
C. VORWORT
D. ART UND UMFANG DES ART. 5 GG
I. Umfang der Meinungsfreiheit
II. Die Schrankenbestimmungen in Art. 5 II GG
III. Umfang und Schranken der Kunstfreiheit
IV. Das Zensurverbot
E. DIE MEINUNGS- UND KUNSTFREIHEIT IM INTERNET
I. Verfassungsrechtlich relevante Inhalte im Internet
II. Versuche der Regulierung des Internets
1. In den USA
2. In Deutschland
a) Der Fall Compuserve
3. Zwischenergebnis
4. Das Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz (IuKDG) und der Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV)
5. Zusammenfassung zum TDG und MDStV
III. Chancen internationaler Regelungen
IV. Praxisnahe Möglichkeiten zum Schutz vor unerwünschten Inhalten
F. SCHLUSSBEMERKUNG
A. Literaturverzeichnis
Bleisteiner, Stephan Rechtliche Verantwortlichkeit im Internet Köln; Berlin; Bonn; München, Heymanns 1999 (zitiert als: Beisteiner, Verantwortlichkeit)
Engel, Christoph in DRiZ 1997, S. 409 ff.
Inhaltskontrolle im Internet (zitiert als: Engel, DRiZ 1997)
Grote, Rainer in: KritV 1999, S. 27 ff. Kommunikative Selbstbestimmung im Internet und
Grundrechtsordnung (zitiert als: Grote, KritV 1999)
Hoeren, Thomas in NJW 1998, S. 2849 ff.
Internet und Recht (zitiert als: Hoeren, NJW 1998)
Lohse, Wolfram Verantwortung im Internet Hamburg, 2000 (zitiert als: Lohse, Verantwortung)
Mecklenburg, Wilhelm in: ZUM 1997, S. 525 ff.
Internetfreiheit (zitiert als: Mecklenburg, ZUM 1997)
Pichler, Rufus in: MMR 1998, S. 79 ff. Haftung des Host Providers für Persönlichkeitsverletzungen vor und nach dem TDG (zitiert als:Pichler, MMR 1998)
Pieroth/Schlink Grundrechte 14. Auflage, Heidelberg 1998 (zitiert als: Pieroth/Schlink)
Schröder, Georg Das Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet - ein Vergleich der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten
Staaten von Amerika Aachen, 1999 (zitiert als: Schröder, Freie Meinungsäußerung)
Sieber, Ulrich Verantwortlichkeit im Internet München, Beck 1999 (zitiert als: Sieber, Verantwortlichkeit)
Sieber, Ulrich: in MMR 1998, S. 429 ff. AG München: “CompuServe”-Urteil (zitiert als: CompuServe, MMR)
Sieber, Ulrich: in CR 1997, S. 581 ff. Kontrollmöglichkeiten zur Verhinderung rechtswidriger Inhalte in Computernetzen (zitiert als: Sieber, Kontrollmöglichkeiten)
Strömer, Tobias Moderne Pranger im Internet www.netlaw.de
Wöbke, Jörn in: Computer und Recht 1997, S. 316 ff. Meinungsfreiheit im Internet (zitiert als: Wöbke, CR 1997)
C. Vorwort
Das Internet hat in den letzten Jahren eine unaufhaltsame Verbreitung in alle Bereiche des täglichen Lebens gefundenen. Bereits heute ist dieses Medium für den rasant wachsenden Nutzerkreis nicht mehr aus dem täglichen Leben wegzudenken. Die Rolle des Internets als Faktor der Meinungsbildung ergibt sich vor allem daraus, daß mehr und mehr relevante Informationen nur noch im Internet und nicht mehr in anderen Medien bereitgestellt werden.1 Deshalb geht heute bei der Informationsbeschaffung oft der erste Griff zum “World Wide Web”.
Anders als herkömmliche Medien ist das Internet nicht durch ein vorstrukturiertes und steuerbares Gesamtangebot gekennzeichnet. Die dezentrale, anarchistische Struktur des Internet sprengt vielfach den Rahmen der geltenden Gesetze. Nationale Grenzen verlieren im Cyberspace ihre Bedeutung. Zu klären ist daher, inwieweit deutsche Gesetze und Maßnahmen einer grenzen- und schrankenlosen Ausuferung der Meinungs- und Kunstfreiheit Einhalt gebieten können.
Wer durch das Internet surft, findet alle Sünden vergangener Generationen und obendrein enthemmende Anonymität.2 So ist es nicht überraschend, daß die verfassungsmäßig vorgegebenen Schranken der Meinungs- und Kunstfreiheit aus Art. 5 GG von verschiedenen Online-Publikationen überschritten werden. Oft geschieht dies auch völlig ohne Schuldbewußstsein, im Glauben sich online in einem nahezu rechtsfreien Raum bewegen zu können. Zur Wahrung von Recht und Ordnung wurden daher schon recht früh verschiedene Versuche unternommen.
In dieser Seminararbeit soll ein Überblick gegeben werden, welche Maßnahmen zur Regulierung der Inhalte im Netz in der Vergangenheit ergriffen wurden und wie sie zu bewerten sind. Sind die gezeigten Vorgehensweisen tatsächlich geeignet, um die rechtlichen Grenzen der Meinungs- und Kunstfreiheit zu wahren und den Schutz der User, Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten? Welche Möglichkeiten gibt es, problematische Inhalte einzudämmen, ohne dabei die Meinungs- und Kunstfreiheit im Internet zu verletzen?
Im folgenden werden diese Fragen aufgegriffen und diskutiert. Dabei soll, nach Skizzierung der Grundrechte aus Art. 5 GG, letztendlich auch erörtert werden, ob überhaupt eine Form von Informationsregulierung im Internet ein adäquates Mittel ist. Können im Internet der Meinungs- und Kunstfreiheit überhaupt wirkungsvoll und vor allem verhältnismäßig Grenzen gesetzt werden?
Dabei soll nicht vergessen werden, daß das Netz so facettenreich, unübersichtlich und heterogen ist, daß es sich einer einfachen Darstellbarkeit und Topographie entzieht. Vielmehr wirft diese neue Kommunikationsform umfangreiche gesellschaftspolitische und rechtliche Fragen und Probleme auf, die in dieser Seminararbeit nur teilweise oder gar nicht behandelt werden können. Deshalb beschränke ich mich in dieser Arbeit auf die wichtigsten Bereiche des Internets und besonders bemerkenswerte Versuche, das Internet zu regulieren. Auf komplizierte technische Ausführungen habe ich im Interesse der besseren Verständlichkeit bewußt verzichtet. Im Mittelpunkt soll der verfassungsgebotene Ausgleich zwischen der Meinungs- und Kunstfreiheit und dem Jugendschutzauftrag stehen.
D. Art und Umfang des Art. 5 GG
Wortlaut des Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Art. 5 GG garantiert somit insgesamt 7 selbstständig nebeneinander bestehende Grundrechte.
- Das Recht der freien Meinungsäußerung, -
die Informationsfreiheit,
- das Zensurverbot,
- die Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre.
Im Hinblick auf ihre besondere Bedeutung für den öffentlichen Meinungsbildungsprozeß besonders erwähnt sind:
- Die Freiheit der Berichterstattung durch Film und Rundfunk und -
die Pressefreiheit.
Die durch Art. 5 GG geschützten Grundrechte zählen zu den sog. Kommunikationsgrundrechten, die für das Funktionieren des demokratischen Prozesses von konstitutiver Bedeutung sind. Eine demokratisch pluralistische Gesellschaft braucht die Meinungsvielfalt und “den geistigen Kampf der Meinungen”, der als elementare Grundvoraussetzung einer freiheitlich demokratischen Staatsordnung anzusehen ist.3
Jedem einzelnen soll die Möglichkeit eröffnet werden, sich im Streit der Meinungen für eine eigene Position zu entscheiden.
I. Umfang der Meinungsfreiheit
Die Meinungsfreiheit ist darauf gerichtet, Meinungen anderen Personen mitzuteilen, von denen der einzelne nicht abgeschnitten werden darf. Die Freiheit von staatlicher Lenkung oder Behinderung muß daher gewährleistet sein. Der Staat darf eine für den Bürger faktisch vorhandene Möglichkeit der Meinungsäußerung nicht durch deren Beseitigung zunichte machen. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit will nicht nur der Ermittlung der Wahrheit dienen; es will auch gewährleisten, daß jeder frei sagen kann, was er denkt, auch wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urteil angibt oder angeben kann.4
Meinungen im Sinne des Art. 5 GG sind Stellungnahmen, Urteile, Einschätzungen etc., die durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt sind. Hierbei kommt es auch nicht auf objektive Richtigkeit von Tatsachen an. Meinungsfreiheit ist immer auch die Freiheit zum Irrtum. Lediglich eine “erwiesen oder bewußt unwahre Tatsachenbehauptung” ist vom Schutz des Art. 5 Abs.1 S.1 GG nicht mehr erfasst.5
Geschützt ist auch die negative Meinungsfreiheit, die garantiert, fremde Meinungen nicht als eigene äußern und verbreiten zu müssen.6 Der Schutz von Meinungsäußerungen, die sich als Schmähung Dritter darstellen, tritt regelmäßig hinter den Persönlichkeitsschutz zurück. Bei der Abwägung zwischen dem Ehrenschutz und der Meinungsäußerung tritt in Fällen der Schmähkritik die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter dem Ehrenschutz zurück.7 Eine Meinung wird aber nicht schon wegen ihrer herabsetzenden Wirkung für Dritte zur Schmähkritik, vielmehr gilt der Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung. Er verlangt es, bei einer öffentlichen Äußerung, die sich auf verschiedene Weise deuten lässt, grundsätzlich die Deutung zugrundezulegen, bei der sie mit anderen Rechtsgütern nicht in Konflikt kommt.8
II. Die Schrankenbestimmungen in Art. 5 II GG
Die Formulierung “diese Rechte” in Art 5 II GG macht deutlich, daß die Schranken sich nur auf die in Art. 5 I GG normierten Grundrechte beziehen.
Allgemeine Gesetze i.S. des Art. 5 II GG sind alle Gesetze, die nicht eine bestimmte Meinung als solche verbieten und sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten.9 Stets ist bei einem Gesetz, das die oben genannten Grundrechte einschränkt, zu prüfen, ob die Verfolgung des Schutzzweckes gegenüber der Wahrnehmung dieser Grundrechte vorrangig ist, oder ob das Grundrecht im konkreten Anwendungsfall zurücktreten muß. Auf jeden Fall muß der besondere Wertgehalt des Grundrechts gewahrt werden.10
Von den weiteren Schranken des Art. 5 II GG seien hier noch die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend erwähnt. Diesem Schutz dient vor allem das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften. Das Gesetz unterwirft die Verbreitung von unzüchtigen, verrohend wirkenden, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhaß anreizenden oder den Krieg verherrlichenden Schriften erheblichen Einschränkungen.
Auch hier muß eine Güterabwägung zwischen der Forderung nach umfassendem Grundrechtsschutz und dem verfassungsrechtlich hervorgehobenen Interesse an einem effektiven Jugendschutz vorgenommen werden. Die grundsätzliche Wertentscheidung der Verfassung für die Freiheit der Meinung und der Information schließt es daher aus, Schriften, von denen weder stets noch wenigstens typischerweise Gefahren für die Jugend ausgehen, generellen Verboten zu unterwerfen.11 Die Frage, wann eine Jugendgefährdung, die eine Grundrechtseinschränkung rechtfertigt, vorliegt, muß unter Anlegung von zeitgebundenen Maßstäben von den Jugendlichen schlechthin, einschließlich den gefährdungsgeneigten Jugendlichen, ausgehen.12
III. Umfang und Schranken der Kunstfreiheit
Die Kunstfreiheit schützt sowohl die Herstellung von Kunst, als auch deren Verbreitung. Damit ist auch der Verleger von Kunst durch dieses Grundrecht geschützt.13
Früher war das BVerfG von der Definierbarkeit von Kunst ausgegangen. Demnach war “das Wesentliche der künstlerischen Betätigung (...) die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache unmittelbar zur Anschauung gebracht werden.”
In neuerer Zeit betont das BVerfG die Unmöglichkeit einer generellen Definition von Kunst und verwendet neben dem genannten, materiellen, folgende weitere Kunstbegriffe:
Zum einen ist hier der formale Kunstbegriff zu nennen, der als das wesentliche Kennzeichen eines Kunstwerkes erachtet, daß es einem bestimmten Werktyp zugeordnet werden kann. Zum anderen kommt der offene Kunstbegriff zur Anwendung, der “das kennzeichnende Merkmal darin sieht, daß es wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts möglich ist, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiterreichende Bedeutungen zu entnehmen, so daß sich eine unerschöpfliche vielstufige Informationsvermittlung ergibt.”14
Die Reichweite der Kunstfreiheit ertreckt sich aber nicht auf die eigenmächtige Inanspruchnahme fremden Eigentums zum Zwecke der künstlerischen Entfaltung. Dies gilt ebenso bei der eigenmächtigen Beeinträchtigung von fremden Leib und Leben, fremder Freiheit und Ehre. Auch für die Kunstfreiheit gilt, wie für die Meinungsfreiheit, daß bei mehreren möglichen Interpretationen stets diejenige zu wählen ist, in der das Kunstwerk fremde Rechte nicht beeinträchtigt. Dem Art. 5 Abs. 3 GG ist kein ausdrücklicher Gesetzesvorbehalt beigefügt. Die Anwendung der Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG hat das BverfG abgelehnt. Eingriffe in die Kunstfreiheit können daher nur durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt werden. Besondere Bedeutung erlangen regelmäßig Abgabe-, Vertriebs- und Werbebeschränkungen für künstlerische Schriften, die offensichtlich geeignet sind, Kinder und Jugendliche sittlich schwer zu gefährden.
Diese stützen sich in der Regel auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht und auf das elterliche Erziehungsrecht aus Art.6 Abs.2 S.1 GG.15 Bei Internetinhalten liegt auf diesem Gebiet auch ein Schwerpunkt der beanstandeten Inhalte.
IV. Das Zensurverbot
Das Zensurverbot stellt eine absolute Eingriffsschranke dar, zum Schutz vor bestimmten, besonders gravierenden Eingriffen. Nach h.M. ist unter Zensur i.S. des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG nur die sogenannte Vorzensur zu verstehen,16 d.h. einschränkende Maßnahmen vor der Herstellung oder Verbreitung eines Geisteswerkes, insbesondere das Abhängigmachen von behördlicher Vorprüfung und Genehmigung seines Inhalts. Andere Maßnahmen, wie z.B. die Beschlagnahme einer versandfertigen Zeitung fallen daher ebensowenig unter das Zensurverbot wie repressive Eingriffe, welche die weitere Verbreitung eines bereits veröffentlichten Medienprodukts unterbinden wollen.17 Damit ist es auf herkömmliche Medien, sogenannte Medien zweiter Ordnung, zugeschnitten. Diese sind dadurch gekennzeichnet, daß sie Inhalte für einen mehr oder weniger definierten Nutzerkreis auswählen, strukturieren und präsentieren.18
Demgegenüber verschwimmt beim Internet diese klare Trennung von Nutzer und Anbieter. Als Medium erster Ordnung bietet das Internet eine Plattform für jedermann. Eine redaktionelle Auswahl kann hier nicht stattfinden. Das Internet besitzt keine Zentrale, an der alle Informationen zusammenlaufen, sondern ist ein neuronales Netz.
Deshalb kann jeder Nutzer mit geringem Aufwand seine eigene Homepage erstellen und wird so zum potentiellen Anbieter von Informationen. Eine Vorzensur ist aufgrund der Menge der potentiellen Anbieter daher in der Praxis ohnehin unmöglich. Staatliche Reaktionen auf rechtswidrige Inhalte im Netz können in der Regel erst nach deren Veröffentlichung erfolgen. Bis die zuständigen Stellen auf die Existenz einer neuen, relevanten, Seite aufmerksam werden, können nochmals längere Zeitspannen verstreichen. Die praktische Bedeutung des (Vor-) Zensurverbots im Internet ist somit sehr stark eingeschränkt.19
E. Die Meinungs- und Kunstfreiheit im Internet
I. Verfassungsrechtlich relevante Inhalte im Internet
Das Internet ist, wie oben bereits erwähnt, eine Plattform für jedermann. Es ist daher nicht verwunderlich, daß es auch für illegale Tätigkeiten und zur Verbreitung schädigender und illegaler Inhalte genutzt wird. Soweit es sich um rechtswidrige Inhalte handelt, z.B. rechtsextremistische Propaganda, beleidigende Äußerungen oder pornographische Darstellungen können für ihre Verbreitung im Internet keine anderen Regelungen gelten als für ihre Veröffentlichung mittels anderer Medien. Es handelt sich bei den Bestimmungen, welche die Verbreitung solcher Inhalte verbieten bzw. unter Strafe stellen, um allgemeine Gesetze i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Ihre Anwendung ist unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unproblematisch, soweit sie die strafrechtliche, zivilrechtliche und polizeirechtliche Verantwortlichkeit der Inhaltsanbieter konkretisieren.20
Auch der User ist den allgemeinen Gesetzen, insbesondere den Strafgesetzen, unterworfen. Im Zusammenhang mit der Meinungs- und Kunstfreiheit sind hier regelmäßig die gleichen Vorschriften anwendbar, wie bei einer Verbreitung des Materials auf “herkömmlichem” Wege. Es ist vor allem an die Anwendung folgender Normen des StGB zu denken:
- Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen: § 86,
- Pornographie: § 184,
- Volksverhetzung: § 130,
- Gewaltverherrlichung: § 131, -
Beleidigung: §§ 185 ff.
Bei Inhalten des Internet ist stets auch § 11 Abs. 3 StGB zu beachten, der besagt: “... Schriften stehen Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen in denjenigen Vorschriften gleich, die auf diesen Absatz verweisen.”
Anbieter und Nutzer von strafbaren Inhalten, also Inhalten die von der Meinungs- und Kunstfreiheit nicht mehr gedeckt sind, bewegen sich deshalb auch online keineswegs im rechtsfreien Raum. Es gilt der Grundsatz: “Was offline rechtswidrig ist, ist auch online rechtswidrig.”21 Diese Tatsache scheint jedoch vielen Bürgern immer noch nicht klar zu sein. Häufig wird darauf verwiesen “so richtig geregelt sei das im Internet ja alles noch nicht”.22 So existieren im Netz sogar verschiedene Plattformen zur Beschimpfung und Beleidigung von Mitmenschen. Wer immer sich über einen Mitbürger geärgert hat, kann dort seinem Ärger vor einem weltweiten Publikum Luft machen. Häufig fanden Beschimpfungen gegen einen “Drecksack von Nachbarn” mit Bild und unter voller Namens- und Adressnennung statt. Die deutschen Betreiber handelten offenbar ohne jedes Unrechtsbewußtsein und konnten mittels Werbebanner ihre beliebte Seite in bare Münze umwandeln.23 Es wäre wohl kein Verleger so kühn, eine Zeitschrift mit diesem Inhalt in seinem Verlag zu vertreiben. Offenbar wissen viele User nicht, daß genau wie bei anderweitiger Veröffentlichung solcher Beleidigungen auch im Internet strafrechtliche Konsequenzen und zivilrechtliche Forderungen drohen können.
Zweifellos bietet das Strafrecht die stärkste und unmittelbarste Eingriffsmöglichkeit in die Meinungs- und Kunstfreiheit der Internetbenutzer. Gemäß Art. 5 Abs. 2 GG finden die Freiheiten des Artikel 5 GG ihre Schranken aber auch in den Bestimmungen zum Persönlichkeitsschutz und dem Schutz der Jugend. Hier muß eine Güterabwägung zwischen der Forderung nach umfassendem Grundrechtsschutz und dem verfassungsrechtlich hervorgehobenen Interesse an einem effektiven Jugendschutz vorgenommen werden. Die grundsätzliche Wertentscheidung der Verfassung für die Freiheit der Meinung und der Kunst schließt es daher aus, Schriften, von denen weder stets noch wenigstens typischerweise Gefahren für die Jugend ausgehen, generellen Verboten zu unterwerfen.24 Die Frage, wann eine Jugendgefährdung, die eine Grundrechtseinschränkung rechtfertigt, vorliegt, muß unter Anlegung von zeitgebundenen Maßstäben von den Jugendlichen schlechthin einschließlich des gefährdungsgeneigten Jugendlichen ausgehen.25
II. Versuche der Regulierung des Internets
Es gab in der Vergangenheit bereits mehrfach Versuche, diesen Anspruch in der Praxis umzusetzen.
1. In den USA
Mit dem Communications Decency Act hat der amerikanische Gesetzgeber den Versuch unternommen, auf das als neu empfundene Bedrohungspotential des Internet zu reagieren.26 Hierbei ging es, insbesondere aus Gründen des Jugendschutzes, um die Regulierung auch strafrechtlich nicht relevanter Inhalte. Im Februar 1996 wurde das “Telecommunications Act of 1996” vom amerikanischen Kongreß gebilligt und in der Folge von Präsident Bill Clinton unterzeichnet27. Wesentlicher Inhalt war die Verantwortlichkeit der Internet Provider für das Verhalten ihrer Kunden. Sollten demnach Kunden anstößige und unmoralische (indecent) Inhalte über ihre Seiten verbreiten, wäre der Provider verpflichtet dieses zu unterbinden. Vorgegebener Strafrahmen bei Zuwiederhandlung war eine Geldstrafe von bis zu 250.000 $ oder eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren.28
Unmittelbar nach der Ausfertigung regte sich breiter Widerstand seitens Organisationen und Einzelpersonen mit dem Ziel die Anwendung des Gesetzes vorläufig aussetzen zu lassen.29 Am 11.6.1996 hat das Bezirksgericht für den Eastern District of Pennsylvania in Philadelphia per einstweiliger Verfügung jegliches Vorgehen aufgrund des CDA untersagt.
Viele Organisationen und Einzelpersonen haben daraufhin gegen das USJustizministerium und der Generalbundesanwaltschaft Klage vor einem Bundesgericht auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit erhoben, in der sie im wesentlichen die unbestimmten Rechtsbegriffe wie z.B. “indecent” (unanständig) und “patently offensive” (offensichtlich anstößig) rügten, die eine Zensur von den Moralvorstellungen des Gesetzesanwenders abhängig machen.
Vom Begriff “indecent” umfasst sind ausdrücklich auch solche Materialien, die “als Ganzes ernsthaften literarischen, künstlerischen, politischen oder wissenschaftlichen Wert haben”. Als Beispiele wurden in diesem Zusammenhang Informationen zu Vergewaltigungen in Gefängnissen oder über den Umgang mit Aids genannt.30
Indem das Gesetz auf “harassing, obscene and indecent materials” abstellt, ist auch der Inhalt der freien Rede erfasst, so daß das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung betroffen ist. Der Supreme Court der USA vertritt richtigerweise die Auffassung, daß es für die Bestimmung dessen, was “obszön” ist, auf den Werthorizont einer Gemeinschaft ankommt. Diese Wertevorstellungen jedoch differieren selbst innerhalb der USA ganz erheblich. So ist Material, das in Kalifornien den “community standards” entspricht (also moralisch gebilligt wird) in Tennessee bereits nicht mehr akzeptabel.31
Damit entbehrt der Begriff eines gemeinsamen Wertehorizonts im Bereich der grenzüberschreitenden digitalen Kommunikation einer hinreichenden Definition. Das oberste Gericht erklärte das Gesetz mit Urteil vom 26.6.1997 für verfassungswidrig. Es begründete seine Entscheidung unter anderem damit, daß es keine wirksame Möglichkeit gebe, die Identität oder das Alter eines Anwenders zu bestimmen, der im Internet auf bestimmtes Material zugreife. Ferner seien die verwendeten Begriffe “indecent” und “patently offensive” zu unbestimmt (s.o.) und verstoßen daher gegen die “vagueness doctrine”, die mit dem Bestimmtheitsgebot im deutschen Recht vergleichbar ist.32 Damit stellte das Gericht die Meinungsfreiheit über “jeden theoretischen, aber unbewiesenen Nutzen von Zensur”.33
2. In Deutschland
Auch in Deutschland verspürte man dringenden Handlungsbedarf und beschloß hart durchzugreifen.
a) Der Fall Compuserve
Im November 1995 durchsuchte die Staatsanwaltschaft München die Geschäftsräume der Compuserve GmbH im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Verbreitung kinderpornographischer Schriften. Bei der Durchsuchung erklärte Compuserve, es werde die in Betracht kommenden Newsgroups aus dem Angebot streichen. Die Strafverfolgungsbehörden übergaben Compuserve daraufhin eine Liste mit 282 Newsgroups zur Überprüfung34. Die Entscheidung, ob und welche Gruppen gesperrt werden, blieb jedoch Compuserve überlassen. Im Bewußtsein, von nun an wissentlich und willentlich illegales Material zu verbreiten und deshalb strafrechtlich35 belangt werden zu können, verhängte man bei Compuserve kurzentschlossen eine generelle Zugangssperre über mehr als 200 Newsgroups, deren Name bestimmte Schlüsselwörter enthielt. Betroffen waren hiervon jedoch nicht nur die deutschen Kunden, sondern alle User weltweit.
Da die gesperrten Newsgroups jedoch weiterhin problemlos über konkurrierende kommerzielle Online-Dienste zu erreichen waren, wurde die Maßnahme zur Farce. Selbst wenn ein veröffentlichtes Dokument infolge des Eingreifens der Behörden von einem Server entfernt wird, kann es leicht und schnell kopiert (auf sog. Mirrorsites) und an andere Server unter anderer rechtlicher Zuständigkeit weitergegeben werden, so daß es zumindest weiter verfügbar ist.
Ein Blick in die Geschichte des Internet macht deutlich, warum jede Form der Zensur (Störung) zum Scheitern verurteilt sein muß: Mitte der sechziger Jahre wurde das dezentrale, nicht hierarisch strukturierte System entworfen, um im Falle eines Nuklearkrieges, trotz Zerstörung einzelner Netzteile, die Kommunikation zwischen den verbleibenden Computernetzwerken aufrecht zu erhalten. Hierzu werden die Nachrichten in Datenpakete zerlegt, die sich, je nach Verfügbarkeit einer Verbindung, den Weg zum Empfänger suchen.36 Mit anderen Worten: Die Inhalte sind nicht nur über einen Weg, sondern über eine schier unbegrenzte Zahl verschiedener Wege abrufbar.
Diese Zensur des Internets gleicht deshalb einem Kampf gegen Windmühlen. So lautet eine der Grundüberzeugungen der Internet-Gemeinde: Zensur ist Störung - finde einen Ausweg.37 Auf bestimmten Seiten machen sich Gruppen daher eine Freude daraus, monatlich die neuesten und einfachsten Umgehungen der Sperren zu publizieren.38
Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften muß ihre indizierten Inhalte im Bundesanzeiger veröffentlichen. Häufig finden nach solchen Maßnahmen auch Berichte in Funk und Fernsehen statt. Offenbar nutzen viele interessierte Internet- User diese Listen als “Empfehlungskataloge” für einschlägige Angebote. Einige User scheinen die Sperrung gar als “Qualitätssiegel” für Daten zu sehen, die dann - unter Nutzung der (einfachen) Umgehungsmöglichkeiten - gezielt beschafft werden. Als Folge erhöht sich regelmäßig die Nachfrage nach den gerade indizierten Inhalten erheblich.39 So bewirken die Maßnahmen oft gerade das Gegenteil dessen, was sie sollen. Auch der letzte interessierte User wird noch auf die betreffenden Seiten aufmerksam (bzw. neugierig) gemacht. Auf diese Art werben die Behörden sogar unfreiwillig für die unerwünschten Seiten, erhöhen deren Besucherzahlen und damit ihren Marktwert.
Diese Tatsachen erhalten äußerste Brisanz, wenn man sich vor Augen hält, daß jede staatliche Maßnahme oder Anordnung verhältnismäßig sein muß. Das wäre der Fall, wenn sie geeignet, erforderlich und angemessen wäre. Eine Sperrung von Inhalten bei Zugangsvermittlern ist aufgrund der oben genannten technischen Gegebenheiten gänzlich nutzlos, da sie relativ problemlos umgangen werden können. Die Sperrungen sind daher schon nicht geeignet zur Gefahrenabwehr.40 Eine solche Maßnahme ist im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz daher höchst problematisch.
Darüber hinaus war auch die Auswahl der gesperrten Newsgroups anhand von darin vorkommenden Schlüsselwörtern äußerst fragwürdig. Dabei waren tatsächlich auch Newsgroups vermerkt worden, die inhaltlich gar nichts mit Pornographie zu tun hatten. So hatte auch AOL bei einer ähnlichen Maßnahme alle Texte gesperrt, die das Wort “breast” enthielten. Als Konsequenz waren unproblematische Diskussionsforen z.B. über “Breast cancer” oder sogar Kochrezepte zu “Chicken breast” nicht mehr abrufbar. Auf der anderen Seite gelangten viele bedenkliche Gruppen wegen ihrer unverfänglicheren Bezeichnung gar nicht erst in das Raster der Fahndung.41
Das Vorgehen von Compuserve hatte eine Welle von weltweitem Protest zur Folge, weil Deutschland seine Moralvorstellungen damit allen anderen Ländern aufzwang. Später machte Compuserve die betroffenen Newsgroups für alle Teilnehmer wieder zugänglich. Lediglich fünf Newsgroups enthielten hinreichendes Material um ihre Sperrung aufrecht zu erhalten und Ermittlungen einzuleiten.42 In einem aufsehenerregenden Prozeß wurde der Geschäftsführer der Compuserve GmbH wegen der Verbreitung pornographischer Schriften verurteilt. Nach Meinung von Politik, Presse und anderen Beteiligten schadete dieses Urteil der Justiz, der Entwicklung der Informationstechnologie und dem Wirtschaftsstandort Deutschland.43
Ferner ist festzustellen, daß die Verfolgung von Zugangsvermittlern nur Scheingefechte sind. Die wahren Urheber und Täter werden auf diese Weise nicht enttarnt und agieren weiter im Netz.44
Wirksame Maßnahmen können deshalb nur gegen die Urheber, also die Content Provider gerichtet sein.
3. Zwischenergebnis
Die genannten Beispiele zeigen, daß eine spezifische Sperrung oder Kontrolle von illegalen oder schädigenden Inhalten im Netz weder von Seiten des Zugangsvermittlers noch von der Seite der nationalen Staatsorgane wirksam möglich ist.
Speziell die Internationalität des Internets stellt hier ein Problem dar. So kann der Anwender beispielsweise durch das Ausweichen auf einen ausländischen Provider, der keine entsprechende Sperre installiert hat, dennoch an die gewünschten Daten herankommen. Es bereitet auch für den Provider keine besondere Mühe einen Server im Ausland aufzustellen oder seine Homepage auf einem ausländischen Server abzulegen. Der Nutzer bemerkt oft nicht einmal, ob er es mit einem deutschen oder einem ausländischen Angebot zu tun hat.45
Eine denkbare Lösung wäre es, einschlägig bekannte Gruppen mit rechtswidrigen Inhalten nicht auf dem Server zu führen. Das können aber die Provider nicht einfach von sich aus bestimmen, denn das wäre Zensur. Genau genommen müßten sie jedes einzelne Posting überprüfen. Dies ist für einen Provider bei Hunderttausenden von Postings technisch nicht durchführbar. Insbesondere deren Kontrolle mittels bestimmter Schlüsselwörter hat sich als unbrauchbar entpuppt (s.o.).
Die Sperrung des Zugangs zu vermeintlich rechtswidrigen Seiten im WWW begegnet darüber hinaus auch praktischen Bedenken. Wie sich auch aus den oben genannten Beispielsfällen gezeigt hat, ist eine zielgerichtete punktuelle Sperrung einzelner Inhalte technisch kaum möglich. Großflächige Sperrungen könnten aber in letzter Konsequenz auf die “chinesische Lösung” einer Abschottung Deutschlands von ausländischen Informationsquellen hinauslaufen.46 Eine pauschale Ablehnung von ganzen Newsgroups oder Servern wegen einzelner verbotener Inhalte ist sicher nicht im Rahmen der Gesetze und stößt an die Grenzen der Verhältnismäßigkeit.
Auch ist wegen des internationalen Charakters des Internets eine eindeutige und klar bestimmbare Normengebung, was noch zulässig ist und was nicht, schwierig zu realisieren. Die praktische Umsetzung nationaler Gesetze stößt durch den technischen Aufbau des Internets an ihre Grenzen. Die grundlegende Idee des Internets, nämlich die Vorstellung breit verzweigter, miteinander komplex verbundener Netze steht obrigkeitlichen Eingriffsversuchen entgegen: Der Sinn des Internet ist es, gerade bei Störungen, Ausfällen und Behinderungen den freien Datenverkehr aufrecht zu erhalten.47
Fazit: Kaum eine der denkbaren Maßnahmen einer Obrigkeit kann den Zweck, nämlich den Schutz vor Pornographie oder anderen schädigenden Inhalten, erfüllen. Von “oben” ist das Netz, jedenfalls auf nationaler Ebene, wohl kaum zu kontrollieren. Die Bekämpfung rechtswidriger Inhalte im Netz kann wirksam nur auf Seiten der Urheber (Content Provider) erfolgen. Die deutsche Strafverfolgung kann dieser, sofern sie ermittelt werden können, häufig jedoch nicht habhaft werden, da sie sich im Ausland aufhalten.
4. Das Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz
(IuKDG) und der Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV)
Bereits frühzeitig war der deutsche Gesetzgeber von der Notwendigkeit einer einfachgesetzlichen Regelung der neuen Mediendienste überzeugt.48 Die Schaffung von Rechtssicherheit wurde neben wirtschaftlichen Gründen, um nicht als Standort im internationalen Wetbewerb zurückzufallen, vor allem auch im Hinblick auf den Jugendschutz, Ehrenschutz, Urheberschutz und Verbraucherschutz begrüßt. Bestehende Regelungen konnten den neuartigen Gegebenheiten des Internet nicht mehr ausreichend gerecht werden.49 Zunächst entbrannte jedoch ein heftiger Streit zwischen Bund und Ländern über die Gesetzgebungskompetenz im Bereich der neuen Medien.
Im Jahr 1996 beschlossen Bund und Länder gemeinsam, die als notwendig erkannte Regelung in Deutschland nicht an unterschiedlichen Auffassungen zu Kompetenzen scheitern zu lassen. Da Multimedia kein Rundfunk ist, sollte die Rundfunkkompetenz der Länder von dem neuen Gesetz unberührt bleiben.. Der Bereich der neuen Medien, dem auch die Dienste des Internet zuzuordnen sind, wurde in der Bundesrepublik im Informations- und Kommunikationsdienstegesetz des Bundes und dem Mediendienstestaatsvertrag der Länder einfachgesetzlich geregelt.50
Mit Erlaß des IuKDG sollte auf Bundesebene ein einheitlicher Rahmen für den Multimedia-Bereich geschaffen werden. Als Mantelgesetz beeinhaltet das IuKD drei neue Gesetzeswerke. Dies sind das Teledienstegesetz, das Teledienstedatenschutzgesetz sowie das Signaturgesetz. Parallel zum IuKDG trat am 1.8.1997 der Staatsvertrag über Mediendienste in Kraft, der gleichzeitig den Btx-Staatsvertrag außer Kraft setzte.
Mit dem Gesetzen verbinden sich eine Menge guter Absichten: die Nutzung von Multimedia sollte auf eine verläßliche rechtliche Grundlage gestellt und Investitionssicherheit geschaffen werden. Daten sollen besser als bisher geschützt werden, der Schutz von Verbrauchern, Kindern und Jugendlichen verbessert und rechtswidrige Inhalte verhindert werden.51 Zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen gehören die uneingeschränkte Zugangsfreiheit, die klare Bestimmung der Verantwortlichkeit für Inhalte, die Sicherung der informationellen Selbstbestimmung des Nutzers, der effektive Schutz vor Mißbrauch der neuen Dienste, das Ermöglichen von Innovationen durch digitale Signaturen und der Datenschutz.52
Um die Interessen sowohl von Bund als auch Ländern zu befriedigen, verständigte man sich auf den Begriff der “Allgemeinheit”, um die Kompetenzen zu trennen. Informations- und Kommunikationsdienste, die an die Allgemeinheit gerichtet sind, seien Mediendienste. Damit unterliegen sie den Vorschriften des Mediendienste- Staatsvertrages (MDStV).
Teledienste hingegen seien Angebote, die sich individuell an den Einzelnen richten, nicht einer beliebigen Öffentlichkeit zugänglich bzw. keinen publizistischen Charakter haben. Ihre Bestimmung liegt in der individuellen, autonomen Nutzung von Inhalten. Damit unterliegen Teledienste dem Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz (IuKDG). Die Definition des Mediums und damit des Zuständigkeitsbereichs zieht jedoch unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich.53
Die inhaltliche Definition des Gesetzgebers bezieht sich auf vielfältigste Formen von Individualkommunikation, z.B. Telebanking, Telearbeit oder Videokonferenzen. In der Praxis ergeben sich aber vielfältige Überschneidungen innerhalb ein und desselben Dienstes. Die gefundenen inhaltlichen Begriffe leisten nicht das, was sie sollen: klare Abgrenzungen der Kommunikationsbereiche, um eindeutige Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern festlegen zu können. Einige Stimmen in der Literatur bezeichnen die vorgenommene Abgrenzung gar als “hilflos und verunglückt”.54
Die Trennung in Medien- und Teledienste ist rein theoretischer Natur und schon anhand der Unterscheidungskriterien nicht trennscharf. Spätestens mit der Auflistung der “Informations- und Kommunikationsdienste” nach § 2 TDG wird die Realitätsferne deutlich. Die dort aufgeführte “Individualkommunikation” etwa ist entscheidendes Merkmal aller neuen Kommunikationsdienste der neuen Medien im Gegensatz zu den traditionellen Medien wie Fernsehen und Rundfunk, wo die Übermittlung von Daten, also die Massenkommunikation im Vordergrund steht.
Am Beispiel von Newsgroups läßt sich dies deutlich machen. Obwohl eine Newsgroup durchaus als “elektronischer Informations- und Kommunikationsdienst, für eine individuelle Nutzung von kombinierbaren Daten” subsumiert werden könnte (also unter § 2 TDG fällt), könnte man eine Newsgroup auch als “Verteildienst” nach § 2 II des Mediendienste-Staatsvertrages ansehen.
Der Teledienst E-Mail steht dem klassischen Begriff der “Individualkommunikation” noch am nächsten, allerdings nur so lange Texte, Bilder etc. direkt von einem Absender zu einem Empfänger übermittelt werden. Sobald per E-Mail Mitteilungen über Mailinglisten bzw. Verteillisten an mehrere Empfänger verschickt werden, wird der Teledienst E-Mail seiner Funktion nach zum Abrufdienst, bei dem Text-, Ton- oder Bilddarbietungen auf Anforderung aus elektronischen Speichern zur Nutzung übermittelt werden, beziehungsweise Verteildienst in Form von direkten Angeboten an die Öffentlichkeit. Die E-Mail fungiert dann als Mediendienst, welcher dem Mediendienste-Staatsvertrag der Länder unterliegt.
Im folgenden sollen kurz die wichtigsten, im Zusammenhang mit der Meinungsund Kunstfreiheit stehenden Bestimmungen umrissen werden.
Artikel 1 IuKDG stellt das neue Teledienstegesetz dar und bestimmt die grundsätzlichen rechtlichen Rahmenbedingungen der neuen Mediendienste. Das TDG enthält Bestimmungen zur Verantwortlichkeit der Anbieter und regelt die Zugangsfreiheit zu den Telediensten.55 Vor allem der liberale Ansatz der grundsätzlichen Gewerbe- und Zulassungsfreiheit wurde allgemein begrüßt: Jeder kann ohne Zulassung elektronische Informations- und Kommunikationsdienste anbieten. Diese Regelung geschah mit der Intention, die Trennung zu dem Zulassungs- und Lizenzsystem des Rundfunks deutlich zu machen.56
Der strittige Punkt der Providerverantwortlichkeit wurde, wenn auch nicht zur Zufriedenheit aller, gelöst. Grundsätzlich sind Online-Dienste nur für von ihnen erstellte Serviceleistungen verantwortlich, nicht aber für fremde Inhalte im weltweiten Internet, zu dem sie nur den Zugang vermitteln. Erlangen sie jedoch Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten, so müssen sie diese sperren oder löschen, soweit es “technisch möglich und für sie zumutbar ist” (§ 5 TDG). Eine genauere Definition dessen, was “möglich und zumutbar” ist konnte aufgrund der schnell fortschreitenden Entwicklung nicht abschließend geregelt werden. Dies muß im Zuge der Anwendung des TDG von Verwaltung und Rechtsprechung unter Würdigung des Einzelfalls jeweils kokretisiert werden.57
Artikel 4, 5 und 6 IuKDG führten den erweiterten Schriftenbegriff im Strafgesetzbuch, im Ordnungswidrigkeitengesetz sowie dem GjS58 ein. Auf diese Weise können rechtswidrige Inhalte auch auf Datenträgern, beispielsweise Magnetbändern, Festplatten, CD-ROMs, und in elektronischen Arbeitsspeichern geahndet werden. Alle Straftatbestände, die eine Schrift als Begehungsform voraussetzen, gelten nun auch für Inhalte, die über Datennetze verbreitet werden.59 Dazu gehören beispielsweise die Volksverhetzung (§130 StGB), Gewaltdarstellung (§131 StGB), Verbreitung pornographischer Schriften (§184 StGB), Öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§111 StGB), grob anstößige und belästigende Handlungen (§119 OWiG), Verbot der Werbung für Prostitution (§ 120 OWiG).
5. Zusammenfassung zum TDG und MDStV
Wie aus der vorangegangenen kurzen Darstellung einiger Regelungspunkte hervorgeht, bedarf die Feststellung des jeweiligen Maßstabes umfangreicher juristischer Überlegungen und Abwägungen. Selbst dann gelangt man nicht zu einer allgemeingültigen Ansicht. Andererseits erfordert das Internet
Rechtssicherheit. Dementsprechend ist der Versuch an sich, mit den Multimediagesetzen klare Regelungen zu schaffen begrüßenswert. Unumgänglich ist auch die Formulierung der Normen und deren Abgrenzung mit Hilfe von offenen Rechtsbegriffen. Wie kein anderes Medium unterliegt das Internet einer ständigen Veränderung und Entwicklung. Starre und technisch fixierte Kriterien wären deshalb zu schnell überholt.60 Unbestritten führen die verwendeten Begriffe auch zu Unklarheiten, die durch die ständige Rechtsprechung geklärt und der technischen Entwicklung angepasst werden müssen. In Bereichen die einer ständigen Veränderung unterliegen, sind unbestimmte Rechtsbegriffe in den eingehaltenen Grenzen jedoch zulässig und auch verfassungsrechtlich unbedenklich.61
III. Chancen internationaler Regelungen
Wie auch der Fall CompuServe gezeigt hat, als durch die von Deutschland erwirkte Sperrung einer Vielzahl von Newsgroups alle Kunden weltweit betroffen waren, sind nationale Alleingänge in jedem Fall äußerst problematisch und in ihrer Wirksamkeit stark limitiert.
Solange von Land zu Land unterschiedliche Regelungen herrschen, verlagern sich die Anbieter von rechtlich bedenklichen Inhalten in Länder, deren Gesetze ihnen günstiger sind als das deutsche Recht.62 Aktuell werden z.B. strafbare Inhalte wie etwa Anleitungen zum Bombenbauen von Rechtsextremisten über Provider solcher Länder ins Netz gestellt, in denen derartige Inhalte als freie Meinungsäußerung gelten.63 Eine sinnvolle, wirkungsvolle Regulierung des Internets kann daher nicht ausschließlich auf nationaler Ebene erfolgen.64
Natürlich hat jede Nation ihre Besonderheiten, was die Toleranz gegenüber Inhalten im Internet angeht. Etwas überspitzt könnte man sagen: “Was den arabischen Moslem oder den irischen Bauern schockiert, hält der deutsche Jugendliche für seichte Nachmittagsunterhaltung.”65 Beharrt deshalb jeder Staat auf der alleinigen Verbindlichkeit seiner Wertentscheidung, ist nahezu jede Handlung im Internet nach mindestens einer Rechtsordnung verboten.66 Internationaler Konsens ist erst ab einer gewissen Schwelle denkbar. Prinzipiell gilt jedoch: Je härter die Inhalte sind, um so wahrscheinlicher ist, daß sich über internationale Standards ein Konsens erzielen läßt. Bereits heute existieren verschiedene Abkommen, die sich erstaunlicherweise auch auf Veröffentlichungen im Internet problemlos anwenden lassen:67
⇒ Bereits aus dem Jahr 1910 stammt das “Abkommen zur Bekämpfung der Verbreitung unzüchtiger Veröffentlichungen”. Das Abkommen verpflichtet die Vertragsstaaten, gegen solche Veröffentlichungen einzuschreiten und einander bei der Verfolgung zu unterstützen.
⇒ Eine Konvention aus dem Jahre 1948 verpflichtet die Vertragsstaaten die “unmittelbare und öffentliche Anreizung zum Völkermord” unter Strafe zu stellen.
⇒ Das internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung aus dem Jahre 1926 verbietet rassendiskriminierende Taten und Äußerungen.
⇒ Der Menschenrechtspakt aus dem Jahr 1966 schützt die Menschenrechte und verbietet Kriegspropaganda.
Im Bereich der schwerwiegenden, in Deutschland rechtswidrigen, Inhalte des Internet bestehen also bereits heute umfassende internationale Abkommen. Ein koordiniertes Vorgehen möglichst vieler Länder könnte die Wirksamkeit der Kriminalitätsbekämpfung im Internet erheblich steigern. Der Rückzug in günstigere Rechtssysteme wäre hiermit erheblich eingeschränkt. Nur in einem Fünftel der bekannt gewordenen Fälle strafbarer Inhalte im Netz können derzeit die Betreiber überhaupt identifiziert werden.68 Mittels konsequenter Zusammenarbeit ließe sich diese Quote erheblich steigern. Langfristig sind
Grenzen für die Meinungs- und Kunstfreiheit im Internet nur dann durchsetzbar, wenn territoriale Grenzen nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden können. Eine solche internationale Koordination und Zusammenarbeit lässt sich jedoch nicht kurzfristig erreichen.
IV. Praxisnahe Möglichkeiten zum Schutz vor unerwünschten Inhalten
Um schnelle Abhilfe zur Verhinderung rechtswidriger und unerwünschter Inhalte zu schaffen, ist daher an eine Selbstkontrolle der Beteiligten zu denken.69 Denkbar wäre die großflächige Einführung einer freiwilligen Selbstkontrolle, ähnlich wie in der Filmwirtschaft. In Deutschland erfolgt seit dem 1.8.1997 eine Inhaltsprüfung durch die “ Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia Diensteanbieter e.V.” (FSM). Gegründet würde der Verein von 13 Unternehmen und Unternehmensverbänden. Mitglieder sind u.a. die Deutsche Telekom, Microsoft- Network und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger.70 Die Satzung des FSM sieht vor, daß Beschwerden über Internetinhalte über ein Formular im Internet bei einem Beschwerdeausschuß erhoben werden können. Stellt der Beschwerdeausschuß fest, daß der Inhalt nicht dem vereinbarten Verhaltenskodex entspricht, kann der Ausschuß den Mitgliedern des FSM Hinweise, Mißbilligungen oder Rügen erteilen. Rügen sind für einen Monat im Angebot des Gerügten zu veröffentlichen.71 Der Anreiz aller Service Provider ist, daß sie damit um Seriosität werben.
Dieses Interesse an Seriosität ist aber keineswegs überall vorhanden und greift nur im kommerziellen Bereich. Weiterhin konnten sich die Teilnehmer an der FSM nur insoweit einigen, daß bestimmte Inhalte, die ohnehin schon im StGB unter Starfe gestellt sind, als unzulässig erachtet werden. Nicht erfaßt sind dagegen andere offensichtlich schwer jugendgefährdende oder menschenverachtende Veröffentlichungen. Deshalb und aufgrund der noch geringen Teilnehmerzahl kann dieses Mittel für sich genommen noch nicht ausreichen.72 Mitlerweile sind der FSM etwa 370 deutsche Unternehmen beigetreten. Die FSM hat 1999 den europäischen Dachverband INHOPE gegründet. Dies dient dem Ziel, ein internationales Netz von freiwilligen Selbstkontrollen aufzubauen.73
Wie oben deutlich wurde lassen sich sowohl internationale Vereinbarungen als auch freiwillige Beschränkungen der Anbieter nur für besonders verwerfliche Inhalte erzielen. Besondere nationale, religiöse oder persönliche Moralvorstellungen können hierbei nicht hinreichend berücksichtigt werden. Von öffentlicher Seite kann, realistisch betrachtet, daher nur ein Mindeststandard gewährleistet werden.
Glücklicherweise gibt es technische Mittel, die es erlauben, die unterschiedlichen moralischen Vorstellungen nicht nur in den verschiedenen einzelstaatlichen Rechtssystemen, sondern auch im persönlichen Urteil der Benutzer zu berücksichtigen. Damit lassen sich zwei Ziele zugleich verfolgen: die Meinungsund Kunstfreiheit, sowie die Achtung persönlicher Wünsche.
Unter dem Druck der Öffentlichkeit wurden in den letzten Jahren ständig Filtersysteme entwickelt und verbessert, mit denen Eltern den Zugang ihrer Kinder zu bestimmten Internet-Inhalten kontrollieren können. Die Zensur findet nicht an der Quelle statt (Verhinderung der Veröffentlichung illegalen Materials), sondern beim Nutzer (Verhinderung des Zugangs Minderjähriger zu schädigendem Material). Das Filtermodell, das auf die Initiative und Verantwortung der Eltern und nicht auf den Staat setzt, ist deshalb besonders geeignet, weil es bestimmte Probleme des Internets am wirksamsten löst und sich an unterschiedliche Normen von Moral und Anstand anpaßt. Es ist ein pragmatisches, kein rechtliches Instrument gegen die Verbreitung schädigender Inhalte über das Internet. Eine staatliche Regelung, die persönlichen Wünschen in einem ähnlichen Maße genügt, bleibt auch in Zukunft undenkbar.
Filtersoftware arbeitet grundsätzlich nach drei wesentlichen Verfahren: Zum einen mit Negativlisten (alle darin verzeichneten Sites sind gesperrt), zum anderen mit Positivlisten (nur die darin verzeichneten Sites sind zugänglich) und schließlich kommen auch Systeme mit neutraler Kennzeichnung zur Anwendung, bei der die Sites vom Benutzer nach eigenem Ermessen eingestuft werden können.74
Das Negativlisten-Verfahren ist bei autonomen Filtersystemen der ersten Generation wie Cyber Patrol weit verbreitet. Das bereits 1995 vorgestellte System Cyber Patrol arbeitet mit Internet-Zugangsanbietern und kommerziellen Online- Diensten zusammen. Seine Ausschlußliste enthält rund mehrere Tausend Sites, die in Kategorien eingestuft sind (Gewalt/Verletzung des religiösen Empfindens, Nacktdarstellungen, Darstellung sexueller Handlungen, vulgäre Darstellungen, Rassismus/Beleidigung ethnischer Gruppen, satanische/sonstige Kulte, Drogen, Extremismus, Glücksspiel, Fragwürdiges, Illegales, Alkohol/Tabak).75 Es kann der Zugang zu einer beliebigen Zahl dieser Kategorien gesperrt werden, indem die entsprechenden Checkboxen der Einstellungsoptionen markiert werden. Weiterhin können diese Listen teilweise durch manuelle Angaben zusätzlich ergänzt werden und bestimmte WWW Seiten gezielt gesperrt werden.76
Das Positivlisten-Verfahren beruht auf dem umgekehrten Prinzip. Eine Positivlisten-Software sperrt alle Internet-Inhalte mit Ausnahme derer, die in einer Liste zulässiger Inhalte verzeichnet sind. Entsprechende Listen sind im Lieferumfang enthalten und können laufend ergänzt werden.77 Dieses Verfahren wirkt stark einschränkend und läuft der Logik des Internets zuwider. Es ist aber sehr sicher und kommt z.B. an Schulen zum Einsatz.
Daneben existiert die “Platform for Internet Content Selection” (PICS), ein System zur neutralen Kennzeichnung und Filterung von Internet-Inhalten, das als Industriestandard favorisiert wird. Es unterscheidet sich wesentlich von der Filtersoftware der ersten Generation. Bei ihm sind die Funktionen “Einstufung der Sites” und “Filterung” getrennt. Das ermöglicht ein hohes Maß an Flexibilität und Zuverlässigkeit und macht PICS ohne Zweifel zur umfassendsten und innovativsten Lösung des Problems.78 Die Programme “SafeSurf” und “RSACi” basieren auf dieser Technik.79
Anders als die Filtersoftware der ersten Generation, die mit Stichwörtern und Ausschlußlisten arbeitet, arbeitet PICS nach dem Verfahren der neutralen Kennzeichnung und kann alle Sites filtern, die eine Internet-Adresse (URL) haben. PICS versieht die einzelnen Sites mit wertneutralen “Etiketten”. Diese Labels können Information verschiedener Art tragen: Bewertungen (z.B. nach Sprache, Nacktdarstellungen, Inhalt, Gewalt) oder mit Verweisen auf Inhalte entsprechend ihrem Interesse für bestimmte Benutzerkreise. Eine Website ist, je nach Benutzereinstellung, nur zugänglich, wenn sie erstens eine PICS-Kennzeichnung trägt und sich zweitens im Rahmen der (z.B. vom Erziehungsberechtigten) gesetzten Filteroptionen bleibt. Bewertungen können auch von den Inhaltsanbietern selbst vorgenommen werden (etwa von Unterhaltungsanbietern, die familienorientierte Web-Sites betreiben) oder auch durch Dritte wie zum Beispiel Jugendschutzorganisationen. Jede Familie entscheidet selbst, welches Bewertungssystem sie wie verwendet und kann durch Setzen von Parametern bestimmen, was zugelassen und was gesperrt wird. Da gegenwärtig der überwiegende Teil der Informationen des Internets noch nicht mit entsprechenden Labels versehen ist, würde eine generelle Sperrung aller nicht gelabelten Inhalte das Informationsangebot auf ein Minimum reduzieren80. Dies stellt momentan noch einen Nachteil dar. Sofern sich das System als Standard durchsetzen kann, wird dieses Problem jedoch mit der Zeit verschwinden.
Anders als die Softwaresysteme, die mit Wortsperrlisten arbeiten, können PICSkompatible Systeme das Inhaltsangebot individuell nach den Vorstellungen der jeweiligen Familie und Kultur filtern.
Seit Erscheinen der ersten Prototypen, die mit Stichwörtern arbeiten und deshalb nicht zwischen Pornographie und Medizin unterscheiden können, hat sich die Filtersoftware wesentlich verbessert. Sie kann allerdings noch keine unerwünschten Bilder erkennen, wenn sie nicht von eindeutigem Text begleitet werden.81 Bewertungsstellen können aber Sites nach ihrem visuellen Inhalt bewerten und sie damit der PICS-Filterung zugänglich machen. Dies ist ein weiteres gewichtiges Argument für das Rating-System.
Beim Benutzer zu installierende Filtersoftware der beschriebenen Art ermöglicht es den Eltern, ihre Kinder vor unerwünschten Inhalten zu schützen. Sie ist ein flexibles Mittel, das anders als viele staatliche Maßnahmen- nicht übermäßig in die Meinungs- und Kunstfreiheit eingreifen muß, um den Jugendschutz zu gewährleisten.82
Gegner des Filtermodells verweisen auf zwei wesentliche Gefahren: Zum einen ist unerwünschtes Material über ungeschützte Rechner (z.B. bei Freunden) nach wie vor zugänglich. Zum anderen besteht heute die Gefahr, daß die computertechnisch versierten Kinder in der Lage sein können die Sperren zu umgehen, eventuell sogar ohne daß es die Eltern bemerken. Natürlich bemühen sich auf der anderen Seite die Hersteller laufend, ihre Programme gegen solche Umgehungsversuche zu sichern.
Abschließend bleibt festzustellen, daß eine hundertprozentige Sicherheit wohl unerreichbar bleiben wird. Zwar bieten die Filtersysteme einen gewissen Schutz, eine Erziehung zum mündigen Bürger in einer digitalen Gesellschaft findet so jedoch nicht statt. Deshalb ist es Sache der Behörden, Schulen und Erziehungsberechtigten, eine wirksame Aufklärung über den Umgang mit dem neuen Medium zu vermitteln. Vorzensursysteme für Kinder und Jugendliche können die Diskussion mit ihnen nicht ersetzen. Sinnvollerweise sollten hierbei nicht nur die Gefahren, sondern vor allem der richtige Umgang mit dem Internet ein Schwerpunktthema sein. Daher sollte neben der Frage, wie mit schädlichen Informationen zu verfahren ist, vor allem auch vermittelt werden, wie positive und geeignete Inhalte auffindbar sind.83
F. Schlussbemerkung
Der Schutz vor schädigenden und rechtswidrigen Inhalten im Internet gewinnt mit der schnell wachsenden Rolle dieses Mediums im täglichen Leben an Bedeutung. Mögliche Maßnahmen, die im Interesse der Verhinderung von Mißbrauch Nutzungseinschränkungen bewirken, müssen immer auch sorgfältig gegen die hierdurch betroffenen Grundrechte abgewägt werden.
Ferner ist immer auch zu beachten, daß wirkungsvolle Maßnahmen im internationalen Computernetzwerk wohl nur durch internationale Zusammenarbeit und gemeinsame Aktionen zu verwirklichen sind.
Neben staatlichen Maßnahmen, die gerade auf der wirksamen, internationalen Ebene nur einen Mindeststandard verwirklichen können, sind weiterhin flankierende Mittel notwendig. Hier ist die Eigeninitiative von Wirtschaft und Verbrauchern gefragt. Neben dem Ausbau einer freiwilligen Selbstkontrolle der Anbieter spielen auch die Schulen und Eltern eine wichtige Rolle. Ergänzend zum präventiven Einsatz von Filterprogrammen sollte vor allem die Aufklärung über eine sinnvolle Nutzung des Internet im Vordergrund stehen. Es muß außerdem klar sein, daß Filterprogramme weder eine absolute Sicherheit bieten können, noch eine Dauerlösung sind. Langfristiges Ziel dieser Erziehungsmaßnahmen muß daher die Anleitung zum eigenverantwortlichen und sinnvollen Umgang mit dem Internet sein.
Durch eine Kombination dieser Mittel kann in Zukunft, ein unkontrolliertes, schädigendes Ausufern von Meinungsäußerungen und Kunstfreiheiten verhindert werden, ohne dabei die Regeln der Verhältnismäßigkeit zu verletzen.
[...]
1 Mecklenburg, ZUM 1997, 525 (531).
2 Engel, DRiZ 409 (409).
3 Pieroth/Schlink, Rn.557.
4 BVerfGE 42, 163 (171).
5 Pieroth/Schlink, Rn.554/555.
6 Pieroth/Schlink, Rn.559.
7 BVerfGE 82, S.43 ff.
8 Pieroth/Schlink, Rn.596.
9 Pieroth/Schlink, Rn.588.
10 Pieroth/Schlink, Rn.601.
11 BVerfGE 30, 336 (348,354).
12 BVerwG, NJW 1972, 598.
13 Pieroth/Schlink, Rn.613.
14 Pieroth/Schlink, Rn.611.
15 Pieroth/Schlink, Rn.631.
16 Pieroth/Schlink, S.145.
17 Grote, KritV 1999, 27 (43).
18 Mecklenburg, ZUM 1997, 525 (527).
19 Grote, KritV 1999, 27 (42).
20 Grote, KritV 1999, 27 (45).
21 Wöbke, CR 1997, 316 (316).
22 Strömer, Moderne Pranger.
23 Strömer, Moderne Pranger.
24 BVerfGE 30, 336 (348,354).
25 BVerwG, NJW 1972, 598.
26 Wöbke, CR 1997, 316 (316).
27 Schröder, Freie Meinungsäußerung, S. 139.
28 Schröder, Freie Meinungsäußerung, S. 141.
29 Wöbke, CR 1997, 316 (316).
30 Wöbke, CR 1997, 316 (318).
31 Wöbke, CR 1997, 316 (318).
32 Schröder, Freie Meinungsäußerung, S.142.
33 Schröder, Freie Meinungsäußerung, S.146. Sieber, Kontrollmöglichkeiten, 581 (588).
34 Sieber, Verantwortlichkeit, Rn.193.
35 Straftat nach § 184 StGB, nach § 6 StGB gilt das deutsche Strafrecht in diesem Fall unabhängig vom Recht des Tatortes auch für Taten, die im Ausland begangen wurden
36 Beisteiner, Verantwortlichkeit, S. 15.
37 Engel, DRiZ 409 (412).
38 Engel, DRiZ 409 (412).
39 Sieber, Verantwortlichkeit, Rn.196.
40 Lohse, Verantwortung, S. 164.
41 Sieber, Verantwortlichkeit, Rn.106.
42 Engel, DRiZ 409 (412). FAZ 30.12.1995.
43 CompuServe, MMR, 429 (447).
44 Sieber, Verantwortlichkeit, Rn.543. Sieber, Kontrollmöglichkeiten, 581 (588).
45 Engel, DRiZ 1997, 409 (411).
46 Sieber, Kontrollmöglichkeiten, 581 (582).
47 Beisteiner, Verantwortlichkeit, S. 15
48 Sieber, Verantwortlichkeit, Rn.217.
49 Schröder, Freie Meinungsäußerung, S.147.
50 Sieber, Verantwortlichkeit, Rn.218.
51 Schröder, Freie Meinungsäußerung, S. 147.
52 Schröder, Freie Meinungsäußerung, S. 165ff..
53 Lohse, Verantwortlichkeit, S.172.
54 Pichler, MMR 1998, 79 (80).
55 Schröder, Freie Meinungsäußerung, S. 155.
56 Schröder, Freie Meinungsäußerung, S. 155.
57 Schröder, Freie Meinungsäußerung, S.157.
58 Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdenter Schriften und Medieninhalte.
59 Schröder, Freie Meinungsäußerung, S.161ff..
60 Lohse, Verantwortung, S.260.
61 BVerfGE 8, 274 (326) Lohse, Verantwortung, S.260.
62 Engel, DRiZ 409 (411).
63 Berliner Morgenpost vom 17.01.2000.
64 Schröder, Freie Meinungsäußerung, S. 197.
65 Engel, DRiZ 409 (411).
66 Lohse, Verantwortlichkeit, S. 226.
67 Engel, DRiZ 409 (416).
68 Berliner Morgenpost, 17.1.2000.
69 Lohse, Verantwortung, S.263.
70 Lohse, Verantwortung, S.264. www.fsm.de.
71 Lohse, Verantwortung, 264.
72 Hoeren, NJW 1998, 2846 (2852).
73 www.fsm.de.
74 Sieber, Verantwortlichkeit, Rn.553.
75 www.cyberpatrol.com.
76 Sieber, Verantwortlichkeit, Rn.554.
77 Sieber, Verantwortlichkeit, Rn.554.
78 Bleisteiner, Verantwortlichkeit, S.43.
79 Sieber, Verantwortlichkeit, Rn.555.
80 Sieber, Verantwortlichkeit, Rn.555.
81 Sieber, Verantwortlichkeit, Rn.107.
82 Grote, KritV 1999, S.47.
83 Sieber, Verantwortlichkeit, Rn.568.
- Quote paper
- Bernd Schlor (Author), 2001, Grenzen der Meinungs- und Kunstfreiheit im Internet, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104924
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