Gliederung
1. Einleitung
2. Festlegungen zu den Kriterien der Leistungserfassung technisch-taktischer Handlungen
2.1. Komplex I - Abwehrreaktionen (Ballabnahmen bzw. -versuche)
2.2. Komplex II - Den Angriffsabschluss vorbereitende technisch-taktische Handlungen
2.2.1. Zuspiele
2.2.2. Zuspiele zum Torschuss
2.2.3. Ballannahme(fehler)
2.2.4. Dribbling
2.3. Komplex III - Torschüsse und Tore (Angriffsabschlusshandlungen)
3. Protokolle
3.1. Protokoll zur Leistungserfassung technisch-taktischer Handlungen
3.2. Zusatzprotokoll Spielhandlungen
3.3. Zusatzprotokoll Sonstiges
4. Auswertung
4.1. Art, Anzahl und Schwierigkeitsgrad der Handlungen
4.2. Qualität der Handlungen
4.3. Seitigkeit
5. Interpretation der Ergebnisse
1. Einleitung
Lothar Matthäus hat als Fußballspieler fast alles erreicht, was man in diesem Sport erreichen kann. Vor kurzem feierte er seinen 40. Geburtstag und hat mittlerweile seine aktive Laufbahn beendet. In seiner 20-jährigen Karriere hat er es aufgrund seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten geschafft, zu einem der bekanntesten Fußballer der Welt zu werden. Ohne Zweifel war der Gewinn der Weltmeisterschaft 1990 der Gipfel seiner Karriere und der Titel Weltfußballer des Jahres kam denn auch folgerichtig. Die WM und die Zeit bei Inter Mailand formten Lothar Matthäus zu einer wirklichen Leitfigur im deutschen Fußball, auch wenn er sich häufig abseits des Platzes im Glamour- und Boulevarddschungel sogenannte Nebenkriegsschauplätze gönnte. Zeit seiner Laufbahn fiel Matthäus nicht selten durch sein oft lockeres Mundwerk auf und wurde seinen Ruf als Enfant terrible nie wirklich los. Ähnlich wie sein erklärtes Vorbild und Gönner Franz Beckenbauer, gelang auch ihm der „Absprung“ vom aktiven Fußballerleben nur sehr schwer, was ihm den Spitznamen „ewiger Lothar“ einbrachte.
Als Neunjähriger begann Lothar Matthäus beim FC Herzogenaurach mit dem Fußballspielen und schaffte schließlich auch den Sprung in die A-Jugendnationalmannschaft, in der er 1979 neun Länderspiele absolvierte. 1979 wechselte er zu Borussia Mönchengladbach, wo er sofort Stammspieler wurde. Am Ende seiner ersten Bundesligasaison gehörte er mit 19 Jahren sogar zum Aufgebot bei der Europameisterschaft 1980 in Italien. Dort feierte er gegen Holland sein Länderspieldebüt. Dem kometenhaften Aufstieg folgte jedoch ein deutlicher Leistungsknick und es wurde auf sportlichem Gebiet wieder still um Lothar Matthäus. Er kehrte erst Ende 1981 in die Nationalmannschaft zurück.
Wieder aufwärts mit seiner Karriere ging es 1984, nach seinem über zwei Millionen Mark teuren Wechsel zu Bayern München. Mit seinem neuen Klub wurde er gleich Deutscher Meister und wiederholte diesen Erfolg in den beiden folgenden Jahren. Bei der Weltmeisterschaft in Mexiko gelang Lothar Matthäus schließlich auch der internationale Durchbruch. Die folgende Spielzeit verlief für ihn allerdings enttäuschend. Er verletzte sich und geriet wegen nachlassender Leistungen immer stärker in die Kritik. Doch wie bereits bei früheren Wechseln, brachte im Frühjahr 1988 der Transfer zu Inter Mailand eine enorme Leistungssteigerung für Lothar Matthäus. Durch gute Spiele bei der Europameisterschaft und seine neue Rolle als Nationalmannschaftskapitän psychisch gestärkt, reifte Lothar Matthäus zu einem Spieler der absoluten Extraklasse. Der Gewinn des WM-Titels 1990 machte ihn zum meistgefeierten Spieler Italiens.
Im April 1992 zog sich Lothar Matthäus einen Kreuzbandriss zu, der sogar den Fortgang seiner Karriere in Frage stellte. Nach der erfolgreichen Operation startete er sein Comeback nicht bei Inter, sondern bei seinem alten Klub FC Bayern München, zu dem er im August 1992 zurückkehrte und mit dem er bis zum Jahr 2000 weitere große Erfolge feierte. 1995 überwarf sich Lothar Matthäus mit Bundestrainer Berti Vogts und beendete offiziell seine Nationalmannschaftskarriere. 1998 allerdings, wurde er für die Weltmeisterschaft reaktiviert und kam dort zu sporadischen Einsätzen. Sein letztes und 150. Länderspiel absolvierte Matthäus dann bei der Europameisterschaft 2000 in jener denkwürdigen Begegnung mit Portugal (0:3)
Während dieser Zeit spielte Matthäus schon in New York bei den Metrostars und ließ dort Ende 2000 seine Karriere ausklingen. Damit hat Lothar Matthäus 20 Jahre auf höchstem Niveau gespielt. Ein Beweis für seine außerordentlichen Fähigkeiten.
Im Folgenden sollen diese deshalb etwas eingehender untersucht werden. Es geht hierbei um die Analyse seiner technisch-taktischen Handlungen in einem ausgewählten Spiel. Hier handelt es sich um das Spiel Deutschland gegen Jugoslawien bei der Fußballweltmeisterschaft 1998 in Lens. Die Analyse von Matthäus`Spielhandlungen erfolgt unter dem speziellen Aspekt der Seitigkeit.
In diesem Spiel kam Lothar Matthäus erst in der zweiten Halbzeit zum Einsatz. Er nahm dann eine Rolle im rechten Mittelfeld ein und wurde ab der 80. Minute in die Abwehr beordert. Das ohnehin grundlegende Protokoll zur Leistungserfassung technisch-taktischer Handlungen habe ich um zwei Weitere ergänzt, die mir zur besseren Interpretation nützlich erschienen. Im ersten Protokoll versehe ich die Einträge jeweils mit einem „l“ oder einem „r“ - gleichbedeutend mit links und rechts. In einigen wenigen Fällen taucht situationsbedingt ein „k“ für Kopf auf.
Nachfolgend sind die Kriterien der Leistungserfassung dargestellt.
2. Festlegungen zu den Kriterien der Leistungserfassung technisch-taktischer Handlungen
2.1. Komplex I - Abwehrreaktionen (Ballabnahmen bzw. -versuche)
Er wird in drei Stufen unterteilt, die den Erfolgs- bzw. den Misserfolgsgrad der Ballabnahme wiederspiegeln:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.2. Komplex II - Den Angriffsabschluss vorbereitende technisch-taktische Handlungen
Dazu gehören: Zuspiele, Zuspiele zum Torschuss, Dribblings und die Ballannahme. Die Handlungen hier werden erfasst und unterteilt nach 2 und 3 Schwierigkeitsgraden in ihrer Ausführung, wobei die Stellung bzw. das Verhalten des Gegners die Kriterien sind.
2.2.1. Zuspiele
Die Erfassung setzt in dem Moment ein, wenn die beobachtete Mannschaft eindeutig die Absicht erkennen lässt, einen Angriff vorzutragen und der Gegner gleichzeitig Anstrengungen macht, den Ball zu erkämpfen. Zuspiele innerhalb von Standardsituationen werden nicht erfasst.
Schwierigkeitsgrad 1
Kurze oder mittlere Zuspiele auf den Mitspieler und in den Raum ohne unmittelbare Bedrängung durch gegnerische Spieler, wenn sich zwischen dem Ballbesitzer und dessen Mitspieler kein Gegenspieler befindet.
Positive Wertung = Das Zuspiel erreicht den Mitspieler
Negative Wertung = Das Zuspiel erreicht den Mitspieler nicht
Schwierigkeitsgrad 2
Lange Zuspiele über 20 Meter auf den Mitspieler und in den Raum ohne unmittelbare gegnerische Bedrängung, wenn sich zwischen dem Ballbesitzer und dem Mitspieler kein Gegner befindet.
Kurze und mittlere auf den Mitspieler und in den Raum, wenn sich zwischen Ballbesitzer und Mitspielern Gegenspieler befinden bzw. wenn sich Gegenspieler in unmittelbarer Nähe befinden.
Positive Wertung = Das Zuspiel erreicht den Mitspieler
Negative Wertung = Das Zuspiel erreicht den Mitspieler nicht
Schwierigkeitsgrad 3
Kurze, mittlere und lange Zuspiele auf den Mitspieler und in den Raum, wenn der Ballbesitzer durch körperlichen Angriff eines Gegners behindert wird.
Positive Wertung = Das Zuspiel erreicht den Mitspieler
Negative Wertung = Das Zuspiel erreicht den Mitspieler nicht
2.2.2. Zuspiele zum Torschuss
Dies sind solche Zuspiele, nach denen ein Mitspieler sofort einen Torschuss anbringt oder anbringen kann. Dazu zählen auch flache, halbhohe oder hohe Eingaben, die aus der Spielsituation heraus sichtbar einen Mitspieler erreichen oder erreichen sollen.
Positive Wertung = Das Zuspiel wird vom Mitspieler erreicht oder war erreichbar
Negative Wertung = Das Zuspiel ist für den Mitspieler völlig unerreichbar
Die Wertung gilt als Zuspielkategorie vom Typ vier. Also höherwertig als Zuspiele vom Schwierigkeitsgrad vier.
2.2.3. Ballannahme(fehler)
Hier werden nur die negativen technisch-taktischen Handlungen erfasst.
Schwierigkeitsgrad 1
Durch misslungene Ballannahme ohne Behinderung durch einen körperlichen Angriffs durch einen Gegenspieler kommt der Gegner wieder in Ballbesitz.
Schwierigkeitsgrad 3
Durch misslungene Ballannahme bei Behinderung durch einen körperlichen Angriff durch einen Gegenspieler kommt der Gegner in Ballbesitz
2.2.4. Dribbling
Die Ballführung ohne unmittelbare Gegnereinwirkung wird hierbei nicht erfasst.
Schwierigkeitsgrad 2
Dribbling unter unmittelbarer gegnerischer Bedrängung (Gegner kann in diesem Moment in Ballbesitz gelangen) ohne die Absicht , einen oder mehrere gegnerische Spieler zu umspielen.
Positive Wertung = Der Spieler der beobachteten Mannschaft bleibt in Ballbesitz
Negative Wertung = Der Spieler der beobachteten Mannschaft verliert den Ball an einen
Gegenspieler
Schwierigkeitsgrad 3
Dribbling unter unmittelbarer gegnerischer Bedrängung (Gegner kann in diesem Moment in Ballbesitz gelangen) mit der Absicht , einen oder mehrere gegnerische Spieler zu umspielen.
Positive Wertung = Der Spieler der beobachteten Mannschaft bleibt in Ballbesitz
Negative Wertung = Der Spieler der beobachteten Mannschaft verliert den Ball an einen Gegenspieler
2.3. Torschüsse und Tore (Angriffsabschlusshandlungen)
Schwierigkeitsgrad 1
Der Torschuss erfolgt aus einer Situation, in der der Schütze nur noch den gegnerischen Torwart vor sich hat und durch andere Gegenspieler bei der Ausführung des Torschusses nicht mehr behindert wird.
Schwierigkeitsgrad 2
Der Torschuss erfolgt aus einer Situation, in der sich zwischen dem Schützen und dem gegnerischen Tor Gegenspieler befinden, die den Torschuss nicht verhindern, aber dem Ball den Weg ins Tor versperren können.
Schwierigkeitsgrad 3
Der Torschuss erfolgt unter der direkten Bedrängung durch Gegenspieler, d.h. im Moment des Torschusses kann der Ball zur gegnerischen Mannschaft wechseln.
Die Wertungen
Positive Wertung = Es wird ein Tor erzielt (nur in die Spalte Tor eintragen) oder der Ball wird vom Torwart gehalten bzw. prallt gegen Pfosten oder Latte.
Nullwertung = Der Ball wird beim Torschuss von Gegenspielern abgeblockt oder abgefangen
Negative Wertung = Der Ball trifft nicht das Tor
3. Protokolle
3.1.Protokoll zur Leistungserfassung technisch taktischer Handlungen
Spiel: Deutschland-Jugoslawien Ort: Lens Datum: 21.06.1998 Ergebnis: 2:2 (0:1)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3:2. Zusatzprotokoll Spielhandlungen
In diesem Protokoll sollen die Handlungen von Lothar Matthäus dokumentiert werden, die nicht im normalen Leistungserfassungsprotokoll vermerkt sind. Dies betrifft insbesondere Flanken, Kopfbälle, Zweikämpfe, Dribbling ohne Gegner und die einfache Ballannahme mit links. All dies sind Kriterien, welche, wie ich finde, eine umfangreiche Analyse des Spielverhaltens möglich machen.
In den ersten drei Kategorien wird jeweils nach erfolgreich und unerfolgreich unterteilt. Die Punkte Dribbling ohne Gegner und Ballannahme mit links werden jeweils mit der Spielminute versehen in der das Ereignis stattfand. Zusätzlich ist beim Aspekt Dribbling die dafür verwendete Seitigkeit vermerkt.
Die Kreuze bezeichnen immer eine ausgeführte Spielhandlung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Insgesamt:
- 1 erfolglose Flanke
- 2 gewonnene Kopfballduelle
- 8 gewonnene Zweikämpfe
- 13 Dribblings à 12 davon mit rechts à 1 Links und rechts
- 6 Ballannahmen mit links
3.3. Zusatzprotokoll Sonstiges
Hier spielen zwei Kategorien eine Rolle, die die Analyse der Spielhandlungen unterstützen sollen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.Auswertung
4.1. Art, Anzahl und Seitigkeit der Handlungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.2 Qualität der Handlungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.4. Seitigkeit
- Insgesamt gesehen hatte der Spieler Matthäus in 45 Minuten 114 Ballberührungen. 10 mal benutzte er dabei den linken Fuß. Das entspricht einer Quote von rund 9 Prozent.
- Bei 40 Zuspielen benutzte er drei mal den linken Fuß. Das entspricht einer Quote von 7,5 Prozent
- Bei Abwehrreaktionen benutzte Matthäus ein Mal den linken Fuß.
- Torschüsse oder Zuspiele zu selbigem fanden nicht statt.
5. Interpretation der Ergebnisse
Die vorliegenden Ergebnisse können nur im Rahmen einer größer angelegten Untersuchung verallgemeinert werden.
Polemisch formuliert kann man für die hier in diesem Fall analysierten Spielhandlungen feststellen, dass der Spieler eine insgesamt zurückhaltende, wenig offensive und sehr auf Sicherheit bedachte Haltung eingenommen hat. Matthäus hat keinen einzigen Schuss aufs Tor abgegeben und kein einziges Zuspiel zum Torschuss gezeigt. Fußballreporter würden in diesem Fall von einer soliden Leistung sprechen.
Beachtenswert ist sein Zweikampfverhältnis. Lothar Matthäus hat sie alle gewonnen. Bei der Anzahl von acht, relativiert sich diese Bilanz allerdings ein wenig.
Der Spieler ist ein ausgesprochener Rechtsfuß, der seinen linken Fuß nur in Notsituationen benutzt. Das Verhältnis von 114:10 Ballkontakten spricht für sich. In fast allen Situationen benutzte er den linken Fuß lediglich wenn keine andere Möglichkeit bestand. Bis auf eine Ausnahme erreichten alle diese Zuspiele den Mannschaftskollegen, auch wenn die Entfernung dabei äußerst kurz war. Zuspiele über eine längere Distanz fanden nicht statt. Seine Anspiele fanden in den meisten Fällen seinen Mitspieler, auch wenn man hier einschränken muss, dass eine Vielzahl von ihnen Zuspiele der Kategorie eins waren, das heißt: ohne gegnerische Bedrängung und kurze Entfernung.
Gegen Ende des Spieles lässt die Häufigkeit der Ballkontakte nach, was aber auch mit der Rückbeorderung in die Abwehr ab der 80. Minute zu erklären ist.
Der läuferische Aspekt ist bei Matthäus hoch einzuschätzen. In den zu beobachtenden 45 Minuten wechselte er ständig die Positionen. Abzulesen ist das auch an der hohen Anzahl Ballkontakte in dieser Halbzeit. Die meisten seiner Aktionen waren allerdings defensiver Prägung, was wiederum an den nicht vorhandenen Torschüssen und Zuspielen zu ebensolchen abzulesen ist. Dennoch ist die Zahl von 51 Ballkontakten in 45 Minuten eindrucksvoll. Zwei Drittel der Zuspiele von Lothar Matthäus waren einfachster Art, d.h., auf kurze Distanz und ohne gegnerische Einwirkung. Bis auf eine Ausnahme erreichten sie immer den Mitspieler. Für einen Fußballer solcher Klasse wie den Rekordnationalspieler ist dies dennoch zu wenig.
Der Fußballreporter würde als Fazit sagen: Eine grundsolide Partie ohne große Auffälligkeiten.
- Quote paper
- Markus Escher (Author), 1999, Analyse der technisch-taktischen Spielhandlungen des Fußballspielers Lothar Matthäus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104898
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