Die Bedeutung und wirtschaftliche Auswertung der deutschen Steinkohle und Braunkohle im Vergleich zur Importkohle
Die Situation der Kohle
Der Steinkohlenbergbau in der Bundesrepublik Deutschland leidet unter einem kaum lösbaren Problem: Er kann so leistungsfähig und so modern sein wie möglich - die Kosten für im Inland geförderte Kohle sind immer höher als die für Importkohle aus Polen, Südafrika oder anderen Ländern.
Ursachen
Die Ursache für diese Probleme sind die nach Norden abfallenden Schichten des Karbons, die den Bergbau in immer größere Tiefen zwingen. Im 18 Jahrhundert, als an der Ruhr der industrielle Bergbau begann, reichten die Flöze noch bis zur Erdoberfläche. 1970 wurde im Durchschnitt etwa 775 Meter unter der Erdoberfläche abgebaut. Heute liegen die meisten Flöze etwa 900 Meter tief, einige reichen bis 1400 Meter unter die Erdoberfläche. Das erfordert einen erheblichen technischen Aufwand, und die Arbeit unter Tage sicher und erträglich für die Bergleute zu gestalten, die mitunter eine Stunde und länger brauchen, um durch die Schächte und kilometerlangen Stollen an ihre Arbeitsplätze zu kommen.
Ein Vergleich zwischen 1957 und 1990 zeigt die dramatische Entwicklung, die der deutsche Steinkohle Steinkohlenbergbau durchgemacht hat. In dieser Zeit sank die Förderung um mehr als die Hälfte von 150 auf 71 Mio. Tonnen SKE1. Von ursprünglich 153 Schachtanlagen waren 27 übrig geblieben. Die Zahl der Beschäftigten sank um 78,5 % auf 130 300. Daß dies nicht etwa daran lag, dass im Bergbau der technische Fortschritt verschlafen wurde, zeigten zwei weitere Zahlen: Die Förderleistung pro Mann und Schicht unter Tage stieg im gleichen Zeitraum um 213 % auf 5008 kg und je Schachtanlage um ebenso viele Prozente auf 10 449 t.
Um einen langfristigen Absatz der Steinkohle zu Sichern sind wurden zwei Verträge ausgearbeitet.
1. der 1985 verlängerte Hüttenvertrag sieht vor, daß der erwartete Bedarf der deutschen Steinkohle pro Jahr bis zum Jahr 2000 mir deutscher Steinkohle gedeckt wird. Der Differenzbetrag zwischen dem Weltmarktpreis und dem kostendeckenden Preis für inländische Kokskohle wird zum überwiegenden Teil von der öffentlichen Hand getragen.
2. Der 1980 unterzeichnete „Jahrhundertvertrag“ zwischen Bergbau und Elektrizitätswirtschaft hat fr die Stromerzeugung den Vorrang der Kohle vor anderen Energiequellen festgeschrieben. Dafür gibt es Ausgleichszahlungen. Finanziert wird diese Regelung nach dem Verstromungsgesetz durch eine „Kohlepfennig“ genannte Verbraucherabgabe in Prozentanteilen der Stromrechunung, die in einen Fonds fließt. Nach einer Vereinbarung zwischen dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten der Bergbauländer vom 24. August 1989 soll die Elektrizitätswirtschaft in den Jahren 1991-1995 jährlich 40,9 Mio. Tonnen Steinkohle verstromen. Der Kohlepfennig wurde gesetzlich für 1990 auf 8,25 % der Stromrechnung festgesetzt. Für eine Drei-Personen-Haushalt mit 250 kWh Monatsverbrauch betrug dieser „Pfennig“ immerhin 4,95 DM pro Monat. Der Kohlepfennig alleine bedeutete pro Jahr ein Subventionierung der Steinkohle von über fünf Milliarden Mark; weitere rund 2 Milliarden Mark sind zusätzlich durch den Kostennachteil der deutschen Steinkohle im Vergleich zur Importkohle nicht voll abgedeckt. Hinzu kommen weiter Aufwendungen aus Steuermitteln, so daß der deutsche Steinkohlenbergbau jährlich mit insgesamt mehr als 12 Milliarden Mark subventioniert wurde.
1994 kostete eine Tonne durchschnittlich ca. 290.- Mark. Importierte Kraftwerkskohle wurde dagegen für etwa 90 Mark pro Tonne frei europäischen Hafen angeboten - also einschließlich der Transportkosten beispielsweise aus Nordamerika oder Australien. Die Beschaffungskosten für die Kohle beeinflussen den Preis der erzeugten elektrischen Energie in direkter Weise: So betragen die Brennstoffkosten je Kilowattstunde aus heimischer Steinkohle etwa zehn Pfennig, die Brennstoffkosten für die Kilowattstunde Strom aus billiger Importkohle dagegen nur vier Pfennig. Wegen der geltenden Regelung des Jahrhundertvertrages ist der Anteil von importierter Steinkohle bei den meisten Stromerzeugern in den alten Bundesländern minimal. ABER ...
Im Dezember 1994 wurde der Kohlepfennig vom Bundesverfassungsgericht als Subvention für die deutsche Steinkohlenindustrie als verfassungswidrig befunden und darf mit dem Ende des Jahrhundertvertrages Ende 1995 nicht mehr angewandt werden. Die Steinkohlenabsatzmengen an die Elektrizitätswirtschaft werden künftig niedriger sein als im Rahmen des 1995 abgelaufenen Jahrhundertvertrages.
Es ist sinnvoll sich einige Gedanken über die Bedeutung der Braunkohle zu machen.
Deutschland ist als Industriestandort auf kostengünstige Energie angewiesen. Die ist für Nordrhein-Westfalen neben der Steinkohle vor allem auch die Braunkohle, aber auch in den neuen Bundesländern stützte sich die Stromerzeugnis bis 1990 zu fast 90 Prozent. Durch umweltfreundliche, vorgesehene Maßnahmen wird der Wirkungsgrad in Nordrhein-Westfalen von rund 36 Prozent auf nahezu 50 erhöht. Dies zeit, daß die Braunkohle n Zukunft umweltfreundlicher und wirtschaftlicher wird. Braunkohle ist somit der einzige wettbewerbsfähige nationale Energieträger. Ein weiterer Grund, der für die große Zukunft der Braunkohle spricht sind seine Reserven von über 55 Milliarden Tonnen - dies entsprich11 % der weltweiten Vorkommen. Erwähnenswert ist auch, dass die Braunkohle nicht vom Staat subventioniert wird. Jährlich werden in Deutschland im Durchschnitt rund 207 Mio. Tonnen Braunkohle gefördert, die vor allem zur Stromproduktion verwendet werden. Wegen der hohen Braunkohlevorkommen und - förderung hat die ausländische Braunkohle für Deutschland kaum wirtschaftliche Bedeutung.
Doch wie sieht die Situation heute aus?
Energiemärke in der Europäischen Union
Die Energieimportabhängigkeit der EU könnte in den nächsten 25 Jahren von 50 % auf beinahe 70 % steigen. Für die Europäische Kommission ist dies ein „Brennpunkt der Sorge“. Deshalb fordert sie: „Die Sicherheit der Versorgung muß ein ständiges Anliegen der Politik sein“. Die Energieerzeugung der EU aus eigenen Quellen wird sich rückläufig entwickeln. Die Kernenergie in Westeuropa zum Beispiel wird - mit Ausnahme Frankreichs - ihren heutigen Anteil nicht halten können. Aufgrund der geologischen Bedingungen kann Steinkohle in Europa nicht wettbewerbsfähig gefördert werden. Auch die hohen Umwelt-, Sicherheits- und Sozialstandards tragen dazu bei. Der zukünftige Beitrag der Europäischen Union ist somit von den nationalen Energiepolitikern der Kohleländer - Frankreich, Spanien, Großbritannien und Deutschland - abhängig.
Mit dem angekündigten Abbau staatliche Hilfen für den deutschen Steinkohlenbergbau verbessern sich die Perspektiven der Importkohle. 1996 durften 18 Mio. Tonnen eingeführt werden. Und nach der Jahrtausendwende sollen es 30 Mio. t. sein. Das Tempo hängt davon ab, wie zügig die derzeit noch gut elf Mrd. DM betragenden Subventionen für den deutschen Steinkohlenbergbau reduziert werden. Erst zum 1. Januar 1996 war die jahrzehntelang reglementierte und limitiere Einfuhr ausländischer Steinkohle liberalisiert worden. Schon 1997 werden die öffentlichen Beiträge auf insgesamt gut acht Mrd. DM zurückgeführt. Nach dem kohlepolitischen Beschluß vom 13. März 1997 werden die Kohlehilfen bis 2005 auf insgesamt 5,5 Mrd. DM abgesenkt und damit im Vergleich zu 1996 nahezu halbiert. Die Bundesregierung hat sich am 13 März 1997 erneut dazu bekannt, daß „ein lebender und gesamtwirtschaftlich vertretbarer Bergbau erhalten bleibt“.
Langfristiger stabiler Steinkohlenbedarf in Deutschland
Der Rückgang der Kohlenachfrage erfolgte in den letzten Jahrzehnten vorrangig im Wärmemarkt. Der Absatz der Steinkohle konzentriert sich heut auf die Elektrizitätswirtschaft und die Stahlindustrie. Langfristig wir dein stabiler Bedarf an Steinkohle erwartet.
- Das PROGNOS - Institut hat in seiner jüngsten Energieprognose bis 2020 einen stabilen Steinkohlenbedarf von jährlich rd. 70 Mio. t. SKE vorhergesagt
- Der Bedarf der Stahlindustrie fällt aufgrund technischer Verbesserungen in der Hochofentechnologie etwas geringer aus als heute.
- Die deutsche Steinkohle deckt auch 2005 noch über 40 % des dann erwarteten Steinkohlenbedarfs.
Bis zum Jahr 2000 müssen vier deutsche Steinkohlenzechen geschlossen werden, bis 2005 drei bis vier weitere. Dies Ergibt sich aus der Bonner Kohlevereinbarung vom 13März 1997. Die Frage ist, was die deutsche Steinkohle, die weniger gefördert wird, ersetzen soll. Sicher werden es kaum die alternativen Energien sein und neue Kernkraftwerke sind nicht in Sicht. Bestimmt wird das Erdgas und Braunkohle zulegen, doch ganz überwiegend dürfte ausländische Steinkohle an die Stelle der deutschen treten. Also Importkohle, die dem heimischen Bergbau schon seit Jahren das Leben schwer macht.
Steinkohlenbergbau ist ein Wirtschaftsfaktor
Der Steinkohlenbergbau ist gesamtwirtschaftlich und regional weiterhin ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Der Steinkohlenbergbau sicher direkt 85 000 Arbeitsplätze zudem gut 110000 im wirtschaftlichen Umfeld (PROGNOS AG, 1997). In der Bergbauregionen ist jeder 6. Industriearbeiter im Steinkohlenbergbau tätig. Für heimische Steinkohle bezahlen die Kunden heute in der Stromwirtschaft und in der Stahlindustrie nicht mehr und nicht weniger als für Importkohle. Ermöglicht wird dies durch staatliche Hilfen, die die Differenz zwischen den deutschen Föderkosten und dem Preis der Drittlandskohle ausgleichen. Auf die Förderkosten kann. Auf die Förderkosten kann der Bergbau selbst Einfluß nehmen - mit beachtlichem Erfolg:
- Seit 1987 sind die realen Förderkosten im deutschen Steinkohlenbergbau um annähernd 14 % gesenkt worden
Steinkohlehilfen sind marktkonform
Subventionen gehören zu den „marktkonformen“ Staatseingriffe, genauso wie Steuern und Abgaben. Auch für Subventionen müssen marktwirtschaftliche Grundsätze wie Vertragstreue, Berechenbarkeit und Stetigkeit einmal getroffener Entscheidungen gelten.
- Subventionen schaffen die Rahmendaten, um die politisch erwünschte Ergebnisse zu erreichen
- Subventionen sind keine Geldgeschenke. Bei ihrer Beurteilung stellt sich die Frage: Übersteigt der Nutzen die Kosten?
- Im Umgang mit Subventionen ist eine möglichst effiziente Mittelverwendung ebenso selbstverständlich wie die regelmäßige Überprüfung und Kontrolle
- Speziell für die Kohlehilfen sind alle diese Bedingungen erfüllt.
- 1995 sind als Subventionen für den Bergbau 11,3 Mrd. DM veranschlagt worden
Durch eine weitere Kürzung der Kohlehilfen wird der Etat des Bundeswirtschaftsministers entlastet. Dem stehen aber Mehrausgaben und Mindereinnahmen bei anderen Ressorts und Etatpositionen des Bundeshaushaltes und anderen öffentliche Kassen (Bundesanstalt für Arbeit, Sozialversicherungen) gegenüber. Es würde sich also zunächst bloß um eine Verschiebung der Lasten handeln.
Die heute noch billig Importkohle ist im Kommen. Jedoch muß man an die mit ihr verbundenen Risiken und Auswirkungen denken.
Risiken bei der Importkohle
- Die Handelsintensität des Weltkohlemarktes ist sehr viel geringer als die bei Öl und Gas. Fast 90 % der Weltförderung (1996 rd. 3,8 Mrd. t) werden von den Förderländern selbst verbraucht. Nur die restliche Größe steht für den internationalen Handel zur Verfügung.
- Das Weltmarktangebot an Kohle konzentriert sich zu 70 % auf nur drei Exportregionen: Australien, Nordamerika (USA und Kanada) sowie Südafrika. Australien ist auf Lieferungen in den asiatisch-pazifischen Raum ausgerichtet. Nordamerika orientiert sich vorrangig an seinen Binnenbedarf. Hauptlieferant für Deutschland ist heute Südafrika.
- Das Bevölkerungswachstum und der wirtschaftlicher Aufholprozeß in den Entwicklungs- und Schwellenländern läßt die Energienachfrage stark steigen, die Konkurrenz er Wirtschaftszentren um die Klappen Energievorräte nimmt zu. Die Preise und Versorgungsrisiken der Weltenergiemärkte nehmen zu. Die Nutzung heimischer Energien mindert diese Risiken und schafft größere Unabhängigkeit.
- Die Anspannungen und Turbulenzen auf den Öl- und Gasmärkten machen vor den Kohlenmärkten nicht Halt und greifen diese über
Als schlimmste Auswirkung könnte die Importkohle den deutschen Steinkohlenwirtschaftszweig auslöschen. Damit müßten etliche Regionen und Gemeinden auf ihre Steuereinnahmen verzichten. Eine neue Welle der Arbeitslosigkeit würde auf uns zu kommen.
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1 SKE: Steinkohle Einheit, 1 t SKE entspricht ca. 3,5 t
- Citation du texte
- Mazziotta Tino (Auteur), 1999, Die Bedeutung und wirtschaftliche Auswertung der deutschen Stein- und Braunkohle im Vergleich zur Importkohle, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104743