Inhaltsverzeichnis
VERZEICHNIS DER TABELLEN UND BILDER
1 EINLEITUNG
2 DER BEGRIFF DER POLITIKVERDROSSENHEIT
3 INDIKATOREN FÜR POLITIKVERDROSSENHEIT
3.1 HANDLUNGSBEZOGENE INDIKATOREN
3.2 EINSTELLUNGSBEZOGENE INDIKATOREN
4 GIBT ES POLITIKVERDROSSENHEIT?
5 DAS FERNSEHEN ALS URSACHE VON POLITIKVERDROSSENHEIT
5.1 INFORMATIONSORIENTIERTE VS. UNTERHALTUNGSORIENTIERTE NUTZER
5.2 DER ZUSAMMENHANG VON ZEITUNG UND FERNSEHEN
5.3 DER WANDEL DES MEDIENSYSTEMS
6 FAZIT
LITERATURVERZEICHNIS
Verzeichnis der Tabellen und Bilder
BILD 1: MODELL DER POLITIKVERDROSSENHEIT VON MAIER
BILD 2: ZEITAUFWAND FÜR DIE NUTZUNG DER MEDIEN PRO WERKTAG (MONTAG BIS SAMSTAG), POLITISCHES INTERESSE, INTERNAL UND EXTERNAL EFFICACY, 1964-1995 (ALTE BUNDESLÄNDER)
1 Einleitung
Im Jahre 1992 wurde der Begriff Politikverdrossenheit von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres gewählt1, nachdem von 1991 auf 1992 die Verwendung von Wortkomposita mit „-verdrossenheit“ in der Politikberichterstattung um ein Vielfaches gestiegen war2. Neben Politikverdrossenheit als häufigster Variante existieren zahlreiche Variationen, zum Beispiel Parteienverdrossenheit, Politikerverdrossenheit oder Demokratieverdrossenheit. Alle diese Begriffe, die bis heute in den Medien und in der öffentlichen Diskussion stark präsent sind, bringen die vermutete Tendenz zum Ausdruck, dass in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine zunehmende Unzufriedenheit der Bürger mit der Politik bzw. den Politikern, Parteien oder dem politischen System zu beobachten ist. Einige Entwicklungen in der jüngeren deutschen Geschichte scheinen diese Vermutung zu bestätigen. So können die etablierten Parteien CDU/CSU, SPD und FDP immer weniger Wählerstimmen auf sich vereinen3. In den achtziger Jahren profitierten davon hauptsächlich die Grünen, die mit ihrer alternativen Ausrichtung für immer mehr Wähler interessant wurden. In den neunziger Jahren machten rechtsextreme Parteien wie Republikaner oder DVU durch einige Wahlerfolge auf sich aufmerksam. Diese Abwendung der Wähler von den etablierten Parteien stellt eine mögliche Folge des Phänomens der Politikverdrossenheit dar. Andere Folgen sind eine sinkende politische Partizipationsbereitschaft, das heißt abnehmende Wahlbeteiligungen und geringeres Engagement in Parteien oder anderen politischen Verbänden und Organisationen.
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Frage, ob und wenn ja, in welcher Weise und unter welchen Bedingungen die Fernsehnutzung Auswirkungen auf die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung hat. Um diese Frage beantworten zu können, erscheint es sinnvoll, zunächst einmal den Begriff der Politikverdrossenheit näher zu definieren und ihn von ähnlichen Komposita abzugrenzen. Eine solche Definition und Abgrenzung ist nicht trivial, denn der Gegenstandsbereich ist sehr komplex und unscharf. Ein entsprechender Versuch wird dennoch in Kapitel 2 unternommen. In Kapitel 3 soll dann das Problemfeld der Messung von Politikverdrossenheit beleuchtet werden. Dazu ist es notwendig, zwischen handlungsbezogenen und einstellungsbezogenen Indikatoren zu unterscheiden. Mit dem Wissen um die Eignung besonders der einstellungsbezogenen Indikatoren versucht Kapitel 4 daraufhin, die Frage zu beantworten, ob so etwas wie Politikverdrossenheit überhaupt existiert. Speziell von Interesse ist dabei die zeitliche Entwicklung in den letzten 40 Jahren, also seit der Etablierung des Fernsehens als Massenmedium in Deutschland.
Schließlich wird in Kapitel 5 auf die eigentliche Kernfrage dieser Arbeit eingegangen, nämlich welche Rolle die Massenmedien allgemein und das Fernsehen speziell für die Rezeption und Bewertung von Politik spielen. Da diese Zusammenhänge sehr komplex sind, erscheint es notwendig, mehrere mögliche Determinanten in die Betrachtung mit einzubeziehen. Zu diesem Zweck lassen sich die Rezipienten in verschiedene Mediennutzungskategorien einordnen. So kann man beispielsweise zwischen unterhaltungsund informationsorientierten Nutzern unterscheiden, um zu untersuchen, ob ein höherer Unterhaltungsbedarf mit höherer Politikverdrossenheit korreliert. In diesem Zusammenhang sind nicht nur Unterschiede bei der Fernsehnutzung von Interesse, sondern auch Wechselwirkungen zwischen Fernsehen und Printmedien, speziell Qualitätszeitungen. Darüber hinaus ist der Wandel des Mediensystems vor allem seit Einführung des dualen Rundfunksystems Mitte der achtziger Jahre ein Thema. Abschließend werden in Kapitel 6 die gefundenen Ergebnisse kurz zusammengefasst und kritisch beurteilt.
2 Der Begriff der Politikverdrossenheit
Um zu verstehen, durch welche Faktoren Politikverdrossenheit determiniert ist, muss zunächst der Begriff definiert und von ähnlichen Begriffen abgegrenzt werden. Eine solche Definition ist dabei nicht einfach, denn Politikverdrossenheit wird oft sehr unterschiedlich verwendet und interpretiert. Dies wird am besten durch ein Zitat von Wolfgang Thierse deutlich, der Politikverdrossenheit als „medialen Mülleimer“ bezeichnet, „in den alles hineingepackt wird, was auch nur entfernt an Kritik, Unzufriedenheit, Ängste, Unbehagen oder auch an anti-politische Vorurteile erinnert“4.
Die Schwierigkeit der Definition ist durch mehrere Faktoren bedingt. Zum einen stellen die Wortbestandteile „Politik“ und „Verdrossenheit“ selbst sehr komplexe Sachverhalte dar. Zweifellos beinhaltet Politikverdrossenheit immer eine Unzufriedenheit oder zumindest ein Unbehagen. Schwieriger ist es, zu erfassen, gegen welche Personen oder Institutionen sich diese Unzufriedenheit richtet. Neben Politikverdrossenheit existieren eine ganz Reihe ähnlicher Begriffe, wie zum Beispiel Parteien-, Politiker, Staatsoder Demokratieverdrossenheit. Im Folgenden wird Politikverdrossenheit als Obergriff verstanden, der einzelne Phänomene wie Parteienund Staatsverdrossenheit beinhaltet5.
In einem hierarchischen Gebilde ist Demokratieverdrossenheit als grundsätzlichste Form der Politikverdrossenheit zu verstehen, da darin eine Ablehnung des demokratischen Systems zum Ausdruck kommt. Die Staatsverdrossenheit richtet sich im Gegensatz dazu nicht gegen das politische System, sondern gegen die Staatsform. Hier könnte beispielsweise eine Ablehnung der föderalen Struktur zugunsten eines zentralistischen Staatssystems vorliegen. Parteienund Politikerverdrossenheit sind weniger grundsätzliche Ablehnungshaltungen. Parteienverdrossenheit richtet sich gegen die Strukturen und Machtgefüge der etablierten Parteien bzw. deren Repräsentanten. Politikerverdrossenheit erfasst Unzufriedenheit mit der Art, wie Politik gemacht wird, bzw. mit dem Auftreten und der Handlungsweise von Politikern. Diese hierarchische Struktur mit Politikverdrossenheit als Oberbegriff ist jedoch keineswegs unumstritten und es existieren andere Abgrenzungen6. Sie ermöglicht es jedoch, den Komplex der Politikverdrossenheit zu untergliedern und so handhabbarer zu machen. In dem in Bild 1 dargestellten Modell der Politikverdrossenheit von Meier7 kommt die gleiche Unterteilung zum Einsatz und es erfolgt eine Beschränkung auf die drei Unterebenen Parteien-, Politikerund Demokratieverdrossenheit, da diese Aspekte die „zentralen Elemente der in der Bundesrepublik geführten Verdrossenheitsdebatte“8 darstellen. So ist denn auch das Verhältnis von Politikern und Medien sowie eine gegenseitige Instrumentalisierung immer wieder Gegenstand sozialwissenschaftlicher Diskussionen9.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 1: Modell der Politikverdrossenheit von Maier
Quelle: Maier (2000), S. 133.
Eine zweite Schwierigkeit besteht in der Unschärfe des Begriffs Politikverdrossenheit. Unschärfe bedeutet, dass die realen Ordnungstendenzen von einer idealtypischen Ordnungsstruktur abweichen. Parteien, Politiker und Demokratie sind zwar eindeutig verschiedene Teilbereiche der Politik, die sich theoretisch auch klar voneinander abgrenzen lassen. Auf empirischer Ebene ist aber anzunehmen, dass zum Beispiel zwischen Parteien und Politikern nicht immer klar differenziert wird.10
Als drittes Problem ist schließlich die Variabilität von Politikverdrossenheit in struktureller, zeitlicher und geographischer Hinsicht zu nennen. Die strukturelle Variabilität liegt darin begründet, dass Politikverdrossenheit kein kollektives Phänomen ist, sondern auf der individuellen Ebene auftritt. Sie kann sich bei verschiedenen Personen ganz unterschiedlich äußern, auf anderen Ursachen beruhen und zu anderen Konsequenzen führen. Auf zeitlicher Ebene ist es denkbar, dass die gegenwärtige Diskussion um Politikverdrossenheit eine ganz andere Bedeutung hat als diejenigen von vor zehn oder 20 Jahren. Für diese These spricht zum Beispiel, dass Politikverdrossenheit heute vorwiegend als diffuse Einstellung beschrieben wird, während sie noch zu Beginn der achtziger Jahre eher an konkreten Missständen festgemacht wurde11. Mit geographischer Variabilität ist die Frage gemeint, ob Politikverdrossenheit ein gemeinsames Phänomen der modernen westlichen Demokratien ist, oder ob es sich dabei um nationale Einzelfälle handelt.12
Wie bereits erwähnt, existiert gegenwärtig keine allgemein anerkannte Definition von Politikverdrossenheit. Im Folgenden wird Politikverdrossenheit wie weiter oben beschrieben als Oberbegriff verwendet, der hierarchisch abgestufte Formen der Unzufriedenheit umfasst.
3 Indikatoren für Politikverdrossenheit
Bevor in Kapitel 4 die Frage beantwortet werden kann, ob Politikverdrossenheit überhaupt existiert, stellt sich zunächst das Problem der Messung des Gegenstands. Kapitel 2 hat gezeigt, dass es relativ schwierig ist, zu einer brauchbaren Definition des Begriffs Politikverdrossenheit zu finden. Deshalb entstehen logischerweise auch Schwierigkeiten, wenn der Grad der Politikverdrossenheit auf individueller oder kollektiver Ebene erfasst werden soll. In diesem Kapitel soll deshalb erläutert werden, welche Indikatoren geeignet sind, um Politikverdrossenheit zu erfassen und welche Probleme dabei dennoch auftreten. Hierbei erscheint es sinnvoll, zwischen handlungsbezogenen und einstellungsbezogenen Indikatoren zu unterscheiden. Im Kontext der einstellungsbezogenen Indikatoren von besonderem Interesse ist dabei das Konzept der Political Efficacy13.
[...]
1 Müller (1993), S. 6.
2 Müller (1993), S. 6, Anmerkung 4.
3 Maier (2000), S. 14.
4 Thierse (1993), S. 19.
5 Vgl. Maier (2000), S. 132.
6 Vgl. Wolling (1999), S. 9-10.
7 Maier (2000), S. 132-139.
8 Maier (2000), S. 134.
9 Vgl. Kepplinger (1993); Pöttker (1990); Wiesheu (1993).
10 Maier (2000), S. 18.
11 Maier (2000), S. 21.
12 Maier (2000), S. 18-19.
13 Vgl. Wolling (1999), S. 20-22.
- Citation du texte
- Christopher Verheyen (Auteur), 2001, Politikverdrossenheit durch Fernsehnutzung?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104734
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