Thema: Handlungssteuerung als Funktion der Weltauffassung
Der "Stoff" dieser Sitzung und auch das Referat erwiesen sich als ein wenig schwierig. Schwierig in dem Sinne, als dass einige Seiten des zu lesenden Textes fehlten und zum anderen, weil die Referatsgruppe keinen Handout vorbereitet hatte. Den Luxus eines Handouts möchte ich an dieser Stelle betonen. Inhaltlich ging es in dieser Sitzung um einen Text von E. Topitsch - über die Grundstrukturen der menschlichen Weltauffassung. Auch das Referat orientierte sich stark an dem Text von E. Topitsch.
Im ersten Teil des Referates ging es um das plurifunktionale Führungssystem (= Orientierungsfunktionssystem) in Anbetracht von Tier und Mensch, sowie deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede, welche beide im Laufe der Evolution entwickelt haben. Oder anders gesagt: über den Zusammenhang von Mensch und Tier, über die besondere Fähigkeit des Menschen, sich die Welt abstrakt und objektiv vorzustellen, Situationen zu evaluieren, Lösungen zu finden, als Abgrenzung an das Tier. Dies wird anhand der Evolution des Tieres und der Menschen gezeigt.
Das plurifunktionale Funktionssystem setzt sich aus drei aufeinander aufbauenden Ebenen (horizontal), und zwei im Gegensatz zueinander stehenden Ebenen (vertikal) zusammen. Die horizontalen sind: a) Informationsvermittlung - die genetische Erfahrungsbildung, also genetisch innewohnende Erfahrungen, die sich nach dem Prinzip "der Schwache geht, der Starke bleibt" heraus gebildet und genetisch verankert haben (niedere Tieren bleiben auf dieser Stufe?); b) Verhaltenssteuerung - Reize lösen eine Reaktion aus (bei hören Tieren zu finden?); und c) emotionale Reaktionen - Lernprozesse die sozial und nicht genetisch gesteuert sind (bei sgn. intelligenten Tieren zu finden?). Aus diesen Ergibt sich der instinktive Charakter, welcher vornehmlich bei Tieren zu finden ist. Horizontal hierzu stehen beim Mensch die folgenden: a) die Informationsvermittlung über die Umwelt wird durch individuelle und gesellschaftliche Erfahrung ersetzt; b) die Verhaltenssteuerung wird durch soziale Gruppen und ihre Lebensform übernommen; und c) die emotionalen Reaktionen bleiben vorrangig erhalten. Hieraus ergibt sich nun der soziale Charakter. Diese horizontal zueinander stehenden Ebenen werden mit einer vertikalen Achse, der Ausdifferenzierung, der Reduktion der Instinkte voneinander getrennt, bzw. mit einander verbunden, und daraus ergibt sich dann, dass der Mensch sich von den Tieren unterscheidet, weil mit Hilfe der Ausdifferenzierung seine aus dem Tierreich stammenden Verhaltensweisen weiter ausgebildet, bzw. abgewandelt wurden. Physisch bietet das Gehirn hierfür die Grundlage, welches gerade bei den Menschen und ihrem Großhirn am weitesten fortentwickelt ist. Diese Ausdifferenzierung grenzt den Menschen zu den Tieren ab, macht ihn in der Welt beweglicher, lässt ihn eine besondere Stellung einnehmen, lässt ihn Sachen und die Umwelt erkennen, bewusst erfahren, aber dennoch lässt sie ihn auch nach "Geborgenheit" und "Verhaltenssicherheit" suchen, welche er - im Tausch mit den höheren, besseren Eigenschaften - tendenziell verliert. Die Geborgenheit und Verhaltenssicherheit bedeutet, wenn man weiß, wie man sich in bestimmten Situationen verhalten muss. Wenn diese aber abhanden kommen, wenn man also nicht mehr weiß, wie man sich verhalten muss, dann setzt ein sgn. „Druck der Realität“ ein - der Mensch sieht sich in immer wieder neuen Situationen, mit immer neuen und sich vermehrenden Informationen, und weiß einfach nicht, wie er damit umgehen soll, Unsicherheit, Angst, Hoffnungslosigkeit. Über den Druck der Realität werde ich weiter unten noch etwas schreiben. Tiere sind einem nicht so großem Druck der Realität ausgeliefert auch wenn es in bestimmten Situationen vorkommt. Dafür haben Menschen auch ganz andere Möglichkeiten, mit dem Druck der Realität umzugehen, wenn sich auch der Aspekt der urtümlichen Geborgenheit und der Verhaltenssicherheit beim Menschen noch um einiges mehr als beim Tier verkompliziert hat. Aus der Soziologie gibt es ein Verhaltensmodell mit drei Abfolgen/Stufen: 1. Reiz - Reaktion; 2. Trail und Error, sowie die Rückkopplung und 3. "planende Vorwegnahme erfolgreichen Handels". Die Situationen und Reaktionen werden immer komplizierter (sie sind im Laufe der Evolution entstanden), wobei der Mensch auf der dritten Stufe steht. Ein Problem mit der Geborgenheit entsteht, wenn man die Grenze zwischen sozialen und genetischen Lernprozessen und Emotionen ermitteln will. Ein Lösung liegt mir hierzu nicht vor. Trotz dieses Problems lässt sich aufgrund des Systems feststellen, worin der Unterschied von Tier und Mensch besteht, welcher sich während der Evolution entwickelt hat; nämlich darin, dass der Mensch mit Hilfe der Ausdifferenzierung (oder der Reduktion von Instinkten) das bei den Tieren noch vorhandene Handeln nach Instinkten durch vorwiegend bewusstes, soziales Handeln ersetzt. Dies ist auch anhand der Entwicklung des Gehirns stärker zu machen, welches bei den Menschen deutlich größer ausgebildet ist, als bei den Tieren. Noch nicht einmal die als intelligent deklarierten Delfine haben ein so großes Gehirn - von der Masse ausgehend - wie die Menschen.
Der Mensch erfährt im Zuge seines "Anderssein" - im Gegensatz zum Tier - eine Auflockerung, einen Wissenserwerb, einen Abbau, aber auch Auslösemechanismen und sehr viel mehr Information(en). Im besonderen durch diese "Überflutung" von Informationen erfährt er den Verlust von Geborgenheit, welcher sich dann in den Druck der Realität umwandelt. Der Druck der Realität äußert sich oftmals wie ein Schock, den der Mensch erfährt - nicht nur könnte, sondern auch tut. Aber dieser Druck kann gedämpft werden, z.B. durch Ersatzleistungen, Ersatzhandlungen, Hallizunationen, Illusionen, Hoffnungen. Es wird versucht, mit diesem Druck oder Schock umzugehen - dies nennt sich auch "Interessen der Ohnmacht", worin der Mensch versucht, sich die psychischen Belastungen erträglicher zu machen. Das äußert sich dann in z.B. Aberglaube, Religion, oder in metaphysischen Spekulationen. Es wird versucht, den Druck abzuleiten. Hierzu gibt es verschiedene Modelle, auf die ich weiter unter zu sprechen komme. Man könnte sich auch diese Frage stellen: wenn zwischen "Ist" und "Soll" eine Differenz besteht, will man handeln. In der Sitzung wurde dies anhand des Beispiels eines Arbeitslosen veranschaulicht. Die Frage lautet also: wie passt man das Soll dem Ist (Druck der Realität) an? Oder, wie passt man sich dem Ist an, um das Soll zu verringern? Diese Frage gilt es zu klären - auch wenn sie sicherlich keine einfache ist. Um an dieser Stelle noch einmal den grundlegenden Unterschied zwischen Tier und Mensch hervorzuheben: wie man den Druck wahrnimmt, darin besteht der Unterschied. Menschen haben ein Bewusstsein.
Komme ich nun zu den vier verschiedenen Modellen der menschlichen Weltauffassung die Topitsch in seinem Text aus dem vorhergegangenen ableitet. So muss ich aber noch anmerken, dass der Zusammenhang von dem plurifunktionalen Führungssystem, dem Druck der Realität und den daraus folgenden Weltauffassungen der Menschen in der Sitzung, also während des Referates nicht besonders deutlich gemacht wurde. Erst nach wiederholtem Überfliegen des Textes ist es mir einigermaßen klargeworden, worin dieser besteht. Ich werde versuchen, dies am Ende noch einmal wiederzugeben.
E. Topitsch ist der Auffassung, das die menschliche Weltauffassung immer subjektiv verläuft. Aber was ist die Natur der Menschen? Sachen, Dinge führen eine bestimmte Reaktion herbei, ein Reiz ruft eine bestimmte Verhaltensweise hervor. Dies führt zu einer unbewussten, emotionalen Handlung, was auch der "kurze Weg der Emotionen" genannt wird und Reflexen ähnlich ist. Das passiert auch bei Tieren, z.B. dass auf den Schreck (das Erschrecken) eine Tat folgt. Beim Menschen hingegen erfolgt das ersetzen der Reduktion der Instinkte durch soziales Verhalten, und das wiederum hilft dem Menschen, dem Druck der Realität zu entfliehen. Anhand dieses plurifunktionalem Führungssystem entwickelt Topitsch verschiedene Muster/Modelle zur Erklärungs-/Deutungsmuster des Menschen über die Welt. Der Mensch macht sie sich zu eigen, um dem Druck zu entfliehen, ihn abzuleiten. Diese vier Modelle sind: 1. soziomorphe Modellvorstellungen - der Mensch denkt/erklärt sich die Welt als ein gesellschaftliches Gebilde; 2. technomorphe Modellvorstellungen - der Mensch denkt/erklärt sich die Welt als Erzeugnis von Kunstfertigkeit; 3. biomorphe Modellvorstellungen - der Mensch denkt/erklärt sich die Welt als Muster des Lebendigen; und 4. ekstatisch-kathartische Modellvorstellungen - der Mensch erdenkt sich eine Welt. Zu den Punkten 1. bis 3. ist zu sagen, dass der Mensch versucht, sich die Welt zu erklären, indem er sich das Unbekannte durch das bereits Bekannte erklärt. Dies aber auf den drei genannten Ebenen. Beispiele hierfür sind während dem Referat leider nur angeschnitten wurden, dass ich sie hier nicht wiedergeben kann. Zu Modell 4. lässt sich dagegen sagen, dass diese Erklärungen zumeist im Traum oder Rausch, etc. entstehen. Es ist eine Auseinandersetzung mit dem uns ständig bedrohendem Druck der Realität, den wir durch Wunschvorstellungen versuchen zu kompensieren, welche aber durch die Erklärung der menschlichen Welt als ungültig gelten.
Aus Topitsch´ Sicht heraus ist also für ein Tier ein Ding kein Ding an sich, sondern es existiert nur in einem situativem Rahmen. Es ist also nur dann konkret, wenn das Tier es auch in dem Moment wahrnimmt. Eine Katze reagiert nur auf eine reelle Maus. Tiere haben demnach Orientierungsschemata. Der Mensch aber versucht sich einen Deutungszusammenhang für das ganze Universum zu schaffen bzgl. seiner Weltauffassung. Es geht nicht um das Situative, sondern um alles allgemein. Dies passiert hier nach den o.g. Mustern/Modellen. Es werden auch in der Realität immer die bestimmten Muster gesucht: Zu Muster 1. passt der Habitus des Menschen der Gründung von einer Horde, Stamm, Familie; zu 2. passt das hantieren mit Gegenständen, das planvolle Handeln, Handeln und eine Absicht zu haben; zu 3. paßt die Sexualität, das Entstehen der Welt nach dem Muster einer Geburt. Diese ersten drei Modelle sind aus der Wirklichkeit heraus entstanden. Modell 4. entsteht aber aus individuellen Modellen der Menschen sich dem Druck zu entziehen.
Zusammenfassend: aus den Modellen 1 bis 4 entstehen Vorstellungen über die Welt, die uns helfen, mit dem Druck der Realität umzugehen. Die Erklärung der Welt. Der Zusammenhang dieser Modelle der Weltauffassung hängen deshalb mit dem plurifunktionalem Führungssystem zusammen, weil sie Informationen über die Welt geben, wie alles entstanden ist; weil sie Handlungsanweisungen geben, wie man sich zu verhalten hat; weil sie in kontemplativer Funktion dem Menschen den Eindruck geben, die Welt verstehen zu können - alles geschieht im Rahmen einer höheren Ordnung!
- Citar trabajo
- Johanna Lehmann (Autor), 2001, Handlungssteuerung als Funktion der Weltauffassung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104727