Inhalt
I. Einleitung: Definition Nationaldenkmal
II. Entstehungsgeschichte der Ruhmeshalle und der Bavaria in München
1. Vorgeschichte
2. Architekturstreit Romantik versus Neoklassizismus
3. Ikonographie der Bavaria
III. Konzeption und Rezeption der Ruhmeshalle
1. Politische Rahmenbedingungen der Entstehung der Ruhmeshalle
2. Die Büsten der Ruhmeshalle
IV. Schluß: Die Ruhmeshalle eine “kleine Walhalla” oder ein Gegenentwurf ?
V. Literaturverzeichnis
VI. Abbildungen
I. Einleitung
Ein “Nationaldenkmal ist, was als Nationaldenkmal gilt.”[1] Diese einfache und zunächst nicht besonders präzise erscheinende Definition Thomas Nipperdeys für den Begriff “Nationaldenkmal” sollte eigentlich besser nicht am Anfang der Einleitung einer Arbeit stehen, die sich mit der Entstehung und Symbolik eines bekannten Nationaldenkmales auseinandersetzt, denn sie nimmt zuviel vorweg.
Besser ist es, den Einstieg in eine solche Arbeit mit der zweiten Definition Nipperdeys zu beginnen, die er speziell für Nationaldenkmäler des 19. Jahrhunderts formuliert hat. “Das Nationaldenkmal ist ein Versuch, der nationalen Identität in einen anschaulichen, bleibenden Symbol gewiß zu werden; das ist die Idee des Nationaldenkmals, die den Zeitgenossen des 19. Jh.s vorschwebte ...”[2].
König Ludwig I. von Bayern war mit Sicherheit einer der eifrigsten Erbauer von Nationaldenkmälern im 19. Jahrhundert. In den ersten sechzig Jahren des 19. Jahrhunderts entstanden unter seiner Regentschaft und lediglich durch zwei Architekten (Leo v. Klenze und Friedrich v. Gärtner) ausgeführt, eine Reihe von Denkmälern[3], die in Form und Inhalt, Zweckbestimmung und Rezeption eine künstlerische wie politische Einheit bilden, die bei allen inneren Widersprüchen für Deutschland einzigartig ist[4].
Das im folgenden behandelte Nationaldenkmal, die Ruhmeshalle und Bavaria in München war das vorletzte große Denkmal, das Ludwig errichten ließ. Diesem Monument oberhalb der Münchner Theresienwiese wird heute noch nachgesagt, es sei eine „bayerische Walhalla”[5], obwohl Ludwig zu Beginn der Planungsphase für das Denkmal ausdrücklich festgelegt hatte : nur
„eine Kopie der Walhalla darf dieses Gebäude nicht werden..”[6]. Inwiefern diese Einschätzung zutrifft, die Ruhmeshalle sei konzeptionell und in ihrer Ausführung eine bayerische
„Spezialwalhalla” soll im folgenden untersucht werden. Dabei wird vor allem auf die Auffassung von Nation des Bauherrn Ludwigs I. und der ausführenden Künstler einzugehen sein.
Im Falle der Nationaldenkmäler des Bayerischen Königs Ludwig I. ist es überaus interessant die dahinterstehende Definition und Auffassung von Nation zu untersuchen, denn einige dieser Nationaldenkmäler waren einer Nation gewidmet, die noch nicht existierte. Diese Denkmäler sind somit die steingewordene Vision des Herrschers Ludwig I. von einer Nation.
Darüber hinaus ist es im Falle der Monumente Ludwigs wesentlich einfacher als bei vielen jüngeren und modernen Nationdarstellungen, das hinter dem Denkmal stehende Nationenbild zu ermitteln, da Ludwig selbst die Idee, die Planung und schließlich die Ausführung der Denkmäler leitete und allein finanzierte. Die Denkmäler sind somit private Stiftungen an die Nation. Jüngere Denkmalprojekte wie z.B. das Völkerschlachtdenkmal bei Leipzig (eingeweiht 1913) oder das Niederwalddenkmal (1883) wurden meist von Denkmalsvereinen, also von mehreren Geldgebern gestiftet und sind somit oft ein Kompromiß aus den verschiedenen Vorstellungen der Stiftungsvereinigung.
II. Entstehungsgeschichte der Ruhmeshalle und der Bavaria
1. Vorgeschichte
Den Entschluß eine Ruhmeshalle für verdiente Bayern zu errichten stellt sich als ein langwieriger Prozess dar. Bereits als Kronprinz, etwa um das Jahr 1809 herum, begann Ludwig mit den Vorüberlegungen ein patriotisches Denkmal in der Residenzstadt München zu errichten. Am 25. Juli dieses Jahres bat Ludwig den Maler und Galerieinspektor Georg von Dillis, er möge von dem Historiker Lorenz Westenrieder ein Verzeichnis aller „großen” Bayern anfertigen lassen, und zwar aus allen Ständen und allen Berufen[7]. Über ein Jahrzehnt später, am 22.Mai 1828, legte der Dichter Eduard von Schenk dem nunmehr König gewordenen Ludwig ebenfalls eine Liste berühmter Bayern vor, welche wiederum eine weitere Liste des Freiherrn von Hofmayr ergänzen sollte. Weitere fünf Jahre später, am 26. Februar 1833, schrieb Ludwig schließlich einen Architektenwettbewerb für sein Bauvorhaben aus[8].
Ludwigs Meinung nach sollte die Konkurrenz unter den Künstlern das beste Ergebnis bringen. Die ausgewählten Architekten für diesen Wettbwerb waren Georg Friedrich von Ziebland, Friedrich von Gärtner, Joseph Daniel Ohlmüller und schließlich Leo von Klenze. Der Architektenwettbewerb sollte erste Ideen für die Gestaltung der Ruhmeshalle sammeln. In der Ausschreibung waren von daher auch nur die groben Eckdaten des Projekts festgelegt: Die Ruhmeshalle sollte oberhalb der Theresienwiese errichtet werden und Platz für ca. 200 Büsten bieten. Anders als die Ausschreibung zur Walhalla im Jahr 1814, die explizit eine rechteckige Säulenhalle vorschrieb[9], schwieg sich das Wettbewerbsprogramm zur Errichtung der Ruhmeshalle über einen bevorzugten Baustil schweigt aus, mit der Ausnahme einer einzigen Bestimmung: Nur „eine Kopie der Walhalla darf dieses Gebäude nicht werden, sind ja auch, so viele dorische Tempel es auch gab, keine Kopie des Parthenons gewesen...”[10] . Diese Bestimmung Ludwigs schloß somit den klassizistischen Baustil des Parallelprojekts Walhalla nicht ausdrücklich aus, es liegt jedoch nahe anzunehmen, Ludwig wollte die Architekten dazu ermutigen, einen anderen Baustil vorzuschlagen. Durch einen glücklichen Zufall sind fast alle Entwürfe der Wettbewerbsteilnehmer erhalten geblieben und bieten einen interessanten Einblick in die Entstehungsgeschichte der Ruhmeshalle. Im Folgenden Kapitel wird zu zeigen sein, wie die Entscheidung für einen bestimmten Baustil im Zuge des Wettbewerbes zu einem politischen und künstlerischen Glaubenskampf wurde.
2. Architekturstreit Romantik versus Neoklassizismus
Die Planungsphase der bayerischen Ruhmeshalle fiel zeitlich mitten in die große künstlerische Auseinandersetzung zwischen den Anhängern der Klassik einerseits, die sich der Ästhetik der griechischen und römischen Antike verbunden fühlten, und den Romantikern andererseits, die in der Formenwelt des Mittelalters ihren künstlerischen Ausdruck suchte. Diese Auseinandersetzung hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts, nach den Befreiungskriegen und dem Wiener Kongreß 1814 begonnen und befand sich in den Dreißiger Jahren auf ihren Höhepunkt. Der Streit zwischen diesen beiden Gruppen hatte in vielen Fällen seinen Ursprung in unterschiedlichen politischen Auffassungen: Nachdem die Nationale Bewegung in Deutschland nach den Befreiungskriegen den einigendem Faktor des Widerstandes gegen die napoleonische Fremdbestimmung verloren hatte, zerbrach das Lager der Nationalen in mehrere Gruppierungen. Auch die Kunstwelt war fortan gespalten: Während die Klassizisten sich weiterhin dem aufklärerischen Ideal der Kulturnation verpflichtet fühlten, umschrieben die Romantiker den Begriff Nation mit Volk, Religion, Geschichte und Tradition.
Schon bei den Planungen zur Walhalla war dieser Streit in Form einer architektonischen Auseinandersetzung zwischen dem romantisch beeinflußten Baumeistern Peter Cornelius und Karl Friedrich Schinkel einerseits und andererseits dem Verfechter des klassizistischen Baustils, Leo von Klenze, entbrannt[11]. Cornelius vertrat die These, eine deutsches Nationaldenkmal müsse auch in einem typisch deutschen Baustil - und als solches galt der gothische Stil - erbaut werden. Die Verwendung klassischer, also griechischer und römischer Stilelemente sah er als Verrat an. Beim Anblick der Entwürfe Leo von Klenzes zur Walhalla formulierte er im Jahre 1820 :
„...so fällt uns bei dem Entwurf die Frage ein, warum soll das größte deutsche und nur
deutsche Ehrenmal so absolut griechisch sein?”[12]. Für Klenze dagegen stellte der gothische Stil eine “maßlose Anhäufung” von Verzierungen dar. Er sah in der Gotik „ ...einen Sieg des Handwerkes über die Kunst”. Dieser Stil sei deshalb auch keine Kunst, sondern eine rein handwerkliche und technische Übertreibung[13]. Klenze sah dagegen in der Klassik das
„ wahrhaf t Schöne” das „ hoch über allem Historischen und Volkstümlichen” stehe[14]. Diesen Baustil empfand Klenze als allgemein menschlich und zeitlos. Innerhalb des Architektenwettbewerbes zur Ruhmeshalle fand diese Auseinandersetzung eine Neuauflage.
Georg Friedrich Ziebland (1800-1873) hielt sich bei seinem Entwurf für die Ruhmeshalle wenig an die Vorgaben des Architektenwettbewerbes. Er schlug eine dorische Säulenhalle die sich lediglich in Ihren Dimensionen und durch einen Kuppelaufbau von der Walhalla unterschied (siehe Abbildung 1) vor. Es ist nichts darüber bekannt, ob Zieblands Entwurf nach seiner Einreichung noch weiter diskutiert wurde[15].
Friedrich von Gärtner (1792-1847) plante hingegen in mehreren Entwürfen einen Rundbau, der mit einer Kuppel versehen werden sollte (siehe Abbildung 2). Die Entwürfe sind der durch Gärtner später ausgeführten Befreiunngshalle bei Kehlheim sehr ähnlich. Gärtner ließ sich dabei von klassischen Vorbildern inspirieren. Seine Kuppelhalle mit einer kreisrunden Öffnung im Zenith der Kuppel ist im weitesten Sinne eine Nachahmung des Pantheons in Rom[16].
Der dritte Teilnehmer des Wettbewerbes war Josef Daniel Ohlmüller (1791-1839). Der aus Bamberg stammende Künstler hatte als Klassizist begonnen und in München vor allem für Leo
v. Klenze (1784-1864) als Baumeister den Bau der Glyptothek geleitet. Während der Planungsphase der Ruhmeshalle war er zum glühenden Anhänger der Neugotik geworden. Sein Hauptwerk, die neugotische Kirche in München am Mariahilfplatz unterhalb des Nockherbergs wuchs zur Zeit der Ausschreibung der Ruhmeshalle bereits empor. So ist auch sein Entwurf zur Ruhmeshalle ein bedingungsloses Bekenntnis zur Gotik. Auf einem hohen Sockel sollte sich der Zentralbau der Ruhmeshalle oberhalb der Theresienhöhe erheben. Die Pläne Ohlmüllers sahen dabei eine achteckige Halle mit Spitzgewölben vor, an die sich sieben Kapellen anschließen sollten. In der Mitte der Halle plante Ohlmüller eine Statue Ludwigs I. aufzustellen. Jede der sieben Kapellen war dabei für eine Berufsgruppe der zu Ehrenden vorgesehen. Die geehrten Personen sollten jedoch nicht in klassischer Manier als Büste, sondern in ihren historisch überlieferten Gewändern dargestellt werden[17]. Hier kam der alte sogenannte “Kostümstreit” bei der Gestaltung von Denkmälern zu Tage, der bereits 1786 anläßlich der Errichtung eines Denkmals für Friedrich den Großen von Preußen zwischen den Anhängern einer klassisch schlichten Darstellung Friedrichs und denjenigen, die den Preußen-König in “teutschen” Kostüm dargestellt sehen wollten, ausgebrochen war[18].
Stilecht war auch Ohlmüllers Art der Präsentation dieser Pläne: Er zeichnete die Baupläne auf mittelalterlich anmutende Pergamentrollen, die künstlich mit Rissen versehen waren[19].
Leo von Klenze hatte schon lange bevor seine Konkurrenten die Wettbewerbsausschreibung erhielten Kenntnis von den Plänen Ludwigs, eine Ruhmeshalle zu errichten. Bereits am dritten Tage der Regierungszeit Ludwigs weihte der König den Hof-Architekten über seine Pläne ein, oberhalb der Threresienwiese eine Ruhmeshalle zu errichten[20]. Als Hof-baumeister hatte Klenze Einblick in die Vorstellungen Ludwigs und er genoß während der laufenden Ausschreibung den Vorteil, Einblick in die eingehenden Entwürfe seiner Konkurrenten zu haben. Klenzes Vorschlag für die Ruhmeshalle selbst war im Prinzip nichts bewegend Neues. Ähnlich der Walhalla sollte eine dorische Säulenhalle, diesmal auf U-förmigem Grundriß, errichtet werden. Neu und ungewöhnlich war aber der Vorschlag Klenzes, dem Bau der Ruhmeshalle eine Kolossalplastik voranzustellen, die in Persona das Vaterland Bayern symbolisieren sollte. Die Ruhmeshalle sollte klein ausfallen und lediglich als umrahmende Architektur dienen.
Ludwig I. entschied sich am 8. März 1834, in erster Linie aus Kostengründen, gegen das Projekt Gärtners und Ohlmüllers und beauftragte Leo von Klenze mit dem Bau der Ruhmeshalle[21]. An Klenzes Entwurf wird ihn zweifellos die Kolossalstatue imponiert haben, denn solch eine große Plastik war seit der Antike nicht mehr verwirklicht worden. Geschmeichelt von der Idee, ebenso imposante Kolossalplastiken zu errichten wie antike Herrscher schrieb Ludwig I. nach seiner Entscheidung für den Entwurf von Klenze : „Nur Nero und ich können solche Kolosse erbauen...”[22].
[...]
[1] Thomas Nipperdey, Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland. In: Historische Zeitschrift Bd. 206 (1968), S.532.
[2] Ebenda, S.533.
[3] Diese Denkmäler sind (ihrer Enthüllung nach chronologisch geordnet) : Konstitutionssäule in Gaibach (1828), Obilisk am Münchner Karolinenplatz (1833), Walhalla bei Donaustauf (1842), Feldherrenhalle in München (1844), Siegestor in München (1850), Ruhmeshalle und Bavaria in München (1853), Befreiungshalle bei Kehlheim (1863).
[4] Helmut Scharf, Nationaldenkmal und nationale Frage in Deutschland am Beispiel der Denkmäler Ludwig I. von Bayern und deren Rezeption.(Diss.), Frankfurt a. M. 1985, S.89.
[5] Nipperdey, S.555.
[6] Manfred F. Fischer, Bavaria und Ruhmeshalle. Amtlicher Führer. München 1972, S.10.
[7] Ebenda, S.4.
[8] Ebenda, S.10.
[9] Scharf, S.125.
[10] Ebenda, S.10.
[11] Siehe hierzu Scharf, S.125ff.
[12] Scharf, S. 127.
[13] Ebenda S.129.
[14] Ebenda S.128.
[15] Fischer, S.10.
[16] Ebenda, S.11.
[17] Ebenda, S.15.
[18] Vgl.Nipperdey, S.535
[19] Fischer, S.12.
[20] Fischer, S.16 f..
[21] Fischer, S.15 f..
[22] Ulrike Kretschmar, Der kleine Finger der Bavaria. Enstehungsgeschichte der Bavaria von Ludwig von Schwanthaler anläßlich der Auflage “Der kleine Finger der Bavaria” (Bronze-Reproduktion). Offenbach am Main 1990. 1990. S.8.
- Citar trabajo
- Christian Schaaf (Autor), 2000, Die Ruhmeshalle und die Bavaria in München als partikularstaatliches Nationaldenkmal, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104435
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