In der Arbeit werden entscheidende Entwicklungstendenzen von rechtspopulistischem Wahlverhalten herausgearbeitet. Es wird untersucht, wie das Wahlverhalten vor und nach der Flüchtlingskrise, die ihren Höhepunkt im Jahr 2015 erreichte, war und wie sich dieses verändert hat. Hierzu werden vier verschiedene Wahlforschungsansätze auf die AfD-Wählerschaft angewandt.
Im ersten Teil werden die soziologischen Ansätze beleuchtet. Diese teilen sich in den mikrosoziologischen Ansatz und in den makrosoziologischen Ansatz auf. Ersterer umfasst die sozialen Kreise, die Einfluss auf das Individuum bei der Wahlentscheidung nehmen. Anhand dieses Ansatzes wird die Affinität zur AfD in Bezug zur Schichtzugehörigkeit, dem Alter, des Geschlechts und der Konfession analysiert.
Im zweiten Schritt wird der makrosoziologische Ansatz betrachtet. Dieser befasst sich mit den vier klassischen Konfliktlinien, wobei unter anderem auf die Hypothese „Je ländlicher die Region, desto eher wird die AfD gewählt“ eingegangen wird. Anschließend werden unter Bezugnahme des Ann-Arbor-Modells die AfD-Sympathisanten analysiert. Innerhalb des Ansatzes wird nach der Theorie von Campbell et al. (1954 und 1968) zwischen langfristigen und kurzfristigen Variablen unterschieden, nämlich der Parteiidentifikation, der Kandidatenorientierung und der Sachorientierung. Darüber hinaus liegt der Forschungsansatz auf Grundlage der Parteiidentifikation, die in Abhängigkeit mit dem sozialen Status gebracht wird und der Kandidaten bzw. Sachorientierung in Bezug zur Einstellung von AfD-Wählern gegenüber Flüchtlingen. Letztlich wird beim Rational-Choice-Ansatz geklärt, welche Themen für AfD-Wähler von großer Bedeutung sind und inwieweit der Protestwähler anhand des expressiven Wählers erklärt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theorie
2.1 Definition Populismus
2.1.1 Populismus als rhetorischer Stil
2.1.2 Populismus als dunne Ideologic
2.1.3 Rechtspopulismus
2.2 Erklarungsansatze des Rechtspopulismus
2.2.1 Okonomischer Ansatz
2.2.2 KulturellerAnsatz
2.2.3 PolitischerAnsatz
2.3 Erklarungsansatze des Wahlverhaltens
2.3.1 SoziologischeAnsatze
2.3.1.1 Mikrosoziologischer Ansatz
2.3.1.2 Makrosoziologischer Ansatz
2.3.2 Ann-Arbor-Modell
2.3.3 Rational-Choice-Ansatz
2.4 Wahlertypen
2.4.1 Stammwahler
2.4.2 Wechselwahler
2.4.3 Protestwahler
2.4.4 Nicht-Wahler
2.5 DefinitionKrise
3. Anwendung Alternative fur Deutschland
3.1 GeschichtlicherAbriss
3.2 Wahlerwanderung
3.2.1 Stammwahler
3.2.2 Wechselwahler
3.2.3 Protestwahler
3.2.4 Nicht-Wahler
3.3 Anwendung der Erklarungsansatze des Rechtspopulismus
3.3.1 OkonomischerAnsatz
3.3.2 Kultureller Ansatz
3.3.3 PolitischerAnsatz
3.4 Anwendung der Erklarungsansatze des Wahlverhaltens
3.4.1 Soziologische Ansatze
3.4.1.1 Mikrosoziologischer Ansatz
3.4.1.2 MakrosoziologischerAnsatz
3.4.2 Ann-Arbor-Modell
3.4.3 Rational-Choice-Ansatz
4. Fazit und Forschungsperspektive
5. Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die funfMerkmale des Populismus
Abbildung 2: Vertikale und horizontale Dichotomie als ideologischer Kern
Abbildung 3: Forschungsprogramm zum neuen Rechtspopulismus
Abbildung 4: Verhalten der Parteien im Wahlkampf.
Abbildung 5: Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen in Deutschland bis 2017
Abbildung 6: Vergleich des Wahlverhaltens von 2013 zu 2017 in Prozent
Abbildung 7: Vergleich des soziookonomischen Status der Wahler von 2013 zu 2017 in Prozent
Abbildung 8: Fluchtlinge und Asylsuchende in der EU 2010-2019
Abbildung 9: Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013
Abbildung 10: Wahlergebnis der Landtagswahl 2013 in Hessen
Abbildung 11: Wahlergebnis derEuropawahl 2014
Abbildung 12: Wahlergebnis derBundestagswahl 2017
Abbildung 13: Wahlerwanderung 2013bis2017
Abbildung 14: Wahlerwanderung zu der AfD bei derBundestagswahl am 22. September 2013
Abbildung 15: Wahlerwanderung von und zu der AfD bei der Bundestagswahl am 24. September 2017
Abbildung 16: Zeitpunkt der Wahlentscheidung von AfD-Wahlern bei der Bundestagswahl 2017
Abbildung 17: Umfrage zur Mobilisierung bei der Bundestagswahl 2013
Abbildung 18: Umfrage Mobilisierung Vergleich aller Befragten und der AfD-Wahler bei der Bundestagswahl 2017
Abbildung 19: Einstellung aller Wahler und der AfD-Wahler zu bestimmten Themen
Abbildung 20: Umfrage uber Benachteiligung Bundestagswahl 2017
Abbildung 21: Umfrage der AfD-Wahler uber Sorgen Bundestagswahl 2017
Abbildung 22: Umfrage uber Ansichten zum Thema Fluchtlinge zur Bundestagswahl 2017
Abbildung 23: Weltoffenes Land oder nationale Grenzen? Zur Bundestagswahl 2017
Abbildung 24: Umfrage Mobilisierungsgrunde der erfolgreichsten Parteien zur Bundestagswahl 2017 69 Abbildung 25: Umfrage zu den Ansichten von AfD-Wahlem uber die eigene Partei zur Bundestagswahl 2017
Abbildung 26: Wahlerstruktur der Parteien nach Erwerbsstatus 2013 und 2017
Abbildung 27: Wahlverhalten nach Bildungsabschluss 2002-2017
Abbildung 28: Vergleich der Bildungsgrade der Wahler bei den Bundestagswahlen 20052017
Abbildung 29: Soziookonomische Merkmale von Personen mit AfD-Wahlabsicht und anderer Wahlabsicht im Vergleich
Abbildung 30: Einteilung der Wahler bestimmter Parteien in Einkommensfunftel
Abbildung 31: Nettoeinkommen der Wahler verschiedener Parteien
Abbildung 32: Soziookonomische Aspekte der AfD-Wahlerschaft im Jahr 2014, 2016, 2018und 2020
Abbildung 33: Altersstruktur der Wahler in Bezug auf die Parteien in Deutschland im Jahr 2013
Abbildung 34: Stimmenabgaben nach Alter im Jahr 2017
Abbildung 35: Eigene Darstellung nach Statistischem Bundesamt 2015 und 2018
Abbildung 36: Geschlechtervergleich bei der Praferenz einer Partei
Abbildung 37: Geschlechtervergleich zwischen den Parteien bei der Bundestagswahl 2017
Abbildung 38: Alter und Geschlecht bei Personen mit und ohne AfD-Walhabsicht
Abbildung 39: Zweitstimmen im fruheren Bundesgebiet und in den neuen Landem bei derBundestagswahl 2017
Abbildung 40: Parteipraferenz nach Konfession in%
Abbildung 41: Konfession der Wahler seit 1990
Abbildung 42: Rechtsextremes Einstellungspotenzial 2008 und 2016
Abbildung 43: Die AfD- Zweitstimmenergebnisse bei der Bundestagswahl 2017 auf der Ebene der Wahlkreise
Abbildung 44: Wahlerstruktur der Parteien nach Erwerbsstatus 2013 und 2017
Abbildung 45: Personen mit Parteibindung, die der AfD zuneigen, nach sozial- strukturellen Merkmalen
Abbildung 46: Soziookonomische Faktoren bei den Wahlern im Vergleich zur Bundestagswahl 2017
Abbildung 47: Wahlabsicht fur die AfD nach sozialen Gruppen Ill Abbildung 48: Umfrage an die verschiedenen Wahlerschaften zu kulturellen Aspekten
Abbildung 49: Vergleich der Gewichtung der Themen zwischen AfD-Anhangern und aller Befragten
Abbildung 50: Zeitlicher Verlauf der politischen Themen
1. Einleitung
(Meyer und Kelkel)
In den letzten Jahrzehnten haben immer mehr rechtspopulistische Parteien in verschiedenen europaischen Landern Erfolge feiern konnen. Einerseits gibt es Parteien wie der Front National in Frankreich, die Freiheitliche Partei Osterreichs in Osterreich, die Danische Volkspartei in Danemark oder der Flamische Block in Belgien, die sich in den letzten Jahrzehnten etabliert haben und groBe Bevolkerungsteile des jeweiligen Landes ansprechen. Andererseits wurde zusatzlich zu den etablierten Parteien auch immer wieder bei neuen rechtspopulistischen Parteien ein starker Zulauf verzeichnet. Beispiele hierfur stellt die Partei ANO in Tschechien, die SD in Schweden, die UKIP in GroBbritannien oder die Alternative fur Deutschland (AfD) in Deutschland dar.
Die AfD hat sich seit ihrer Grundung 2013 stetig weiterentwickelt und konnte sowohl auf Landes- und Bundesebene als auch auf europaischer Ebene immer wieder groBe Erfolge fur eine neu gegrundete Partei einfahren. In der Politikwissenschaft wird immer wieder untersucht, welche Rolle Krisen in Bezug auf Rechtspopulismus und dessen Entwicklung spielen. Konnen Krisen tatsachlich als Katalysator dienen oder sind sie nur einer von vielen kleinen Bausteinen?
Um dies zu untersuchen, muss erortert werden, welche Krise sich fur eine solchen Betrachtung eignet. Bezogen auf die Entstehungsgeschichte der AfD stellt die Europaische Finanzkrise einen zentralen - wenn nicht sogar den Hauptfaktor - dar. Eine Krise kann auf drei verschiedenen Ebenen analysiert werden: Der okonomischen, der kulturellen und der politischen Ebene. Wahrend die europaische Finanzkrise lediglich die okonomische und politische Ebene tangiert, kann die Fluchtlingskrise auf alien drei Ebenen analysiert werden.
Zuerst wurde die Wahlerwanderung zwischen der Bundestagswahl 2013 und 2017 betrachtet und untersucht, um eine Grundlage fur die restliche Arbeit zu bieten. Um herauszufinden, wie sich die Fluchtlingskrise auf die Partei ausgewirkt hat, werden vor allem die verschiedenen Wahlprogramme herangezogen und die Inhalte der jeweiligen Programme miteinander verglichen. Dabei wird zwischen „Vor der Fluchtlingskrise“ und „Nach der Fluchtlingskrise“ unterschieden. Der okonomische Ansatz untersucht unter anderem, ob sich die AfD fur den Wohlfahrtschauvinismus ausspricht. Im kulturellen Ansatz wird sich mit der Hypothese auseinandergesetzt, dass die Inhalte der AfD in den Wahlprogrammen nach der Fluchtlingskrise fremdenfeindlicher sind als nach der Fluchtlingskrise. AuBerdem wird ebenfalls in diesem Unterkapitel betrachtet. Letztlich wird im politischen Ansatz vor allem auf die Forderung nach direkter Demokratie und mehr Subsidiaritat eingegangen.
Auf diesen Ebenen aufbauend werden im Laufe der Arbeit entscheidende Entwicklungstendenzen von rechtspopulistischem Wahlverhalten herausgearbeitet. Es wird untersucht, wie das Wahlverhalten vor und nach der Fluchtlingskrise, die ihren Hohepunkt im Jahr 2015 erreichte, war und wie sich dieses verandert hat. Hierzu werden vier verschiedene Wahlforschungsansatze auf die AfD-Wahlerschaft angewandt.
Da jeder Wahlforschungsansatz verschiedene Schwerpunkte hat, muss herausgearbeitet werden, welche Aspekte inwieweit mithilfe des jeweiligen Ansatzes erklart werden konnen.
Im ersten Teil werden die soziologischen Ansatze beleuchtet. Diese teilen sich in den Mikrosoziologischen Ansatz und in den Makrosoziologischen Ansatz auf. Ersterer umfasst die sozialen Kreise, die Einfluss auf das Individuum bei der Wahlentscheidung nehmen. Anhand dieses Ansatzes wird die Affinitat zur AfD in Bezug zur Schichtzugehorigkeit, dem Alter, des Geschlechts und der Konfession analysiert.
Im zweiten Schritt wird der Makrosoziologische Ansatz betrachtet. Dieser befasst sich mit den vier klassischen Konfliktlinie, wobei unter anderem auf die Hypothese „Je landlicher die Region, desto eher wird die AfD gewahlt.“ eingegangen wird.
AnschlieBend werden unter Bezugnahme des Ann-Arbor-Modells die AfD- Sympathisanten analysiert. Innerhalb des Ansatzes wird nach der Theorie von Campbell et al. (1954 und 1968) zwischen langfristigen und kurzfristigen Variablen unterschieden, namlich der Parteiidentifikation, der Kandidatenorientierung und der Sachorientierung. Daruber hinaus liegt der Forschungsansatz auf Grundlage der Parteiidentifikation, die in Abhangigkeit mit dem sozialen Status gebracht wird und der Kandidaten bzw. Sachorientierung in Bezug zur Einstellung von AfD-Wahlern gegenuber Fluchtlingen. Letztlich wird beim Rational-Choice-Ansatz geklart, welche Themen fur AfD-Wahler von groBer Bedeutung sind und inwieweit der Protestwahler anhand des expressiven Wahlers erklart werden kann.
2. Theorie
(Kelkel)
Der Begriff „Rechtspopulismus“ beschreibt eine Art des Populismus, eine weitere stellt der Linkspopulismus dar. Im Laufe dieser Arbeit wenden wir uns dem Rechtspopulismus hin, da diese Form des Populismus gegenwartig sehr stark in der Gesellschaft, in den Medien und in der Politik vertreten und tagtaglich diskutiert wird. Besonders mit Blick auf die deutsche Geschichte hat die politische Orientierung „rechts“ eine wichtige Bedeutung. Aus diesen Grunden mochten wir lediglich den Rechtspopulismus in Deutschland unter die Lupe nehmen.
2.1 Definition Populismus
(Kelkel)
Bevor sich mit der Definition des Rechtspopulismus auseinandergesetzt werden kann, mussen die Ursprunge des Oberbegriffes „Populismus“ geklart werden.
Der Wortursprung stammt aus dem Lateinischen: populus bedeutet das Volk. Zu Zeiten des Romischen Reiches gehorten sowohl die Patrizier - der alte Erbadel - als auch die Plebejer - das niedriger gestellte Volk - zum populus. Wahrend die einfachen Leute im Romischen Reich nur einen Teil des romischen Volkes ausmachten, setzt der heutige Populismus das Volk nicht mit Mm populus. sondern mit Mm plebs gleich (vgl. Wolf 2017, S. 3).
Bewegungen populistischer Art, wie wir sie heute ebenfalls erleben, kamen zum ersten Mai im spaten 19. Jahrhundert auf. Grund dafur war der Wandel von der industriellen hin zur postindustriellen Gesellschaft (vgl. Puhle 1986, S. 15). Damit ist gemeint, dass nicht mehr nur Menschen in Fabriken arbeiten, sondern diese Arbeiten zum Teil von Maschinen erledigt werden. Die Technik spielt somit eine immer wichtiger werdende Rolle in Bezug auflndustrien (vgl. Bell 1988).
Dies zeigt, dass es einen hohen Grad der Industrialisierung und den damit zusammenhangenden Produktionsweisen und sozialen Strukturen gibt. Menschen zog es immer mehr in die Stadte, da es dort aufgrund vieler Fabriken auch viel Arbeit gab. In den Industrien wurde nun Arbeitsteilung betrieben, sodass der Arbeiter selbst nicht mehr in den gesamten Prozess der Herstellung eines Artikels eingebunden war, sondem lediglich einen Teil des Gesamten verrichtete und dies standig wiederholte.
„Alle Versuche, das Phanomen Populismus auf den Begriff zu bringen, haben immer wieder gezeigt, dass es zu komplex, kontextabhangig und veranderlich ist, um in knappen Definitionen erfasst werden zu konnen“ (Meyer 2006, S. 81).
Aufgrund dieser Vielfaltigkeit wird der Begriff sowohl in den Medien als auch in der Wissenschaft inflationar verwendet, weswegen er seiner begrifflichen Scharfe beraubt wird (vgl. Decker 2006, S. 25).
,,In its most simple form, populism is nothing more than a rhetorical device. The criteria for classifying a party’s or a person’s rhetorical skills as populist are: reduction in complexity, simplification and focusing on the things the audience wants to hear. By using these elements, a party not only tries to earn/gain more votes, but these elements are the central elements of rhetorical populist style. The thin populist ideology is a combination of populist elocution, a provocative confrontation of the elite and the simple people, and, hence, criticism of the ‘Establishment’. Correspondingly, right-wing populism is an ideology that uses populist elocution and not only exploits the vertical confrontation of the elite and the simple people, but also the horizontal confrontation between the “us” and foreigners as its central topics.” (Wolf2016, S. 158)
Wolf zeigt die Dimensionen des Populismus sehr treffend auf. Es kann sich bei dem allgemeinen Begriff des Populismus der Neuzeit um ein rhetorisches Stilmittel handeln, welches mit Komplexitatsreduktion - also mit Vereinfachungen - arbeitet. Dieser rhetorische Stil wird dabei oft mit provokativen Konfrontationen von „Volk“ und „Elite“ verknupft. Diese Aspekte gepaart mit der Tatsache, dass der Populismus an sich keine wirkliche Ideologic aufweist, ergeben die Begrifflichkeit, den Populismus als dunne Ideologic zu bezeichnen. Wird dieses Konzept noch durch die Abgrenzung zwischen dem „eigenen“ Volk, der eigenen Nation und den Auslandern bzw. den Anderen erweitert, so spricht man vom Rechtspopulismus.
Umjedoch den Begriff Rechtspopulismus klar definieren zu konnen, bedarf es im Voraus einer Hinwendung zum Populismus als rhetorischen Stil und zum Populismus als dunne Ideologic.
2.1.1 Populismus als rhetorischer Stil
(Kelkel)
Betrachtet man den Populismus als rhetorisches Stilmittel, so ist lediglich das sprachliche Geschick bzw. die Fahigkeit von Noten, Sprache und Inhalt direkt an das Publikum zu richten und somit auf das Publikum einzuwirken (vgl. ebd.).
Dabei ist auffallig, dass Populisten ursprunglich kein eigenes politisches Programm haben. Es wird vielmehr darauf geachtet, welche Themen aktuell brisant sind und ob gewisse Teile der Bevolkerung klare Forderungen haben, die sich meist gegen die Regierung richten. Somit ist Populismus eine Form des Opportunismus, welcher von demagogischer Politik gepragt ist. Diese Stellung ist sehr gunstig, da sie es ermoglicht, inhaltlich flexibel zu sein, um sich so stets als „Vertreter des Volkes“ darstellen zu konnen (vgl. Mudde 2008, S. 13). Populistische Parteien weisen somit wie jede andere Oppositionspartei auch auf Fehler der Regierung hin. Populisten verstehen sich und ihre Anhanger jedoch vor allem als Opfer der Globalisierung. Vielmehr fordern sie, dass die „kleinen Leute“ emstgenommen werden und direkt mit dem Volk kommuniziert wird (vgl. Nohlen 2004, S. 832). Populistische Parteien versuchen in diesem Zusammenhang, stets zu polarisieren. Aussagen wie die folgenden waren so verpackt, dass sie vergangene Unzufriedenheit mit einer befreienden Zukunft paaren: ,,[W]hile they preach impending doom, they also offer salvation.“ (Albertazzi und McDonnell 2008, S. 5).
Im Kommunikationsstil von Populisten wird sichtbar, dass eine Starke Personalisierung und eine Emotionalisierung in Kombination mit der Opferrolle wichtige Bestandteile sind. Zur Emotionalisierung dient meist das Schuren von Angsten als Werkzeug - bei Rechtspopulisten bezuglich „fremden“ Personen -, welches deutlich wird, wenn man das Freund-Feind-Schema betrachtet (vgl. Diehl 2012). Dies steht fur die Dichotomie zwischen der Bevolkerung, die die Opferrolle darstellt und den „Anderen“ und der „Elite“. Fur Populisten hat die starke Personalisierung den Vorteil, dass klare Feindbilder geschaffen werden, gegen die das „Volk“ seine Krafte bundelt. Diese Feindbilder konnen Personen innerhalb des politischen Apparates sein, wie zum Beispiel Prasidenten oder aber auch ganze Ethnien, die als „die Anderen“ bezeichnet werden. All diese Punkte zeigen auf, dass im Populismus nicht die Objektivitat, sondern hauptsachlich die Subjektivitat eine entscheidende Rolle spielt, um die Bevolkerung moglichst stark zu beeinflussen. Diese Art und Weise der Politikfuhrung spiegelt sich schlieBlich an den Stammtischen der Gesellschaft wider. Hier werden laut Pfahl-Traghber Halbwahrheiten ohnejegliche Reflexion als Fakten ausgesprochen, wodurch radikale Positionen vertreten werden (vgl. Pfahl-Traughber 1994, S. 18 f.). Daruber hinaus wird behauptet, dass Politiker die vermeintlich einfachen Losungen aus egoistischen Grunden nicht in Erwagung ziehen (vgl. ebd.).
Letztlich spielt auch der sogenannte gesunde Menschenverstand, welcher in der Literatur auch unter dem Begriff ..common-sense" zu verstehen ist, bei Populisten eine groBe Rolle. In Bezug auf den Populismus stellt dieser Begriff einen Gegenpart seitens des Volkes zur abgehobenen Elite dar. Dem elitaren Kreis wird vorgeworfen, dass er im Gegensatz keinen gesunden Menschenverstand besitzt, den die einfachen Leute jedoch vorweisen (vgl. Pauwels 2014, S. 20). Diese Begrifflichkeit erstreckt sich auBerdem auch uber die Einfachheit in der Sprache, weswegen Fremdworter und dergleichen so weit wie moglich vermieden werden, um die Nahe zu den Anhangem zu wahren. Ferner lasst sich beobachten, dass sich genau diese Vereinfachung nicht nur auf die Sprache beschrankt, sondern auch auf Losungsvorschlage und die generelle Denkweise auswirkt, wie zum Beispiel beim Schwarz-WeiB-Denken, um somit stets fur eine Komplexitatsreduktion zu sorgen (vgl. Hartleb 2011, S. 24).
2.1.2 Populismus als dunne Ideologic
(Kelkel)
Es wird deutlich, dass es keine eindeutige Definition des Populismus gibt. Vielmehr gibt es verschiedene Perspektiven, die alle in sich wiederum von unterschiedlichen Autoren auf unterschiedliche Art und Weise verstanden werden.
„A political movement that emphasizes the interests, cultural traits, and spontaneous feelings of the common people, as opposed to those of a privileged elite. For legitimation, populist movements often appeal to the majority 'will directly - through mass gatherings, referendums, or other forms of popular democracy - without much concern for checks and balances or the rights of minorities.” (Di Tella 1995, S. 985)
Laut dieser Definition ist der Populismus eine politische Bewegung, bei der die Interessen der einfachen Bevolkerung im Mittelpunkt stehen. Pladiert wird beispielsweise fur direkte Demokratie, um direkt Entscheidungen beeinflussen zu konnen. Eine weniger wichtige Rolle spielen hierbei jedoch die Gewaltenteilung und die Rechte von Minderheiten.
Stellt der Populismus jedoch uberhaupt eine Ideologic dar? In diesem Zusammenhang schreibt Decker:
„Die ideologische Qualitat des Populismus ist umstritten. Manche lehnen seine Charakterisierung als Ideologie uberhaupt ab, wahrend andere betonen, dass der Populismus ideologisch nicht zurechenbar sei, sich zwischen alien Stuhlen bewege.“ (Decker 2004, S. 29)
Dieses Zitat unterstreicht, dass es unterschiedliche Meinungen bezuglich des Populismus als Ideologic gibt. Aufgrund der Schwierigkeit der Zuordnung des Begriffes und der Unklarheit bezogen auf den Populismus als Ideologic, wird vom Populismus als sogenannte dunne Ideologic gesprochen. Der Kern dieser populistischen Ideologic besteht laut Albertazzi und McDonnell aus folgenden drei Thesen:
,,1. the government and democracy, which should reflect the 'will of the people, have been occupied, distorted and exploited by corrupt elites;
2. the elites and ‘others’ (i.e. not of ‘the people’) are to blame for the current undesirable situation in which thepeoplefmd themselves;
3. the people must be given back their voice and power through the populist leader and party. This view is based on a fundamental conception of the people as both homogeneous and virtuous.” (Albertazzi &McDonnell 2008, S.4f.)
Zuerst wird sich auf die Regierung und die Demokratie bezogen, welche, staff den Willen der Bevolkerung zu horen, zu verstehen und zu berucksichtigen, von korrupten Eliten besetzt und ausgenutzt wird. Daruber hinaus sind zum einen die Elite und zum anderen die „Fremden“ Schuld daran, dass die Situation, in der sich das Volk befindet, nicht wie gewunscht ist. Letztlich muss dem Volk durch einen populistischen Fuhrer und eine populistische Partei seine Stimme und die Macht zuruckgegeben werden. Grundvoraussetzung fur diese Denkweise ist das Konzept des homogenen Volkes. Mithilfe dieser Grundlage wird nun auf die detaillierte Denkweise der Populisten eingegangen. Patzelt beruft sich in diesem Zusammenhang auf funf Merkmale des Populismus, welche in der Abbildung 1 zusammengefasst wurden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die funfMerkmale des Populismus Quelle: Eigene Darstellung nach Patzelt 2017
Das erste Merkmal bezieht sich darauf, dass schwierige Zusammenhange mithilfe sehr vereinfachter Darstellungen, welche jedoch nicht padagogischer, sondern vielmehr demagogischerNatur sind, erklartwerden sollen.
Als nachstes listet Patzelt die Rolle des Fuhrers auf, der durch sein Charisma eine Menschenmasse mitreiBen kann. Wahrend bei nicht-populistischen Politikem das Gemeinwohl der Bevolkerung ebenso wie die „Selbstverwirklichung“ im Mittelpunkt stehen, geht es bei Populisten hauptsachlich darum, sich selbst zu verwirklichen (vgl. Patzelt 2017).
Drittens ist Populismus ein Politikstil, der die Wahler, die ihm folgen, als das „Volk“ bezeichnet und der „Elite“ gegenuberstellt und darauf abzielt, die Bevolkerung gegen die Politiker aufzuhetzen. Der Vorwurflautet, dass sie Volksverrater seien, welche nicht auf die Stimme des „Volkes“ horen, sondern Gebrauch von ihrem freien Mandat machen. Das freie Mandat hingegen hat eine essenzielle Funktion innerhalb einer Demokratie, welches besagt, dass Politiker zwar die Meinung der Bevolkerung anhoren konnen, jedoch nicht verpflichtet sind, diese in der Entscheidung zu berucksichtigen. Sie haben somit das Recht darauf, nach eigenem Ermessen Entscheidungen zu treffen, gleichzeitig mussen siejedoch im Umkehrschluss die voile Verantwortung tragen und bei moglichen Fehlentscheidungen mit der Konsequenz leben, bei den nachsten Wahlen abgewahlt zu werden.
Als viertes wird von Populisten behauptet, es gabe so etwas wie einen klaren, einheitlichen Volkswillen. Dieser Ansatz istjedoch illiberal, da sich die Bevolkerung vor allem in demokratischen Landern aus Gruppen unterschiedlicher Ethnien, Religionen, Interessen usw. zusammensetzt. Diese Heterogenitat bedeutet auch, dass es zahlreiche unterschiedliche Meinungen innerhalb einer Gesellschaft gibt und aufgrund dessen ein Konsens gebildet werden muss, um beispielsweise Minderheiten nicht zu unterdrucken. Populisten versuchen jedoch, die Gesellschaft dahingehend zu spalten, dass sie einem Teil der Gesellschaft die Zugehorigkeit zum „Volk“ zusprechen, einem anderen Teil diese Zugehorigkeit allerdings verweigem und somit die Mehrheit davon zu uberzeugen, dass es nur die eine Wahrheit gibt, die die vermeintliche Mehrheit beschlieBt.
Letztlich ist das Aufkommen des Populismus ein Hinweis auf Storungen im Gefuge reprasentativer Demokratien. Dies kommt dann zum Vorschein, wenn sich nicht mehr alle Burger von den Reprasentanten vertreten fuhlen (vgl. Patzelt 2017). Eine representative Demokratie hat einerseits den Vorteil, dass die Reprasentanten nicht an die Meinung des Volkes gekoppelt sind, sodass sie ein freies Mandat haben und schlieBlich selbst Entscheidungen treffen konnen. Eine direkte Demokratie, in der die Burger selbst Entscheidungen uber gewisse Fragen treffen, lauft Gefahr, dass uninformierte Personen an der Wahl teilnehmen und somit das Ergebnis beeinflussen. Jedoch ist hierbei der groBe Vorteil, dass es eine groBe Legitimation am Wahlergebnis selbst gibt, da die Bevolkerung schlieBlich selbst gewahlt hat (vgl. Rohlig & Holter 2016).
2.1.3 Rechtspopulismus
(Kelkel)
Nachdem sowohl der Populismus als rhetorischer Stil als auch der Populismus als dunne Ideologic beschrieben wurden, wird sich nun mit dem speziellen Fall des Rechtspopulismus auseinandergesetzt.
Dabei bietet uns die Abbildung 2 nach Klein eine treffende Veranschaulichung bezuglich der Grundannahmen des Rechtspopulismus.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Vertikale und horizontale Dichotomie als ideologischer Kem Quelle:Klein2011, S. 19
Grundlegend ist ein Gegensatz zwischen der „Wir-Gruppe“, die aus dem ,,einheimischen Volk“ besteht, und der Gruppe der „Anderen“ bzw. der „Fremden“ erkennbar. Dieser Gegensatz wird in Abbildung 2 durch die horizontale Ebene dargestellt. Im Mittelpunkt steht hierbei die Ausgrenzung von Einwanderern und Minderheiten. Durch sie soil das Volk seine eigene Kultur schutzen. Dies weist auf einen identitatsstiftenden Charakter des Volksbegriffes hin, welcher sich auf rechtspopulistischer Ebene vor allem in der Auslanderfeindlichkeit widerspiegelt (vgl. Geden 2006, S. 21 & 41). Die Masseneinwanderung und Multikulturalitat sind in den Augen der Rechtspopulisten die Ursache fur innergesellschaftliche Ungerechtigkeiten und Note sowie eine Gefahr fur die nationale Identitat, Sicherheit und den Wohlstand der eigenen Bevolkerung (vgl. Hartleb 2011, S. 45).
„Kulturell verstehen sich die Rechtspopulisten als Anti- Migrationsparteien. Gegen die Tendenzen einer ethnisch-kulturellen Vermischung betonen sie die Zugehorigkeit zu einer historisch gewachsenen, homogenen nationalen Gemeinschaft. Das Nationsver- standnis ist dabei aber nicht (mehr) partikularistisch, sondern wird gespeist von einer ubergreifenden abendlandisch-christlichen Identitat in Abgrenzung zum nicht-westlichen Islam. Dies erklart zugleich, warum die verschiedenen nationalen Vertreter des Rechtspopulismus heute europaweitgutzusammenarbeiten.“ (Decker 2012, S. 23)
Vor alien Dingen ruckt die Auseinandersetzung mit dem Islam in den Vordergrund. Grund fur die Anti-Islam-Haltung ist die heutige Prasenz des Islams. Seit der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts wohnen Familien mit islamischem Glauben in Europa. Damit geht einher, dass bereits viele Moscheen in Europa errichtet wurden oder aber beispielsweise oftmals traditionell muslimische Kleidung auf den europaischen StraBen getragen wird. Fur Rechtspopulisten ist diese Prasenz ein Dorn im Auge. Der Islam wird als globale Bedrohung verstanden. Die Danische Volkspartei (DVP) und ihre Parteivorsitzende Pia Kjarsgaard beschrieb vor den nationalen Wahlen im Jahr 2001 den Islam als eine Art aggressiven Fundamentalismus. Der Glaube und deren Anhanger seien ruckstandig, intolerant und unvereinbar mit den Grundwerten der westlichen Demokratie. Darunter falle auch die unzeitgemaBe Rolle der Frau, welche nicht vereinbar sei mit den christlichen Grundwerten wie zum Beispiel Toleranz und Respekt (vgl. Hartleb 2005, S. 19).
Die zweite Dimension dieser Dichotomie stellt die vertikale Ebene dar. Hierbei wird zwischen dem „Volk“ und dem „Establishment“ bzw. der „Elite“ unterschieden. Diese Betrachtung bezieht sich auf die korrupte Elite, welche vor allem aus Berufspolitikern, Banken, GroBunternehmen und EU-Burokraten besteht (vgl. Rensmann 2006, S. 61-72). Speziell im Fall der supranationalen Institution EU weisen Rechtspopulisten darauf hin, dass unter dieser Verflechtung auf verschiedenen Ebenen die Burgemahe und auch die demokratische Legitimation sehr stark leide (vgl. Hartleb 2005, S. 21).
Die beiden aufgezeigten Dimensionen schlieBen sich jedoch nicht gegenseitig aus, sondern uberschneiden sich in einigen Aspekten. Dazu gehort beispielsweise die Einstellung gegenuber der Europapolitik, denn hierbei wird sowohl die horizontale als auch die vertikale Ebene bespielt. Auf vertikaler Ebene wird darauf Bezug genommen, dass die EU die Souveranitat der Nationalstaaten sehr stark einschrankt. Durch die EU- Osterweiterungen und die Personenfreizugigkeit kam es zur Einwanderung von „Wirtschaftsfluchtlingen“, welche den freien Zugang zu den (west-)europaischen Wohlstandsstaatssystemen nutzen, um sich finanziell besser aufzustellen (vgl. ebd. S. 22). Die Folge dieser Politik erstreckt sich somit auf die horizontale Ebene, denn die Wirtschaftsfluchtlinge stellen in diesem Fall das Feindbild der Rechtspopulisten dar.
2.2 Erklarungsansatze des Rechtspopulismus
(Kelkel)
Im vorliegenden Kapitel geht es darum, Erklarungsansatze aufzuzeigen, welche es im weiteren Verlauf dieser Arbeit ermoglichen, das Wahlverhalten von jenen Wahlern zu erklaren, die ihre Stimme rechtspopulistischen Parteien schenken.
Wahrend es sich in der Historie um raumlich und zeitlich versetzte Erscheinungen von Populismus handelte, rucken in der Neuzeit im Zeichen der Globalisierung die einzelnen Gesellschaften in ihrer Problembetroffenheit immer weiter zusammen. Decker spricht in diesem Zusammenhang auch von der Globalisierung, die zur „Chiffre der Systemkritik ganz unterschiedlicher (nicht nur rechter) ideologischer Positionen geworden [ist], die fur die kunftige Entwicklung der Demokratie groBen Zundstoff birgt“ (Decker 2006, S. 13). Der Hauptgrund dafur liegt in der Parallelitat des Parteiensystemwandels der einzelnen Lander (vgl. ebd.).
Die Erklarungsansatze lassen sich in drei Teile untergliedem: den okonomischen, kulturellen und schlieBlich auch den politischen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Forschungsprogramm zum neuen Rechtspopulismus Quelle: Decker 2006, S. 22
Wie aus Abbildung 3 ersichtlich wird, betrachtet man zuerst die okonomische Ebene, mit der das Wahlverhalten von Wahlem, welche sich rechtspopulistischen Parteien zuwenden, erklart wird. Danach wird der Blick auf die kulturellen Aspekte der Erklarung gelenkt. In einem letzten Schritt wird auf die politische Ebene eingegangen.
2.2.1 Okonomischer Ansatz
(Kelkel)
Laut Spier sei die okonomische Dimension der bedeutendste Part der Globalisierung (vgl. Spier 2006, S. 48). Sie beschreibt eine immer groBer werdende Vernetzung der weltweiten wirtschaftlichen Aktivitaten und der Intensivierung der Waren- und Kapitalstrome auf internationaler Ebene. Wahrend noch in den 1950er Jahren der Anted des Welthandels an der weltweiten Produktion zehn Prozent ausmachte, stieg dieser Anted binnen 40 Jahren auf etwa das Doppelte. Diese Ausdehnung sorgt dafur, dass es immer mehr Arbeitsteilung zwischen den Nationen gibt. Dies hat wiederum zur Folge, dass die Produkte aus gewissen Branchen von nun an immer haufiger im Ausland produziert und schlieBlich exportiert werden. Es werden exportorientierte Industrien auch in den Landem aufgebaut, welche vor nicht allzu langer Zeit noch Guter importiert haben.
MaBgeblich betrifft dies die sogenannten Schwellenlander, welche nun in Konkurrenz zu den alten Industrienationen treten und vor allem durch die niedrigeren Lohne und somit die niedrigeren Herstellungskosten derjeweiligen Produkte einen klaren Vorteil fur groBe Unternehmen bieten. Im Umkehrschluss gibt es auch jene Branchen in der Volkswirtschaft, die keine negativen Auswirkungen durch die Globalisierung erfahren haben, da sie weiterhin im Inland produzieren und ihre Ware auch dort verkaufen konnen. SchlieBlich konnten einige Branchen die Globalisierung auch zu ihrem eigenen Vorteil nutzen, da sie durch den Export ihrer Waren selbst davon profitieren (vgl. Perraton et al. 1998).
Bezieht man dies nun auf das Wahlverhalten bezuglich rechtspopulistischer Parteien, so lassen sich die Prekariats- und Modernisierungsverliererthesen heranziehen. Fur bestimmte gesellschaftliche Gruppen haben die wirtschaftlichen Modernisierungs-, Vernetzungs- und Deregulierungsprozesse der vergangenen Jahrzehnte fur Existenzangste gesorgt, indem sie eine Gefahrdung des sozialen Status befurchteten und befurchten. Grund dafur ist der internationale Wettbewerbsdruck und das damit verbundene Gefuhl des sozialen Abstiegs und der personlichen Benachteiligung. Zusatzlich zu dem Wettbewerbsdruck auf internationaler Ebene erleben vor allem die Personengruppen der einfachen Arbeiter, welche sich im Niedriglohnsektor befinden, ebenfalls auf nationaler Ebene diesen Konkurrenzdruck. Durch die Migration in den Industrienationen fuhlen sich gewisse Gruppen der Gesellschaft um ihren Job und somit um ihre Existenz bedroht, denn nun treten Fluchtlinge in den unmittelbaren Nahbereich genau dieser sogenannten „Modemisierungsverlierer“.
Rechtspopulistische Parteien machen sich diese Prozesse und die damit verbundenen negativen Emotionen zunutze, indem sie diese Personengruppen adressieren und ihnen versprechen, diese Problematik mithilfe von Protektionismus - also Abschottung - und wirtschaftlicher Priorisierung der einheimischen Bevolkerung zu losen. Aus diesem Grund sind rechtspopulistische Parteien sehr empfanglich gegenuber den sogenannten Modernisierungs- bzw. Globalisierungsverlierern, sodass ihre Wahlerstimmen in den letzten Jahren enorm zugenommen haben (vgl. Schmitt-Beck et al. 2017, S. 278).
Untersuchungen kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass die Modernisierungsverliererthese nur in einem geringen MaBe empirisch belegt werden kann. Somit ist es fraglich, ob die typischen soziookonomischen Merkmale, wie zum Beispiel das niedrige Einkommen einer Person, rechtspopulistisches Wahlverhalten erklaren (vgl. ebd.).
Eine Erklarung fur diese Tatsache kann der Wohlfahrtschauvinismus sein. Hierbei geht es darum, dass sozialstaatliche Einrichtungen nur fur die ursprunglichen Bewohner eines Landes zur Verfugung stehen sollen und Einwanderer davon ausgeschlossen werden sollen, da diese Inanspruchnahme ungerechtfertigt ist, solange Einwanderer nicht selbst Steuern bezahlen. Diese Bevorteilung stellt in den Augen der Rechtspopulisten eine Ungerechtigkeit dar, welche zur Unzufriedenheit fuhrt (vgl. Decker 2019, S. 213). Rechtspopulistische Parteien fordem ebenfalls eine Ablehnung von Entwicklungshilfen, da die Steuergelder an die Steuerzahler selbst zuruckkommen sollten. Diese „Ungerechtigkeit“ uber die finanziellen Hilfen fur Fluchtlinge findet sich nicht nur in den armeren Schichten der Gesellschaft, sondern auch in den wohlhabenden Gesellschaftsschichten wieder (vgl. Mewes & Mau 2012). Es ist in diesem Zusammenhang einerseits von der exklusiven In-Group und andererseits von der OutGroup die Rede. Diese Begriffe werden in einen kulturellen Frame eingebettet und auf diese Art und Weise auch in Parteienprogrammen festgehalten. Die In-Group wird anhand der hiesigen Traditionen, der Ethnie und der Sprache definiert, wahrend die OutGroup die Fluchtlinge darstellen (vgl. van Oorschot & Roosma 2015, S. 14).
Uber Jahrzehnte hinweg hat der Neoliberalismus eine zentrale Rolle im Rechtspopulismus gespielt und fand sich in den Wahlprogrammen rechtspopulistischer Parteien stets wieder. Der Neoliberalismus beschreibt die Rucknahme staatlicher Aktivitaten bzw. Interventionen. Vielmehr soil der Markt fast auf sich allein gestellt sein, wodurch es schlieBlich dazu kommen soil, dass der Markt entstaatlicht wird und die Gesellschaft sich selbst reguliert. Dabei stehen drei Einstellungen im Mittelpunkt:
1. Arbeitslose sollen moglichst wenig Unterstutzung erhalten.
2. Arme sind selbst Schuld an ihrer finanziellen Lage.
3. Leistung ist das hochste Prinzip fur eine gerechte Gesellschaft.
Somit kommen die Tugenden okonomischer Selbstverantwortung und das Durchsetzungsvermogen zum Vorschein und sollen auf diese Art und Weise ausgelebt werden (vgl. Schulz & Weiss 2005, S. 400).
Diese Einstellung steht jedoch dem eben angesprochenen Wohlfahrtschauvinismus und der „Modernisierungsverliererthese“ gegenuber, wobei der erste Aspekt staatliches Eingreifen befurwortet und sich der zweite Aspekt fur den Protektionismus - also eine Art von Abschottung - einsetzt. Zwischen 1970 und 2010 fand bezuglich des Neoliberalismus ein programmatischer Wandel bei rechtspopulistischen Parteien statt. Nach Eger und Valdez konnte mit den Comparative Manifesto Projects herausgefunden werden, dass landerubergreifend in diesem Zeitraum wirtschaftsorthodoxe Positionen und Forderungen nach mehr Marktfreiheit in den Wahlprogrammen rechtspopulistischer Parteien einbuBen mussten (vgl. Eger & Valdez 2015, S. 121).
2.2.2 Kultureller Ansatz
(Kelkel)
Beim kulturellen Ansatz geht es um die durch die Globalisierung zustande kommende Differenz zwischen den jeweiligen Lebensstilen und den moralischen Orientierungen. Wahrend Migranten fruher vor allem aus ahnlichen Kulturkreisen kamen, erstreckt sich heutzutage die Migration uber eine Vielzahl unterschiedlicher Kulturkreise, sodass eine steigende Multikulturalitat erkennbar ist. Somit verandem sich die einst „homogeneren“ Nationen hin zu einer Gesellschaft, welche heterogen und bunt ist und somit aus vielen verschiedenen Kulturen besteht. Das Problem hierbei ist jedoch die Konfrontation mit dem Fremden, was fur einige Burger als Bedrohung der eigenen Identitat aufgefasst wird (vgl. Spier 2006, S. 49). Dies wird zusatzlich zur Migration durch die zunehmende grenzuberschreitende Kommunikation via Internet, die Binnenwanderung oder den Tourismus verstarkt (vgl. Berking 2001, S. 98). Aufgrund der weltweiten Vernetzung ist es moglich, sich mit anderen Personen aus unterschiedlichen Kulturkreisen direkt und sehr einfach auszutauschen. Diesen Prozess unterstutzen beispielsweise auch Plattformen wie Facebook, Twitter und Co. AuBerdem ist es moglich, Bucher, Filme und Musik aus aller Welt zu kaufen. Durch Binnenwanderung und Tourismus werden haufig die Grenzen von traditionellen Kulturen uberwunden und direkt und immer wieder mit anderen Kulturen konfrontiert (vgl. Berking 2001, S. 98). Folglich werden die traditionellen Lebensstile von immer mehr altemativen Formen erganzt, was bei einigen Menschen Verunsicherung hervorruft. Spier fasst diese Gruppe von Menschen, welche sich kulturell nicht anpassen kann und will, als „Verlierer der kulturellen Globalisierung“ auf (Spier 2006, S. 49).
Bezieht man den kulturellen Ansatz auf Abbildung 2 aus Kapitel 2.1.3, so wird klar, dass sich diese Uberlegung auf der horizontalen Ebene befindet und die Hauptkonfliktlinie zwischen dem „Volk“ und den „Anderen“ liegt. Die groBte Schnittmenge der rechtspopulistischen Parteien liegt aus programmatischer und ideologischer Sicht aufgrund der kulturellen Aspekte auf der Ebene des Anti-Liberalismus und der Fremdenfeindlichkeit (vgl. Decker2006, S. 16).
SchlieBlich durften landerubergreifende Gemeinsamkeiten bei den okonomischen (verteilungsbezogenen) und den kulturellen (wertebezogenen) Konflikten groBer sein als bei den politischen Konflikten. Daruber hinaus beziehen sich die politischen Konflikte hauptsachlich auf die historischen, institutionellen und kulturellen Eigenarten der nationalen Regierungssysteme (vgl. Decker 2006, S. 15).
2.2.3 Politischer Ansatz
(Kelkel)
Im Gegensatz zu den bereits angefuhrten Ansatzen steht beim politischen Ansatz nicht das Individuum, sondern das politische System im Mittelpunkt. Aufgrund der immer komplexer werdenden foderalen, supranationalen und internationalen Governance- Strukturen befindet sich die representative Demokratie seit mehreren Jahren in einer anhaltenden Krise. Der Vorwurf lautet, dass „das System reprasentativer Willensbildung heute derart komplex, zeitintensiv und intransparent geworden [ist], dass Politik kaum noch den demokratischen Grundsatzen einer klaren Zurechnung von Verantwortlichkeit genugen kann“ (MIDEM 2018, S. 33). Die Steuerungsfahigkeit des klassischen Nationalstaates nimmt somit ab. Das hat zur Folge, dass es zu dem Gefuhl eines andauernden Souveranitatsverlustes kommt, woruber die Bevolkerung frustriert ist. Dieses Gefuhl bezieht sich nicht nur auf Deutschland, sondern auch auf andere Demokratien im Westen, weswegen es zu populistischen Bewegungen kommt (vgl. Kaldor 2013).
Diese sogenannte Reprasentationslucke geht mit einer Legitimationskrise westlicher Demokratien einher. Wahrend auf der einen Seite groBe Teile der Bevolkerung an Mitbestimmungsmoglichkeiten verlieren, wird auf der anderen Seite die Machtstellung der „Eliten“ ausgebaut und diese schottet sich zunehmend von dem „Volk“ ab. Somit entfremdet sich diese „Elite“ von den Burgem und wird fur deren Anliegen unempfanglich. Das Vertrauen der Burger in die Demokratie und das damit verbundene Interesse an der Politik nimmt deshalb immer weiter ab. Dies nehmen die Rechtspopulisten zum Anlass, sich fur eine direkte Demokratie auszusprechen. Hierdurch konnten die Burger selbst politische Entscheidungen mit beeinflussen (vgl. Bachmann 2006, S. 218).
2.3 Erklarungsansatze des Wahlverhaltens
(Meyer)
Die Erklarung unterschiedlicher Wahlentscheidungen ist die inhaltliche Arbeit der Wahlforschung in der Politikwissenschaft. Ein politisches Ergebnis, das in einer Wahl sichtbar wird, wird als ein politischer Meinungsprozess verstanden. In diesem werden sowohl kurzfristige als auch langfristige Faktoren deutlich. Um eine bessere Vorstellung uber die Erklarung des Wahlverhaltens herzustellen, werden in den folgenden Abschnitten drei Ansatze herausgearbeitet, die den groBten Stellenwert in der politikwissenschaftlichen Wahlforschung einnehmen: der Mikrosoziologische und Makrosoziologische Ansatz, das Ann-Arbor-Modell und der Rational-Choice-Ansatz. Diese werden im Folgenden naher erlautert und auf die AfD angewandt.
2.3.1 SoziologischeAnsatze
2.3.1.1 Mikrosoziologischer Ansatz
(Meyer)
Der Mikrosoziologische Ansatz - oder auch „Columbia School“ - basiert auf den Arbeiten von Lazarsfeld et al. (1944) und Berelson et al. (1954). Dieser kann durch sein[en] soziookonomischefn] Status, seine Religionszugehorigkeit und seine Wohngegend [...]“ (Paasch-Colberg 2016, S. 108) das Wahlverhalten der Wahler erklaren(vgl. ebd. S. 108).
Laut der Theorie von Georg Simmel (1890) sind soziale Merkmale in Bezug auf Wahlverhalten von groBer Bedeutung auf die politische Einstellung (vgl. Klima et al. 2017, S. 40).
„A person thinks, politically, as he is, socially. Social characteristics determine political preference“ (Roth 2008, S. 31). Dies implementiert, dass soziale Kontakte einer Person ein wichtiger Indikator fur die politischen Einstellungen darstellen (vgl. Falter & Schoen 2014, S. 171). Der Grund dieser Annahme ist, dass auf Basis des sozialen Drucks und des Anpassungsdrucks die vorherrschende politische Meinung der sozialen Kontakte so adaptiert wird, dass die Wahlentscheidung, wie die der Angehorigen des sozialen Kreises, ausfallt. Der Anpassungsdruck steigt im Laufe eines Wahlkampfes mit an, umso naher der Wahltag ruckt. Weiterhin wird die Kommunikation um aktuelle Wahlkampfthemen weiter ansteigen, was dazu fuhrt, dass sich die Personen, die sich in einem heterogenen Umfeld politischer Meinungsbildung bewegen, keine starke Parteipraferenz ausbilden, im Gegensatz zu jenen, die in einem homogenen Umfeld leben. Im homogenen Umfeld zeichnen sich unter anderem keine widerspruchlichen, politischen Einflusse ab, was fur das Individuum bedeutet, dass die Wahlentscheidung durch die vorherrschende Gruppenmeinung getroffen wird (vgl. Schultze 2016, S. 127 f.).
Als Ergebnis lasst sich festhalten, dass Personen, die sich in einem homogenen politischen Umfeld und gleicher Meinungsbildung bewegen, eine stabile Parteipraferenz besitzen und dadurch auch ein stabiles Wahlverhalten. Hingegen sind Personen, die in einem heterogenen Umfeld leben, soziologischen cross-pressures ausgesetzt, die zu keiner stabilen Parteipraferenz fuhren und damit zu potentiellen Wechselwahlern zahlen (vgl. Falter et al. 2015, S. 176).
Hier gestaltet sich das Wahlverhalten als Gruppenphanomen, was bei dem prognostischen Wert jedoch als nicht einflussreich angesehen wird. In einer fortgeschrittenen Gesellschaft wird davon ausgegangen, dass Individuen nicht in geschlossenen Milieus oder Netzwerken agierfen] und damit in einem homogenen Umfeld leb[en]“ (vgl. Schultze 2016, S. 128). Demnach zeigt sich, dass sich die Parteipraferenzen nicht manifestieren.
2.3.1.2 Makrosoziologischer Ansatz
(Meyer)
Der Makrosoziologische Ansatz - auch Cleavage-Theorie von Lipset und Rokkan genannt - basiert auf den Ebenen der Stichprobe westlicher Industriestaaten (vgl. Falter 2014, XI).
Lipset und Rokkan (1967) legten eine historisch-genetische Rekonstruktion der Entstehung von Parteisystemen in westeuropaischen Demokratien vor“ (ebd. S. 180). Die Autoren gehen davon aus, dass sich im Laufe der Zeit in westeuropaischen Regionen soziale Spaltungslinien (ebd. S. 181) herausstellen. Diese von den Spaltungslinien entstandenen GroBgruppen engagierten sich wiederum politisch, um ihre Interessen auf politischem Terrain durchzusetzen (vgl. ebd. S. 180).
Das Resultat von Lipset und Rokkan war, dass sich Menschen in moderneren Regionen an vier der Cleavages orientieren:
1. Zentrum vs. Peripherie
2. Staat vs. Kirche
3. Stadtvs.Land
4. Kapital vs. Arbeit (vgl. Falter & Schoen 2014, S. 446)
Der erste Konflikt, bestehend aus „Zentrum vs. Peripheries trennt die dominante Kultur und die unterworfene Kultur voneinander (vgl. ebd. S. 181). Letztere besteht meist aus ethnischen, sprachlichen oder religiosen Minderheiten (vgl. Kaina & Rommele 2009, S. 185),die sich derNationalstaatsbildungwidersetzen“ (ebd. S. 185).
Der zweite Konflikt: „Staat vs. Kirche“ befasst sich mit dem zunehmenden Machtentzug der Kirche durch den Staat, indem die Kirche immer weniger gesellschaftlichen Einfluss erlangt (so zum Beispiel auch der Einfluss der Kirche auf die Erziehung) (vgl. Falter 2014, S. 181).
Der Konflikt „Stadt vs. Land“ entstand in der Zeit der industriellen Revolution, als sich die okonomischen Interessen stadtischer Untemehmer durch den sozialen Aufstieg veranderten(vgl. ebd. S. 181).
Auch im vierten Konflikt „Kapital vs. Arbeit“ liegen die Wurzeln in der Industrialisierung, in dem sich die Interessen der Untemehmer und Arbeitnehmer gegenuberstehen(vgl.ebd. S.181).
Das Parteiensystem Deutschlands lasst sich anhand der „Cleavage-Theorie“ darstellen. Essentiell fur die heutige Gestaltung des Parteiensystems waren die Phasen der Nationenbildung, Integrationspolitik und der Verfassungsgebung, welche zeitlich eng beieinander liegen. Hier entstand ein erhohtes Konfliktpotential innerhalb der Bevolkerung und setzte sich in der Politik ab (vgl. Eith 2001, S. 80 f.) So ist es moglich, das Parteiensystem anhand der Interessenvertretungen abzulesen, da jede Partei eine mogliche Koalition mit einer anderen Partei anbietet, die sich fur ein anderes politisches Interesse auf politischer Ebene einsetzt (vgl. Roth 2008, S. 33).
2.3.2 Ann-Arbor-Modell
(Meyer)
Das Modell der „Columbia School“ ist hauptsachlich auf die gesellschaftliche Ebene zuruckzufuhren. Das Ann-Arbor-Modell erklart durch Analysen die individuellen Parteiidentifikationen der Wahler, woraus sich eine langfristige Parteibindung entwickelt, die wiederum durch die politische Sozialisation beeinflusst wird (vgl. Lauth 2016, S. 308f.).
Durch das Werk ,,The Voter Decides“ (Campbell et al. 1954) konnten erstmals sozialpsychologische Einflusse analysiert werden, die das Wahlverhalten der Wahler beeinflussen (vgl. Mayer 2017, S. 44 f.). Es wurden nationale Stichproben genommen, die unter funf bestimmten Betrachtungsmerkmalen als wesentlich angesehen wurden. In ,,The American Voter“ (Campbell et al. I960) wurde eine der bedeutendsten Ansatze der empirischen Wahlforschung geschaffen. Im Mittelpunkt der Monografie steht die oben genannte Studie aus dem Werk ,,The Voter Decides aus deren Kritik schlussendlich das Michigan Modell bzw. das Ann-Arbor-Modell herausgearbeitet wurde (vgl. Roth 2008, S. 42).
In der Theorie des Michigan-Modells wird davon ausgegangen, dass sich die Praferenzen der Wahlerschaft von Wahl zu Wahl nicht vollig unterscheiden und somit keine neue Entscheidung fur den/die Wahler/in bevorsteht, da sich im Laufe der Zeit die parteilichen Praferenzen der Wahler entwickeln. Zentral bei der Analyse sind die Variablen: (1) Parteienidentifikation, (2) Sachfragenorientierung und (3) Kandidatenorientierung, die sich in lang- bzw. kurzfristigen Variablen unterscheiden lassen. Im Werk ,,The American Voter“ wurde die (1) Parteiidentifikation als langfristiger Faktor definiert, der sich als elementar zur Identifikation der praferierten Partei herausstellte und somit fur das Individuum als langfristige Bindung einer Partei zu erklaren ist. Durch den Kolorierungseffekt (Parteiidentifikation) wird dazu beigetragen, dass sich der Wahler innerhalb des politischen Geschehens durch die Reduktion der Sachverhalte besser zurechtfindet (vgl. Klima etal.2017,S.41f.).
Im Ann-Arbor-Modell erhalt die (1) Parteienidentifikation auf Grund ihrer langfristigen und kontinuierlichen Bindung einen hohen Stellenwert. Durch diese ist nicht nur die Gruppenzugehorigkeit zu definieren, sondem es wird auch eine psychologische Parteimitgliedschaft durch die Eltern geschaffen, was auch als politische Sozialisation bezeichnet wird.
Die Variablen (2) Kandidatenorientierung und (3) Sachorientierung werden als kurzfristige Variablen definiert, die einen Einfluss auf die Wahlentscheidung einnehmen. Auf diese wird im Folgenden naher eingegangen: Die (2) kandidatenbezogenen Variablen fokussieren sich unter anderem auf die Personlichkeit eines Politikers. Somit konnen die personliche Ausstrahlung, politische Eigenschaften, Fuhrungsqualitaten und Erfahrung einen wesentlichen Einfluss auf die Wahlentscheidung der Wahler einnehmen. Die (3) Sachfragenorientierung setzt sich aus den politischen Sachfragen (Issues) und den offentlichen Themen zusammen. Dabei wird zwischen „Positionsissues“ und „Valenzissues“ unterschieden. Als Positionsissues gelten jene Sachfragen, bei denen unterschiedliche Standpunkte und die dazugehorigen Losungsvorschlage von Parteien vorgeschlagen werden und miteinander konkurrieren. Valenzissues zeichnen sich durch die Einigkeit sowie die gesellschaftlichen Ziele, wie zum Beispiel Frieden, aus (vgl. ebd. S. 42).
Neben den drei Variablen wirken Hintergrundvariablen, die \mfunnel of causality auf der Zeitachse weiter zuruckliegen, wie zum Beispiel soziologische Merkmale, sozialer Status und familiares Umfeld (vgl. Dalton 2006, S. 178).
Als Stammwahler zahlenjene Wahler, die die oben genannten Variablen erfullen. Jedoch zeigen sich Widerspruchlichkeiten innerhalb der Einstellungsvariablen, die als attitudinale cross pressures bezeichnet werden. Die Problematik der attitudinale cross pressures ist, dass sich Personen nicht fur eine Partei entscheiden konnen und dies somit zur Stimmenthaltung fuhrt. Deutliche Motive bei der Wahl der attitudinale cross pressures ist ein Stimmensplitting und eine Gleichgultigkeit gegenuber dem Wahlausgang, da Einstellungsveranderungen zwischen unterschiedlichen Wahlterminen eingenommen werden (vgl. Klima etal.2017,S. 42).
2.3.3 Rational-Choice-Ansatz
(Meyer)
Um eine adaquate Erklarung des Parteienwettbewerbs und dem damit verbunden Wahlverhalten des Volkes darzulegen, wird der Rational-Choice-Ansatz gewahlt. Dieser wird zunachst durch ein raumliches Modell verdeutlicht.
In „An Economic Theory ofDemocracy“ nach Downs (1957) wird der Rational-Choice- Ansatz thematisiert. Dieser schildert den Ansatz als einen aktiven Prozess einer Person, die sich durch politische Praferenzbildung fur eine Partei entscheidet oder sich von dieser abwendet. In diesem Modell wird der Wahler als ein rational agierendes Individuum dargestellt, das seine Wahlentscheidung auf Grundlage des groBten individuellen Nutzens fallt. Dieser Wahler wird als homo oeconomicus bezeichnet, der nutzenmaximierend handelt und sich nicht von auBeren Einflussen beeinflussen lasst (vgl. Schultze 2016, S. 86).
Laut dieser Theorie wird sich eine Person immer fur die Partei entscheiden, bei der sich das Angebot im Hinblick auf programmatische Offerten und Leistungsfahigkeit konstant zeigt. Der Wahler zeigt dann ein wechselhaftes Verhalten, wenn die Policy-Vorstellungen der vorher gewahlten Partei nicht mit seinenjetzigen ubereinstimmen, da es moglich ist, dass sich diese in der Zeit der Legislaturperiode von seinen Vorstellungen entfernt oder eine andere Partei das personliche Idealbild des Wahlers darstellt (vgl. Falter 2014, S. 505).
Thurner (1998) vergleicht eine politische Wahl mit der freien Marktwirtschaft, in der zum einen die Politiker bzw. Parteien in der Rolle von Anbietern fungieren, welche den Nachfragern (Wahlern) ihr Wahlprogramm unterbreiten, um so viele Stimmen wie moglich „abzusetzen“. Zum anderen fungiert in diesem Modell sowohl das Wahlprogramm als auch die potentiellen Stimmen der Wahler als „Wahrung“ auf dem politischen Wahlmarkt. In der Praxis wagt der Wahler ab, welchen Nutzen ihm die jeweiligen Anbieter (Parteien bzw. deren zugehorige Politiker) versprechen. Dies wird auch als KNK (Kosten-Nutzen-Kalkulation oder Kosten-Nutzen-Abwagung) beschrieben, in der die Wahler fur ihr eigenes Wohl die angeblich „beste“ Partei fur sich auswahlen, um eine individuelle Nutzenmaximierung politischer Entscheidungen zu gewahrleisten (vgl. Klima et al. 2017, S. 43).
Da in Bezug auf den Rechtspopulismus und das damit zusammenhangende Wahlverhalten zugunsten rechtspopulistischer Parteien jedoch nicht nur okonomische, sondern auch im Laufe der Zeit immer haufiger kulturelle Themen von groBer Bedeutung sind, ist es wichtig, den klassischen Rational-Choice-Ansatz zu erweitem. Dies versuchen sowohl die Rational-Choice-Soziologie als auch die rationalen Sozialtheorien (vgl. Maurer2011, S. 689ff.).
Nach Downs (1957) sind Politiker keine policy-seeker, sondern haben lediglich ein Interesse daran, die anstehende Wahl zu gewinnen (vgl. Schultze 2016, S. 86).
Der Wahlsieg verschafft ihnen die Moglichkeit, lukrative prestigetrachtige Amter zu bekleiden“ (ebd. S. 86). Weiterhin sieht Downs in politischen Inhalten ein Mittel zum Zweck, um im Wahlkampf siegen (vgl.ebd. S. 86)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 Varhalten Parteien inm Wahlkampf. Quelle: Wenzelburger 2015
Abbildung 4 zeigt zwei Parteien in einem direkten Wahlkampf. Der Ausganspunkt von Partei A setzt sich rechts vom Medianwahler und von Partei B links ab. Durch das Nachrechtsrucken der Wahlinhalte von Partei B - also naher am Medianwahler - wird (laut Medianwahlertheorem) Partei B gewinnen, da sie sich naher am Medianwahler befindet als Partei A, auch wenn sich Partei A ursprunglich naher am Medianwahler positionierte. Nutzenmaximierende Parteien werden mit ihren Inhalten in die Mitte des raumlichen Modells rucken.
Um sich weiter auf die eigentliche Thematik, namlich die Erklarung des Wahlverhaltens zu fokussieren, wird nicht tiefer in die Thematik der nutzenmaximierenden Partei eingegangen. Wie bereits ausfuhrlich beschrieben, handelt es sich bei dem rationalen Ansatz umjene Wahler, die die Absicht verfolgen, ihren individuellen Nutzen durch eine Wahlentscheidung zu maximieren. Um in einem Wahlkampf rational zu agieren, muss sich der Wahler mit den super issues auseinandersetzen und diese kognitiv auswerten. Anhand dieser Auflistung vergleicht [der Wahler] [...] die Arbeit der Regierung in der vergangenen Legislaturperiode mit dem vermuteten Ergebnis der Opposition, ware diese an der Macht gewesen“ (Lauth & Wagner 2020, S. 321).
Der Wahler entscheidet sich nach Abwagung fur die Partei, die seinen individuellen Praferenzen am nachsten ist. Es zeigt sich unter anderem auch, dass sich die super issues aus der momentanen politischen Situation und den Problemen ableiten, wobei diese jedoch den Wahler inhaltlich tangieren mussen, denn ohne personliche Relevanz der momentanen Streitfrage befasst sich der Wahler unter Umstanden nicht mit dem momentanen politischen Diskurs. Weiterhin spielt die gesellschaftliche Werteorientierung keine bedeutende Rolle bei der Wahlentscheidung des Wahlers (vgl. Korte2013, S. 114).
Durch die ausgearbeiteten Wahlforschungsansatze lassen sich drei starke Erklarungen hervorbringen, die Wahlentscheidungen im politischen Kontext erklaren. Besonders deutlich sind die unterschiedlichen Ansatze innerhalb der Modellierungen zur Erklarung des Wahlverhaltens. Die abweichenden Modelle fokussieren sich auf verschiedene Schwerpunkte, die sich aus individuellen, gruppenspezifischen oder lang- und kurzfristigen Einflussfaktoren zusammensetzen. Aktuell besteht eine Wahrscheinlichkeit, dass in Zukunft ein einheitlicher Ansatz zur Erklarung von Wahlverhalten entsteht, denn die jeweiligen Ansatze beziehen sich entweder auf die individuellen- oder gruppenspezifischen Bedurfnisse. Diese interagierenjedoch miteinander innerhalb einer von Menschen getroffenen Wahlentscheidung. Daher ist nach wie vor offen, welcher der theoretischen Ansatze der Erklarung des realen Wahlverhaltens am nachsten ist (vgl. Lauth2016, S.312).
Schlussendlich ist zu erkennen, dass trotz der abweichenden Erklarungsansatze mit den damit verbundenen Akzentuierungen kein garantiertes Wahlverhalten dargestellt werden kann. Jedoch ist es moglich, durch die verschiedenen Ansatze differenzierter innerhalb der Wahlforschung zu agieren.
Karl R. Popper druckt die Starke der unterschiedlichen Herangehensweisen wie folgt aus:
„[...]je mehr leistungsstarke Scheinwerfer die Wahlforschung in Form von Theorien anzuschalten versteht, desto klarer und konturenreicher erkennt sie ihren Untersuchungsgegenstand, das Wahlverhalten“ (Popper, 1992, S. 305f) Ein Hauptkritikpunkt des Rational-Choice-Ansatzes ist jedoch das Problem des sogenannten „Wahlparadoxons“. Dieses beschreibt die Tatsache, dass die Stimme eines einzelnen Individuums nur auBerst selten die Wahl entscheidet. Gleichzeitig darf aber das Individuum, welches sich gegen ein Wahlteilnahme entschieden hat, ebenfalls von den Vorteilen der offentlichen Guter profitieren, da sie nicht davon ausgeschlossen ist. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass rationale Individuen es vorziehen, sich der Stimme zu enthalten, da die Opportunitatskosten bei der Wahlteilnahme uberwiegen (vgl. Finkel & Muller 1998, S. 39).
Das Wahlparadoxon kann jedoch mit dem expressiven Wahler erklart werden. Es geht bei diesem Modell darum, dass der Wahler nicht instrumented, sondem expressiv motiviert ist. Man wahlt nicht die Partei, welche man selbst praferiert, sondem eine andere. Der Vollzug des Wahlaktes an sich kann selbst Nutzen stiften, welcher expressiver Natur ist. Er nimmt eine symbolische Bedeutung ein und dienst dem Selbstzweck. Grund hierfur ist das Bedurfnis des Individuums nach „personlicher Identitatsvergewisserung“, welche sowohl selbstbezogen als auch demonstrate gegenuber dem Publikum erfolgt. Man zeigt mit dem Wahlakt sich selbst und anderen Menschen, wer man ist (vgl. Schuessler 2000, S. 68 ff.).
2.4 Wahlertypen
(Meyer)
Die Legitimation des Wahlens ist das bedeutendste Instrument in einer Demokratie. Wahler haben die Moglichkeit, sich zwischen Parteien zu entscheiden und auf eine begrenzte Zeitspanne eine politische Regierung zu bestimmen. Anhand der Datenanalyse der zuruckliegenden Wahlen lasst sich ablesen, dass ein groBer Teil der Wahler keine Parteitreue zeigt. Daraus entspringt ein wechselndes bzw. sprunghaftes Wahlverhalten der Wahler in der Bundesrepublik Deutschland, das Veranderungen des traditionellen Parteiengefuges zur Folge hat (vgl. Falter et al. 2005, S. 134). Zudem zeigt sich auch Folgendes:
,,Es gibt grundsatzlich nicht den Wahler oder das Wahlverhalten oder die Wahlentscheidung, sondern unterschiedliche Wahlertypen mit unterschiedlichen Wahlverhalten und - daher - unterschiedliche Wahlentscheidungen“(Strohmeier, 2004, S. 165).
Daraus abgeleitet werden in den Folgekapiteln die unterschiedlichen Typologien der Wahler naher beleuchtet und dargestellt. Dies soil dazu beitragen, die ausgehende Forschungsfrage „Wie erklaren verschiedene Wahlforschungsansatze unterschiedliche Aspekte von rechtspopulistischem Wahlverhalten? - Unter besonderer Berucksichtigung der Fluchtlingskrise.“ zu beantworten.
2.4.1 Stammwahler
(Meyer)
„Den wertrationalen Stammwahler charakterisiert eine hohe Parteibindung, eine hohe Rationalitat sowie ein wertrationales Handeln, d.h. ein Handeln, das vor dem Hintergrund eines spezifischen Wertesystems bzw. aus normativen und ethischen Gesichtspunkten rational erscheint“ (Strohmeier, 2004, S. 167).
Nach Lipsets und Rokkans (1967) Stabilitatshypothese kam man zu der Annahme, dass durch eine hohe Stabilitat von Parteiprogrammen und Wahlergebnissen entlang der gesellschaftlichen Trennlinien eine stark ausgepragte Loyalitat zwischen Wahlem und Parteien geschaffen wird (vgl. Martin & Plumper 2004, S. 6). Diese These wurde von Lane & Ersson (1997) und Pennings & Lane (1998) entkraftet, da sie argumentierten, dass im Laufe der Zeit die Parteiprogrammatik zunahm, sich Volksparteien entideologisiert haben und die Wahlbindung zu Parteien abnahm (vgl. Muller-Rommel 1999, 424f.).
Gerade aus diesen Arbeiten ist festzuhalten, dass Stammwahler einen entscheidenden Einfluss auf das Wahlergebnis der einzelnen Parteien haben. Denn in der gegenwartigen Zeit, in der Parteipraferenzen immer starker abnehmen, mussen sich die einzelnen Parteien flexibel und in kurzer Zeit repositionieren, ohne dabei ihre Stammwahler zu verlieren (vgl. Martin & Plumper 2004, S. 6 f.).
Stammwahler konnen in zwei Typologien unterschieden werden: den wertrationalen Stammwahler und den traditionalen Stammwahler. Diese Formen werden im Folgenden naher beleuchtet und dargestellt.
Der wertrationale Stammwahler Weber (1964) charakterisiert den wertrationalen Stammwahler als einen Typus, der ,,[...] ohne Rucksicht auf die vorauszusehenden Folgen handelt, im Dienst seiner Uberzeugung von dem, was Pflicht, Wurde, Schonheit, religiose Weisung, Pietat oder die Wichtigkeit einer Sache, gleichviel welcher Art ihm zu gebieten erscheinen“ (Weber 1964, S. 18).
Wie aus dem Wort ablesbar, druckt sich der wertrationale Stammwahler durch ein alternierendes Wahlverhalten aus. Wertrationale Stammwahler vertreten die Annahme, dass sich ihre praferierte Partei am ehesten fur ihre subjektiv am wichtigsten empfundenen Werte innerhalb des politischen Raums einsetzt. Deshalb orientiert sich der wertrationale Stammwahler bei seiner Wahlentscheidung an folgenden Punkten: Sachthemen, Parteiideologien und wertbezogenen Charakteristika der Parteikandidaten (vgl. Strohmeier2004, S.167f).
Per traditionale Stammwahler „Der traditionale Stammwahler zeigt eine hohe Parteibindung, eine niedrigeRationalitatsowie ein traditionales Handeln, d.h. ein Handeln, das eine „eingelebte Gewohnheit“darstellt“ (Strohmeier 2004, S. 168).
Weber (1964) ordnet das traditionale Handeln als sehr oft nur dumpfes, in der Richtung der einmal gelebten Einstellung ablaufendes Reagieren auf gewohnte Reize“ (Weber 1964, S.17) ein.
Sinnbildlich fur das Wahlen des traditionalen Stammwahlers ist, dass er die gewohnte Partei wahlt, ohne uber die Sachthemen, Parteiideologien oder wertbezogenen CharakteristikaderParteikandidatennachzudenken(vgl. Strohmeier2004, S. 168).
An dieser Stelle weist er einen signifikanten Unterschied zum wertrationalen Stammwahler auf, der zwar auch - in der Regel - die gleiche Partei wahlt, sich jedoch uber die gerade beschriebenen Punkte informiert (vgl. ebd. 167 f.). Der traditionale Stammwahler neigt dazu, Informationen bedingt wahrzunehmen und verdrangt gegensatzliche Informationen bzw. Einflusse seiner Parteiidentifikation (vgl. Strohmeier 2002, S. 75).
2.4.2 Wechselwahler
(Meyer)
Innerhalb eines politischen Wettbewerbs nimmt der Wechselwahler eine strategische Rolle ein (vgl. Falter & Schoen 2005, S. 383). Bei naherer Betrachtung ist der Begriff des Wechselwahlers nicht eindeutig (vgl. Klima et al. 2017, S. 37). Fur die Frage nach den jeweiligen Gewinnen bzw. Verlusten von Wahlerstimmen bei einer Wahl existiert die folgende landlaufige Daumenregel:Wahler der Partei, die verloren hat, sind zu der Partei gewechselt, die gewonnen hat [...]“ (Hilmer & Kunert 2005, S.135).
Jedoch kann diese Aussage falsch sein, da aufgrund des Parteienpluralismus in der Bundesrepublik Deutschland nicht zwangslaufig die Wechselwahler zu der „Gewinnerpartei“ wechseln (vgl. Schoen, 2000, S. 682).
[...]
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2021, Wie erklären Wahlforschungsansätze Aspekte von rechtspopulistischem Wahlverhalten?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1043504
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