Inhalt:
1. Vorbemerkungen
2. Sprache und Gesellschaft
3. Die Methoden der sprachpolitischen Analyse
3.1 Der Metapherntest
3.2 Funktionen von Metaphern im Marxismus - Leninismus der DDR
4. Erziehungswissenschaftliche Texte der DDR und die sprachpolitische Analyse als Methode des Verstehens
1. Vorbemerkungen
Grundlage für dieses Referat ist das Buch von Peter Christian Ludz “Mechanismen der Herrschaftssicherung - eine sprachpolitische Analyse gesellschaftlichen Wandels in der DDR” von 1980, erschienen im Carl Hauser Verlag München.
Sein Forschungsansatz ist interdisziplinär, und bewegt sich zwischen Wissenssoziologie und Wissenschaftssoziologie, Ideologiekritik und Weltanschauungsanalyse, historischer Semantik und politischer Sprachanalyse.
Ludz versteht sich selbst als ein politischer Soziologe und Politischer Wissenschaftler, der vor erscheinen o.g. Buches seit mehr als zwei Jahrzehnten in der DDR- und vergleichenden Deutschlandforschung der BRD tätig ist. Er sieht die Sozialwissenschaftler der DDR als ideologisch- politische Rivalen und Gegner.
Ludz verfolgt das Ziel, anhand von sprachpolitischen Erscheinungen den Innovations- und Modernisierungsgrad der DDR - Gesellschaft quasi meßbar zu machen. Unter Modernisierung einer Gesellschaft versteht er allgemein den geistespolitischen, politischen und sozialen Wandel. Damit lässt er Richtung und Zweck des Wandels offen und beschränkt sich auf eine Veränderbarkeit des Ist - Zustandes.
Die von ihm untersuchten Phänomene in der DDR - Gesellschaft sind vielfältig. Sie reichen vom Wissenschaftsverständnis und Informationsverarbeitung, sprachliche und argumentative Innovationsmöglichkeiten in repräsentativen Werken des DDR- Marxismus, ... über ...die sprachpolitische Rolle von Metaphern, Analogien, Tautologien und Leerformeln in gegenwärtigen grundlegenden Hand- und Lehrbüchern der DDR... bis zur ...soziologischen Sekundäranalyse weiter Bereiche des Materials aus Meinungs- und Umfrageforschung.
2. Sprache und Gesellschaft
Hintergrund dieses Forschungsgedankens ist für ihn die These von Edward Sapir, dass das Geflecht von ´cultural patterns` einer Zivilisation in den Sprachen oder der Sprache, die diese Zivilisationen artikulieren, indexiert ist.
Das heisst verkürzt, dass sämtliche gesellschaftliche und kulturelle Grundlagen einerseits Ausdruck in der Sprache finden, genauso wie die Sprache als Trägerin der Kommunikation die gesellschaftlichen und kulturellen Grundlagen mitbestimmt.
Das Denksystem einer Gesellschaft ist in der Sprache angelegt. Das heißt auch, wenn eine Sprache ´verloren´ geht, dann geht damit auch ein Denksystem verloren. Das Begreifen der Mechanismen der Sprache lässt somit Einsichten in die Geschichte, Gesellschaft und Verhaltensweisen zu.
Dabei ist für Ludz die DDR-Gesellschaft ein interessanter Untersuchungsgegenstand, kann man hier doch seit ihrer Gründung eine Fülle von “wahren Wort-, Sprach- und Symbolmassen” beobachten. (Ludz, S.9) Gleichzeitig ist die DDR-Gesellschaft bestimmt durch ein zentrales Begriffs- und Argumentationssystem, den Marxismus-Leninismus. Die Untersuchungen richten sich auf die Zusammenhänge von Sprache und Ideologie, Sprache und Propaganda, Sprache und Information sowie Sprache und Sozialforschung.
Das zentrale Begriffs- und Argumentationssystem, der Marxismus-Leninismus, ist im offiziellen Selbstverständnis der DDR eine wissenschaftliche Weltanschauung und Ausgangspunkt und Grundlage einer jeden Wissenschaft. Dabei nimmt der MarxismusLeninismus nach Ludz die Rolle eines “quasi religiösen Dogmas” ein. Dogma deshalb, da in allen Bereichen des Forschens und Entdeckens ein “zwanghaftes Bemühen” stattfindet, den (religiösen) Zweifel unbedingt zu überwinden.1 (Ludz, S.22ff)
Ein Problem des sprachpolitischen Untersuchungsansatzes ist, dass die Sprache einer dogmatischen Wissenschaftsauffassung nur verzerrt Aufschluss über die dahinter liegenden gesellschaftlichen Verhältnisse liefern kann. Ludz sucht ja nach Modernisierungsmöglichkeiten der DDR- Gesellschaft. Er merkt an, dass Lehrbücher und Grundlagenwerke , die hier Untersuchungsgegenstand sind, immer auch einen Agitation- und Antizipationscharakter haben. Sie sollen nicht nur das marxistisch - leninistische Selbstverständnis erklären und beschreiben, sondern auch auf die Umsetzung der Lehre des Marxismus - Leninismus vorbereiten.
Dies kann als ein Hinweis von Ludz darauf verstanden werden, eine sprachpolitische Analyse immer auch mit einer Kontextanalyse zu verbinden.
3. Die Methoden der sprachpolitischen Analyse
Insgesamt finden sich in Ludz Werk systematische und detaillierte Einzelanalysen sowie zusammenfassende Teile, Interpretationen und offen gelassene Fragestellungen.
Er arbeitet in seiner sprachpolitischen Analyse auch mit den Methoden des Metapherntests und der Leerformelanalyse sowie der Zitationsanalyse. Der Marxismus - Leninismus ist durch viele oft ´verbrauchte` Metaphern, Tautologien und Leerformeln, welche er durch seine 150 jährige Geschichte (der Marxismus) ´mitschleppt` geprägt. So machen diese Methoden Sinn. Die Zitationsanalyse unternimmt eine systematischen Untersuchung von eingesetzten Zitaten in den Werken des Marxismus - Leninismus.
Ich möchte im Folgenden auf eine Methode der sprachpolitischen Analyse eingehen und ihre Anwendung auf die Sprache des DDR- Marxismus- Leninismus der 60er und 70er Jahre, wie von Ludz durchgeführt , nachzeichnen.
Gegenstand der Untersuchungen sind verschiedene Lehr- und Textbücher des Marxismus - Leninismus. So wird das Handbuch „Grundlagen des historischen Materialismus“, hrsg. vom Institut für Gesellschaftswissenschaften, Leitung Erich Hahn, Berlin 1976, das Lehr- und Handbuch „Marxistische Philosophie“, hrsg. von Alfred Kosig, Berlin 1967, „Wörterbuch der marxistisch- leninistischen Soziologie“ hrsg. von Georg Assmann u.a., Berlin 1977 und der Band „Der sozialwissenschaftliche Forschungsprozess. Zur Methodologie, Methodik und Organisation der marxistisch- leninistischen Sozialforschung“ hrsg. von Friedrich und Henning, Berlin 1975 untersucht. Weiterhin ist das Lehrbuch „Grundlagen der marxistisch- leninistischen Soziologie“, hrsg. Von Assmann und Stollberg, Berlin 1977 Untersuchungsgegenstand.
3.1 Der Metapherntest
Metaphern sind in erster Linie sprachliche Ausdrücke, bei denen ein Wort oder eine Wortgruppe aus seinem eigentlichen Bedeutungszusammenhang in einen anderen übertragen wird, ohne dass ein direkter Vergleich zwischen Bezeichnendem und Bezeichnetem vorliegt. Sie sind Bezeichnungen aufgrund von Ähnlichkeiten der äußeren Gestalt oder der Verwendung.2
Metaphern haben unterschiedliche Funktionen innerhalb eines Textes. Oftmals sind sie „nützliche Kunstgriffe“ und Vereinfachungen der Kommunikation. Ähnlich wie affektiv aufgeladene Worte oder Gleichnisse haben auch Metaphern einen Informationsgehalt. Sie wandeln und bereichern die Sprache und passen sich den Bedürfnissen von sozialen Gruppen an. Damit sind sie auch ein „Umschlagplatz an Bedeutung“. (Ludz, S. 130) Gleichzeitig bewirken sie auch eine Übertragung von Bedeutungen.
Der Metapherntest ist eine spezifische Methode zur Sprachanalyse hier in Anwendung auf das Denk- , Sprach- und Informationssystems der DDR. Dabei soll der Metapherntest die Präzision, den Abstraktionsgrad und die Mehrsinnigkeit von Begriffen und Sätzen feststellen. Ludz wählt für seine Untersuchungen unterschiedliche Texte ( „Wörterbuch der marxistisch- leninistischen Soziologie“, „Wissenschaftlich-technischer Fortschritt, Arbeiterklasse, Schöpfertum“ von Nolepa und Steitz, Berlin 1975 und „Grundlagen der marxistischen- leninistischen Soziologie“), die seiner Ansicht nach ausreichend Einblick in das gebräuchliche Sprach- und Argumentationssystem geben. Dabei werden die in den Werken des Marxismus- Leninismus verwendeten Metaphern nach ihren Ursprüngen sortiert, klassifiziert und auf ihre Funktion befragt. Insgesamt ist die Sprache des Marxismus - Leninismus reich an Metaphern.
Es lassen sich fünf unterschiedliche Metapherntypen klassifizieren.
Dieses sind organische Metaphern, wie der Mensch bzw. die Gesellschaft als „Organismus“, „Keimen“, „geronnen“ , „Entwicklungsprozess“, „stofflich-körperliche Existenzweise“ oder „Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur“. Diese organischen Metaphern treten mit Abstand am häufigsten auf.
Häufig zu finden sind (historische) Bewegungsmetaphern, wie „höheres Tempo der Steigerung“, „aufwälzen“, „umwälzen“, „in Angriff nehmen“ oder Verbindungen organischer Metaphern und Bewegungsmetaphern wie „naturgemäße Entwicklungsphasen“ u.ä.. Die Architektur- und Baumetaphern sind beispielsweise „Basis“, „Überbau“, Schwelle“, „wegräumen“ oder „Entwicklungsstufe“.
Zu den technische Metaphern gehören „Universalschlüssel“, „Maschine des Klassenkampfes“, „Hebel“ oder „verschmelzen“.
Aus der Theaterwelt entlehnte Metaphern sind „Charaktermaske“, „Rolle“ u.ä.. Weiterhin finden sich, allerdings nur bei Marx im Original, Schmuckmetaphern und Metaphern aus dem Koch- und Backbereich.
Diese Metaphernsorten treten in vielfachen Mehrfachverbindungen auf. Einige Bewegungsmetaphern, welche die Geschichte als Kreislauf betrachten, tauchen sowohl im marxschen Original wie auch im Marxismus - Leninismus der DDR auf.
Andererseits sind neben den Schmuckmetaphern aus dem Koch- und Backbereich auch ornamentale Gleichnisse gänzlich aus dem DDR - Marxismus - Leninismus verschwunden. Ebenso sind besonders eindringliche und drastische Metaphern, die Marx mit Vorliebe verwandte, sowie Metaphern aus der christlich- jüdischen Tradition nicht mehr Bestandteil des DDR- Marxismus - Leninismus Repertoires.
Bei dem Vergleich des Einsatzes des gleichnishaften Sprachrepertoires in den Werken des Marxismus-Leninismus der DDR und den Originalen aus den Werken der Klassiker (Marx, Engels und Lenin) stellt Ludz eine allmähliche Aushöhlung fest.
Ludz fragt, ob die festgestellte allmähliche Aushöhlung eine Erweiterung bzw. Öffnung für innovative Sprachmuster ermöglicht. Dagegen spricht, dass die DDR - Sozialwissenschaft eine kleine und recht homogene Wissenschaft ist, in der viele unterschiedliche Schulen oder Sprachgemeinschaften, eventuell gar eine Diskursgesellschaft vergleichbar mit der in westlichen Industrienationen, nicht möglich sind. Dadurch fehlt eine wissenschaftliche Breite, welche die für die Sozialwissenschaften notwendige Fülle an neuen Informationen aufarbeitet und in das sozialwissenschaftliche Sprachmuster einbringt.
Der Metapherntest stellt hier weiterhin fest, dass viele tradierte Metaphern aus der Philosophie des 18. und 19. Jahrhunderts im Marxismus - Leninismus der DDR präsent sind. Damit ist aber auch das Denk- und Sprachsystem eines 18. und 19. Jahrhunderts im Marxismus - Leninismus präsent. Ob dies eine inhaltliche Dynamisierung der Sozialwissenschaften bringt, ist fraglich.
Gleichzeitig ist die Sprache des DDR - Marxismus - Leninismus’ geprägt von einer hohen Anzahl an Leerformeln. Dies sind Metaphern, die übergreifend, auf einer noch höheren Abstraktionsstufe stehend mehrsinnig und vage sowie inhaltlich oft unbestimmt bleiben. Dadurch tendiert ihr Informationsgehalt gegen Null. Beispiele hierfür sind:
„gesamtgesellschaftlich“, „Sein/ Bewusstsein“, „wesentlich/ unwesentlich“,
„Produktivkräfte“, „Totalität“, „sozialistischer Aufbau“ u.a..
Leerformeln sind auch dadurch gekennzeichnet, dass sie mit jedem Sachverhalt beliebig kombinierbar sind. So werden sie eingesetzt „...zur Rechtfertigung, zur scheinbaren Bekräftigung wie auch zur Bekämpfung von sprachlichen und moralisch - politischen Ordnungssystemen “. (Ludz, S.129)
Für Ludz ist das Kriterium der Wertung von Metaphern in den Sozialwissenschaften, ob sie nützen. In diesem Falle ob sie nützen, die DDR - Gesellschaft genauer zu bezeichnen, bzw. ob sie „...neue Unmittelbarkeiten, neue Erfahrungen, ... neue Erkenntnisse, neues Wissen und wiederum neue Informationen akkumulieren.“. (Ludz, S.131)
Der Marxismus - Leninismus der DDR ist durch die Verwendung von Leerformeln, tradierten Metaphern und stereotypisierten Freund - Feind - Bildern, die auf unterschiedliche Weise verbunden werden gekennzeichnet. Dadurch ergibt sich ein eigenes bestimmtes Sprachprofil.
Hier ein auch von Ludz verwendetes Beispiel des Sprachprofils. Es handelt sich um einen Auszug aus der Untersuchung „Wissenschaftlich-technischer Fortschritt, Arbeiterklasse, Schöpfertum“ von Nolepa und Steitz, Berlin 1975: „Die Arbeiterklasse, die im Sozialismus produzierende und machtausübende Klasse zugleich ist, richtet ihre schöpferische Initiative sowohl auf die Erzielung höchster Produktivität und Effektivität der gesellschaftlichen Arbeit bei gleichzeitiger Entwicklung des schöpferischen Inhalts der Arbeit...
Das historisch gesellschaftliche Schöpfertum verwirklicht sich stets...
Das produktive Schöpfertum der Arbeiterklasse revolutioniert in erster Linie die Produktivkräfte...
Beide Seiten des Schöpfertums der Arbeiterklasse entwickeln sich im Sozialismus stets in dialektischer Einheit...
Betrachten wir die dialektische Einheit von produktivem und historisch - gesellschaftlichem Schöpfertum der Arbeiterklasse in der kapitalistischen Gesellschaft...“
Dies ist ein auszugsweises Beispiel für den inflationären Gebrauch von Worten wie „schöpferisch“ und „Schöpfertum“. Ludz’ Analyse ergab, dass in einer 185 Seiten starken sozialwissenschaftlichen Schrift gut 1000mal beide Begriffe verwandt werden (dies sind pro Seite mehr als 5 mal). Hinzu kommt eine Häufung von Leerworten und Leerformeln. Der sozialwissenschaftliche Aussagegehalt geht in diesem Werk gegen Null und es kann nur noch eine beabsichtigte agitatorische Wirkung angenommen werden.
3.2 Funktionen von Metaphern im Marxismus - Leninismus der DDR
In den untersuchten Werken des DDR - Marxismus - Leninismus erfüllt oben beschriebenes Sprachprofil nach Ludz unterschiedliche Funktionen.
Eine ist die Sinndeutungsfunktion. Gemeint ist die Befriedigung des Bedürfnisses, „...das aus dem Wunsch nach Einheitlichkeit der Welt erwächst.“. Statt nach den Ursachen von Erscheinungen zu forschen wird ein holistischer Begriff gesetzt, der Rückschlüsse auf Wirkungszusammenhänge nicht mehr zulässt. Das zu Erklärende ist dann einfach die „Gesellschaft“ oder der „Sozialismus“. Diese holistischen Begriffe ersetzen die Erklärung von Sachverhalten die sonst durch die bisherigen Erklärungen des Marxismus - Leninismus nicht abgedeckt sind und bieten dafür aber auch die Geschlossenheit des Lehrgebäudes Marxismus
- Leninismus .
Weiterhin kann das jeweils bereitgestellte Sprach-, Wissens- und Informationspotential kontrolliert werden. Dies ermöglicht der Staatsführung mit Hilfe der Sozialwissenschaften immer auch eine Rechtfertigung von getroffenen Maßnahmen oder die Vorwegnahme von Handlungsoptionen. Für am Rande der marxistisch - leninistischen Sprachgemeinde stehende Gruppen hat das durch das Dogma festgelegte Sprachprofil auch propagandistische Funktion. Sozialwissenschaften sollen nicht nur erklären und beschreiben sondern auch politische Handlungen und Absichten vorbereiten oder begründen.
Alle in der marxistischen- leninistischen Soziologie analysierten Funktionen von Metaphern dienen der Legitimation der Herrschaft der SED-Führung, so Ludz.
Dabei ist festzustellen, dass die Sprache des Marxismus - Leninismus nicht einfach nur ein Text im Kontext ist, sondern auch ein Text im aktuellen und potentiellen Handlungskontext. Beide Dimensionen und eine ideologische Kanonbildung im Marxismus - Leninismus führen auf lange Sicht zum sprachlichen und informellen Immobilismus.
Der Metaphertest führt vor, dass für die Akkumulation von Wissen und die Aufnahme neuer Erkenntnisse in die Sozialwissenschaften die tradierte metaphernreiche Sprache des Marxismus - Leninismus ungeeignet ist.
So sind die „...mangelnde Präzision, der überhöhte Allgemeinheitsgrad und die bis zur Perfektion ausgenutzte Möglichkeit, metaphernreiche Marx- , Engels- und Lenin - Zitate in Texte beliebig neu einzufügen...“ ein wesentlicher Grund für die Informationsverarmung und Unbeweglichkeit der Sprache des Marxismus - Leninismus. (Ludz, S.158) Durch die Aufrechterhaltung von Metaphern aus dem „originalen“ Sprachrepertoire des Marxismus - Leninismus werden Veränderungen nur langsam aufgenommen und erfasst. Gleichzeitig sind im Kernbereich der Ideologie „...überkommene Metaphern, Analogien, Gleichnisse, Stereotype und Slogens aus dem 19. Jahrhundert...“ bestimmend. (Ludz, S. 157)
So entstehen durch ein „überkommenes“ Sprachsystem auch Denkweisen, die nach Ludz,
„häufig mit der Verwechslung von Sprach- und Realitätsebene einhergehen.“. (Ludz, S. 157) Dies ist für Ludz eine bewusste Politik.
Die von Ludz geleistete sprachpolitische Analyse zeigt deutlich, dass für ein Verständnis von wissenschaftlichen Texten immer auch eine Auseinandersetzung mit den Zusammenhängen von Gesellschaft und Sprache wesentlich ist. Dies trifft insbesondere auf eine weitestgehend geschlossene und nun auch historische Gesellschaft wie die der DDR zu. Neben den bekannten Methoden zur Textinterpretation wie bsw. der Kontextanalyse (die ja genau auf historische Texte zugeschnitten ist) können sprachtheoretisch detailliertere Forschungsmethoden wie der Metapherntest, die nach der Anwendung und Wandlung von Sprachbildern, ihren Ursprüngen und jetzigem (damaligen) Gebrauch fragen, hilfreich sein, um ein umfassenderes Verständnis von wissenschaftlichen Texten zu erhalten. Der Metapherntest lässt hier Rückschlüsse auf den Innovationsgehalt eines für eine Gesellschaft bestimmendes Ideologie- und Sprachsystem zu. Damit versucht Ludz nicht nur mittels des Metapherntests ein Werkzeug zur besseren Interpretation wissenschaftlicher Texte anzuwenden, sondern analysiert gleichzeitig die politische Tragweite von Sprache in einer Gesellschaft.
4. Erziehungswissenschaftlicher Texte der DDR und die sprachpolitische Analyse als Methode des Verstehens
Das erziehungswissenschaftliche Forschen beschäftigt sich mit den Theorien von Bildung und Erziehung. Dabei sind häufig pädagogische Texte Quelle. Die Methoden sind aus unterschiedlichen Problemstellungen heraus entwickelt worden und bezwecken, ein wissenschaftliches Verständnis der Texte zu ermöglichen.
Dabei hebt sich neben Seminarthemen, die Methoden des wissenschaftlichen Verstehens bearbeiten, ein Thema insbesondere ab: kurz und knapp ist es mit DDR betitelt.
Die DDR- Pädagogik hat zu Beginn des 21. Jahrhunderts als Untersuchungsgegenstand tatsächlich eine besondere Rolle für die deutschen Erziehungswissenschaften.
Die DDR ist ein historisch gewordenes Subjekt pädagogischer Praxis. Sie existierte von 1946 als SBZ und als Staat DDR von 1949 bis 1990. Somit bietet sich keine Möglichkeit der empirischen Feldforschung. Untersuchungsgegenstände sind reichhaltige Quellen in Form von Texten aus dem Bildungswesen der DDR, Texten über das Bildungswesen der DDR aus der Sicht der DDR- Pädagogik, statistisches Materialen u.a. sowie Zeitzeugen.
Interessante Aspekte der DDR- Pädagogik sind, daß sie ebenso wie alle Pädagogik in den deutschen Staaten nach 1945 das Erbe eben der deutschen Kriegs- und Nachkriegspädagogik anzutreten hatte. Damit hatte die Pädagogik in beiden deutschen Staaten und Berlin (West) ähnliche Ausgangsvoraussetzungen aber unterschiedliche politisch- ökonomische Rahmenbedingungen. Durch diesen Fakt allein bot und bietet sich eine deutsch-deutsche vergleichende Forschung an. Die Angliederung der DDR an die Bundesrepublik bewirkte darüber hinaus, das Ende einer eigenständigen DDR- Pädagogik. Alle Ressourcen der DDR sind in die Bundesrepublik übergegangen, sind ihr „einverleibt“ worden. Hier stellt sich die Frage in wie weit dies für die pädagogische Praxis der DDR stattgefunden hat und für die sozial- und erziehungswissenschaftliche Forschung der DDR insgesamt.
Dieser Frage soll hier aber nicht weiter nachgegangen werden.
Beobachten lässt sich, daß die wissenschaftlichen Betrachtungen der Bundesrepublik, auch in ihrem Blick auf die Untersuchung, und Bewertung der DDR- Sozialwissenschaften oder Pädagogik auch über die Zeit nach 1990 - der „Vereinigung“ der beiden deutschen Nachkriegsstaaten und Berlin (West)- eine kontinuierliche Weiterentwicklung erleben, während die Forschungen der DDRWissenschaften mit einem Bruch beendet wurden.
Im Gegensatz zu den Sozialwissenschaften der Bundesrepublik, waren die Sozialwissenschaften der DDR politisch- ideologisch durchdrungen durch eine sich als wissenschaftliche Grundlage begreifende Weltanschauung, den Marxismus-Leninismus. Studiert man heute Quellentexte der DDR- Pädagogik, so stellt sich dies als ein methodisches Problem.
Schriftliche Quellen aus der DDR- Gesellschaft haben in der Regel immer die Zensur einer staatlichen Institution durchlaufen, die sich der inneren Logik des marxistisch-leninistischen Dogmas verpflichtet sah bzw. die Autoren haben aus einem marxistisch-leninistischen Selbstverständnis heraus gearbeitet. So sind alle Texte und heutigen Quellen in der Regel auch quasi amtliche Verlautbarungen, Texte “...mit einer kontrollierten und gesteuerten Sprache.“ (Anweiler, Oskar; Schulpolitik und Schulsystem in der DDR, 1988, S. 13.) Anweiler beschreibt die Sprache der offiziellen DDR- Dokumente über das Bildungswesen als eine „abstrahierende und verschleiernde Sprache...“ beruhendend „... auf der Scheu, Meinungsgegensätze und Konflikte nach außen dringen zu lassen;...“ Er resümiert, dass dadurch „der falsche Eindruck harmonischer Übereinstimung oder geradliniger Folgerichtigkeit entstehen (kann), der nicht der Wirklichkeit zu entsprechen braucht.“ Anweiler verlangt nach einer „Dechiffrierung“ der Sprachmuster der marxistisch- leninistischen Sozialforschung. (Anweiler;ebenda) Hier zeigt sich, dass es neben den Methoden der Textkritik oder einer Kontextanalyse es einer spezifischeren Analysemethode bedarf.
Hierzu kann die von Ludz geleistete Entwicklung einer sprachpolitischen Analyse in Anwendung auf Standartwerke der marxistisch-leninistischen Sozialforschung der DDR auch für die „Dechiffrierung“ der erziehungswissenschaftlichen Texte der DDR eine hilfreiche Unterstützung geben.
Die Be- und Aufarbeitung der deutsch-deutschen Bildungsgeschichte ist , gerade auch solange die Generationen der durch DDR- Pädagogik geprägten Menschen in der Gesellschaft wirken, noch lange nicht abgeschlossen.
[...]
1 wie diese können auch schon Innovationsversuche sein. Ist die Gefahr , welche von Ein Dogma birgt allerdings schon immer die Abweichung / Häresie in sich. Ludz beobachtet z.B unterschiedliche Bemühungen der Rationalisierung des Marxismus-Leninismus. Abweichungen ihnen für das Dogma ausgehen gebannt, so werden sie aufgenommen und können dann mit ihrem innovativen Gehalt wirken.
2 Nach Alexander Demandt, auf den sich Ludz wiederholt bezieht, sind Metaphern solche Worte, die aus ihrem gewöhnlichen Verwendungszusammenhang herausgenommen und auf einen anderen Sachverhalt, hier historisch- politisches Geschehen, angewandt werden. Metaphern sind bildhafte Reduktionen komplexer Sachverhalte (Tatsachen, Worte, Einstellungen) . Sie verdanken ihre Entstehung dem Bestreben, eine sprachliche Mitteilung irgendwelcher Art zu verhüllen.
- Arbeit zitieren
- Knut-Sören Steinkopf (Autor:in), 2001, Sprachpolitische Analyse - Metapherntest, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104224
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