Als Fallbeispiel dieser Abhandlung dienend stellt sich den geschädigten Aktionären der Wirecard AG mangels wirtschaftlicher Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen gegen die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der Wirecard AG die Frage, ob ihnen auch gegen EY aufgrund der erteilten Bestätigungsvermerke Schadensersatzansprüche zustehen. Daher wird primär die Dritthaftung von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften im Rahmen von Abschlussprüfungen Gegenstand dieser Arbeit sein.
Zur Behandlung dieser Frage wird nach einem Überblick über die vertragliche und vertragsähnliche Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten auf die Anwendbarkeit und die Voraussetzungen seiner deliktischen Haftung gegenüber Dritten eingegangen. Der Schwerpunkt liegt auf der praktisch bedeutsamsten Haftungsnorm des § 826 BGB. Hierfür werden zunächst die einen Abschlussprüfer nach dem HGB, der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) und den vom Institut für Wirtschaftsprüfer publizierten Prüfstandards bzw. den von der Europäischen Union angenommenen und gem. § 317 Abs. 5 HGB geltenden International Standards on Auditing treffenden Pflichten als Haftungsmaßstab skizziert. Auf dieser Grundlage werden die hohen Hürden für einen Sittenverstoß und die haftungsbegründende Kausalität untersucht und auf das Fallbeispiel anhand der bisherigen veröffentlichten Informationen angewandt. In gebotener Kürze wird diese Abhandlung auch die durch den RegE FTSG vorgeschlagene Neufassung des § 332 HGBll in Gestalt eines Schutzgesetzes i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB aufgrund ihrer potentiellen Bedeutung für die Praxisl2 thematisieren .
Einer genaueren Prüfung wird im Folgenden das Haftungsprivileg des § 323 Abs. 2 HGB unter Berücksichtigung seiner Ausstrahlungswirkung unterzogen, wobei auch die diesbezüglichen Regelungen in den Allgemeinen Auftragsbedingungen der Wirtschaftsprüfer dargestellt werden. In diesem Zusammenhang wird ausgehend vom Zweck dieser Haftungsbeschränkung ihre vorgeschlagene Neufassung durch den Regierungsentwurf zum FTSG kritisch beleuchtet und ein eigener Reformvorschlag unterbreitet.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Hauptteil
- I. Vertragliche Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten
- 1. Haftung im Vertragsverhältnis zur Gesellschaft
- 2. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
- a) Anwendbarkeit
- b) Voraussetzungen
- c) Anwendung auf die Haftung von EY im Fall der Wirecard AG
- d) Stellungnahme
- 3. „Expertenhaftung“ gem. § 311 Abs. 3 S. 2 BGB
- II. Deliktische Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten
- 1. Haftung gem. § 826 BGB
- a) Sittenverstoß
- aa) Konkrete Pflichten eines Abschlussprüfers
- bb) Anwendung auf die Haftung von EY im Fall der Wirecard AG
- b) Kausaler Schaden
- aa) Schadensermittlung
- (1) Wertersatz nach der Differenzhypothese
- (2) Naturalrestitution
- (3) Bewertung
- bb) Haftungsbegründende Kausalität
- (1) Anscheinsbeweis infolge einer Anlegerstimmung
- (2) Anlegerstimmung im Fallbeispiel EY/Wirecard AG
- (3) Bewertung
- aa) Schadensermittlung
- c) Rechtswidrigkeitszusammenhang
- d) Schädigungsvorsatz
- e) Zwischenergebnis
- a) Sittenverstoß
- 2. § 332 HGB RegE FISG als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB
- a) Status quo
- b) § 332 HGB RegE FISG
- c) Bewertung
- 1. Haftung gem. § 826 BGB
- III. Ausstrahlungswirkung des § 323 Abs. 2 HGB
- 1. Normzweck
- 2. Anwendungsbereich
- 3. AAB der Wirtschaftsprüfer
- 4. Reformbedarf
- a) Regierungsentwurf
- b) Kritische Stellungnahmen
- aa) Anhebung der Haftungshöchstgrenzen
- bb) Ausschluss des Haftungsprivilegs bei grober Fahrlässigkeit
- c) Bewertung
- d) Vorschlag für die Neufassung
- 5. Auswirkung auf die Haftung gem. § 826 BGB
- I. Vertragliche Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten
- C. Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die deliktische Haftung von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften für Abschlussprüfungen gemäß § 826 BGB, insbesondere unter Umgehung des Haftungsprivilegs des § 323 Abs. 2 HGB. Ziel ist es, die rechtlichen Rahmenbedingungen dieser Haftung zu analysieren und kritisch zu bewerten.
- Vertragliche und deliktische Haftung von Wirtschaftsprüfern gegenüber Dritten
- Anwendbarkeit von § 826 BGB auf fehlerhafte Abschlussprüfungen
- Auswirkungen des Haftungsprivilegs des § 323 Abs. 2 HGB
- Reformbedarf im Hinblick auf die Haftung von Wirtschaftsprüfern
- Fallbeispiel Wirecard AG
Zusammenfassung der Kapitel
A. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der deliktischen Haftung von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ein und skizziert den Forschungsgegenstand und die methodische Vorgehensweise der Arbeit. Sie betont die Relevanz der Thematik angesichts aktueller Skandale wie dem Wirecard-Fall und benennt die zentralen Fragestellungen, die im Hauptteil untersucht werden. Der Fokus liegt auf der Haftung nach § 826 BGB unter Berücksichtigung des § 323 Abs. 2 HGB.
B. Hauptteil: Der Hauptteil analysiert die vertragliche und deliktische Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten. Es wird untersucht, unter welchen Voraussetzungen eine Haftung nach § 826 BGB besteht und wie die Rechtsprechung diese Norm in der Praxis anwendet. Der Fokus liegt dabei auf den Elementen des Sittenverstoßes, des kausalen Schadens, des Rechtswidrigkeitszusammenhangs und des Schädigungsvorsatzes. Die Arbeit beleuchtet kritisch das Haftungsprivileg des § 323 Abs. 2 HGB und diskutiert dessen Ausstrahlungswirkung auf die Haftung nach § 826 BGB. Der Wirecard-Fall dient als relevantes Beispiel zur Veranschaulichung der juristischen Problematik.
I. Vertragliche Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten: Dieses Kapitel behandelt die vertraglichen Grundlagen der Haftung. Es untersucht die Haftung im direkten Vertragsverhältnis zwischen Wirtschaftsprüfer und Gesellschaft, sowie die Haftung aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Die Anwendbarkeit und Voraussetzungen dieser Haftung werden detailliert erläutert, und der Fall Wirecard wird analysiert, um die praktische Relevanz zu zeigen. Die "Expertenhaftung" nach § 311 Abs. 3 S. 2 BGB wird ebenfalls diskutiert.
II. Deliktische Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten: Dieses Kapitel widmet sich der deliktischen Haftung nach § 826 BGB. Es wird ausführlich auf die einzelnen Tatbestandsmerkmale eingegangen, beginnend mit dem Sittenverstoß, bei dem die konkreten Pflichten eines Abschlussprüfers im Detail beleuchtet werden. Die Bestimmung des kausalen Schadens unter Berücksichtigung verschiedener Bewertungsmethoden (Differenzhypothese, Naturalrestitution) und die Frage der haftungsbegründenden Kausalität, insbesondere im Kontext der Anlegerstimmung, werden umfassend analysiert. Der Rechtswidrigkeitszusammenhang und der Schädigungsvorsatz runden die Betrachtung ab.
III. Ausstrahlungswirkung des § 323 Abs. 2 HGB: In diesem Kapitel wird die Ausstrahlungswirkung des Haftungsprivilegs des § 323 Abs. 2 HGB auf die Haftung nach § 826 BGB untersucht. Der Normzweck und der Anwendungsbereich des § 323 Abs. 2 HGB werden beleuchtet, ebenso die aktuelle Rechtsprechung zur Haftung von Wirtschaftsprüfern. Der Reformbedarf dieses Paragraphen wird kritisch diskutiert, unter Berücksichtigung von Vorschlägen zur Neufassung und den Auswirkungen auf die Haftung nach § 826 BGB.
Schlüsselwörter
Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, deliktische Haftung, § 826 BGB, § 323 Abs. 2 HGB, Abschlussprüfung, Haftungsprivileg, Sittenverstoß, Kausaler Schaden, Rechtswidrigkeit, Schädigungsvorsatz, Anlegerstimmung, Wirecard AG, Reformbedarf, Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, Expertenhaftung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Deliktische Haftung von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die deliktische Haftung von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften für fehlerhafte Abschlussprüfungen, insbesondere gemäß § 826 BGB. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Umgehung des Haftungsprivilegs des § 323 Abs. 2 HGB und der kritischen Bewertung der rechtlichen Rahmenbedingungen.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die vertragliche und deliktische Haftung von Wirtschaftsprüfern gegenüber Dritten. Im Fokus stehen die Anwendbarkeit von § 826 BGB auf fehlerhafte Abschlussprüfungen, die Auswirkungen des Haftungsprivilegs des § 323 Abs. 2 HGB, der Reformbedarf in diesem Bereich und das Fallbeispiel Wirecard AG als relevantes Beispiel.
Welche Arten der Haftung werden untersucht?
Es werden sowohl die vertragliche Haftung (Vertragsverhältnis zur Gesellschaft, Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, Expertenhaftung gem. § 311 Abs. 3 S. 2 BGB) als auch die deliktische Haftung (insbesondere § 826 BGB) untersucht.
Wie wird die deliktische Haftung nach § 826 BGB analysiert?
Die Analyse der deliktischen Haftung nach § 826 BGB umfasst eine detaillierte Betrachtung der Tatbestandsmerkmale: Sittenverstoß (inkl. konkreter Pflichten eines Abschlussprüfers), kausaler Schaden (mit verschiedenen Bewertungsmethoden wie Differenzhypothese und Naturalrestitution), Rechtswidrigkeitszusammenhang und Schädigungsvorsatz. Die Rolle der Anlegerstimmung bei der Kausalität wird ebenfalls untersucht.
Welche Rolle spielt § 323 Abs. 2 HGB?
§ 323 Abs. 2 HGB stellt ein Haftungsprivileg für Wirtschaftsprüfer dar. Die Arbeit untersucht dessen Ausstrahlungswirkung auf die Haftung nach § 826 BGB, seinen Normzweck und Anwendungsbereich, die aktuelle Rechtsprechung und den Reformbedarf, inklusive kritischer Stellungnahmen zu Vorschlägen zur Neufassung.
Wie wird der Wirecard-Fall in die Arbeit eingebunden?
Der Wirecard-Fall dient als relevantes Beispiel zur Veranschaulichung der juristischen Problematik und zur Anwendung der theoretischen Erkenntnisse auf einen konkreten Fall.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
Die Arbeit kommt zu Schlussfolgerungen bezüglich der rechtlichen Rahmenbedingungen der deliktischen Haftung von Wirtschaftsprüfern, bewertet den Reformbedarf und gibt möglicherweise Vorschläge zur Verbesserung der Rechtslage.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, deliktische Haftung, § 826 BGB, § 323 Abs. 2 HGB, Abschlussprüfung, Haftungsprivileg, Sittenverstoß, Kausaler Schaden, Rechtswidrigkeit, Schädigungsvorsatz, Anlegerstimmung, Wirecard AG, Reformbedarf, Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, Expertenhaftung.
- Quote paper
- Robert Pfeiffer (Author), 2021, Die deliktische Haftung von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften für Abschlussprüfungen gem. § 826 BGB unter Umgehung des Haftungsprivilegs gem. § 323 Abs. 2 HGB, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1042138