Bereits unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg haben sich Forscher weltweit unabhängig voneinander bemüht, die 1938 entdeckte Kernenergie auf ihre militärische Anwendbarkeit zu prüfen. Damit einher ging die Idee von der Entwicklung einer völlig neuartigen Waffe. Dieser Auffassung ist jedenfalls Mark Walker, dessen 1989 erschienenes Buch „die Uranmaschine“1 den Verfassern dieser Arbeit als Hauptquelle gilt. Walker relativiert in seinem Werk den in seinen Augen von den deutschen Forschern um Heisenberg und von Weizsäcker selbst eingesetzten Nachkriegsmythos, die Deutschen hätten während des Krieges lediglich an der ’friedlichen’ Nutzung der Kernenergie jenseits ihrer militärischen Anwendungsmöglichkeiten geforscht. Darüber hinaus wendet er sich entschieden gegen die von deutschen Forschern nach dem Krieg aufgestellte Schutzbehauptung, sie hätten sogar aufgrund von persönlichen moralischen Bedenken die mögliche Konstruktion einer Atombombe verhindert, beziehungsweise deren Entwicklung bewusst verschleppt. Dem amerikanischen Historiker Walker waren dazu erstmals auch die von den Siegermächten beschlagnahmten und lange unter Verschluss gehaltenen Akten der NS - Zeit zugänglich, in denen die enge Korrespondenz von am Kernenergieprojekt beteiligten Wissenschaftlern mit dem Heereswaffenamt deutlich zutage tritt. Bezeichnenderweise ist die Richtigstellung der deutschen Nachkriegsapologie in diesem Punkt einem Amerikaner überlassen worden, der das deutsche Uranprojekt mit einigem Verständnis für deutsche Wissenschaftler unter dem Regime der Nationalsozialisten beschreibt, aber auch dezidiert das Hand-in-Hand-Arbeiten von Wissenschaft und Politik und die wahren Gründe für das Scheitern des Kernenergieprojektes offenlegt. Vielleicht bedurfte es dazu des ’Blickes von außen’, wobei der Einwand von Zeitzeugen Walker gegenüber, die “Bedrohungen und Erpressungen einer übermächtigen und brutalen Staatsmacht” nicht am eigenen Leib erlebt zu haben und damit auch nicht in der Lage zu sein, sie ganz zu begreifen, von ihnen benutzt wird, um sich dem nachträglichen Urteil Walkers zu entziehen. Als weitere Orientierungshilfe, besonders hinsichtlich der wissenschaftspolitischen Konflikte zwischen Vertretern der “deutschen Physik” und der theoretischen Physik im Nationalsozialismus ist das Buch von Gabriele Metzler: “Internationale Wissenschaft und nationale Kultur anzusehen [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Voraussetzungen
- Die Entdeckung der Kernspaltung
- Die internationale Ausgangslage zu Beginn des Zweiten Weltkrieges
- Die Entwicklung des deutschen Uranprojekts
- 'Deutsche Physik' contra theoretische Physik
- Die Phase des „Blitzkrieges"
- Das Heereswaffenamt gibt das Projekt ab
- Alsos-Mission und Farm-Hall
- Die Gründe für das Scheitern des deutschen Uranprojekts
- Der Vergleich mit dem "Manhattan-District-Project" der Amerikaner
- Der Mythos über die deutsche Atombombe
- Die Rechtfertigung der Wissenschaftler nach dem deutschen Zusammenbruch
- Das Verhältnis von Wissenschaft und Politik
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem deutschen Uranprojekt im Zweiten Weltkrieg. Sie zeichnet den Entwicklungsverlauf des Projekts nach, analysiert die Gründe für dessen Scheitern und untersucht das Verhältnis von Wissenschaft und Politik im nationalsozialistischen Deutschland. Dabei werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse und technischen Herausforderungen der Kernenergieforschung sowie die politischen und moralischen Dimensionen des Projekts beleuchtet. Die Arbeit stützt sich auf verschiedene Quellen, darunter die Akten der NS-Zeit, Sekundärliteratur und persönliche Erinnerungen der beteiligten Wissenschaftler.
- Die Entwicklung und der Verlauf des deutschen Uranprojekts
- Die Gründe für das Scheitern des Projekts
- Das Verhältnis von Wissenschaft und Politik im Nationalsozialismus
- Die Rolle der Wissenschaftler im 'Dritten Reich'
- Der Mythos über die deutsche Atombombe
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die wissenschaftlichen und politischen Voraussetzungen für die Entwicklung des deutschen Uranprojekts dar. Sie erläutert die Entdeckung der Kernspaltung und die internationale Ausgangslage zu Beginn des Zweiten Weltkrieges. Das Kapitel „Voraussetzungen" behandelt die Entdeckung der Kernspaltung im Jahre 1938 durch Fritz Straßmann, Lise Meitner und Otto Hahn am Kaiser Wilhelm Institut für Chemie in Berlin-Dahlem. Es beschreibt die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die zur Entwicklung des Projekts führten, sowie die Rolle der beteiligten Wissenschaftler. Das Kapitel „Die internationale Ausgangslage zu Beginn des Zweiten Weltkrieges" beleuchtet die internationale wissenschaftliche Community, die sich mit der Kernenergieforschung beschäftigte. Es zeigt, dass die Entdeckungen und Erkenntnisse nicht geheim gehalten wurden, sondern in Fachzeitschriften veröffentlicht und auf Konferenzen diskutiert wurden. Der internationale Austausch und die Veröffentlichung neuer Forschungsergebnisse waren zu dieser Zeit ein wesentlicher Bestandteil des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses. Das Kapitel „Die Entwicklung des deutschen Uranprojekts" widmet sich der Entstehung und dem Verlauf des Projekts im Deutschen Reich. Es beleuchtet die Konflikte zwischen der „Deutschen Physik" und der theoretischen Physik, die politische Einmischung in die Wissenschaft und die Schwierigkeiten, die sich aus der nationalsozialistischen Ideologie ergaben. Das Kapitel „'Deutsche Physik' contra theoretische Physik" analysiert die Auseinandersetzung zwischen der klassischen Physik und der modernen Physik im Nationalsozialismus. Es zeigt, wie die NS-Ideologie in den physikalischen Wissenschaftsbetrieb eindrang und die „Deutsche Physik" als ideologisches Instrument genutzt wurde. Das Kapitel „Die Phase des „Blitzkrieges"" beschreibt die Gründung des „Uranvereins" im April 1939 und die Übernahme der Kernenergieforschung durch das Heereswaffenamt. Es erläutert die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Heisenberg im Frühjahr 1940 zur Energiegewinnung durch Kernspaltung in Uranmaschinen entwickelte, sowie die technischen Herausforderungen, die sich bei der praktischen Umsetzung der Theorie ergaben. Das Kapitel „Das Heereswaffenamt gibt das Projekt ab" behandelt die Entscheidung des Heereswaffenamtes, die Kontrolle über das Kernenergieprojekt im Februar 1942 aufzugeben. Es zeigt, dass das Projekt in Deutschland auf der Laborebene verbleiben sollte, während die Amerikaner gleichzeitig ihr Kernforschungsprogramm auf die industrielle Ebene brachten. Das Kapitel „Alsos-Mission und Farm-Hall" beschreibt die amerikanische Alsos-Mission, die im Herbst 1943 zur Aufklärung des deutschen Uranprojekts eingesetzt wurde. Es erläutert die Internierung deutscher Kernphysiker in Farm-Hall und die Auswertung der dort mitgeschnittenen Gespräche. Das Kapitel „Die Gründe für das Scheitern des deutschen Uranprojekts" analysiert die Gründe für das Scheitern des Projekts und vergleicht es mit dem amerikanischen „Manhattan-District-Project". Es zeigt, dass die Deutschen im Gegensatz zu den Amerikanern keine zentralen Strukturen und eine ausreichende finanzielle Unterstützung für das Projekt hatten. Das Kapitel „Der Vergleich mit dem "Manhattan-District-Project" der Amerikaner" beleuchtet die Unterschiede zwischen dem deutschen Uranprojekt und dem amerikanischen „Manhattan-Project". Es zeigt, dass die Amerikaner mit einer zentralen Organisation, ausreichenden Ressourcen und einem klaren Ziel die Entwicklung einer Atombombe erfolgreich vorantrieben, während das deutsche Projekt aufgrund verschiedener Faktoren, darunter die politische Einmischung, die mangelnde finanzielle Unterstützung und die fehlende zentrale Steuerung, gescheitert ist.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das deutsche Uranprojekt, die Kernenergieforschung, die Kernspaltung, die Atombombe, die Uranmaschine, das Heereswaffenamt, die „Deutsche Physik", die theoretische Physik, das Verhältnis von Wissenschaft und Politik im Nationalsozialismus, die Alsos-Mission, Farm-Hall, das „Manhattan-District-Project", die wissenschaftliche Rechtfertigung nach dem deutschen Zusammenbruch, die Mythenbildung und die Folgen der wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Gesellschaft.
- Arbeit zitieren
- Nico Sutter (Autor:in), 2001, Das deutsche Uranprojekt im Zweiten Weltkrieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10418
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