Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Einführung in den Islam
2.1 Entstehungsgeschichte
2.1.1 Mohammed und wie alles begann
2.1.2 Auswirkungen auf die Situation der Frau
2.2 Die 5 Säulen
2.3 Der Koran
2.4 Die Scharia
3 Die Stellung der Frau im Islam
3.1 Gesellschaftliche Grundlagen
3.2 Ehe und Familie
3.3 Sexualität
3.4 Arbeit und Bildung
3.5 Der Schleier
4 Der IRAN
4.1 Geschichtliche Entwicklung
4.2 Auswirkungen der Herrschaft der Pahlewis auf die Situation der Frauen
4.3 Situation der Frauen in der Islamischen Republik
4.3.1 Die Khomeini - Ära
4.3.2 Nach 1989
5 Schlußbemerkungen Fehler! Textmarke nicht definiert
6 Literatur
1 Einleitung
Die Bedingungen unter denen Frauen im Islam leben sind durch den Koran festgelegt, haben sich im Laufe der Jahrhunderte im täglichen Leben verfestigt und im Wesentlichen kaum eine Änderung erfahren.
Eine Veränderung ist schwierig und langwierig und immer abhängig von den Begleitumständen.
Zur Verfestigung haben in erster Linie Männer beigetragen, die die Richtlinien be- stimmten und bestimmen, aber auch die Frauen, die sie gelebt und verinnerlicht ha- ben.
Wenn Frauen eine Veränderung wollen, muss diese eingebettet sein in die politische und wirtschaftliche Gesamtsituation und im Bewusstsein der Frauen eine positive Wirkung auf Familie und Gesellschaft haben.
2 Einführung in den Islam
2.1 Entstehungsgeschichte
2.1.1 Mohammed und wie alles begann
Mohammed wurde ca. 570 n. Chr. in Mekka geboren.
Um 592 n. Chr. heiratete er eine 15 Jahre ältere und vermögende Kaufmannswitwe, die ihm die Ehe angeboten hatte. Aus der Ehe ging die Tochter Fatima hervor.
Um 620 n. Chr. hatte er die erste Offenbarung von Allah. Seine Frau war stets eine der ersten, denen er berichtete, sie glaubte ihm, unterstützte ihn und gehörte neben seinem Vetter Ali zu seinen ersten Anhängern.
Mit der Hidschra (Auswanderung) nach Medina im Jahr 622 n. Chr. begann die islamische Zeitrechnung.
Um 630 n. Chr. eroberte Mohammed Mekka unblutig, zerstörte alle polyatheistischen Bildnisse mit Ausnahme des großen schwarzen Würfels, die Kaaba.
Mohammed starb plötzlich und unerwartet nach schwerer Krankheit im Jahr 632 n.Chr.
Mohammed hatte - nach dem Glauben der Muslime - als letzter Mensch Gottes Wort empfangen und unverfälscht weitergegeben und war damit der letzte Prophet.
Als religiöser Führer hatte er die Beduinenstämme geeint und die Gemeinde geleitet.
Er war Prophet und Politiker. Seine Nachfolge musste nun ein weltlicher Führer antreten, damit begann das Kalifat mit Sitz in Bagdad.
Abu Bakr, ein langjähriger und treuer Freund Mohammeds wurde der erste Kalif und regierte von 632 - 634.
Omar regierte von 634 - 644. Er war ein „Frauenhasser“ und unterlief bewusst Mohammeds Gepflogenheiten und Einstellungen den Frauen gegenüber.
Uthmann (644 - 656) stellte die Suren zusammen und den Koran fertig. Der Islam breitete sich über die arabische Halbinsel Richtung Ägypten und Persien aus. Korruption und Mißstände entstanden.
Ali, der Vetter von Mohammed und Ehemann seiner Tochter Fatima, regierte von 656 - 661.
Es kommt zur Trennung in Schiiten (Ali`s Partei) und Sunniten.
Bei den Schiiten müssen die Führer, sie tragen den Titel Imam, aus Mohammeds Familie stammen. Ali gilt als erster Imam. Persien ist ihr Ursprungsgebiet und sie stellen dort noch immer die absolute Mehrheit der Muslime. Sie warten auf die Rückkehr ihres 12. Imam, bis dahin ist die Führung stellvertretend dem jeweiligen Ayatollah übertragen.
Die Sunniten erkennen die ersten drei Kalifen an, ihre Führer mussten auch danach in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zu Mohammed stehen. Sie stellen mit 85 % die größte Gruppe der Muslime dar, sind aber in verschiedene Rechtsschulen unterteilt.
Die 1400 Jahre des Islam werden unterteilt in die ersten 700 Jahre (1. Epoche) in der der Islam sich stark ausbreitet. Die Kernländer werden islamisiert und die islamische Kultur blüht auf. Die letzten 700 Jahre (2. Epoche) sind eine Zeit der Stagnation, es kommt zu keiner weiteren Ausbreitung und keiner kulturellen Veränderung. Die zu- nehmende Zahl der Muslime ist auf die hohe Geburtenrate zurückzuführen.
2.1.2 Auswirkungen auf die Situation der Frau
Mohammeds Einstellung und Verhalten Frauen gegenüber war nicht unbedingt so, wie im damaligen Arabien allgemein üblich.
So war die Einehe unüblich und seine erste Ehe stellte die Ausnahme dar.
Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er insgesamt 12 Frauen und es wird ihm nachgesagt, dass er keine „züchtigte“ und, dass er sehr bemüht war, jede gleich zu behandeln, d.h. jeder die gleiche Zeit und Zuwendung zukommen zu lassen.
„Nach den Überlieferungen kann man davon ausgehen, dass Mohammad viel zur Verbesserung der Stellung der Frau beigetragen hat, seine Frauen gut behandelt und auch die anderen Muslime dazu aufforderte“. (Tworuschka, Monika: Allah ist groß. Religion, Politik und Gesellschaft im Islam, Orig. Ausg., Gütersloh1983, S.34)
Mohammeds Anordnungen bezüglich der Frauen, die ihren Niederschlag im Koran fanden, stellten verglichen mit dem vorislamischen Arabertum beträchtliche Reformen dar. Zu dieser Zeit war die Entrechtung der Frauen in den meisten Kulturen die vorherrschende gesellschaftliche Tendenz und es war ein Hauptanliegen des Koran, der Frau eine gleichwertige Rolle einzuräumen. (vgl. Klöcker, Michael/Tworuschka, Monika (Hg.): Frau in den Religionen, Weimar und Jena 1995, S. 121)
So enthält der Koran die vielfältigsten Hinweise zum Umgang mit Frauen, wodurch die Stellung der Frau in der Familie und der Gesellschaft maßgeblich verbessert wurde, denn erstmals wurden ihre Rechte schriftlich festgelegt.
Sure 9,72 besagt, dass Mann und Frau den gleichen Rang vor Gott haben, er sie mit derselben Würde geschaffen hat, beide die gleichen Lebensrechte besitzen und das Paradies erlangen können.
Sure 6,15 verbietet die Tötung oder Aussetzung weiblicher Neugeborener.
Die vorislamische Polygamie wird auf 4 Frauen beschränkt und zwar mit der Auflage, sie alle gleich zu behandeln. (Sure 4,3)
Die Willkür des Mannes bei der Scheidung wurde eingeschränkt, er hatte nun ge- wisse Sorgepflichten zu erfüllen und Wartezeiten einzuhalten. (Sure 4,35) Auch der Frau wurde die Möglichkeit zuerkannt, sich unter bestimmten Umständen scheiden zu lassen, allerdings nur bei Unterlassungen und Fehlern des Mannes, nicht aufgrund einer veränderten Neigung. Zudem erhielt sie ein vorher kaum gekanntes Recht auf Eigenbesitz, ein Erbrecht, grundsätzlichen Anspruch auf Versorgung und als Ehefrau auf standesgemäßen Lebensunterhalt. ( vgl. velkd EKD: a.a.O., S. 54)
2.2 Die 5 Säulen
Die 5 Säulen des Islam sind von Mohammed eingesetzt worden und bilden den Kern des Glaubens.
Wichtig bei der Erfüllung der fünf Grundpflichten ist, dass sie in Gemeinschaft und öffentlich verrichtet werden. Sie müssen von Männern und Fraue n verrichtet werden, denn die Frau ist in religiösen Rechten und Pflichten dem Mann gleichrangig.
1. Säule: Das Glaubensbekenntnis.
„ Ich bezeuge, dass es keine Gottheit außer Allah gibt und Mohammed der Prophet Gottes ist.“
2. Säule: Das Gebet.
Jede/r Volljährige, der/die in Besitz seiner vollen geistigen Kräfte ist, verrichtet fünf mal täglich, möglichst in Gemeinschaft, das rituelle Gebet (kein Bittgebet).
Voraussetzung ist die Reinheit, die durch die rituelle Waschung, das Beten auf einer Unterlage (Gebetsteppich) und die richtige Geisteshaltung hergestellt wird.
Dies gilt nicht für Alte, Kranke, Kinder und Erwachsene auf Reisen.
3. Säule: Die Almosensteuer.
Irdischer Besitz ist nichts Negatives, soll aber zum Guten verwendet werden.
Deshalb gibt der/die Besitzende an Bedürftige.
4. Säule: Das Fasten im Monat Ramadan.
Vom Sonnenaufgang bis zum -untergang keine Nahrung, kein Rauchen, kein Sex.
Dies ist nur bei Dunkelheit erlaubt, wenn ein schwarzer Faden nicht mehr von einem weißen zu unterscheiden ist.
5. Säule: Haddschi.
Einmal im Leben soll der/die Gläubige/r eine Pilgerfahrt zur Kaaba gemacht haben.
Es ist aber nicht erlaubt dafür Schulden zu machen und die Familie zu verlassen.
2.3 Der Koran
Der Koran ist das heilige Buch des Islam, für die Muslime ist er das „Wort Gottes“.
Sie entnehmen dem Koran Vorschriften, Hinweise und Anleitung darüber, wie sie sich in den verschiedenen Lebenssituationen zu verhalten haben.
Der Inhalt des Koran wurde nach ihrem Glauben dem Propheten offenbart und zwar in einer Zeitspanne von 22 Jahren. Mohammed hörte die Offenbarungen in seiner arabischen Muttersprache und er trug sie seinen Anhängern vor. Diese schrieben sie auf und sammelten sie. Gab es Schwierigkeiten mit dem Text, konnte Mohammed gefragt werden. Nach Mohammeds Tod und dem Tod vieler Gefährten gelang es dem Kalifen Uthman im Jahr 653 einen Korantext zusammenzustellen, der alle als echt anerkannten Texte enthielt. Man unterschied „himmlischen Urtext“ und Aus- sprüche, die von Mohammed stammten. Uthman verfügte, dass nur noch dieser fest- gelegte Korantext im Gottesdienst und bei der Urteilsfindung in Rechtsstreiten oder in theologischen Fragen gebraucht werden dürfe. Zu diesem Zeitpunkt war die ara- bische Schrift noch nicht ganz entwickelt, es konnten Buchstaben verwechselt oder falsch ausgesprochen werden, was meiner Meinung nach eine Gefahr der Verfäl- schung bzw. sinngemäßen Verfremdung in sich barg. Interessant ist auch, dass es nur wenige Frauen gab, die den Koran überlieferten, bevor er schriftlich niedergelegt wurde.
Der Koran enthält Aussagen über
- die Glaubensüberzeugungen
- die gottesdienstlichen Ordnungen
- die sozial- gesellschaftlichen Ordnungen, insbesondere das Familienrecht
- die sittlich-ethischen Maßstäbe
an die sich der Muslim zu halten hat, wenn er ein gottgefälliges Leben führen und sich damit auf das ewige Leben vorbereiten will.
2.4 Die Scharia
Gott gab den Menschen sein Gesetz, um ihnen den richtigen Weg zu weisen.
Scharia, das arabische Wort für das religiöse Gesetz im Islam, bedeutet ursprünglich: „Der Weg, der zur Oase führt.“
Die Scharia enthält sowohl die Vorschriften des Korans als auch die traditionellen Lehren Mohammeds.
Die Traditionen, arabisch „Hadith“, und der Brauch, arabisch „Sunna“, sind gesam- melt und im 9. Jh. schriftlich niedergelegt worden. Es ist eine Sammlung von Berichten darüber, „was Mohammed tat, vorschrieb und was in seiner Gegenwart getan wurde, ohne dass er es verbot. Außerdem enthalten sie beispielhafte Taten und Aussprüche der Gefährten des Propheten.“ (Hughes, Thomas Patrick: Lexikon des Islam, Dreieich 1995, S.720)
Im Gegensatz zum Koran besteht bei den Traditionen, auch aus Sicht der islamischen Gelehrten, die Möglichkeit, dass viele unechte überliefert worden sind (vgl. Hughes, T.P.: ebenda, S. 721), was meines Erachtens ähnlich wie bei der noch unvollendeten arabischen Schrift zum Zeitpunkt der schriftlichen Niederlegung des Koran, Raum für subjektive Veränderungen gelassen hat.
Der Koran ist die wichtigste Quelle der islamischen Rechtssprechung, gefolgt von Hadith und Sunna.
Auf der Basis von Koran und Sunna soll, als weiterer Grundsatz islamischer Rechts- findung, durch Gebrauch der menschlichen Vernunft, eine Entscheidung oder Ver- haltensregel formuliert werden. Da laut Mohammed die Gemeinschaft der Gläubigen nicht in einem Irrtum übereinstimmen kann, sollen Entscheidungen jeweils überein- stimmend von der Gemeinde getragen werden. Dieses letztgenannte „Prinzip wurde später auf den Konsens der Gelehrten der jeweiligen Zeit übertragen“. (velkd EKD: a.a.O., S. 50)
In der heutigen Zeit stellt das gültige Recht in fast allen islamischen Ländern eine Verbindung von traditionellen Elementen mit europäischen Rechtsvorstellungen dar. Die Scharia wurde weitgehend zurückgedrängt, auch wenn sie in einigen Staaten laut Verfassung die Hauptquelle für die Gesetzgebung sein soll. (vgl. velkd EKD: a.a.O., S. 51) Diese Feststellung mag zu dem Zeitpunkt als das Buches der EKD im Jahr 1993 erschien, richtig gewesen sein, muss heute aber unbedingt in Frage gestellt werden. Die Einsetzung der Scharia als dem von Gott verkündetem Recht wird von den militanten Islamisten als wichtigstes Ziel verfolgt und in vielen islamischen Staaten haben sie bereits Erfolge zu verzeichnen. Sie berücksichtigen dabei nicht, dass ein Großteil der Scharia lange Zeit nach dem Tod des Propheten hinzugefügt wurde und zwar von Herrschern, die nicht im Geist des Islam regierten, sondern einzig und allein ihre Macht und ihr Wohlergehen sichern wollten. (vgl. Goodwin, Jan: Der Himmel der Frau ist unter den Füßen ihres Mannes. Muslimische Frauen erzählen, deutschspr. Ausg., Bergisch Gladbach 1995, S. 461)
3 Die Stellung der Frau im Islam
3.1 Gesellschaftliche Grundlagen
Die Idee des Individuums, welches frei und eigenverantwortlich nur für sich selbst entscheidet, ist dem Islam fremd. In der Welt des Islam ist das Individuum der reli- giösen Gemeinschaft gegenüber verantwortlich und damit besteht ein Unterschied zu der Freiheitskonzeption des bürgerlichen Individuums in der westlichen Welt.
„Der Mensch ist der Repräsentant Gottes und Menschen haben Freiheiten, die auf ihre Rolle als Repräsentanten Gottes zurückzuführen sind. Aber diese Freiheiten sind nicht absolut, sie sind eng eingebunden. Zwar ist das Individuum als gesellschaft- liches Wesen und als Bürger frei, aber diese Freiheit ist eingeschränkt durch das Be- dürfnis nach Freiheit der ganzen Gesellschaft. Es muss eine Balance geben zwischen dem, was gut für das Individuum und gut für die Gruppe ist - dies gilt aber nicht umgekehrt.“ (Dwyer, Keneth: Arab Voices, The Human Rights in the Middle East, Los Angeles 1991, S. 186)
In der islamischen Welt ist die Großfamilie die tragende gesellschaftlich-ökono- mische Einheit - nicht wie im Westen, wo die Gesellschaft auf der Basis von Individuen und Einzelfamilien organisiert ist.
„Der Wert des oder der Einzelnen bestimmt sich nicht nach seinen individuellen Kenntnissen und Erfolgen, sondern primär nach seiner Rolle innerhalb eines Familienverbandes. Die Position der Familie innerhalb der Gesellschaft hat auch entscheidende Auswirkungen auf den Status jedes einzelnen Familienangehörigen.“
(Laudowicz, Edith (Hg.): Fatimas Töchter. Frauen im Islam, Orig. Ausg., Köln 1992, S. 32)
Individuelles Verhalten muss immer in Beziehung gesetzt werden zur Familie und die materielle Existenz ist eng verknüpft mit dem Wohl der Familie.
Eine Vorstellung von individueller Selbstverwirklichung ist deshalb den meisten islamischen Frauen fremd.
3.2 Ehe und Familie
„In der Erschaffung der Frau wird Gottes Güte sichtbar: Sie wurde als Gattin des Mannes erschaffen. Die Ehepartner sollen einander in Liebe und Erbarmen verbunden sein“. (Sure 30,21)
Der Koran sagt aber auch, dass Gott Mann und Frau unterschiedlich geschaffen und ihnen damit auch verschiedene Rechte und Pflichten gegeben hat.
Der Platz der Frau ist die Familie, ihre Aufgabe die Versorgung der Eltern/Schwiegereltern und der Kinder. Von Geburt an ist sie der väterlichen Macht unterstellt, die bei Eheschließung an den Ehemann übergeben wird. Diese Regelung ist nur teilweise religiös bedingt, sondern ist vor allem typisches Merkmal patriarchaler Gesellschaften.
Die Frau wird durch Heirat Mitglied der Familie ihres Mannes. In der traditionellen Großfamilie hat die jungverheiratete Frau oft eine schwierige Position. Sie wird erst dann sozial anerkannt, wenn sie Mutter wird, und vor allem, wenn sie Söhne hat. Über die Kinder hat aufgrund kultureller Normen formal der Vater die Macht, inner- halb der Familie wird diese aber von der Mutter ausgeübt. „Tatsächlich ist sie ver- antwortlich für die Erziehung und die Disziplinierung, wobei sie oft mit dem Vater droht und mit ihm Furcht einzuflößen versuc ht. Beide, Söhne und Töchter, haben infolgedessen eine viel engere Bindung an die Mutter als an den Vater.“ (Barakat, Halim: The Arab Family, Austin 1983, S. 28)
Mit zunehmendem Alter wächst der Bewegungsspielraum für die Frauen, denn neben der Unterordnung der Frauen unter die Männer, besteht zudem die der Jungen unter die Alten. Als Großmutter gilt ihr dann die Ehrerbietung ihrer Söhne und aller jüngeren Frauen der Familie, besonders ihrer Schwiegertöchter.
Innerhalb der Familie findet auch die Erziehung der Mädchen statt und die Frauen sind die Hauptsozialisationsinstanz. Dadurch wird deutlich, dass die Frauen an der Aufrechterhaltung der traditionellen Vorstellungen maßgeblich beteiligt sind und dies nicht allein aus der Herrschaft der Männer abgeleitet werden kann. „Die Er- ziehung, die junge Mädchen von ihren Müttern und Tanten erhalten, insbesondere dann, wenn die erweiterte Familie noch unter einem Dach lebt, ist präzise darauf ausgerichtet, den Respekt vor Traditionen zu verstärken, eine Tradition, die verlangt, dass Mädchen sanft, unterordnend und zurückhaltend, aktiv (nur in der Familie, d.V.) bescheiden sind, ruhig sprechen und wenig Neugier gegenüber der Welt drau ßen zeigen sollen. Die Familienehre, die auf dem richtigen Verhalten der Mädchen und Frauen basiert, muss mit allen Mitteln sichergestellt werden .“ ( Minces, Juliette: The House of Obedience, Women in Arab Society, London 1982, S.31)
Die Familie bietet Sicherheit und Unterstützung in schwierigen Zeiten. Eine negative Bewertung eines einzelnen Familienmitglieds wirkt sich auf das gesamte Ansehen der Familie aus. Wenn eine Frau ihre Familie verlässt, muss sie damit rechnen, dass sich Familienmitglieder und Freunde von ihr abwenden und ihr jede Unterstützung verweigern. „Der Wunsch unabhängig zu leben, bedeutet für eine irakische Frau zwangsläufig gesellschaftliche Isolierung und hat unter Umständen sogar Aus- wirkungen auf ihren Beruf .“ (Al-Khayyat, Sana: Ehre und Schande, Frauen im Irak, München 1991, S. 222)
Aus meiner Sicht beinhaltet die Familie als wichtigster Wirkungsort der Frauen gleichzeitig Abhängigkeit und Unterordnung, aber auch Möglichkeiten der Verände- rung, wobei meines Erachtens die Frauen ihre Chancen nicht nutzen, sondern ihre Position zementieren, vielleicht aus Angst vor der Verantwortung und dem Ungewis- sen, aber auch, weil sie im gesicherten Rahmen leben und in gewissem MaßMacht ausüben können.
3.3 Sexualität
Nach islamischen Glauben ist Sexualität keine Sünde, sondern sie gehört zu den guten Gaben Gottes und soll in der Ehe verwirklicht werden. Es ist der Frau zwar verboten, sich ihrem Ehemann zu verweigern, aber sie hat ihrerseits ein Recht auf sexuelle Befriedigung.
Die Sexualität wird nicht wie im Christentum tabuisiert und nur der Fortpflanzung zugeordnet, sondern „sie wird als Urzustand reiner Energie aufgefasst. Sexuelle Be- friedigung ist zur Funktionsfähigkeit der Gesellschaft unabdingbar.“ (Laudowicz, Edith (Hg.): a.a.O., S. 36) Aus diesem Grund muss sie in geregelte Formen, die Ehe, gelenkt werden und Vorsichtsmaßnahmen, wie die Geschlechtertrennung, ergriffen werden.
„Bei aller positiven Bewertung der ehelichen Sexualität gilt die außereheliche Sexu- alität, sei sie nun homosexuell oder heterosexuell, als große Sünde.“ (Breuer, Rita: Familienleben im Islam. Traditionen-Konflikte-Vorurteile, Freiburg 1998, S. 44)
Der Sexualität der Frau kommt eine besondere Bedeutung zu, dies belegt u.a. ein Zitat Ali`s, dem Gatten Fatimas und Gründer der Schiiten:
„Gott, der Allmächtige, schuf sexuelles Begehren zu ze hn Teilen; neun Teile davon gab er an die Frau, einen an den Mann.“ (Brooks, Geraldine: Die Töchter Allahs, deutschspr. Ausg. München 1994, S. 9)
Dabei wird die Sexualität der Frau als aktive, zerstörerische Kraft gewertet, die in Grenzen gehalten werden muss. Das Weibliche wird als das Teuflische verstanden, die Frau ist eine destruktive, „die Gesellschaftsordnung bedrohende Kraft. Die Angst vor der Selbstbestimmung der Frau ist Kern der Familienorganisation im Islam. Selbstbestimmung wird mit fitna (Unordnung, Chaos) gleichgesetzt.“ (Mernissi, Fatema: Die Angst vor der Moderne, Frauen und Männer zwischen Islam und De- mokratie, Hamburg 1992, S. 43)
Das erklärt auch das Schleiergebot, denn kommt das Ablegen des Schleiers und das Öffnen des Haares vor dem Ehemann einem Geschlechtsakt gleich und symbolisiert das offene Haar der Frau die freigesetzte sexuelle Energie (vgl. Laudowicz, Edith: a.a.O., S. 41), dann gilt es, darüber die Verfügungsmacht zu haben und sie zu sichern.
Im Bereich der Sexualität zeigt sich für mich die Angst der Männer vor dem Macht- verlust am deutlichsten. Wie großmuss diese Angst sein, wenn die weibliche Sexua- lität dermaßen verdammt und die rigidesten Vorkehrungen zu ihrer Reglementierung getroffen werden?
Dies erhält den Männern natürlich weitestgehend die Kontrolle über die eigene Verführbarkeit, denn ihnen ist sicherlich bewusst, dass sie ihre eigene Sexualität nicht immer rational lenken können.
3.4 Arbeit und Bildung
Der Mann hat die selbstverständliche Pflicht, seine Familie zu versorgen, d.h. das Familieneinkommen zu erarbeiten. Dieser Verantwortung kann er sich nicht willent- lich entziehen, ansonsten muss er mit Hohn und Spott rechnen. „Ein Rollentausch zwischen Mann und Frau ist in der islamischen Welt alles andere als modern und erscheint geradezu absurd.“ (Breuer, Rita: a.a.O., S. 90) Sehr verständlich wird dies unter dem Aspekt, dass die untergeordnete Stellung und die Gehorsamspflicht der Frau dem Mann gegenüber „vom Koran maßgeblich mit der Tatsache begründet wird, dass er ihr unterhaltsverpflichtet ist und dies ihre Gegenleistung darstellt.“ (Breuer, Rita: a.a.O., S. 93)
Der Koran verbietet die Erwerbstätigkeit der Frau nicht. Allerdings wird die Frage, unter welchen Umständen sie arbeiten darf, sehr komplex diskutiert. Einigkeit herrscht darüber, dass ihre primäre Rolle als Frau und Mutter durch Arbeit nicht in Frage gestellt, die Zahl der Kinder nicht reduziert und die häuslichen Aufgaben nicht vernachlässigt werden dürfen.
Selbstverwirklichung und Entfaltung eigener Talente werden als Motiv für die Be- rufstätigkeit nicht geschätzt. Anders verhält es sich mit der ökonomischen Notwen- digkeit oder aufgrund von Extremsituationen wie z.B. Kriegszeiten.
Berücksichtigt werden muss die soziale Stellung der Familie und ob sie im länd- lichen Raum oder in der Stadt lebt. Frauen der oberen und mittleren Schichten, in ihren Wertvorstellungen orientiert an westlichen Normen, nutzen die Bildungsmög- lichkeiten, entwickeln ein größeres Selbstbewusstsein und finden qualifizierte Ar- beitsplätze. „Während Frauen dieser Schichten ihre Doppelbelastung durch die Ein- stellung von Haushaltskräften abmildern konnten, hat der Zwang zur Erwerbstätig- keit durch wachsende Verschärfung der wirtschaftlichen Situation bei den Frauen der unteren Schichten zu einer Verschlechterung der Familiensituation geführt“ (Tworuschka, Monika: a.a.O., S. 34). Sie müssen nicht nur schwere und schlecht bezahlte Erwerbsarbeit leisten, sondern auch die Hausarbeit und ertragen, dass die wachsende Arbeitslosigkeit die Stellung und das Selbstwertgefühl ihrer Ehemänner unterhöhlt. „Eine Erwerbstätigkeit wird nur dann akzeptiert, wenn sie die „Unfähig- keit“ des Mannes, das Familieneinkommen zu erarbeiten, nicht bloßlegt.“ (Laudowicz, Edith: a.a.O., S. 34)
Bei der Berufswahl findet durchaus eine Begrenzung statt, wobei den Frauen die Ausübung des Richteramtes und der religiösen Funktionen unter Hinweis auf den Koran (Sure 2,282) konkret untersagt wird. Der Koranvers besagt, dass die Zeugenaussage zweier Frauen notwendig ist, um dieselbe Aussagegewissheit zu erzeugen, wie die eines Mannes. „Nach einem breiten Konsens der Gelehrten zeigt dieser Koranvers die Frau als vergesslich, subjektiv und emotional und daher für das Richteramt nicht geeignet.“ (Breuer, Rita: a.a.O., S. 92)
Kritikern der Frauenarbeit, z.B. Gelehrte und besorgte Familienoberhäupter, ist zudem daran gelegen, dass die Frauen auf dem Weg zur Arbeit und auf der Arbeit keinen Kontakt zum anderen Geschlecht haben. Diese Einschränkungen führen dazu, dass Fraue n zumeist in medizinischen und pädagogischen Bereich arbeiten, wo sie sich um Frauen und Kinder kümmern.
3.5 Der Schleier
Der Koran enthält keine eindeutige Bestimmung darüber, dass sich Frauen verschleiern müssen und ihr Wirkungsbereich auf das Haus beschränkt ist. Es gibt Empfehlungen an Frauen, sich außerhalb des Hauses schamvoll zu kleiden, ( Sure 24,31; 33,59) aber es ist nicht vom Gesichtsschleier die Rede und auch nicht von einer Verbannung aus der Öffentlichkeit.
Der Schleier stellt das sichtbarste Zeichen des Ausschlusses der Frauen aus der Öf- fentlichkeit dar. Herkunft und Ausmaßder Verschleierung sind umstritten.
Zu Mohammeds Zeiten waren die Sitten in den Oasenstädten relativ freizügig und der Schleier sollte dazu beitragen, dass anständige Frauen als solche erkannt werden. Auch sollte der Schleier zur Abgrenzung der freien Frauen von den Sklavinnen beitragen.
„Bräuche wie das Tragen von Schleiern und Institutionen wie der Harem sowie die Verbannung der Frauen aus dem öffentlichen Leben entstanden erst, als nach der Übernahme des Kalifats durch die Abbasiden (750) persische und byzantinische Ge- wohnheiten den Lebensstil zu prägen begannen.“ (Tworuschka, Monika: a.a.O., S. 86)
Das Verschleierungsgebot hat sich in unterschiedlichem Ausmaße in der islamischen Welt bis heute gehalten.
Bei Widerstandsaktionen hat das Ab- und Anlegen des Schleiers des öfteren eine Rolle gespielt:
In den 30er Jahren haben die palästinensischen Frauen den bereits abgelegten Schleier als Protest gegen die Zerstörung ihrer Kultur durch die englische Mandatsmacht wieder angelegt.
In Algerien versteckten Frauen unter ihrem Tschador Waffen und nutzten das Vor- urteil der Franzosen, dass algerische Frauen unpolitisch und desinteressiert seien.
In Afghanistan kam es zu Tumulten als die Gattin des reformfreudigen Königs un- verhüllt vor der Versammlung der Stammesoberhäupter erschien. 1959 fiel der Schleierzwang und jetzt haben die an die Macht gelangten islamischen Kräfte als eine der ersten Maßnahmen das Verschleierungsgebot wieder in Kraft gesetzt.
Nicht unerheblich für die erneute Hinwendung zum Schleier sind aber auch ökono- mische Faktoren. „Mit Erfolg kam Mitte der 60er Jahre das geflügelte Wort zum Schleier als cache-misere auf, vom Schleier, der die Armut verdecken hilft.“ (Richter-Dridi, Irmhild: Frauenbefreiung in einem islamischen Land - ein Widerspruch?, Frankfurt 1981, S. 239)
Ein oder zwei Schleier kann sich jede Frau leisten und sie sieht damit angezogen aus. Bei europäischer Kleidung, die zum Maßstab der Emanzipation werden sollte, war dies für die meisten unrealisierbar.
4 Der IRAN
4.1 Geschichtliche Entwicklung
Der Iran oder Persien hat eine 2500jährige beeindruckende Geschichte, die dieses Land durchaus zu den bedeutensten und genialsten Kulturnationen der Menschheit zählen lässt.
Im folgenden soll nur auf die Entwicklungen und Ereignisse des 20. Jahrhunderts eingegangen werden:
1794 wird die Dynastie der Kadscharen begründet, die bis 1925 andauert und Persien zunehmend dem Diktat europäischer Mächte aussetzt. Despotische Herrscher und fortschrittsfeindliche Mullahs verhindern jede durchgreifende Reform und Persien wird zum Entwicklungsland.
1907 teilen Großbritannien und Rußland den Iran in zwei Interessensphären und besetzen die Gebiete während des 1. Weltkrieges.
1919 sichert sich Großbritannien vertraglich die Schutzherrschaft.
1921 erfolgt ein Staatsstreich durch Riza Schah Pahlewi, der 1923 zum Ministerpräsidenten wird. Er setzt den letzten Kadscharenherrscher ab und läßt sich 1925 zum Schah ausrufen.
Es folgt eine Reihe von Modernisierungen auf Kosten der meist bäuerlichen Bevöl- kerung.
Im 2. Weltkrieg besetzen britische und sowjetische Truppen das Land. Der mit Deutschland sympathisierende Schah muss zurücktreten, ihm folgt sein Sohn Mohammed Riza Pahlewi.
1951 wird die Anglo-Iranian Oil Company von Ministerpräsident Mossadegh verstaatlicht, es folgt eine Wirtschaftskrise aufgrund der fehlenden Öleinnahmen. Nach Absetzung Mossadeghs einigt sich der Schah mit Großbritannien über die Verteilung der Einnahmen der verstaatlichten Ölindustrie (Halbe-Halbe).
Ab 1951 regiert der Schah als Alleinherrscher.
Steigende Öleinnahmen nutzt er zu Käufen von Rüstungsgütern und einer überstürzten Industrialisierung. Die sozialen Spannungen verschärfen sich, Teheran z.B. wächst von einer Million auf fünf Millionen Einwohner an, wobei die meisten Zuwanderer in Slums vege tieren.
1963 verordnet der Schah die „Weiße Revolution“ zur Modernisierung des Landes.
Es soll u.a. eine Bodenreform durchgeführt und das Frauenstimmrecht eingeführt werden, es fehlt aber jegliche Hinwendung zur politischen Demokratisierung.
Es wächst der Widerstand gegen die „Verwestlichung“, besonders bei den gläubigen Moslems (Schiiten), aber auch bei politischen Kräften von „links“.
1978 kommt es zu Volksunruhen bislang ungekannten Ausmaßes.
1979 verlässt der Schah gezwungenermaßen das Land und Ayatollah Khomeini kehrt aus dem Exil zurück.
Am 01. April 1979 wird nach einer Volksabstimmung die „Islamische Republik“ ausgerufen.
Khomeini sichert sich seine Machtstellung als „regierender Gottesgelehrter“.
1979 - 1981 wird das Personal der US-Botschaft in Geiselhaft gehalten.
1980 wird der gewählte und als gemäßigt geltende Staatspräsident Bani-Sadr von der orthodoxen-islamischen Parlamentsmehrheit gestürzt.
Gegen „Feinde des Glaubens“ wird mit zunehmender Härte vorgegangen.
1980 beginnt des Golfkrieges zwischen Iran und Irak.
1988 kommt es zum Waffenstillstand.
Der Iran wird international zunehmend isoliert, damit verbunden ist ein wirtschaftlicher Niedergang, eine hohe Arbeitslosigkeit und bedrohlich gestiegene Lebenshaltungs kosten.
1989 stirbt Khomeini.
Neuer religiöser und politischer Führer wird Khamenei, der die politische Führung dann an Rafsandschani übergibt.
1992 werden die gemäßigten Kräfte um Rafsandschani durch die Parlamentswahlen gestärkt.
Seit 1997 ist Khatami neuer Staatspräsident.
4.2 Auswirkungen der Herrschaft der Pahlewis auf die Situation der Frauen
Die Frauen wurden mit grundlegenden Veränderungen, die sich an Werten und Normen der westlichen Welt orientierten, sehr plötzlich und unvorbereitet konfrontiert. Die Reaktionen waren abhängig von ihrer Schichtzugehörigkeit, ihrem Lebensraum, ihrem Alter und dem Grad ihrer Religiosität.
Riza Pahlewi verbot 1936 den Gesichtsschle ier und den Tschador, da diese nicht in das Bild eines modernen Landes passten. „Doch fromme Frauen, vor allem die älte- ren, waren von solchen plötzlichen und drastischen Veränderungen überfordert.“ (Brooks, Geraldine: a.a.O., S. 38) Frauen, die trotzdem verschleiert das Haus verließen, riskierten, dass er ihnen vom Kopf gerissen wurde, da die Polizei angewiesen war, „bei Nichtbeachtung dieses Gesetzes jeder Frau den Schleier auf der Straße, allen Blicken ausgesetzt, herunterzureißen.“ (Schweizer, Gerhard: Iran- Drehscheibe zwischen Ost uns West, Stuttgart 1991, S. 267) Da viele Frauen solche Demütigungen nicht auf sich nehmen wollten verließen sie das Haus kaum noch.
Ab 1941 wurde dann auf die strikte Durchsetzung des Verbots verzichtet. Frauen, die den Schleier tragen wollten, verspottete man aber als rückständig und „auf der Schule und an der Universität begegnete man ihnen mit Verachtung, und in der Berufswelt wurden immer die Nichtverschleierten vorgezogen.“ (Daryoush, Roschanak: Gibt es Hoffnung, Emma, Mai/Juni 2000, S. 33)
Die Geschlechtertrennung in den Bildungsstätten wurde aufgehoben. Die Frauen erhielten freien Zugang zu den Universitäten und allen Studienfächern. Sie konnten auch Rechtsanwältin und Richterin werden, von diesen Berufen waren sie bis dahin aufgrund koranischer Auslegung ausgeschlossen gewesen. Es wurden Kindertagesstätten errichtet, um den Frauen die Berufstätigkeit zu erleichtern. Gleichzeitig wurde die Geburtenkontrolle legalisiert.
1965 und 1975 wurden Gesetzte zum Schutz der Familie verabschiedet. Sie bezogen sich u.a. auf die Ehe, Scheidung und das Sorgerecht für die Kinder und verbesserten die Situation der Frauen erheblich.
Die Frauen ließen sich - vereinfacht ausgedrückt - in drei Gruppen einteilen:
- die Majorität der traditionellen islamischen Frauen, die in ihre Familien eingebunden waren,
- die Minorität von westlich gebildeten und auch gekleideten Frauen
- eine weitere Minorität von westlich gekleideten Frauen, jedoch weniger gebildet, sondern ihren Reichtum zur Schau stellend. (vgl. Daryoush, Roschanak: a.a.O., S. 33)
Die Lebenssituation der Mehrheit der Menschen - Frauen wie Männer - verschlech- terte sich unter der zunehmend despotischen Herrschaft Mohammed Riza Pahlewis drastisch. Anfang der 60er Jahre nahm der Protest der Massen bedrohliche Ausmaße an. Der Schah ließoffiziell verkünden, dass er „eine Sozialreform großen Stils herbeiführen werde, zur Rettung des Landes und zur Einordnung des Iran in die Reihe der fortschrittlichen Völker und modernen Gesellschaften.“ (Schweizer, Gerhard: a.a.O., S. 290)
Diese „Weiße Revolution“ beinhaltete zwar weitere Vorteile für die Frauen, wie u.a. das Wahlrecht, stießaber in den maßgeblichen gesellschaftlichen Gruppen und hierzu gehörte sowohl die Geistlichkeit als auch die iranischen Sozialisten, auf entschie denen Widerstand. Zudem waren die Landarbeiter und Tagelöhner in keiner Weise berücksichtigt worden und ihre Situation und die ihrer Familien wurde aussichtslos. Sie wurden bei der Bodenreform „vergessen“, erhielten kein Land. „Aus Leibeigenen mit geringen Rechten wurden vogelfreie Proletarier ohne jegliches Recht.“ (Schweizer, Gerhard: a.a.O., S. 298)
4.3 Situation der Frauen in der Islamischen Republik
4.3.1 Die Khomeini - Ära
Khomeini belebte in der komplexen Welt des 20. Jahrhunderts die Gesetze des 7. Jahrhunderts neu.
“Zukünftig werde der Iran, , wieder ein religiöses wie politisches Zentrum für die gesamte islamische Welt sein überall würden sich die Volksmassen vom revolutionären Modell des Gottesstaates inspirieren lassen und die korrupten, unislamisch gewordenen Staatssysteme beseitigen.“ (Schweizer, Gerhard: a.a.O., S. 324)
„Während der Revolution rief Khomeini, ..., die Frauen auf, mitzudemonstrieren. Dieses Mal verließen die traditionell islamischen Frauen freiwillig die häuslichen Wände und eroberten die Straßen.“ (Daryoush, Roschanak: a.a.O., S 32)
Die Straßen auf denen zuvor junge Frauen im Minirock und mit offenem Haare zu sehen waren, waren angefüllt mit Frauen mit Kopftuch und im Tschador.
Erneut erfolgte ein abrupter Wandel, der alle Lebensbereiche traf.
Viele Verbesserungen für die iranischen Frauen wurden sofort rückgängig gemacht. Die Gesetze, die sich auf Ehe, Scheidung und Sorgerecht für die Kinder bezogen wurden abgeschafft, die Geschlechtertrennung an den Schulen eingeführt, Kinder- tagesstätten geschlossen und die Geburtenkontrolle untersagt. Im Eherecht kam es sogar zu einer Verschärfung. „Die Frauen haben nicht das Recht eine Scheidung einzureichen, weil sie dazu neigen, emotionale oder irrationale Entscheidungen zu treffen Das Gesetz, demzufolge der Mann erst die Einwilligung seiner Frau haben muss, bevor er sich eine zweite Frau nehmen konnte, wurde abgeschafft Der Mann hatte das Recht, seine Frau zu töten, wenn sie ihm untreu gewesen war.“ (Goodwin, Jan: a.a.O., S. 151)
Das Tragen des Kopftuches wurde den Frauen von Khomeini verordnet, es war sichtbares Zeichen ihrer Stellung im islamischen Gottesstaat. Die Einhaltung des Gebots, das sich zunehmend durch die Pflicht den Tschador zu tragen verschärfte, wurde von der Pasdaran, den Revolutionswächtern, strengstens überwacht und mit extremen Strafen geahndet.
Khomeini hatte aber mit seiner Aufforderung zur Demonstration den Frauen und vor allem auch denen aus armen und ländlichen Familien, die Möglichkeit gegeben, ihre vier Wände zu verlassen. „Khomeini ermunterte diese Frauen, auf die Straße zu ge- hen, wo sie bislang nie erwünscht gewesen waren, um für die Revolution zu de- monstrieren. Und da der Imam gesprochen hatte, mussten konservative Väter, Gatten und Brüder plötzlich gehorchen. Für Frauen, die ihr Leben ansonsten in Ab- geschiedenheit verbracht hätten, war das Tragen einer Kopfbedeckung nur ein gerin- ger Preis für die neugewonnenen Freiheiten.“ (Brooks, Geraldine: a.a.O., S. 47,48)
Der acht Jahre dauernde Krieg mit dem Irak trug das seine dazu bei, dass Frauen zunehmend aus ihrer häuslichen Isolierung heraustraten. Die Männer zogen in den Krieg, die Frauen mussten für den Unterhalt der Familie sorgen. Und auch nach dem Krieg waren die Familien auf den Zuverdienst der Frauen angewiesen.
In den Familien der Mittel- und Oberschicht kam es zu Veränderungen, die sich u.a. daraus ergaben, dass die Männer ihre Positionen und Arbeitsstellen, die sie während der Schahherrschaft erhalten hatten, verloren und völlige neue Wege, den Lebensunterhalt zu verdienen, gefunden werden mussten. „Von einem Tag auf den anderen mussten die Ehefrauen dieser Männer die Familien ernähren, auch die, die vorher nie gearbeitet hatten.“ (Goodwin, Jan: a.a.O., S. 156)
Es gibt unter den Frauen der gebildeten Schicht auch solche, die der Islamischen Revolution positive Seiten abgewinnen, denn „zur Zeit des Schah war das Leben jedoch in jeder Beziehung ein einziger großer Schwindel. Moralisch und ge istig war diese Nation bankrott.“ (Goodwin, Jan: a.a.O., S. 156) Obwohl sie den Preis der Revolution als sehr hoch ansehen, vertreten sie die Meinung, dass die Iraner dadurch aber auch Werte und ihre Würde wiederentdeckt haben, die iranische Kultur eine Wiederbelebung erfahren hat und sie dem oberflächlichen und dekadenten Leben entgangen sind.
„Vielleicht ist es jedoch so, dass man erst einmal krank werden muss, um richtig gesund werden zu können.“ (Goodwin, Jan: a.a.O., S. 157)
4.3.2 Nach 1989
„Nach zehn Jahren Gottesstaat ging es der Masse der Iraner keinesfalls besser als unter der Regierung Mohammed Riza Pahlewis.“
(Schweizer, Gerhard: a.a.O., S. 347)
Ein Grund dafür war das Bevölkerungswachstum. Rascher wachsend in den 60er Jahren aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation und dem Wunsch nach Altersversorgung, stieg es nach der Islamischen Revolution nochmals drastisch, da sich die sozialen Verhältnisse nicht änderten und die Mullahs zur Zeugung vieler Kinder ermutigten, „da ein starker Staat Massen an Menschen braucht, die sich gegen die Feinde von außen mobilisieren lassen.“
(Schweizer, Gerhard: a.a.O., S. 346)
Der fortschreitende Verelendungsprozess des Volkes stand im krassen Gegensatz zu Khomeinis Versprechungen eines gerechten Gottesstaates und barg soziale Spreng- kraft, die zunehmend von den geistlichen und politischen Führern erkannt wurde.
Seit dem Tod Khomeinis im Jahr 1989 kommt es ganz langsam zu Veränderungen.
Die Macht des religiösen Führers Khamenei, der das Amt des Ayatollah Khomeini nach dessen Tod übernommen hat, ist aber nicht zu unterschätzen.
Die gemäßigten Kräfte werden durch die Ergebnisse der Parlamentswahlen gestärkt. Rafsanjani „war zwar nie der liberale, progressive Politiker, als den ihn seine An- hänger im Ausland gern sahen, schien aber doch fortschrittlicher und nicht so eng- stirnig zu sein wie seine Kollegen.“ (Goodwin, Jan: a.a.O., S. 159) Er hat zwar in aller Öffentlichkeit verkündet, dass die Frauen voll zum Einsatz kommen sollen, um die Produktivität des Iran zu steigern, in einem Geheimbericht von 1992 steht jedoch „dass man die Frauen als potentielle Bedrohung der nationalen Sicherheit be- trachtet.“ (Goodwin, Jan: a.a.O., S. 159)
Der Name Khatamis ist wie kein anderer mit Reformen und Liberalisierung in der Islamischen Republik verbunden.
„Khatami verkörpert heute den Traum von einer zivilen islamische Gesellschaft. Er selbst hat aber nie von großen und grundlegenden Reformen gesprochen“ (Daryoush, Roschanak: a.a.O., S. 34).
Khatamis Politik bedeutet aber auf jeden Fall positive Veränderungen.
Seit er an der Macht ist, berichtet die Presse freier als zuvor und spiegelt Diskussio- nen, die vorher undenkbar waren. Das Frauenmagazin „Zanan“ wurde z.B. von re- gimekritischen Frauen gegründet und berichtet zu Themen wie „Welche Rechte ha- ben Frauen bei Eheschließung und Scheidung?“ und sie holen sich hierzu Rat bei „islamischen Geistlichen, die die regimegetreue Interpretation des Islam nicht teilen und bei laizistischen Juristinnen. Dennoch wird die Zeitschrift weiterhin sowohl von laizistischen als auch von isla mischen Frauen gelesen. Es entstand ein neuer Dialog.“ (Daryoush, Roschanak: a.a.O., S. 34)
Die Schulen und Universitäten stehen den Frauen auch weiterhin offen. „Als Orte der religiösen Indoktrination und Geschlechtertrennung schienen sie keine Gefahr mehr zu sein. Doch sie waren trotzdem Orte der Bildung und Fortbildung.“ (Daryoush, Roschanak: a.a.O., S. 33)
Die im Westen üblichen öffentlichen Freizeitangebote gibt es im Iran für die Frauen nicht, aber dafür nutzen sie jede Möglichkeit, die sich ihnen auf der Grundlage der Geschlechtertrennung bietet. Dazu gehört der früher eher verpönte und als unzüchtig geltende Sport. So fanden im Frühjahr 1993 die ersten Islamischen Frauenwettspiele in Teheran statt. Zutritt hatten nur Sportlerinnen und Zuschauerinnen, keine Männer - nicht einmal die Trainer.
Nicht unerheblich ist auch das Wirken einiger Töchtern hoher geistlicher und poli- tischer Führer. “Faezeh Hashemi war die 30jährige Tochter von Präsident Rafsanjani und die treibende Kraft der ersten islamischen Frauenspiele.“ (Brooks, Geraldine: a.a.O., S. 258)
Von Zahra Moustafavi, Tochter Khomeinis und Professorin der Philosophie, kam im Oktober 1992 folgender Appell: „Der Islam gesteht Männern und Frauen gleiche Rechte zu. Wenn eine Frau außerhalb des Hauses arbeiten möchte, ist ihr das nach islamischem Recht gestattet, das Hindernis ist nur ihr Mann ... Es sollte eine Revolu- tion der Hausfrauen geben. Sie müssen gegen einige der Männer rebellieren.“ (Goodwin, Jan: a.a.O., S. 158)
Es scheint Bewegung in die so festgefahrene und erzkonservative islamische Republik zu kommen. „Es gibt also eine allgemeine Politisierung der Bevölkerung, vor allem der Frauen und Jugendlichen.“ (Daryoush, Roschanak: a.a.O., S. 34)
5 Schlussbemerkungen
Die in der Welt des Islam lebenden Frauen sind in Traditionen eingebettet. Die islamische Kultur ist 1400 Jahre alt und hat in den letzten 700 Jahren kaum eine Modernisierung erfahren. Die Herrschaftsstrukturen des vorislamischen Arabertum waren patriarchal geprägt und der Islam wurde vor allem von Männern geformt, die ihn zum eigenen Machterhalt genutzt haben.
Die Frauen leben in dieser patriarchalischen Herrschaftsstruktur, die eng verknüpft ist mit religiösen Werten und Regeln. Jede versucht in ihrer Familie und entsprechend ihrer gesellschaftlichen Schicht ihre Rolle zu finden und auszufüllen. Davon ist abhängig, welches Selbstwertgefühl sie entwickelt und wie zufrieden sie ihr Leben lebt.
Betrachtet man die Gesamtheit der Frauen, bedeutet dies eine Vielzahl der unterschiedlichsten Lebensentwürfe und es wird schwierig, einen Konsens zu finden, der auf die Verbesserung der Lebenssituation aller Frauen ausgerichtet ist. Die Frauen müssen kleinste gemeinsame Nenner finden, sich dabei an ihrer Lebenswelt orientieren und sich ihrer Stärke bewußt sein.
Die gesellschaftlichen Strukturen sind patriarchalisch, aber die Auslegung des Koran bietet die Möglichkeit zur gerechten Behandlung von Mann und Frau. Die Scharia ist größtenteils von Menschen gemacht und könnte durch ein neues, zeitgemäßes Recht ersetzt werden.
Bei der Bewältigung des Alltags spielen Frauen mittlerweile eine bedeutende Rolle, nicht nur innerhalb des Familienverbandes, sondern sie treten auch in die Öffentlichkeit.
Durch die Erziehung der Kinder haben Frauen Einfluss auf die Einstellung und das Verhalten kommender Generationen und sie tragen durch eigene Erwerbstätigkeit wesentlich zur Sicherung des Familienunterhaltes bei.
Der gesamte Veränderungsprozess ist nicht nur schwierig in Hinblick auf die Vielfalt der weiblichen Persönlichkeiten, wobei festgestellt werden kann, dass ein verbindender Faktor die Familie und die Fürsorge für die Kinder ist und deren Wohlergehen wichtiger Maßstab jeglicher Veränderung.
Die wirtschaftliche Situation ist meist vorrangig. Ist diese desolat, gilt es zunächst, den Lebensunterhalt sicherzustellen, was oftmals die gesamte Kraft kostet.
Die politische Situation ist ein anderer Faktor und es gibt immer wieder Situationen, wo Frauen zum Zwecke der Durchsetzung allgemeiner politischer Veränderungen ihre eigenen Belange zurückstellen.
Die einzelnen aufgeführten Faktoren schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern stehen in unmittelbaren Zusammenhang, bedingen einand er und beeinflus sen sich. Das bedeutet, dass bei jedem Kampf um Verbesserung der Lebensverhältnisse, an dem Frauen beteiligt sind, auch ein Fortschritt in bezug auf die Verbesserung der weiblichen Lebenssituation gemacht wird, denn selbst, wenn sie ihre Belange zurückstellen, gehen sie persönlich gestärkt aus dem Kampf hervor.
Die Entwicklung im Iran hat gezeigt, dass Frauen bereit sind sich zu verändern und an einer Verbesserung ihrer und der Lebenssituation ihrer Familien zu arbeiten, aber diese Veränderungen müssen in ihr Lebens konzept passen. Von oben verordnete und zudem radikale Werte- und Normenwandel sind gescheitert. Sie haben aber Bewegung in die festgefahrenen Strukturen gebracht und den Frauen Möglichkeiten aufgezeigt, anders zu leben und dies auch praktisch zu erproben. Diese Erfahrungen können den Frauen nicht wieder genommen werden. Sie sind ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung eigener Vorstellungen über ein ausgewogenes Zusammenleben der Geschlechter.
Zum Abschluss ist mir aufgefa llen, dass die Begriffe „Gleichberechtigung“ und „Emanzipation“ nicht von mir benutzt wurden, obwohl es mir bei der Frage nach Möglichkeiten der Veränderung immer darum ging.
Ich erkläre das damit , dass die Frauen in der islamischen Welt noch viel zu weit von jeglicher Gleichberechtigung und Emanzipation nach westlichem Muster ent fernt sind und sie vielleicht sogar eine andere Form des Zusammenlebens erreichen werden.
Sehr auffällig ist die Gleichheit bei den Mechanismen der Unterdrückung. Es sind ganz eindeutige Parallelen zu erkennen in den Verhaltensmustern und den
Zwängen in denen sich islamische Frauen und Frauen der westlichen Welt befinden. Dies ist meines Erachtens ein Beweis für die patriarchalen Herrschaftsstrukturen in der westlichen und in der islamischen Welt und, dass die untergeordnete Position der Frauen im Islam nicht allein mit dem Glauben zu begründen ist.
Trotz aller Langwierigkeit gibt das Beispiel Iran Hoffnung auf Veränderungen für die Frauen im Islam, vor allem, weil die Frauen zunehmend ihre eigenen Vorstellungen ent wickeln und eine aktive Rolle übernehmen.
6 Literatur
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
- Citar trabajo
- Karina Kielgast (Autor), 2001, Frauen im Islam. Grundlagen und Möglichkeiten der Veränderung am Beispiel Iran., Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104165
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