Gliederung
A Vorstellung von Gotthold Emphraim Lessings „Emilia Galotti“ und Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“ bezüglich Entstehung und Epoche
B Abriss des Inhalts von „Kabale und Liebe“ und „Emilia Galotti“
C Verstrickung der bürgerlichen Tugend- und Lebenseinstellung in die höfische Intrige
1. Faktoren, die die bürgerliche Lebens- und Wertvorstellung in die höfischer Kabale verschlingen
1.1 Unterwürfigkeit des Bürgertums gegenüber dem Adel
1.2 Skrupellosigeit des Adels
1.3 Missbrauch der Macht
1.4 Willkür
1.5 Der absolutistische Herrscher
1.6 Unterschiedliche Auffassung von Ehre
2 Epochenbezug
2.1 Emilia Galotti
2.2 Kabale und Liebe
D Notwendigkeit der dramatischen Schlüsse
Bei den zu bearbeitenden Werken handelt es sich um Gotthold Ephraim Lessings „Emilia Galotti“ und um Schillers „Kabale und Liebe“.
Lessings Stück wurde zur Zeit der Aufklärung verfasst und auch veröffentlicht. Der Autor wurde 1729 in Kamenz als Sohn eines evangelischen Pfarrers geboren. Lessing war im Gegensatz zu Schiller kein reiner Autodidakt. Zwischen 1746 und 1748 studierte er Theologie und Medizin in Leipzig. Später schrieb er unter anderem für diverse Berliner Zeitungen. Trotzdem musste er sich nebenbei ein wenig Geld als Sekretär, Dramaturg und Bibliothekar hinzuverdienen, um sich seinen Lebensunterhalt zu sichern. 1779 verhängte der Herzog von Braunschweig eine Zensur über Lessing. Zwei Jahre später stirbt er dann in Braunschweig. Lessing genoss großes Ansehen unter den zeitgenössischen Schriftstellern. Von Emanuel Kant wurde er als „großer Geist am Ende der Aufklärung“ bezeichnet. Lessing selbst gilt als Gegenspieler Gottscheds und als Rationalist. Der Mensch soll und kann seiner Meinung nach selbständig denken und handeln. Neben Emilia Galotti verfasste er auch noch weitere bürgerliche Trauerspiele und Dramen. Seine bekanntesten Werke sind „Nathan der Weise“ und „Miss Sara Sampson“, ein bürgerliches Trauerspiel.
Bei dem zweiten Werk handelt es sich um „Kabale und Liebe“, das von Friedrich Schiller im Sturm und Drang veröffentlicht worden ist. Der Autor, Friedrich Schiller, wurde 1759 in Marbach am Neckar geboren. Mit dreizehn Jahren ging er auf eine Militärschule, deren Besuch ihn, durch die Stränge und Ordnung der Schule, stark prägte. 1782 wurde sein erstes Werk „Die Räuber“ uraufgeführt. Mit dieser Aufführung begannen auch seine finanziellen Nöte, die ihn eine Leben lang begleiteten. Die Tatsache, dass Schiller nie in gesicherten Verhältnissen lebte, prägte ihn maßgebend. Im selben Jahr machte er auch seine ersten Entwürfe zu „Kabale und Liebe“, das zu dieser Zeit jedoch noch den Namen „Luise Millerin“ trug. Ein Jahr später, 1783, vollendete er dieses Werk. Bevor es jedoch zur Aufführung kam, musste er noch einiges ändern, um es bühnentauglich zu machen. Somit wurde das Stück erst im April 1784, zwei Jahre nach seiner Fertigstellung, in Frankfurt uraufgeführt. Erst die zweite Aufführung in Mannheim brachte dann den langersehnten Erfolg.
Sechs Jahre darauf heiratet Schiller Charlotte von Lengenfeld. Im gleichen Jahr erkrankt Schiller schwer, wovon er sich nie mehr richtig erholte. Am 9. Mai 1785 starb er in Weimar an einem Fieberanfall.
Die beiden Dramen sind in unterschiedlichen Epochen verfasst worden. Schiller schrieb sein Werk „Kabale und Liebe“ im Sturm und Drang (1767-1785). Den Namen erhielt diese Epoche von dem gleichnamigen Werk von Maximilian Klinger. Der Leitsatz in dieser Zeit war der Ausspruch von Jean Jaques Rousseau, einer berühmten Leitfigur dieser Epoche: „Zurück zur Natur“. Auf diese Grundidee bezogen sich die Dichter, Philosophen und Schriftsteller in ihren Werken. Weitere Zentralbegriffe des Sturm und Drang waren „Freiheit“ und „Genie“. Jedem sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich frei zu entfalten und das Genie sollte aus seinem Lebenszwang ausbrechen, Originalität und Individualität entwickeln. Die Epoche des „Sturm und Drangs“ war eine Periode voller Rebellion und Auflehnung. Die Menschen verlangten die Verwerfung des Ständegedankens und das Ende des Absolutismus, von dem sie bis jetzt beherrscht und unterdrückt worden waren. Ein weiterer wichtiger Punkt war der Widerstand gegen Autoritäten und Vorgesetzte. Man wollte die persönlichen Rechte erweitern und seine Meinung öffentlich kundgeben, was oftmals negative Folgen nach sich zog. Im Gegensatz zu „Kabale und Liebe“ verfasste Lessing seine „Emilia Galotti“ in der Aufklärung (1720- 1785). Kants weltberühmte Definition: Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit, bringt den Grundgedanken dieser Epoche auf den Punkt. Der Beginn der Aufklärung war auch die Geburtsstunde eines neuen Bürgertums, dass ein eigenes Bewusstsein und eigene Grundsätze entwickelte. Es galt der Wahlspruch: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“, was das Bürgertum auch versuchte in die Tat umzusetzen. Beeinflusst wurde diese Epoche maßgebend von zwei verschiedenen Richtungen: vom Rationalismus und vom Empirismus. Der Rationalismus erklärte die Realität mit Hilfe von Fakten und hatte das Vernunftdenken als oberstes Prinzip. Das Gegenstück zu dieser Wissenschaft war der Empirismus, der seine Erkenntnisse aus der Erfahrung zog. Diese Richtung galt als wesentlich praktischere und weltlichere Wissenschaft im Gegensatz zum Rationalismus.
Aber auch die Sprache der Aufklärung war sehr nüchtern, klar und sachlich. Somit waren auch die Bürger in der Lage, die Texte in den Büchern zu verstehen. Denn ab jetzt sollte es nicht mehr nur dem Adel vorbehalten sein, Bücher zu lesen. Nun begann auch das Bürgertum, sich mit Büchern und verschiedensten Schriften auseinander zusetzen. Dies war auch die Voraussetzung für die Entstehung einer neuen Art von Drama: dem bürgerlichen Trauerspiel.
Bei beiden vorliegenden Werken handelt es sich um bürgerliche Trauerspiele, die die klassischen Themen, Formen und Tendenzen bisheriger Trauerspiele übernehmen. Entstanden ist diese Art der Tragödie im 18. Jahrhundert. Die ist das Gegenstück zur heroischen-klassischen Tragödie. Die Bürger sind die zentralen Figuren und die Thematik aus ihrem Lebensbereich: der Ständekonflikt zwischen Adel und Bürgertum, die aufstrebende Schlicht der Bürger, der feudal, absolutistische Staat in Deutschland und die Frage nach der Moral.
In Lessings Werk „Emilia Galotti“ gerät Emilia, die Hauptperson des Stückes und Tochter Odoardos und Claudias in den Ständekonflikt zwischen Bürgertum und Adel.
Als der Prinz von Guastalla, der Emilia als seine Geliebte begehrt, erfährt, dass diese den Grafen Appiani heiraten soll, entwickelt er zusammen mit seinem Marchesen Marinelli einen Plan aus, um die bevorstehende Hochzeit zu verhindern. Als der erste Plan des Prinzen, die Hochzeit zu verhindern scheitert, greift Marinelli zu drastischeren Mitteln und lässt die Kutsche der Galottis überfallen. Dabei wird der Graf Appiani getötet und er lässt Emilia auf das Lustschloss des Prinzen bringen. Als Odoardo von den Vorkommnissen erfährt, eilt er zum Schloss, um die Ehre seiner Familie und insbesondere die seiner Tochter zu retten. Letztendlich gerät der Konflikt außer Kontrolle und Odoardo tötet seine Tochter Emilia, da ihre Ehre und die der Familie Galotti verletzt worden ist.
Doch nicht nur „Emilia Galotti“, sondern auch Schillers „Kabale und Liebe“ endet tragisch mit dem Tod einer Protagonistin.
Luise, Tochter des Miller und der Millerin führt eine Beziehung mit Ferdinand von „Walter“, dem Sohn des Präsidenten. Der Präsident, der gegen diese Liebe ist, entwirft mit Hilfe seines „Kammerdieners“ Wurm, einen mörderischen Plan. Sie bringen Luises Eltern ins Gefängnis und benutzen dies als Druckmittel „gegen“ Luise, damit die einen Liebesbrief an den angeblichen Liebhaber Hofmarschall von Kalb verfasst, den dann „zufällig“ Ferdinand in die Hände bekommt. Vor Eifersucht blind, sucht Ferdinand das Haus der Miller auf und stellt Luise zur Rede. Diese offenbart ihm jedoch nicht die schreckliche Wahrheit, da sie sich zu sehr an den Eid, den ihr Wurm abverlangt hat, gebunden fühlt. Schließlich fasst Ferdinand, rasend vor Eifersucht den Entschluss, Luise und sich zu vergiften. Als Luise sich im Todeskampf nicht mehr an den Eid gebunden fühlt, eröffnet sie ihm die schreckliche Wahrheit. Doch Ferdinand denkt nur noch an Rache an seinem Vater. In seiner Todesstunde, vergibt er jedoch seinem Vater und stirbt.
Im Folgenden soll nun anhand Lessings Emilia Galotti und Schillers Kabale und Liebe erörtert werden, inwieweit die bürgerliche Welt- und Lebensordnung in die höfische Intrige verstrickt wird und letztendlich daran scheitert. Dabei soll besonders die geschichtliche und epochentypische Situation miteinbezogen werden.
Für das Bürgertum waren Wertvorstellungen, wie z.B. Keuschheit, Bescheidenheit, Ehrlichkeit und Ordnung von großer Bedeutung. Diese Wertvorstellungen waren für die damalige bürgerliche Gesellschaft jedoch nicht nur eine Etikette, „denn ihr ganzes Leben wurde von diesen Tugenden bestimmt und sie richteten dieses auch nach jenen aus“. Diese Werte mussten unter allen Umständen bewahrt werden. Vernünftiges denken und handeln waren Richtlinien des aufstrebenden Bürgertums1. Ein weiterer wichtiger Punkt in den Moralvorstellungen des Bürgertums war der Ehrbegriff. Die Ehre wurde über alles andere gestellt und sie galt als unantastbar, was auch in den zu bearbeitenden Werken zu sehen ist.
Ein Wesensmerkmal des Bürgertums ist die starke Unterwürfigkeit gegenüber dem Adel. Es lebte nach strengen Moralvorstellungen. Doch es war nicht in der Lage, diese auch vor dem Hofe aufrechtzuerhalten.
Diese Unterwürfigkeit, basierend auf Furcht, wurde vom Adel schamlos ausgenutzt, was sich in „Emilia Galotti“ deutlich in der Ohnmacht Emilias gegenüber dem Prinzen widerspiegelt. Ihre Hochachtung gegenüber dem Herrscher ist derart groß, dass sie nicht in der Lage ist, sich zu wehren. Als der Prinz sie in der Kirche aufsucht, um ihr seine Liebe zu gestehen, hört sie sich alles an, was er ihr zu sagen hat (S.25, Z 39). Als er Emilia danach noch nacheilt und sie festhält, bleibt sie stehen, anstatt zu flüchten (S.27/28, Z 40-1). Sie traut sich nicht, dem Prinzen zu widerstehen oder gar zu widersprechen. Doch nicht nur bei der zweiten Begegnung unterwirft sich Emilia dem Prinzen, sondern auch bei dem Zusammentreffen in dessen Lustschloss Dosalo. Sie lässt sich vom Prinzen in seine Privatgemächer abführen (S.44, Z 26). Emilia widerspricht nicht und bleibt, wie auch schon das ganze Stück über,weiterhin passiv, denn eine Auflehnung gegen den Adel, könnte Aufsehen erregen, was als Regelverstoßgegen die bürgerlichen Regeln gilt.1 (S.90)
In Schillers „Kabale und Liebe“ ist eine derartige Unterwürfigkeit des Bürgertums nicht zu erkennen, denn wie schon einmal erwähnt, stammt dieses Stück aus dem Sturm und Drang, in dem unter anderem zum Kampf gegen Autoritäten aufgerufen wurde. Doch trotz der Auflehnung der Bürger gegen Autoritäten, wird auch in „Kabale und Liebe“ der bürgerliche Stand in die höfische Intrige verstrickt, denn der Adel handelt skrupellos und geht in manchen Fällen auch sogar über Leichen. Er nutzt den hohen Stellenwert eines Eides beim Bürgertum schamlos aus. Um die Geheimhaltung des Plans zu garantieren, will Wurm Luise einen Eid abverlangen und sie somit zum schweigen verpflichten (S.43, Z 42-43). Denn er weiß, dass bei dieser Menschenart ein Eid alles gilt (S.44, Z 3-4). Wurm behält recht, denn Luise sieht einen Eid als Sakrament (S.75, Z 7-8). Ein abgelegter Eid ist für sie etwas Heiliges und Unantastbares. Luise fühlt sich so stark an den Eid gebunden, dass sie nicht einmal Ferdinand die wahren Vorkommnisse offenbart. Für sie hat der Eid nur im Tod keine Bedeutung mehr. Letztendlich versucht sich Luise umzubringen, da sie keinen anderen Ausweg mehr sieht, denn Eide binden wohl die Lebendigen, im Tode schmilzt auch der Sakramente Band (S.75, Z 7-8). Doch ihr Vater hält sie vom Suizid ab und somit besteht weiterhin die Verpflichtung an den Eid . Die Lage spitzt sich aufgrund dessen immer mehr zu und es wird offensichtlich, dass es nur ein grausames Ende geben kann und geben wird. Erst Todeskampf fühlt sich Luise nicht mehr an den augerzwungenen Eid gebunden und offenbart Ferdinand die Wahrheit über den Liebesbrief (S.92, Z 22-23).
Lessing stellt die Skrupellosigkeit des Adels mit der Ermordung des Grafen Appiani dar. Als der erste Plan scheitert, schlägt Marinelli dem Prinzen vor, Emilia in seine Gewalt zu bringen (S.37, Z 25). Von Marinelli beauftragte Männer sollen die Kutsche der Galottis auf dem Wege zur Hochzeit überfallen und Emilia entführen (S.38, Z 16-27). Er weiß, dass der Ausgang dieses Plans unvorhersehbar ist (S.37, Z 25). Trotzdem lässt der Prinz Marinelli freie Bahn (S.38, Z 1-2). Für ihn zählt nur die Tatsache, dass er dann Emilia auf seinem Schloss haben wird. Für den Prinzen gilt der Überfall nur als Spaß(S.50, Z 7). Als Emilia nach dem Überfall auf ihn trifft, spielt er den besorgten, ahnungslosen Retter vor (S.43, Z 16-34). Er weißjedoch ganz genau, was vorgefallen ist. Doch der Skrupellosigkeit gegenüber der unschuldigen Emilia noch nicht genug, bittet der Prinz sie wegen dem Ereignis in der Kirche um Vergebung (S. 44, Z 6-7). Dies gesteht er aber nur ein, um Emilias Vertrauen zu erlangen und sie dazu zu bringen, ihm in seine Privatgemächer zu folgen.
Der Prinz missbraucht seine Macht, um eigene Ziele zu realisieren. Er und Marinelli wollen Emilia von ihrem Vater und ihrer Mutter trennen, um sie so dem Schutz der Familie zu entreissen. Marinelli fädelt die ganze Angelegenheit äußerst geschickt ein, indem er vorgibt zu glauben, dass sein „guter Freund“ Appiani nicht von Räubern (S. 72, Z 14-15), sondern von einem begünstigten Nebenbuhler (S.72, Z 22-23) überfallen worden ist. Dies muss nach Marinellis Meinung nach genauer untersucht werden und Emilia vernommen werden, was es unmöglich macht, dass sie die Stadt verlässt. Sie muss also in Guastalla bleiben. (S.72, Z 35-36). Durch die Lüge Marinellis beeinflusst, stimmt Odoardo dem Vorschlag zu und Emilia soll wieder nach Guastalla zurück (S.73, Z 5-6).
Auch bei Schillers Drama ist dieser Missbrauch der Macht zu finden. Ferdinand verweigert die Hochzeit mit der Lady Milford (S.18, Z 31) und somit muss der Präsident einen Weg finden, seinen Sohn zur Heirat zu zwingen. Als Mittel zum Zweck dient ihm die bürgerliche Familie Miller. Er weiß, dass das Bürgertum große Angst vor ihm hat. Schon als Ferdinand nach seinem Vater fragt, hat Luise ihren Tod vor Augen (S. 33, Z 35) und auch ihre Mutter sieht sich und ihre Familie nahe dem Abgrund (S.33, Z 28-29). Als der Präsident erscheint und sie verhaften will scheint die Lage aussichtslos. Schiller zeigt hier nicht nur den Machtmissbrauch, sondern auch die Willkür des Adels, der ohne Gerichtsurteil berechtigt ist, Menschen zu verhaften. Der Präsident nutzt dies, um Luises Eltern zu verhaften und somit näher an sein Ziel, Ferdinand mit der Lady zu verheiraten, kommt. Er missbraucht Luises Liebe zu ihren Eltern, insbesondere ihre starke Bindung zu ihrem Vater, um sie zu zwingen, einen Brief an den angeblichen Liebhaber Hofmarschall Kalb zu schreiben.
Aber nicht nur die Willkür des Adels und der Machtmissbrauch treiben die beiden Dramen auf eine gemeinsame, dramatische Klimax zu, sondern auch die Tatsache, dass beide Stücke zur Zeit des Absolutismus spielen und auch verfasst worden sind.
In „Kabale und Liebe“ wird der absolutistische Herrscher durch die Person des Präsidenten verkörpert, der die gesamte Macht besitzt und diese auch zu seinen Gunsten einsetzt. Zudem handelt er nur auf seinen Vorteil bedacht. Von seinem Standpunkt aus ist es wichtig, dass er die Liebe zwischen Ferdinand und Luise verhindert, denn diese Beziehung durchkreuzt seine Pläne, Ferdinand mit der Lady Milford zu verheiraten.2 (S.12) Standesgrenzen und Ehre sind für ihn nur zweitrangige Gründe. Für ihn zählt vor allem der politische Vorteil, den er durch diese Vermählung erfährt. In Emilia Galotti stellt der Prinz den absolutistischen Herrscher dar. Auch er geht ohne Rücksicht auf Verluste gegen seine Untertanen vor. Er lässt Emilia entführen und verhindert, dass ihr jemand zu Hilfe kommt1 (S. 46). Auch als Odoardo dem Prinzen und Marinelli von seinem Vorhaben, Emilia ins Kloster zu schicken erzählt (S.61, Z 14-15), verhindern sie dies geschickt, wie es bereits schon einmal näher erörtert worden ist. Der Prinz greift also in extremster Weise in das Privatleben seiner Untertanen ein und stört die Familienintimität des Bürgertums. Odoardo will den Konflikt nämlich innerhalb der Familie halten und ihn dort auch eigenständig lösen, denn es darf nichts nach außen dringen. Dies ist auch der Grund, weswegen Emilia aus der Welt entfernt werden soll (S.71, Z 14- 15), also ins Kloster soll. Trotz des hohen Stellenwerts der Tugenden, ist Odoardo nicht in der Lage, die bürgerlichen Grundwerte gegenüber dem Prinzen aufrechtzuerhalten. Denn der Hof hat ganz andere Vorstellungen insbesondere vom Ehrebegriff. Menschen sind für sie nur Spielbälle, mit denen man je nach Belieben umgehen kann2 (S.23). Für den Adel gibt es keine Ehre die zu erhalten ist. Im Gegensatz zum Hof, hat beim Bürgertum die Ehre sehr große Bedeutung. Oberstes Prinzip ist es, diese zu erhalten, was auch Miller und Odoardo auf verschiedenste Weise versuchen. Miller verteidigt Luise, als der Präsident sie als eine Hure des Sohnes (S.36, Z 42) bezeichnet. Trotz seiner Angst (S.37, Z 7) erklärt Miller, dass wer das Kind eine Mähre schilt, den Vater ans Ohr schlägt (S.37, Z 9-11). Er legt ihm klar und deutlich seine Meinung in dieser Angelegenheit dar (S.37, Z 14-19) und will den Präsidenten sogar aus seinem Haus schmeißen (S.37, Z 26-28). Denn Miller will sich unter keinen Umständen seine Ehre nehmen lassen.
Lessing jedoch stellt den Verlust der Integrität der Ehre auf eine andere Weise dar. Nicht die Tatsache, dass der Prinz Emilia begehrt verletzt ihre Ehre, sondern, dass es zu einer „Beziehung“ zwischen beiden kommen könnte, bedroht die Familienehre. Das weißauch Emilia, denn sie bekennt, dass Verführung die wahre Gewalt ist (S.77, Z 23). Sie weiß, dass sie früher oder später dem Prinzen verfallen wird und sowohl sie, als auch ihr Vater sieht die Rettung nur noch im Tod, da ihre Ehre verletzt worden ist. Für dieses krampfhafte Klammern an den Tugenden zahlt das Bürgertum zum Schluss einen hohen Preis: Das Leben Emilias.
Zum Schluss soll jetzt noch der Bezug zur jeweilige Epoche dargestellt werden.
In „Emilia Galotti“ lassen sich zwar so gut wie keine Merkmale der Aufklärung erkennen, dafür aber eine scharfe Kritik von Seiten des Autors an der unaufgeklärten Gesellschaft. Emilia verkörpert das unaufgeklärte Wesen, das alles mit sich geschehen lässt und nahezu nie aktiv in die Handlung eingreift. Sie ist das bürgerliche Mädchen, dass aufgrund seiner unaufgeklärten Erziehung und Religiosität, einen äußerst eingeschränkten Erfahrungshorizont aufweist1 (S.89). Odoardo ist derjenige, der Emilia zu einem „willenlosen“ jungen Mädchen erzogen hat. Er wollte eine Tochter, die die bürgerlichen Tugenden perfekt darstellt. Doch er war es, der sie wegen seines krankhaften Ehrbegriffes letztendlich tötete.
Im Gegensatz zu „Emilia Galotti“ sind in „Kabale und Liebe“ die Grundzüge des Sturm und Drangs wesentlich offensichtlicher demonstriert. Nicht mehr so sehr der Moralbegriff ist von wesentlicher Bedeutung, sondern soziale Konflikte, wie der Ständeunterschied und gesellschaftliche Missstände zur Zeit des Absolutismus. Das ganze Stück ist bedeutend gefühlsbetonter und lebendiger im Gegensatz zu „Emilia Galotti“, sowohl in der Sprache, als auch im Handlungsverlauf. Mit Ferdinand stellt Schiller den typischen Stürmer und Dränger dar, der sich gegen Autoritäten auflehnt und versucht die bestehende Ordnung umzuwerfen. Schiller übt mit diesem Stück radikale Kritik an der politischen und gesellschaftlichen Situation des Absolutismus.
Spätestens nachdem man beide Stücke gelesen hat, stellt man sich die Frage, ob das Ende beider Werke denn derart tragisch hätte sein müssen. Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten, da viele Faktoren eine Rolle spielten. Aber nach umfassender Erörterung lässt sich sagen, dass die höfische Kabale, die Hauptschuld an diesen dramatischen Schlüssen trägt. Denn wäre diese nicht, dann hätte aus dem schlechten Ende doch noch ein „Happy End“ werden können. Emilias Ehre wäre noch unbefleckt und Ferdinand hätte nicht blind vor Eifersucht sich und seine Luise getötet. Doch nicht nur die höfische Kabale verhindert letztendlich ein glückliches Ende, sondern auch der Ständekonflikt trägt ihren Teil bei. Würde man die genannten und auch noch viele andere relevante Faktoren „ausschalten“, so wäre Emilia nun verheiratet mit ihrem Grafen und Ferdinand und Luise würden ihre Liebe einfach nur genießen.
Literaturverzeichnis
A. Primärliteratur
1.Gotthold Ephraim Lessing „Emilia Galotti“. Reclam, Ditzingen. 1994
2.Friedrich Schiller “Kabale und Liebe”. Hamburger Leseheft Verlag, Husum/Nordsee
B. Sekundärliteratur
3.Wolf Dieter Hellberg, Lektürenhilfe zu Gotthold Ephraim Lessings „Emilia Galotti“, Ernst Klett Verlag, Stuttgart, Düsseldorf, Leipzig, 1.Auflage 2000
4.Hans Georg Müller, Lektürenhilfe zu Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“, Ernst Klett Verlag, Stuttgart, Düsseldorf, Leipzig, 1.Auflage 2000
- Arbeit zitieren
- Sebastian Reith (Autor:in), 2001, Schiller, Friedrich - Kabale und Liebe - Vergleich mit Emilia Galotti, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104145
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