Die Arbeit wird methodisch durch eine umfangreiche Literaturrecherche gestützt und geht der Frage nach, ob das Helfersyndrom durch gezielte Präventionsmaßnahmen behandelbar ist und somit schwerwiegende Auswirkungen vermieden werden können.
Als Erstes wird in der Ausarbeitung das Phänomen Helfersyndrom beschrieben. Als Zweites wird auf die psychosoziologischen Auswirkungen eingegangen. Danach werden im dritten Teil Präventionsmöglichkeiten im stationären Klinikalltag helfender Berufe erläutert. Zu den helfenden Berufen zählen in dieser Arbeit: Ärzte, Pflegefachkräfte und Therapeuten. Die Schlussfolgerung nimmt Bezug auf die Fragestellung und rundet die Ausarbeitung in Form einer Zusammenfassung ab.
INHALTSVERZEICHNIS:
I Glossar
1. Einleitung
2. Das Helfersyndrom
3. Psychosoziologische Auswirkungen des Helfersyndroms
3.1 Burnout
3.2 Depression und soziologische Auswirkungen
3.3 Suchterkrankungen
4. Präventionsmöglichkeiten im stationären Klinikalltag helfender Berufe
4.1 Stressmanagement
4.2 Resilienz
4.3 Klinische Prävention
4.4 Supervision und Psychotherapie
5. Schlussfolgerung
6. Literaturverzeichnis
7. Eidesstattliche Erklärung
II Glossar
Burnout: wörtlich übersetzt „Ausbrennen“; seelischer Erschöpfungszustand
Disstress: nicht bewältigte Stresssituation
Eustress: erfolgreich bewältigte Stresssituation
Insomnie: Schlafstörung
Hypophyse: Hirnanhangsdrüse
Hypothalamus: Teil des Zwischenhirns; übergeordneten vegetativen Zentren koordinieren Regulationsvorgänge im Körper
Narzissmus: Störung des Selbstgefühls mit gestörter Konfliktbereitschaft
Nebennierenrinde: Die äußere Struktur der Nebennieren (Hormondrüsen)
psychosomatische Störungen: Den Körper und die Seele beeinflussende Störung
Resilienz: innere Widerstandkraft
somatoforme Störungen: Auftreten von vielseitig, wechselnden, körperliche Symptomen über eine Dauer von zwei Jahren.
Stressor: Stressfaktor 2(Horn e Seth 2013) 6(Bach et al 2004)
1. Einleitung
Der demografische Wandel im Gesundheitswesen stellt besonders in den sozialen, helfenden Berufen ein aktuelles und zukünftiges, sozio- ökonomisches Problem dar. 2018 fehlten 11.000 Krankenpflegefachkräfte und 1.500 Krankenpflegehelfer 17(ZEIT ONLINE 2017). Laut einer Vorhersage des Statistischen Bundesamtes für 2060 wird sich die Gesamtbevölkerung im Vergleich zu heute um 20% reduzieren und parallel steigt die Lebenserwartung bei Männern um 7,2% und bei den Frauen um 5,6%. 15(Stat. Bundesamt 06/2019) 16(Stat. Bundesamt 04/2019) Die Gesellschaft von Heute wird geprägt durch ein hohes Streben nach Leistung und Anerkennung. Im selben Zug verändern und steigern sich die Erwartungen an die beruflichen Rollen. Das „Helfersyndrom“, wie es von Wolfgang Schmidbauer formuliert wurde, nimmt sich diese erhöhte Erwartungshaltung an und die Person ist bestrebt, den Anforderungen mehr als gerecht zu werden. Speziell in den helfenden, sozialen Berufen wird durch die Professionalisierung und Akademisierung der soziale Druck erhöht und auf hohes wirtschaftliches Denken und Arbeiten geachtet. Diese ungünstigen Konstellationen führen zunehmend zu psychischen Störungen und Verhaltensstörungen.
Die Arbeit wird methodisch durch eine umfangreiche Literaturrecherche gestützt und geht der Frage nach, ob das Helfersyndrom durch gezielte Präventionsmaßnahmen behandelbar ist und somit schwerwiegende Auswirkungen vermieden werden können. Als Erstes wird in der Ausarbeitung das Phänomen Helfersyndrom beschrieben. Als Zweites wird auf die psychosoziologischen Auswirkungen eingegangen. Danach werden im dritten Teil Präventionsmöglichkeiten im stationären Klinikalltag helfender Berufe erläutert. Zu den helfenden Berufen zählen in dieser Arbeit: Ärzte, Pflegefachkräfte und Therapeuten. Die Schlussfolgerung nimmt Bezug auf die Fragestellung und rundet die Ausarbeitung in Form einer Zusammenfassung ab.
2. Das Helfersyndrom
Im Jahre 1977 wurde dem Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer in einer gruppendynamischen Untersuchung von Leitungskräften sozialer Berufe bewusst, dass sich bei Einigen das Helfen in Form eines Abwehrmechanismus zeigt, indem die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zurückgestellt werden um nach außen das Ansehen beizubehalten. Die gesteigerte innere Motivation Anderen fürsorglich und hilfsbereit zu begegnen und der damit verbundene unterschwellige Wunsch nach Anerkennung und Wertschätzung sind in der Persönlichkeit verankert. „In allen sozialen Berufen ist die eigene Persönlichkeit das wichtigste Instrument; die Grenzen ihrer Belastbarkeit und Flexibilität sind zugleich die Grenzen unseres Handelns.“ Das Handeln einer Person wird von ihren kindlichen Erfahrungen und den gelehrten ethischen Normen und Werten geprägt. Schmidbauer beschreibt fünf Komponenten, welche die Persönlichkeitsstruktur beeinflussen.
Als Erstes betrachtet er die entwicklungspsychologische Bedeutung des „abgelehnten Kindes“. Die Verdrängung des kindlichen Ich findet durch Bewältigungsprozesse ungünstiger Erlebnisse statt. Situationen, in denen sich Schwäche und Bedürftigkeit aufzeigt, korrelieren mit der Erwartung Stärke und emotionale Stabilität zu wahren. Diese Selbsterwartungshaltung wird einerseits von der Vernachlässigung, Überforderung oder dem Desinteresse der elterlichen Bezugsperson getriggert. Andererseits kann es durch überfürsorgliches Verhalten geprägt sein, voran sich das Kind identifiziert.
Die zweite Komponente nach Schmidbauer beschreibt diese Identifizierung mit dem Über- Ich und dem Ich- Ideal. Identifizierung gleicht dem Austausch und der Kommunikation von Widersprüchlichkeiten, inneren Wünschen und Empfindungen. Das Über- Ich vertritt hierbei die unbewussten und bewussten Moralvorstellungen, diese dem Kind in der Erziehung verinnerlicht werden. Die Moral prägt jeden Menschen in seinen Verhalten und seinen Entscheidungen. Selbstkritik und Schuldgefühle überfahren den Helfer mit Helfersyndrom wenn er die zur Verfügung stehende Hilfe geleistet hat, jedoch mit sich im Unreinen ist, da der Umfang der Hilfe nicht den Moralvorstellungen entspricht, welchen er nachstrebt.
Auf diese Moralvorstellungen baut sich das Ich- Ideal auf, welches die absolute, innere Zufriedenheit wiederspiegelt. Wird die Leistungsgrenze, auf dem das Ich- Ideal steht, in Frage gestellt, entwickeln sich Gefühle wie Scham oder Versagensangst. Schmidbauer betont die Kenntnis der eigenen Belastungsgrenzen zur Erhöhung der Leistungseffizienz und zur Vorbeugung von selbstüberschätzenden Verhalten und deren Folgen. „Die manische Abwehr“ nimmt Bezug auf dieses selbstüberschätzende Verhalten. Die Manie wird hier als seelische Unantastbarkeit gesehen und macht sich durch Überspielen der eigenen Schwächen mit übertriebenen zuversichtlichen Verhalten bemerkbar. Die gesetzten Idealbilder werden zu Traumidealen und stellen unbewusste Erwartungen an diesen Traum auf. Einerseits befreit es den Betroffenen von den unangenehmen Bedingungen und Empfindungen. Andererseits wird das Erfüllen der Idealtraumbedingungen durch das manische Verhalten erschwert, da das Streben nach Perfektion, Liebe und Anerkennung sehr schnell durch Ängste und Kränkungen kippen kann.
Die dritte Komponente ist: „Die unersättliche narzisstische Bedürftigkeit“. Die Unersättlichkeit verlangt durch die perfektionistischen Züge bestmögliche Ergebnisse und dementsprechend gleichwertige Erwartungen an die Schützlinge ab. Diese Erwartungen werden in den meisten Fällen nicht erwidert und schaffen negative Gefühle. Der Helfende neigt dazu es als persönliche Kritik oder Demütigung aufzufassen. Die Kontrolle abzugeben und zu evaluieren, inwieweit überhaupt Hilfe erwünscht und erforderlich ist, macht die Qualität aus. Ist ein Ziel erstmal ins Auge gefasst, wird alles gegeben um dieses zu erreichen, auch wenn es viel mehr abverlangt.
Die vierte Komponente ist: „Die Vermeidung von Gegenseitigkeit“. Helfen wird als eine Form des aktiven Austausches wahrgenommen. Unterstützendes Entgegenkommen kann zum Ausbilden sozialer Netzwerke beitragen, von denen in nicht absehbarer Zukunft auch mit Unterstützung gerechnet werden kann. Diese Art des Helfens wird bevorzugt, da es dem Betroffenen unangenehm ist Forderungen zu stellen. Die Gefahr besteht darin, dass die Hilfe ausgenutzt wird, öfter in Anspruch genommen wird und als selbstverständlich gesehen wird. Menschen mit Helfersyndrom neigen dazu einseitige Beziehungen einzugehen,
in denen sie gebraucht werden und weniger zu offensichtlich besseren Beziehungen. Das Verhalten der Suche nach Unentbehrlichkeit lässt sich auf den Wunsch nach Anerkennung, Bestätigung und Lob zurückführen. Das Kommunizieren der Wünsche wird als Offenbarung von Bedürftigkeit gesehen und steht im Widerspruch zu dem äußeren Image unabhängig und selbstbestimmend zu sein. Stärke und Kontrolle zu wahren sind normale menschliche Verhaltensweisen und bieten Sicherheit. Die Abhängigkeit der Stärke und die eigene Entwertung durch Zeigen von Schwäche sind prägende Grundmerkmale des Helfersyndroms. Das offene Kommunizieren von Schwächen fällt schwer, jedoch hat der Helfer für die Probleme Anderer immer ein offenes Ohr. Durch die Konfrontation mit den ruhenden, tiefen Wünschen können demütigende, unangenehme Situationen entstehen, für diese der er sich verantwortlich macht, da er für seine innere Bedürftigkeit selbst Sorge trägt.
Die fünfte Komponente ist: „Die indirekte Aggression“. Durch das fehlende Widerspiegeln und das Verdrängen emotionaler Bedürfnisse aus der Kindheit und der Gegenwart kommt es zu Kränkungen und zum Ausbilden narzisstischer Wut. Die offene Kommunikation aggressionsbedingter Gedanken fällt schwer, da der Betroffene diese vermeidet und stattdessen masochistische Verarbeitungsmechanismen anwendet, um sich den moralischen Werten und Normen entsprechend zu verhalten. Diese negativen Gefühle beeinflussen den Kontakt- und Beziehungsaufbau und führen im Verlauf zu depressiven Störungen, Zwangsstörungen, Suchterkrankungen oder suizidalen und sadistischen Gedanken und Verhalten.
Schmidbauer reflektiert seine Gedanken von 1977 in „Hilflose Helfer“ über das Motiv des abgelehnten Kindes kritisch. Er bleibt bei seiner Erkenntnis, dass die Primäridentifizierung anhand des elterlichen Ich und der Erziehung mit Leistungsschwerpunkt erfolgt, jedoch ist Änderung der Identifizierung im Laufe der Kindheit und Jugend zu bedenken, in dem sich Strukturen weiter ausprägen, verstärken oder zurückstellen. 9(Vgl. Schmidbauer 2007 S. 19-72) 10(Vgl. Schmidbauer 2018 S.90-115) 11(Vgl. Schmidbauer 2017 S. 25-30)
3. Psychosoziologische Auswirkungen des Helfersyndroms
Die Person mit Helfersyndrom ist auf der einen Seite bei der Suche nach Anerkennung, Lob und Wertschätzung bestrebt das Beste zu geben und sich aufzuopfern. Auf der anderen Seite besteht der innere Konflikt mit den eigenen Einstellungen und Wünschen. Die Differenzen erzeugen im Körper Stress. Wie stark diese Reaktionen auf das Handeln einwirken, hängt davon ab, wie intensiv der Stress individuell empfunden wird. Stress ist eine lebenswichtige Reaktion des Körpers auf veränderbare, unklare Belastungen und Einflüsse. Die bestehenden Ressourcen werden den Stressoren entgegengesetzt und können dadurch einerseits bewältigt werden. Andererseits stellt sich eine Überbeanspruchung heraus, diese auf Dauer zu schwerwiegenden Erkrankungen führt. Im Laufe des 20. Jahrhunderts beschäftigten sich viele Wissenschaftler mit der Wirkung von Stress und etablierten biologische und psychologische Stressmodelle. Ein wichtiger Vertreter der biologischen Modelle ist der Mediziner Hans Selye, dieser im Jahre 1950 die Wirkung von Stress anhand der „(…) Aktivierung der sogenannten Hypothalamus- Hypophysen- Nebennierenrinden- Achse (…)“ 12(Tegtmeier 2013 S.19) beschreibt. Er erforschte die Signale und die Hormonausschüttung in Ratten und gewann die Erkenntnis von zwei extremen Stressausprägungen: Eustress und Disstress. Er beschreibt die Verarbeitung von Stress in drei Phasen. In der ersten Phase wirken die Stressoren auf den Organismus und dieser versetzt sich kurzfristig in Alarmbereitschaft. In der Widerstandsphase wird durch permanentes Freisetzen vom Stresshormon Cortisol zur Energiebereitstellung und durch erhöhte Aktivität des Herz- Kreislaufs- Systems und der Skelettmuskulatur der Abbau des Reizes angeregt. Die Leistungen des Gedächtnisses und der Immunabwehr sind reduziert. Infektanfälligkeit und depressive Verstimmungen können auftreten. Die Widerstandsphase gilt als erfolgreich abgeschlossen sobald der Körper sich der normalen Widerstandlage angepasst hat. Findet die Regenerierung nicht statt, erreicht der Organismus die Erschöpfungsphase. Dieser sogenannte Dauerstress kann zu weiteren gesundheitsschädlichen somatoformen Störungen und psychosomatischen Erkrankungen, wie z.B.: Angststörungen, Suchtverhalten und Burnout führen.
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