Die vorliegende Arbeit geht der Leitfrage nach, inwieweit die Angst in Krisensituationen das Verhalten von Beschäftigten im Gesundheitswesen beeinflusst. Eine Literaturrecherche zur Sicherung der theoretischen Grundlagen und eine schriftliche Befragung in Form einer Onlineumfrage werden als methodische Mittel eingesetzt.
Die Ad Alliance untersuchte in einer Panelstudie mithilfe einer Onlineumfrage und einer Forschungs-App die Einflüsse der COVID-19-Pandemie und der pandemiespezifischen Maßnahmen auf den Alltag der Bevölkerung in Deutschland. Die Ausprägungen und Veränderungen des Verhaltens in der Gesellschaft werden durch Ermittlung zweier Zeiträume der Untersuchung gegenübergestellt. Über eine Onlineumfrage anhand einer Panelstudie der YouGov Deutschland GmbH wurde die Meinungsverteilung über die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ermittelt. 36% der Befragten geben an negative Auswirkungen zu empfinden. Lediglich 10% der Befragten empfinden positive Auswirkungen und 8% sehen keine Auswirkungen in positivem und negativem Sinne.
Die drei Hauptsorgen der Befragten vom 25.- 31. Mai 2020 in einer Studie des COVID-19-Barometers sind die Gesundheit der Familie, die wirtschaftliche Stabilität des Landes und die eigene körperliche Gesundheit. Die Universität Mannheim erforschte im Rahmen des German Internet Panels (GIP) über einen Zeitraum von 16 Wochen, durch die Etablierung der „Mannheimer Corona Studie“(MCS) ab den 20. März, die gesellschaftlichen, sozio-ökonomischen und psychologischen Auswirkungen der Bevölkerung in Deutschland. Über die, für die Allgemeinheit, bestehenden Belastungen hinaus, betont der Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin (DGPM) Prof. Dr. med. Harald Gündel ein erhöhtes Gefahrenpotential für Personengruppen, die „(…) noch spezifische Belastungen erleiden müssen, etwa durch Existenzängste oder besondere berufliche Herausforderungen, wie sie beispielsweise Mitarbeiter in Gesundheitsberufen aktuell erleben“.
Inhaltsverzeichnis
I. Abkürzungsverzeichnis
II. Abbildungsverzeichnis
III. Tabellenverzeichnis
IV. Sperrvermerk
1 Einleitung
1.1 Aktueller Forschungsumfang
1.2 Methodik und Aufbau der Arbeit
2 Literaturrecherche der theoretischen Grundlagen
2.1 Der Mensch als soziales Individuum
2.1.1 Kognitive Entwicklung des Menschen
2.1.2 Die menschliche Entwicklung nach Erik Erikson
2.2 Die COVID-19-Pandemie in Deutschland
2.2.1 Politische Vorkehrungen und Maßnahmen
2.2.2 Auswirkungen innerhalb der Gesellschaft
2.2.3 Auswirkungen innerhalb des Gesundheitswesens
2.3 Angst als Stressreaktion des Organismus
2.3.1 Hintergründe der Angstreaktion
2.3.2 Die Theorie der Angstpersönlichkeiten nach Fritz Riemann
2.3.3 Angstentwicklung im Laufe des Lebens
2.3.4 Angststörungen
2.3.5 Die Begleiterscheinungen von Ängsten
2.3.5.1 Suchterkrankungen
2.3.6 Generelle Ängste im Gesundheitswesen
3 Die empirische Untersuchung der Einflüsse und Auswirkungen von Ängsten im Gesundheitswesen während der COVID-19-Pandemie
3.1 Grundlagen der empirischen Sozialforschung
3.2 Hypothesenbildung
3.3 Beschreibung der angewandten Methodik
3.3.1 Pretest
3.3.2 Fragebogen für Onlineumfrage
3.4 Durchführung der Studie
3.5 Methode der Datenauswertung
4 Ergebnisse der empirischen Untersuchung
4.1 Zusammenfassende Betrachtung
4.1.1 Hypothese H1
4.1.2 Hypothese H2
4.1.3 Hypothese H3
4.1.4 Bearbeitung der Leitfrage
4.2 Diskussion
5 Schlussfolgerung und Ausblick
5.1 Ausblick
V. Literaturverzeichnis
6 Eidesstattliche Erklärung
7 Anhang
7.1 Aufnahmefragebogen COVID-19 Abklärung
7.2 Checkliste Verdachtsabklärung und Maßnahmen COVID-19
7.3 Empfehlungen der BAuA und des ad-Hoc AK „Covid-19“ des ABAS zum Einsatz von Schutzmasken im Zusammenhang mit SARS-CoV-2
7.4 COVID-19-Dokumentationsbogen Mehraufwand
7.5 Erklärung Besucher
7.6 Pretest
7.7 Onlinefragebogen der empirischen Untersuchung
7.8 Rohdaten Onlineumfrage
I. Abkürzungsverzeichnis
ACE 2 Angiotension-Converting-Enzyme 2
AHA Abstand-Hygiene-Alltagsmaske
BAuA Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
BMG Bundesministerium für Gesundheit
BZgA Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
BZH Deutsches Beratungszentrum für Hygiene
COVID-19 Corona Virus Disease 2019
DESTATIS Statistisches Bundesamt
DFG Deutsche Forschungsgesellschaft
DGPM Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin
DGUV Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung
DIVI Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und
Notfallmedizin
DKG Deutsche Krankenhausgesellschaft
FFP2 Filtering-Face-Piece 2
GIP German Internet Panel
ICD-10-GM International Statistical Classification of Diseases and
Related Health Problems 10. Revision German
Modification
IfSG Infektionsschutzgesetz
KBV Kassenärztliche Bundesvereinigung
MCS Mannheimer Corona Studie
MNS Mund-Nasen-Schutz
OSK Oberschwabenklinik
PCR Polymerase Chain Reaction
PEI Paul-Ehrlich-Institut
PSA Persönliche Schutzausrüstung
RKI Robert Koch Institut
SARS-CoV Severe Acute Respiratory Syndrome Corona Virus
SARS-CoV-2 Severe Acute Respiratory Syndrome Corona Virus 2
II. Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Bedürfnispyramide nach Maslow
Abbildung 2: Coronavirus an menschlicher Zelle
Abbildung 3: COVID-19-Dashboard, Verlauf COVID-19-Fälle/ Tag
Abbildung 4: Zusammen gegen Corona - Die AHA+A+L- Regel
Abbildung 5: Infografik: Die häufigsten psychischen Erkrankungen
Abbildung 6: Prognose zum Fachkräftemangel in gesundheitswirtschaftlichen Berufen in Dtl.
Abbildung 7: Bildschirmfotos der Teilnehmeranfrage
Abbildung 8: Verteilung der Personen pro Haushalt (Insgesamt 410 Teilnehmer)
Abbildung 9: Häufigkeitsverteilung der Antworten bezogen auf die Schlafhygiene
Abbildung 10: Häufigkeitsverteilung der Antworten bezogen auf die sportliche Aktivität
Abbildung 11: Häufigkeitsverteilung der Antworten bezogen auf das Ruhebedürfnis
Abbildung 12: Unterstützungszufriedenheit innerhalb der Kinderbetreuung
III. Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Systematik des Fragebogens
Tabelle 2: Zusammenfassung der Ergebnisse der geschlossenen, dichotomen Fragen
Tabelle 3: Veränderung der sportlichen Aktivität (14. Frage)
Tabelle 4: Veränderung der Ernährung (15. Frage)
Tabelle 5: Veränderung des Konsumverhaltens von Nikotin, Alkohol bzw. anderweitigen Suchtmitteln (16. Frage)
Tabelle 6: Veränderung des Konsumverhaltens an elektronischen Medien (17. Frage)
Tabelle 7: Veränderung der Schlafhygiene (18. Frage)
Tabelle 8: Veränderung der Kontaktaufnahme zu Anderen (19. Frage)
Tabelle 9: Veränderung des Ruhebedürfnisses (20. Frage)
Tabelle 10: Besorgnisspezifische Gegenüberstellung von involvierten und nicht involvierten Beschäftigten
Tabelle 11: Vergleich Besorgtheit an COVID-19 zu erkranken/ Nicht-Besorgtheit an COVID-19 zu erkranken bezüglich Veränderungen im täglichen Leben
Tabelle 12: Gegenüberstellung der persönlichen eigenen Bedenken und keiner persönlichen eigenen Bedenken hinsichtlich der Unterstützungszufriedenheit innerhalb der Kinderbetreuung
Tabelle 13: Gegenüberstellung der persönlichen Bedenken und keiner persönlichen Bedenken bezüglich der Angehörigen hinsichtlich der Unterstützungszufriedenheit innerhalb der Kinderbetreuung
Tabelle 14: Übersicht Unbesorgtheit/ Besorgtheit vor COVID-19-Erkrankung; mit und ohne Betreuung von COVID-19-Patienten
IV. Sperrvermerk
Die nachfolgende Bachelor-Thesis enthält vertrauliche Daten der Oberschwabenklinik gGmbH. Veröffentlichungen oder Vervielfältigungen der Bachelor-Thesis - auch nur auszugsweise - sind ohne ausdrückliche Genehmigung der Oberschwabenklinik gGmbH nicht gestattet. Die Bachelor- Thesis ist nur den Gutachtern sowie den Mitgliedern des Prüfungsausschusses zugänglich zu machen.
1 Einleitung
Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ist eine Mutation des SARS-CoV und löst die Erkrankung COVID-19 aus. Es wurde erstmals im Dezember 2019 in der chinesischen Stadt Wuhan nachgewiesen und breitet sich seither weltweit aus. SARS-CoV-2 tritt zum ersten Mal am 27. Januar 2020 in Deutschland auf (BMG Chr. CoV, 2020).
In Deutschland sind am 19. Oktober 2020, zum Zeitpunkt der Aktivierung der Onlineumfrage der empirischen Untersuchung, um 00:00 Uhr 366.299 Fälle mit positiv, bestätigten COVID-19-Nachweis gemeldet, von denen 9.789 Menschen mit positivem Nachweis verstorben sind (RKI Fallzahlen, 2020a). Im Vergleich zu den Fallzahlen vom 15. Juni 2020, zum Beginn des Bearbeitungszeitraumes der Bachelor-Thesis, sind die Fälle mit positiv, bestätigten COVID-19-Nachweis um rund 96% (186.461) und die Anzahl verstorbener Menschen mit positiven COVID-19-Nachweis um rund 11% (8.791) gestiegen (RKI Fallzahlen, 2020b).
Bereits am 27. Februar 2020 warnte der Virologe und Institutsdirektor der Berliner Charité Dr. Christian Drosten vor einer anstehenden Pandemie (ZDF, 2020). Die WHO erklärt am 11. März 2020 die COVID-19-Epidemie zu einer gegenwärtigen Pandemie, da eine steigende Tendenz in der Ansteckungsgefahr für die weltweite Gesamtbevölkerung besteht (WHO, 2020). Im Verlauf des Frühjahrs kam es in mehreren europäischen Ländern zu Engpässen bei der intensiv-medizinischen Betreuung der COVID-19-Patienten (BR, 2020). In Deutschland wurden während des zeitlichen Verlaufs mehrere Maßnahmen getroffen um eine Verschlimmerung der Situation zu vermeiden. Dazu zählen u.a. die ersten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen vom 22. März 2020 (Bd.Reg., 2020b). Während und nach diesen Maßnahmen werden Verhaltensänderungen der Bevölkerung und Sorgen über das zukünftige Leben mit dem unerforschten, neuartigen Coronavirus ersichtlich, welche in dieser Arbeit mit Fokus auf das Gesundheitswesen sozialwissenschaftlich untersucht werden sollen.
1.1 Aktueller Forschungsumfang
Die Ad Alliance untersuchte in einer Panelstudie mithilfe einer Onlineumfrage und einer Forschungs-App die Einflüsse der COVID-19-Pandemie und der pandemiespezifischen Maßnahmen auf den Alltag der Bevölkerung in Deutschland. Die Ausprägungen und Veränderungen des Verhaltens in der Gesellschaft werden durch Ermittlung zweier Zeiträume der Untersuchung gegenübergestellt (Ad Alliance, 2020). Über eine Onlineumfrage anhand einer Panelstudie der YouGov Deutschland GmbH wurde die Meinungsverteilung über die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ermittelt. 36% der Befragten geben an negative Auswirkungen zu empfinden. Lediglich 10% der Befragten empfinden positive Auswirkungen und 8% sehen keine Auswirkungen in positivem und negativem Sinne (Sonnenberg, 2020).
Die drei Hauptsorgen der Befragten vom 25.- 31. Mai 2020 in einer Studie des COVID-19-Barometers sind die Gesundheit der Familie, die wirtschaftliche Stabilität des Landes und die eigene körperliche Gesundheit (Statista, 2020).
Die Universität Mannheim erforschte im Rahmen des German Internet Panels (GIP) über einen Zeitraum von 16 Wochen, durch die Etablierung der „Mannheimer Corona Studie“(MCS) (Blom et al., 2020a) ab den 20. März, die gesellschaftlichen, sozio-ökonomischen und psychologischen Auswirkungen der Bevölkerung in Deutschland.
Über die, für die Allgemeinheit, bestehenden Belastungen hinaus, betont der Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin (DGPM) Prof. Dr. med. Harald Gündel ein erhöhtes Gefahrenpotential für Personengruppen, die „(…) noch spezifische Belastungen erleiden müssen, etwa durch Existenzängste oder besondere berufliche Herausforderungen, wie sie beispielsweise Mitarbeiter in Gesundheitsberufen aktuell erleben“ (DGPM, 2020).
1.2 Methodik und Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit geht der Leitfrage nach, inwieweit die Angst in Krisensituationen das Verhalten von Beschäftigten im Gesundheitswesen beeinflusst. Eine Literaturrecherche zur Sicherung der theoretischen Grundlagen und eine schriftliche Befragung in Form einer Onlineumfrage werden als methodische Mittel eingesetzt. Die Onlineumfrage wird durch einen Fragebogen generiert, welcher sich an dem Fragebogen der MCS aus der 16. Woche vom 03.- 10. Juli 2020 orientiert. Sie wird auf das Land Deutschland und auf die Beschäftigten im Gesundheitswesen beschränkt.
Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel. Im ersten Kapitel werden die theoretischen Grundlagen erarbeitet. Diese gliedern sich in:
- Der Mensch als soziales Individuum
- Vorkehrungen in der Politik, Auswirkungen innerhalb der Gesellschaft und innerhalb des Gesundheitswesens während der COVID-19-Pandemie
- Die Angst als Stressreaktion des Körpers
Danach schließt sich die empirische Untersuchung der Einflüsse und Auswirkungen von Ängsten im Gesundheitswesen während der COVID-19-Pandemie. Die wissenschaftlichen Grundlagen leiten über zur Hypothesenbildung. Es folgt die Methodenbeschreibung, die Durchführung der Studie und die Datenauswertung.
Die Zusammenfassung der Ergebnisse mit anschließender Betrachtung wird im dritten Kapitel erläutert.
Das letzte Kapitel beinhaltet die Schlussfolgerung der empirischen Untersuchung und gibt im Ausblick die erfolgten Veränderungen des pandemischen Geschehens seit dem Ende der Onlineumfrage wieder.
2 Literaturrecherche der theoretischen Grundlagen
2.1 Der Mensch als soziales Individuum
83,1 Millionen Menschen leben nach einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes im ersten Halbjahr 2020 in Deutschland (DESTATIS, 2020a). Das Zusammenleben innerhalb einer Gesellschaft wird durch die Individualität der eigenen Person, durch das Zusammenwirken von sozialen- und kulturellen Beziehungen mit geltenden Normen und Werten und durch ökonomische-, umweltbedingte- und berufliche Herausforderungen und Gegebenheiten beeinflusst (Maderthaner, 2017, S. 332).
Die Entwicklung eines Individuums ist dabei vom stetigen, lebenslangen Lernen begleitet. Demnach lernt der Mensch im Laufe des Lebens sich durch gemachte Erfahrungen und erworbene Fähigkeiten und Kompetenzen den Gegebenheiten anzupassen und sich zu arrangieren (Ebd., S. 168). Die Erfahrungen können positive und negative Ausprägungen hervorrufen und die Ausbildung der psychologischen Störungen begünstigen (Ebd., S. 170f.). Die Motivation, die Emotionen sowie die vermittelten Normen und Werten fördern oder schwächen das Voranschreiten des Lernfortschrittes der einzelnen Person und die soziale Entwicklung (Ebd., S. 165). Bereits vor der eigentlichen Entstehung des Embryos wird der Grundstein des Menschen in der Genetik festgelegt (Dr. med. Menche, et al., 2012, S. 356). Förderliche und schädigende Umwelteinflüsse wirken in diesem frühen Stadium des Menschen bereits auf die Entwicklung ein (Ebd., S. 360ff.). Die Beziehung zur Mutter stellt die Gewährleistung der Grundbedürfnisse des Säuglings und die Integration in das Sozialgesellschaft sicher (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 367).
Die Mutter und weitere Bezugspersonen bieten eine vertrauensvolle Grundinstanz und haben eine Vorbildfunktion, durch diese die Grundlagen der Kommunikation und Verhaltensweisen festgelegt werden (Ebd., 2008, S. 391). Kommunikation findet verbal und nonverbal statt. Bereits im Säuglingsalter, indem keine Kommunikation in Wortlauten erfolgt, findet Kommunikation über die Art der Laute und ihrer Zusammenhänge statt (Ebd., S. 385).
2.1.1 Kognitive Entwicklung des Menschen
Die kognitive Entwicklung eines Menschen beschreibt die geistige Fähigkeit und Anpassung an Gegebenheiten, welche durch prozessorientiertes Erfahren, Entdecken und Wahrnehmen das Lernen begünstigt (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 372). Die kognitivistische Lerntheorie von Albert Bandura beschreibt das Lernen am Modell anhand der Imitation (Maderthaner, 2017, S. 198f.). Das Lernen wird anhand des Gegenübers projiziert und setzt einerseits die Interaktion mit anderen Personen, andererseits die Integration des Menschen in die Umwelt voraus. Die Handlungs- und Verhaltensmuster werden aufgenommen, strukturiert und im Kontext zu bereits Erfahrenen gesetzt (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 528f.). Dabei werden soziale Kompetenzen geschaffen wodurch die Empathiefähigkeit gefördert wird. Empathie beschreibt die Fähigkeit sich in andere Wesen hineinzuversetzen (Pschyrembel, 2004, S. 481). Im Jahre 1943 entwickelte Abraham Maslow die Bedürfnispyramide, welche er 1970 erweiterte (siehe Abbildung 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Bedürfnispyramide nach Maslow (Bley et al, 2015)
Er arbeitete 1943 fünf Bedürfnisebenen des Menschen aus. Das Streben nach menschlichem Überleben und der Erhalt der physischen Stabilität wird als das Grundbedürfnis formuliert. Die Sicherung der elementaren Bedürfnisse spielt dabei eine wichtige Rolle (Maderthaner, 2017, S. 311). Zu den elementaren Bedürfnissen zählen das Essen und Trinken, der Schlaf und das körperliche Wohlbefinden (Morschitzky, 2019, S. 43).
Die zweite Bedürfnisebene verkörpert den Aspekt der notwendigen Sicherheit im Leben eines Menschen. Zu den Sicherheitsbedürfnissen zählen die materielle Sicherheit, die berufliche Sicherheit sowie das Wohnen (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 421).
In der dritten Ebene der Pyramide stehen die sozialen Bedürfnisse, zu denen gehören Freundschaften, Liebe und die Zugehörigkeit zu einer Gruppe.
Die vierte Ebene bilden die Individualbedürfnisse. Diese spezifizierte er 1970 näher und unterteilte sie in die Wertschätzung, kognitive und ästhetische Bedürfnisebenen (Ebd., S. 421f.).
Die Selbstverwirklichung wird erlangt, sobald die Selbstakzeptanz und die Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen gegeben ist (Morschitzky, 2019, S. 45). Das persönliche Ziel ist dabei die Transzendenz.
Die Pyramide bietet ein Modell der Hierarchie der Bedürfnisse. Es wird zwischen Defizit- und Wachstumsbedürfnissen unterschieden. Zu den Defizitbedürfnissen gehören die elementaren Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse und die sozialen Bedürfnisse. Einerseits können Defizitbedürfnisse aufgrund gesellschaftlicher und eigener menschlicher Probleme nicht dauerhaft befriedigt werden, andererseits schließt ein Mangel das Voranschreiten in die höheren Ebenen der Pyramide nicht aus (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 421f.). Zu den Wachstumsbedürfnissen zählen die Individualbedürfnisse sowie die Selbstverwirklichung mit angestrebter Transzendenz (Morschitzky, 2019, S. 44).
2.1.2 Die menschliche Entwicklung nach Erik Erikson
Gesellschaftliche Normen und Werte werden durch die Mutter und weitere Bezugspersonen im Rahmen der Erziehung vermittelt (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 388). Als Grundlage für das Entstehen einer Stresstoleranz dient die frühkindliche Bindung und Entwicklung. Durch die Erfahrungen, Ressourcen und Kompetenzen wird der Umgang mit Sorgen, Ängsten und Krisensituationen gestützt (Morschitzky, 2019, S. 64f.).
Erik Erikson erforschte die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen als Bestandteil einer Gesellschaft mit kulturellen und sozialen Einflüssen (Gedankenwelt, 2020). Seiner Forschung nach ergeben sich acht Persönlichkeitsstufen, die spezifische Entwicklungsaufgaben beinhalten (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 389 Tab. 10.5 Psychosoziale Stadien nach Erikson).
In der ersten Stufe, während des Säuglingsalters, stehen sich das Vertrauen und das Misstrauen gegenüber. Durch die Bindung an eine Bezugsperson in den ersten Jahren, hauptsächlich die Mutter, wird ein Urvertrauen geschaffen, dass mit Sicherheit und Geborgenheit verbunden ist (Gedankenwelt, 2020, 1. Stufe). Das Überwinden von Situationen, in denen man nicht gleich den Bedürfnissen gerecht wird oder diese sogar enttäuscht, fördert die Ausweitung der Persönlichkeitsstruktur (Wieser, 2006, S. 9).
In der zweiten Stufe, während des Kleinkindalters, stehen sich die Autonomie und das Schamgefühl gegenüber (Gedankenwelt, 2020, 2. Stufe). Hohe Anforderungen mit dem Streben nach Perfektionismus führt dazu, dass die Kleinkinder überfordert werden, Selbstzweifel vermehrt auftritt und die Entwicklung von zwanghaften Persönlichkeitsstrukturen auf lange Sicht begünstigt wird (Wieser, 2006, S. 10). Die Eigenständigkeit und das sichere Auftreten des Kleinkindes fördern die Entwicklung des Selbstwertgefühls (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 390)
In der dritten Stufe, während des Vorschul- und Kindergartenalters, besteht ein Konflikt zwischen dem Ergreifen von Initiative und der Entwicklung von Schuldgefühlen (Gedankenwelt, 2020, 3. Stufe). Die Initiative zu ergreifen soll, durch das Entdecken der Umwelt und durch das Ermöglichen von neuen Herausforderungen, erlernt werden (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 390). Selbstsicherheit und Zielorientierung prägen die Persönlichkeit, die sich in dieser Stufe entwickeln kann (Wieser, 2006, S. 10f.).
In der vierten Stufe, des frühen Schulalters, stehen sich der Werksinn und das Minderwertigkeitsgefühl gegenüber. Der Ausbau des Werksinns und der Fähigkeiten darf jedoch nicht das kindliche Leben ersetzen. (Gedankenwelt, 2020, 4. Stufe). Durch die neue Situation in der Schule werden andere Personen des neuen gesellschaftlichen Umfeldes wichtig und tragen zur Entwicklung des Kindes bei (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 390). Eine gesunde Balance zwischen dem Kindsein und den schulischen Anforderungen fördert die Bildung und die Erweiterung von Kompetenzen (Wieser, 2006, S. 12).
In der fünften Stufe, im Alter der Pubertät, wird die Ich-Identität der Rollenverwirrung entgegengestellt (Gedankenwelt, 2020, 5. Stufe). Im Rahmen der Ich-Identität bildet sich ein eigenes Rollen- und Selbstbild aus. Dieses wird durch Einflüsse der Gesellschaft und Erfahrungen in der Gemeinschaft gestaltet (Largo, 2020, S. 51). Loyalität, gegenüber der eigenen Person und gegenüber Gemeinschaften, ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das sich aus den Erfahrungen dieser Stufe ergibt (Wieser, 2006, S. 13).
Im frühen Erwachsenenalter zeigt sich in der sechsten Stufe ein Konflikt zwischen der Intimität und der Isolierung (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 390). Es werden Partnerschaften eingegangen und eine Intimität in der Beziehung empfunden. Die Solidarität gegenüber anderen Personen im engen Umfeld nimmt zu (Ebd., S. 398f.). Die emotionale und soziale Stabilität ist das Ziel der Stufe. Diese wird u.a. durch das Engagieren in Interessen- bzw. Arbeitsgruppen erreicht. (Largo, 2020, S. 57).
Die siebte Stufe stellt im mittleren Erwachsenenalter eine Konfliktkonstellation dar zwischen der Generativität und der Stagnation (Gedankenwelt, 2020, 7. Stufe). Die Generativität beschreibt in dieser Stufe die Ausrichtung und Orientierung des Lebens und der Partnerschaft in die Zukunft (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 401). Die Balance zu finden, sich um die Anderen sowie um das Selbst zu sorgen, erweitert die Persönlichkeit (Wieser, 2006, S. 16).
Die letzte Stufe befindet sich im hohen Erwachsenenalter und stellt die Integrität und die Verzweiflung gegenüber (Gedankenwelt, 2020, 8. Stufe). In dieser Phase blickt man auf das Leben zurück und reflektiert die gesammelten Erlebnisse. Die Erlebnisse aus der Vergangenheit können negativ interpretiert werden. Dadurch können Zweifel und Sorgen entstehen, die teilweise nicht rückgängig zu machen sind (Maderthaner, 2017, S. 391f.). Trotz der kritischen Selbstreflexion steht die Selbstakzeptanz des bereits Erlebten im Vordergrund (Wieser, 2006, S. 17).
Durch das Sammeln weiterer Erfahrungen und durch den Ausbau persönlicher Kompetenzen wird das Überwinden von Konflikten und Krisensituationen im Laufe des Lebens erleichtert (Gedankenwelt, 2020).
2.2 Die COVID-19-Pandemie in Deutschland
Coronaviren sind eine Familie der Viren, die grippeähnliche bis schwerwiegende Krankheitsverläufe auslösen (RKI, 2020a, 1. Erreger). Der Wortstamm „Corona“ leitet sich von den mikroskopischen Oberflächenstrukturen der Viren ab, welche ein „kronenähnliches“ Erscheinungsbild haben (BMG, 2020a).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Coronavirus an menschlicher Zelle (Szekeres, 2020)
Das SARS-CoV wurde 2003 entdeckt und ist in der tierischen Infektiologie bereits näher erforscht (RKI, 2003). Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ist eine Mutation des SARS-CoV und ist auf den Menschen übertragbar geworden, wobei der genaue zoonotische Vorgang noch unklar ist (PEI, 2020). Das Coronavirus dockt mit den typischen Oberflächenproteinen an die Angiotensin-konvertierenden Enzym 2-Rezeptoren (ACE2-Rezeptoren) innerhalb der Lunge, des Herzens, der Nieren und des Magen-Darm-Traktes an (Lukassen et al., 2020, S. 9).
Über eine Tröpfchen- und Schmierinfektion der menschlichen Schleimhäute gelangt das Virus in den Organismus. Das Einatmen der Aerosole über die Atemwege zählt als direkter Kontakt. Die Kontamination durch Berührung und durch das Essen von Lebensmitteln zählt hingegen als indirekter Kontakt (RKI, 2020a, 2. Übertragungswege).
Das SARS-CoV-2 löst die Erkrankung COVID-19 aus (RKI, 2020a). Primäre Symptomatik sind Husten, Schnupfen, Dyspnoe und Fieber. Sekundär auftretende Symptome sind die Beeinträchtigung des Geruchs- und Geschmacksempfindens, Durchfälle, Herzbeschwerden, allgemeine Schwäche, Gliederschmerzen und vermehrte Müdigkeit (BZgA, 2020a, Symptome und Krankheitsverlauf).
Seit März 2020 kam es zu stark ansteigenden Infektionsgeschehen in Deutschland. Aufgrund der weltweit steigenden Fallzahlen beschloss die WHO am 11. März 2020 die COVID-19-Epidemie zu einer Pandemie zu erklären.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: COVID-19-Dashboard, Verlauf COVID-19-Fälle/ Tag (RKI, 2020a, Dashboard)
2.2.1 Politische Vorkehrungen und Maßnahmen
In der Metropole Wuhan in China ist eine Häufung von COVID-19-Fällen seit Mitte Januar aufgetreten (Salzberger et al., 2020). Die drohende landesinterne Abschottung der Region in China, als Risikogebiet, veranlasste die Bundesregierung Rückholaktionen anzubieten. Die Rückholaktionen der deutschen Staatsbürger und deren Angehörigen erfolgte aus den akuten Infektionsregionen in China. Unter ärztlicher Aufsicht wurden die Personen für zwei Wochen in einer zentralen Unterbringung in Germersheim bzw. in DRK-Kliniken betreut. (BMG Chr. CoV, 2020, 01. Feb. 2020).
Die Orientierung und Angleichung der anstehenden Maßnahmen wird im internationalen Austausch zwischen den Gesundheitsbeauftragten in den Regierungen diskutiert und erörtert (Ebd., 2020, 04. Feb. 2020).
Die flächendeckende, bundesweite Informationswelle zur Aufklärung der Bevölkerung erfolgt u.a. über soziale Medien, Zeitungsartikel, Fernsehberichte, sowie über Auftritte des RKI, der BZgA und des BMG (Ebd., 2020, 07. Feb. 2020). Der im Nationalen Pandemieplan vermerkte staatliche Krisenstab wird am 27. Februar 2020 zusammengerufen und dient der staatlichen Sicherheit und dem Schutz der Bevölkerung (Ebd., 2020).
Aufgrund des gesteigerten Bedarfs an Hände- und Flächendesinfektionsmitteln im Gesundheitswesen und in der Gesellschaft werden die unternehmerischen Ressourcen und Gesetzmäßigkeiten überarbeitet und erste Ausnahmeregelungen getroffen (Ebd., 2020, 04. März 2020).
„Die Ergänzung zum Nationalen Pandemieplan- COVID-19- neuartige Coronaviruserkrankung“ (RKI, 2020b) wird entworfen und verfolgt die unverzügliche Informationsweitergabe aufgrund gesellschaftlichem Interesse, die Wahrung wirtschaftlicher Stabilität und gesellschaftlicher Sicherheit. Die Gesundheit der Bevölkerung sollen bestärkt werden (Ebd., 2020b, S. 7). Die Ergänzungen des nationalen Pandemieplans werden in drei Phasen gegliedert.
In der „Containment“-Phase wird durch Eindämmen erster Infektionen und Infektionsketten das Ausbreitungspotential gering gehalten, um mehr Zeit zur Identifizierung und Erforschung des Krankheitserregers und zur Schaffung von materiellen und personellen Kapazitäten zu gewinnen (Ebd., 2020b, S. 7).
In der „Protection“-Phase wird bei zunehmender Ausbreitung der Krankheit der Schutz von Risikogruppen mit erhöhtem Erkrankungspotential verfolgt. Bei fortschreitender Ausbreitung sollen zunehmende Einschränkungen im sozio-ökonomischen Zusammenleben getroffen werden, um negative, gesellschaftliche Folgen auf ein Minimum zu reduzieren („Mitigation“-Phase) (Ebd., 2020b, S. 8).
In Berufung auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG, 2020) werden die Menschen in einem Teil der im Grundgesetz verankerten Grundrechte eingeschränkt. Das Verlassen der Wohnräume bzw. des Grundstückes und der Empfang von Besuch während der Quarantäne sind untersagt (§ 28 Abs. 1 IfSG). Durch das Führen eines Tagebuches sollen der Temperatur- und Symptomverlauf, die häuslichen Aktivitäten sowie die Art und der Umfang zu Kontaktpersonen vermerkt und bis drei Monate nach der Quarantäne aufbewahrt werden (§ 29 Abs. 2 IfSG). Durch das Nicht- Einhalten der Maßnahmen bzw. durch die Unterschlagung von Kontaktpersonen besteht für die Allgemeinheit eine erhöhte Gefahr, die mit Geld- oder Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren geahndet werden kann (§ 75 Abs. 1 IfSG).
Die WHO erklärt am 11. März 2020 die COVID-19-Epidemie zu einer gegenwärtigen Pandemie (WHO, 2020). Das RKI aktualisiert den Nationalen Pandemieplan von 2016/2017 anlässlich der aktuellen Situation unter Einbezug der Ergänzungsentwurfs vom 04. März 2020 und strukturiert den Nationalen Pandemieplan neu.
In Teil 1 des Nationalen Pandemieplans werden die Planung der zu organisierenden Strukturen, die rechtliche Rahmenbedingungen sowie die Durchführung spezifischer Maßnahmen festgelegt. Teil 2 beinhaltet die wissenschaftlichen Grundlagen (RKI, 2020f).
Am 27. März 2020 wird das „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (BGBl I S. 587-592, 2020a) verabschiedet. Das Gesetz nimmt formale und inhaltliche Änderungen in folgenden Gesetzen vor. Im Artikel 1 werden Änderungen im IfSG formuliert (Ebd., S. 587, Art. 1). Im Rahmen des öffentlichen Interesses ist das RKI ermächtigt, persönliche Daten weiterzugeben an mitwirkende Ämter, sodass den Maßnahmen zur Infektionsminimierung auf Landesebene nachgegangen werden kann (Ebd., S. 587 Art. 1 § 4 Abs. 1).
Das BMG legt die fortlaufende Versorgung mit Lebensmitteln durch die Unternehmen fest (Ebd., S. 588, Art. 1 § 5 Abs. 2 Nr. 3). Das BMG veranlasst eine erweiterte Arzneimittelverordnung mit der Ermächtigung die Beständigkeit, die Erzeugung und den Umgang mit Arzneimitteln, Medizinprodukten, medizinischer Schutzausrüstung und mit Desinfektionsmitteln zu kontrollieren und durch Ausnahmeregelungen, die in den Gesetzen verankerten Vorschriften aufgrund der epidemischen Lage, anzupassen (Ebd., S. 588f., Art. 1 § 5 Abs. 2 Nr. 4). Das Patentgesetz wurde dementsprechend angepasst (Ebd., S. 589, Art. 1 §5 Abs. 2 Nr. 5).
Geltende Gesetze im Gesundheitswesen dürfen zukünftig in der epidemiologischen Lage durch das BMG angepasst werden um die flächendeckende Versorgung der Allgemeinheit zu gewährleisten. In einer epidemiologischen Lage ist das Fachpersonal in der Altenpflege, der Gesundheits- und Krankenpflege, der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, im Notfallsanitätsdienst und in der Arbeit als Pflegefachkräfte angehalten, ihrer Arbeit im Rahmen der Heilkunde nachzugehen (Ebd., S. 589f., Art. 1 § 5a Abs. 1).
Die Betreuung der Kinder bis zum zwölften Lebensjahr bzw. von Kindern mit einer Behinderung, welche Betreuung benötigen, muss während infektionsbedingten Schließungen von Kindertagesstätten, Kindergarten und Schulen durch die Erziehungsberechtigten übernommen werden, insofern keine andere Alternative verfügbar ist (Ebd., S. 590, Art. 1 § 56 Abs. 1a).
Im Baugesetzbuch werden zusätzliche „Sonderregelungen für Anlagen für gesundheitliche Zwecke im Zuge der COVID-19-Pandemie“ (Ebd., S. 591, Art. 6 §246b) festgelegt.
Desweiterem wird am 27. März 2020 das COVID19-Krankenhausentlastungsgesetz vom Bundestag verabschiedet, welches die Versorgung und Unterstützung verschiedener Bereiche im Gesundheitswesen sicherstellt (BGBl I S. 580-586, 2020b).
Im Bundeskabinett werden die Zuständigkeiten neu verteilt. Das Bundeswirtschaftsministerium übernimmt die Verantwortung für die Gewährleistung der Produktion medizinischer Schutzausrüstung. Das BMG regelt die Organisation und Koordinierung der verschiedenen Einrichtungen (BAnz AT V3, 2020).
Das „Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (BGBl I S. 1018-1036, 2020) ist am 22. Mai 2020 verabschiedet wurden. Es zielt darauf aus die Risikopatientengruppe zu unterstützen und die Gesellschaft zu sensibilisieren. Pflegekräften werden Bonuszahlungen zugesprochen und die pflegenden Angehörigen sollen einen besseren Unterstützungsumfang erhalten. Aus einem Förderprogramm heraus werden die öffentlichen Dienstleistungen durch politisch festgelegte, finanzielle Mittel unterstützt (BMG Chr. CoV, 2020, 14. Mai 2020).
Am 16. Juni 2020 wurde die Corona-Warn-App gestartet. Die Deutsche Telekom und SAP erstellten die App in enger Kooperation mit dem RKI und bieten den Dienst über das iOS- Betriebssystem von Apple sowie über das Android- Betriebssystem von Google an (Corona-Warn-App, 2020). Mithilfe der freiwilligen App sollen einerseits die Infektionsketten schneller durchbrochen werden um die Verbreitung der COVID19- Pandemie effizienter einzudämmen (BMG Chr. CoV, 2020, 16. Juni 2020). Andererseits vermittelt es den Endnutzer mehr Sicherheit durch die Warnung vor Infektionskontakten, welche sich in den letzten 14 Tagen in der Nähe aufhielten. Diese weisen einen positiven COVID-19-Nachweis vor und veröffentlichten das Ergebnis auf freiwilliger Basis anonym in der App (BMG, 2020b).
Die Abstand-Hygiene-Alltagsmaske-Formel (AHA- Formel) wurde aufgrund des Infektionsrisikos der anstehenden Sommerferien in einer Pressekonferenz vom 13. Juli 2020 vorgestellt (BMG Chr. CoV, 2020, 13. Juli 2020). Den Abstand von eineinhalb Metern einzuhalten, die Hygieneempfehlungen zu beachten und das Tragen der Alltagsmaske im vorgegebenen Umfang werden im September 2020 durch die Kürzel „ A/ C“ und „L“ erweitert (Ebd., 29. Sept. 2020). Die vermehrte Nutzung der Corona-Warn-App (A/ C) und häufiges Lüften (L), zur Minimierung der Virenzahlen in den Räumlichkeiten, sollen als zusätzliche prophylaktische Maßnahmen dienen (Ebd., 30. Sept. 2020).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Zusammen gegen Corona - Die AHA+A+L- Regel (Bd.Reg., 2020d)
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) erlässt in einer vierten Überarbeitung zum 07. Oktober 2020 eine Verordnung, welche die Bestandteile, Wirkstoffe und Biozidkonzentration von Desinfektionsmitteln aufschlüsselt, wodurch die Apotheker und Apothekerinnen angehalten sind Desinfektionsmittel in großen Mengen anhand der vorgegebenen Rezepturen herzustellen (Dr. Bambauer, 2020a).
2.2.2 Auswirkungen innerhalb der Gesellschaft
Am 27. Januar 2020 wurde der erste Infektionsfall in Bayern nachgewiesen (BMG Chr. CoV, 2020). In den folgenden Tagen wird in einem öffentlichen Auftritt des Gesundheitsministers Jens Spahn auf ein wachsames Verhalten plädiert und über die nationale und internationale Kommunikation berichtet (Ebd., 04. Feb. 2020). Mit den ersten Isolierungen in häusliche Quarantäne und durch die Rückverfolgungen der getätigten Kontakte der Infizierten werden die ersten Maßnahmen ergriffen (Ebd., 12. Feb. 2020). Die aktualisierten Reisewarnungen mit beigefügten Handlungsempfehlungen und Zusatzinformationen werden durch das Auswärtige Amt veröffentlicht (Auswärtiges Amt, 2020).
Über das Verhalten zur Infektionsprophylaxe in alternativen Verkehrsmitteln wie Bus und Bahn wird die Bevölkerung durch die Medien und durch die Verkehrsmittelunternehmen selbst informiert (BMG Chr. CoV, 2020, 26. Feb. 2020).
Die gesellschaftlichen Kontaktbeschränkungen und Lockerungen durch das BMG sind durch die Bundesländer angepasst und geregelt (Bd.Reg., 2020a).
Die Kontaktbeschränkungen und weitere Vorschriften, die das gesellschaftliche Leben einschränken, führen zu psychosozialen Belastungen (Röhr et al., 2020, S. 179). Die Angst vor Ansteckung bzw. Ausgrenzung und die Ungewissheit über die andauernde Einsamkeit führen zu Begleiterscheinung wie depressive Episoden, Schlafstörungen und zunehmende psychotische Verhaltensweisen (Ebd., S. 185).
Im Frühjahr 2020 wird das reguläre Tragen von Mund- und Nasenbedeckungen vom RKI innerhalb öffentlich zugänglicher Einrichtungen empfohlen (RKI, 2020e). Dabei werden der Umfang und die Ausweitung von Maßnahmen in Form von Verpflichtungen durch die Bundesländer gesteuert (BMG Chr. CoV, 2020, 08. Mai 2020). Hinweise zur Aufbereitung und zum Umgang mit MNS- Masken sind in Flyern und Merkblättern in Kooperation mit dem BMG erstellt worden (BZgA, 2020b).
Die amtliche Ermittlung von Kontaktpersonen mit anschließender häuslicher Quarantäne erfolgt durch das ortsansässige Gesundheitsamt in der jeweiligen Region der Bundesländer (Bd.Reg., 2020a). Die Quarantäne beläuft sich über einen Zeitraum von 14 Tagen und richtet sich nach der maximal angenommen Inkubationszeit (BMG Chr. CoV, 2020, 26. Feb. 2020). Während der häuslichen Quarantäne werden Maßnahmen empfohlen, die die Versorgung mit Lebensmitteln, die Raumbelüftung, die Abstands- und Kontaktmaßnahmen im häuslichen Umfang, die Toilettenbenutzung, die hygienische Aufbereitung und die Händehygiene betreffen (RKI, 2020c).
Seit dem 16. März 2020 wurde in einer Pressekonferenz im Bundestag u.a. verkündet, dass die Kindertagesstätten und Kindergarten zu schließen, was für die berufstätige Eltern in der Pandemiezeit seither eine Herausforderung darstellt (BMG Chr. CoV, 2020, 20. Mai 2020). Die seit März geschlossenen Kindertagesstätten und Kindergarten weiten den Betreuungsumfang über die Notbetreuung schrittweise wieder aus, dazu dient der Beschluss der Jugend- und Familienministerkonferenz, indem ein strukturierter Ablauf, Handlungsempfehlungen und rechtliche Infektions- und Hygienemaßnahmen während der Betreuung festgelegt sind (Beschl.JFMK, 2020).
Der Präsenzunterricht wurde im Rahmen des ersten Lockdowns stillgelegt und langsam wieder hochgefahren unter Beachtung der hygienischen und rechtlichen Vorgaben. Maßgebende Konzepte in der Betreuung von Kindern in speziellen Einrichtungen, in der Schule sowie in der Hochschule liefert der Spitzenverband der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Diese beinhalten organisatorische-, technische- und personenbezogene Empfehlungen für die Bildungseinrichtungen (DGUV, 2020).
Die Freizeitgestaltung und das öffentliche Leben werden bereits früh im Rahmen der COVID-19-Epidemie eingeschränkt. Im Rahmen des ersten Lockdowns wird die Freizeitgestaltung und das öffentliche Leben durch rechtliche Vorkehrungen und Verbote eingeschränkt. Das Bundesparlament legt Lockerungen fest. Diese setzen strenge hygienische- und rechtliche Vorkehrungen voraus (Bd.Reg., 2020c).
Die deutsche Wirtschaft wird aufgrund der rechtlichen Betreibungsverbote, notwendigen organisatorischen Neu- und/ oder Umstrukturierungen von Unternehmen und finanziellen Einbußen in einigen Branchen stark beeinflusst (DESTATIS, 2020b)
2.2.3 Auswirkungen innerhalb des Gesundheitswesens
Das am 27. März 2020 verabschiedete COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz regelt die Unterstützung von pflegerischen und rehabilitativen Einrichtungen, medizinischen Versorgungszentren und Vertragsärzten während der Pandemie (BGBl I S. 580-586, 2020b).
Medizinstudierende sollen ab dem 01. April 2020 aktiv im Gesundheitswesen in die Versorgung mit eingeschlossen werden durch die „Verordnung zur Abweichung der Approbationsordnung für Ärzte bei einer Epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (BMG, 2020c).
Die Meldepflicht der täglichen Intensivbettenkapazitäten über die Registrierung im DIVI-Intensivregister tritt in Kraft (BMG Chr. CoV, 2020, 06. April 2020). Über das Register erlangt man einen Einblick in die Auslastung der Intensivstationen der lokalen Kliniken, in den zeitlichen Verlauf der Intensivbettenbelegung seit April 2020 sowie in die aktuelle Belegung der Intensivstationen deutschlandweit und bundeslandspezifisch (RKI - DIVI, 2020).
Aus dem Treffen vom 26. Februar 2020 zwischen Vertretern aus verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens und dem Gesundheitsminister heraus, werden zukünftige Maßnahmen des medizinischen Personals abgeleitet (BMG Chr. CoV, 2020). Vor allem Ärzte werden aufgefordert auf typische Symptomatik zu achten und durch das Führen eines Aufnahmefragebogens getätigte Aufenthalte in Risikogebieten oder mögliche Kontakte herauszufiltern. Bei Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion ist eine Einzelisolation anzuordnen oder je nach individuellem Zustand die häusliche Quarantäne zu erwägen (Ebd., 26. Feb. 2020).
Anlässlich des Treffens der verschiedenen Vertreter aus dem Gesundheitssystem erstellte die Oberschwabenklinik gGmbH (OSK) einen Aufnahmefragebogen zur COVID-19 Abklärung (S. 77) und eine Checkliste zur Verdachtsabklärung und Maßnahmen bei COVID-19 (S. 79). Die Checkliste orientiert sich an den Empfehlungen des Deutschen Beratungszentrums für Hygiene (BZH).
Das Testverfahren in den Laboren findet über die Auswertung eines trockenen PCR-Abstriches statt. Die Probenentnahme erfolgt einerseits über einen trockenen, tiefen Nasopharynx- und/ oder tiefen Oropharynxabstrich mittels einem, mit Kunststoffschafft versehenen, sterilen Watteträger oder einem speziellen PCR-Abstrichröhrchen. Andererseits kann der Probennachweis über tiefere Atemwege entnommen werden, in Form von Sputum und Trachealsekret, welches in das sterile Universalröhrchen gegeben wird. Beim Transport ist auf eine gesonderte Kennzeichnung der Versandpackung zu achten (RKI, 2020g). Eine weitere Möglichkeit der Diagnostik bieten COVID-19-Antikörpertests, womit eine bereits erfolgte Infektion durch vorliegende Antikörper im Blut nachgewiesen wird (Eckert, 2020, S. 1197).
Medizinische Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel sollen durch Umdisponieren einiger deutscher Unternehmen sichergestellt werden und eine ressourcenorientierte Nutzung der vorhandenen Mittel wird empfohlen (BMG Chr. CoV, 2020, 03. März 2020). Über eine Plattform „Notversorgung Desinfektionsmittel" sollen Krankenhäuser, Gesundheitseinrichtungen und Arztpraxen Ermächtigungen zur Aneignung von Desinfektionsmittel erlangen (Ritz, 2020). Die BAuA vermerkt in der dritten Überarbeitung der Verordnung eine Rezeptur für 1-Propanol-haltige Desinfektionslösung, welche jedoch nur in den berufsspezifischen Bereichen im Gesundheitswesen anzuwenden ist, da die Bereitstellung dieses Biozids in Produkten der gesonderten Zulassung einer Verordnung der Europäischen Union bedarf (Dr. Bambauer, 2020b).
Die persönliche Schutzausrüstung (PSA) ist bei Verdachtsfällen und bei bestätigten Fällen zu tragen, dabei sollten die Beschäftigten über die richtige Handhabung geschult werden und der richtige ressourcenorientierte Umgang sichergestellt sein. Zur PSA gehören mindestens eine Filtering-Face-Piece 2 (FFP2)-Maske, Einweghandschuhe, Schutzbrille/ Visier und Schutzkittel. Die Schutzkittel werden einrichtungsspezifisch als Mehrwegkitteln mit zusätzlicher wasserfester Einwegschürze gestellt oder als Einwegartikel genutzt (RKI, 2020d). Der infektionsbedingte Mehraufwand ist in der OSK über einen COVID-19-Dokumentationsbogen festzuhalten (S.81).
Die Benutzung von medizinischen Mund-Nasen-Schutz-Masken (MNS-Masken) während der täglichen Schicht ist den Beschäftigten im Gesundheitswesen vorbehalten (BMG Chr. CoV, 2020, 31. März 2020). Eine genaue Übersicht über die Arten von Schutzmasken und deren qualitativen Empfehlungen und Handhabungsleitlinien wurde durch die BAuA erstellt (S.80) (BAuA, 2020).
Mit der Initiative „Wir bleiben für euch hier. Bleibt bitte für uns daheim“ (SPIEGEL, 2020), welche durch Berufstätige im Gesundheitswesen und Polizeidienst erschlossen und zelebriert wurde, soll das „Wir“- Gefühl der systemrelevanten Berufsgruppen in der COVID-19-Krise gestärkt werden und die Solidarität untereinander betonen.
Zum Schutz der Beschäftigten in der Einrichtung und zur Infektionsprophylaxe der zu Versorgenden wurden während dem ersten Lockdown Besuchsverbote erlassen. Diese wurden im Laufe der Pandemie gelockert und Ausnahmeregelungen festgelegt. Die Lockerungen in der OSK führten zum Einführen eines Besucherfragebogens (S.82). In Anlehnung an die Empfehlungen der Faktenpapiere aus der Bundespressekonferenz soll das Gesundheitswesen wieder den regulären Betrieb anstreben (BMG Chr. CoV, 2020, 17. April 2020).
Informationen und Verhaltenshinweisen werden durch interne Handlungsanweisungen für das Personal bereitgestellt. Für Patienten/ Bewohner/ Klienten und deren Angehörigen werden diese in Form von Merkblättern, Broschüren, Plakaten und Informationen in Printmedien sowie in elektronischen Medien zugänglich gemacht (BZgA, 2020c). Aufgrund der gesundheitlichen Sorgen einer Ansteckung während eines Arztbesuches haben sich z.B.: Facharztbesuche bei Kardiologen um 30% und Facharztbesuche bei Onkologen sogar um 50% reduziert. Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Bundesgesundheitsminister mahnen vor etwaigen Verhalten und sichern ein niedriges Infektionsrisiko in den Praxen und Kliniken zu (BMG Chr. CoV, 2020, 30. Mai 2020).
Im Rahmen des am 03. Juni 2020 verfassten Konjunkturpakets mit dem Förderprogramm für Krankenhäuser, soll durch finanzielle Mittel die Infrastruktur der Krankenhäuser in Deutschland verbessert werden (Haserück, 2020, S. 1191f.).
2.3 Angst als Stressreaktion des Organismus
Speziell in den helfenden, sozialen Berufen wird durch die Professionalisierung und Akademisierung der soziale Druck erhöht und auf hohes wirtschaftliches Denken und Arbeiten geachtet. Diese ungünstigen Konstellationen führen zunehmend zu psychischen Störungen und Verhaltensstörungen (Dr. Grobe & Steinmann, 2019, S. 30).
„Das soziale Wesen Mensch leidet aus seiner Entwicklungsgeschichte heraus, wenn es sozialen Stress hat, also Angstauslösung im Zusammenhang mit anderen Menschen.“ (Psota & Horowitz, 2018, S. 47) Die Angst ist ein unwillkürlicher Vorgang im Inneren eines Individuums, das als Schutzreaktion des Körpers dient. Dem Angstgefühl werden Ressourcen entgegengesetzt und gleichzeitig im Organismus eine Stressreaktion erzeugt, die sich in ihrem Umfang, in der Intensität und hinsichtlich der Situationen unterscheidet (Ebd., S. 25).
Gemäß dem transaktionalen Stressmodell von Richard Lazarus, ein Vertreter der psychischen Stressmodelle, hängt das Stressempfinden von der Bewertung des Individuums in der Situation ab. Die Interpretation der Stressreaktion wird in drei Teile gegliedert.
In der Primären Bewertung wird eingeschätzt, ob der Stress positiv, neutral oder negativ ist. Positiver und neutraler Bewertung stehen Ressourcen zur Bewältigung gegenüber. Die Bewertung ist personenspezifisch, da jede Person andere Ressourcen besitzt. Einer negativen Bewertung folgt das Erschließen der Situation.
In der sekundären Bewertung findet der Versuch der Situationsbewältigung statt, wodurch erneuter Stress entsteht.
In der tertiären Bewertung folgt zeitlich verzögert die Situationsreflektion mit anschließender Anpassung der Bewältigungsstrategien. Diese ist davon abhängig, welche Eigenmotivation aufgebracht wird und welche soziokulturellen Möglichkeiten vorhanden sind (Tegtmeier & Tegtmeier, 2013, S. 22f.).
Um ein besseres Verständnis im Umgang mit Ängsten zu gewinnen, werden im folgenden Abschnitt die biologischen, psychochemischen, neurologischen und psychologischen Hintergründe der Angstreaktionen genauer erläutert.
2.3.1 Hintergründe der Angstreaktion
Aus biologischer Sicht wird durch Angst eine Bedrohung signalisiert. Die Sinnesorgane verstärken sich in ihrer Wahrnehmung und eine erhöhte Reaktionsbereitschaft entsteht. Es zeigen sich verhaltenstypische Reaktionen in Form der Angstkonfrontation (Fight), angstinduziertem Rückzug (Flight) und das Verharren in Ruhe als Schutzmechanismus (Freezing) (Psota & Horowitz, 2018, S. 25-29).
Aus psychochemischer Sicht erzeugt das Gefühl der Angst ein Reizsignal. Innerhalb des Nervensystems werden Neurotransmitter als Botenstoffe an den Synapsen ausgeschüttet und der Reiz an die Rezeptoren der Körper- und Sinnesorgane weitergeben. Die bekanntesten Neurotransmitter sind Glutamat, Acetylcholin, Dopamin, Noradrenalin und Serotonin (Larsen, 2012, S. 9f.). Zur Verarbeitung des Angstreizes spielen die drei erregenden Botenstoffe Dopamin, Noradrenalin und Serotonin eine Rolle. Das Dopamin wird bei emotionalen- und kognitiven Erregungszuständen ausgeschüttet (Ebd., S. 10).
Das Noradrenalin versetzt den Körper in Alarmbereitschaft. Wenn der Stress kontrolliert abgebaut wird, reduziert sich die Noradrenalinkonzentration und das Stressniveau. Ist dieser kontrollierte Abbau nicht möglich, reichert sich Noradrenalin an, der Cortisolspiegel im Blut steigt und es kommt zum Überreizungs- bzw. Erschöpfungszustand. Eine intermittierende Erhöhung kann unbehandelt zu schwerwiegenden, metabolischen Folgeerkrankungen führen (Dr. med. Menche et al., 2012, S. 130f.).
Das Serotonin unterstützt die Regulierung der vitalen Funktionen und den Erhalt eines gesunden Schlafes. Es nimmt Einfluss auf die Steuerung des Gefühlserlebens und wirkt sich auf die Angststeuerung und -bewältigung aus. Eine beruhigende und angstlösende Wirkung weist der Neurotransmitter GABA auf (Psota & Horowitz, 2018, S. 37-39).
Im neurologischen Rahmen wird auf den Aufbau des Gehirns und die Funktionen der einzelnen Abschnitte Bezug genommen. Das Gehirn besteht aus vier Hauptabschnitten: dem Kleinhirn, dem Großhirn, dem Zwischenhirn und dem Hirnstamm. Das Kleinhirn dient der Erhaltung des Gleichgewichtes und der Koordinierung. Die Reproduktion der Sprache zur Kommunikation und die Anreicherung der erlernten Fähigkeiten und Fertigkeiten sind im Großhirn vorzufinden. Das Zwischenhirn dient der Informationsübermittlung zwischen dem Großhirn und dem Hirnstamm. Der Hirnstamm steuert die lebenswichtigen Funktionen wie den Herzschlag, die Atmung, den Blutdruck, die Nahrungsaufnahme, die Ausscheidung sowie den Schlaf. Er beinhaltet zudem die Reflexe und Instinkte. Das limbische System ist eine zentrale Struktur im Gehirn und enthält die Merk- und Lernfunktion sowie das emotionale Gedächtnis des Körpers (Amygdala). In der Amygdala werden die Gefühle und Erinnerungen verarbeitet und gespeichert (Dr. med. Menche et al., 2012, S. 132-137).
Die Psychologie sieht das Empfinden von Angst als regulären, inneren Prozess im Organismus an. Von Ängsten kann einerseits profitiert werden, andererseits können sie sich schädlich auf das alltägliche Leben der Betroffenen und des sozialen Umfeldes auswirken (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 556ff.).
2.3.2 Die Theorie der Angstpersönlichkeiten nach Fritz Riemann
Eine bedeutende Person der Angstforschung war Fritz Riemann (15.September 1902– 24. August 1979). Im Alter von 20 Jahren begann er mit dem Psychologiestudium in München. Die Grundaspekte des Studiums missfielen ihn und nach zwei Jahren brach er das Studium ab und bildete sich im Rahmen eines Eigenstudiums weiter. Er entdeckte dabei Siegmund Freuds Arbeiten über die Psychoanalyse und vertiefte seine Kenntnisse innerhalb der Astrologie. Er baute in Kooperation mit anderen Kollegen „(das) Münchner Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie (…)“ (Riemann, 2019, S. 13) wieder auf. Seine Erfahrungen in der Angstforschung schrieb er 1961 in der ersten Auflage des Buches „Grundformen der Angst“ nieder (Ebd., S. 15).
Im nachfolgenden Abschnitt werden die Angstformen und die Angstpersönlichkeiten nach Riemann tiefgründiger betrachtet.
In seinem Werk „Grundformen der Angst“ zeigt Riemann einige Erläuterungsversuche zur Charakterisierung des Begriffes „Angst“. Einerseits dient sie als instinktive, lebenserhaltende Signalfunktion vor Bedrohungen mit körpereigenen Impulsen zur Überwindung der Situation. Andererseits prägen sich im Laufe des Lebens einer Person verschiedene Formen aus, die in ihrer Intensität von persönlichen, sozio- ökologischen und genetischen Lebensbedingungen abhängig sind (Ebd., S. 19). Die vier Grundformen sind: „1. Die Angst vor der Selbsthingabe (…); 2. Die Angst vor der Selbstwerdung (…); 3. Die Angst vor der Wandlung (…) (und) 4. Die Angst vor der Notwendigkeit (…).“ (Riemann, 2019, S. 27) Die Spezifikationen der Ängste in ihren Extremvarianten werden laut Riemann den vier Persönlichkeitstypen zugeordnet, die sich aus „(…) den vier großen Neuroseformen der Schizoidie, der Depression, der Zwangsneurose und der Hysterie (…)“ (Riemann, 2019, S. 29) ableiten.
Die schizoiden Persönlichkeiten weisen die Angst vor Hingabe als Hauptangst auf. Sie sind bestrebt, sich selbst als Person abzugrenzen und ihre Individualität zu wahren. Mit der Geburt ist der Mensch gezwungen, sich auf das anschließende Leben einzulassen, welches zu Beginn durch die absolute Abhängigkeit und Hilflosigkeit von den Eltern, vor allem von der Mutter, geprägt ist. Durch das mangelnde Urvertrauen zur Mutter und die Unsicherheit in der Beziehung zur Mutter werden zukünftige Beziehungen und Bindungen nicht eingegangen, da sie für die Person eine Bedrohung darstellen. Je nach Ausprägung kann es zu krankhaften Verhaltensweisen kommen. Diese erstrecken sich von permanentem Misstrauen bis hin zu wahnhaften und täuschenden Wahrnehmungen (Ebd., S. 32-76).
Depressive Persönlichkeiten sind die Gegenspieler der schizoiden Persönlichkeiten und zeigen als Hauptangst die Erlangung der Selbstständigkeit mit einhergehender Angst vor Verlust der Geborgenheit. In einem weiteren Stadium vom Säuglingsalter zum Kleinkindalter kann die Vertrautheit und die Entwicklung vom Individuum gefördert werden. Eine Störung in der sicheren Entwicklung ist einerseits durch Mangel an Zuverlässigkeit und bedingungsloser Liebe, andererseits durch ein übermäßiges Abhängigkeitsgefüge von den Bezugspersonen her, anzunehmen. Die Angst Einsam zu sein oder Verlassen zu werden führt dazu, dass diese Persönlichkeiten verstärkt nach der Nähe der anderen Personen aus sind (Ebd., S. 77-90: 94-99).
[...]
- Citar trabajo
- Lisa Schilling (Autor), 2020, Einflüsse und Auswirkungen von Ängsten im Gesundheitswesen während der COVID-19-Pandemie, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1041226
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