Diese Arbeit ist eine Abschlussarbeit zur Weiterbildung zur Fachkraft für Gerontopsychiatrie.
Nach einer kurzen Einleitung wird der Begriff der Borderline-Persönlichkeitsstörung definiert und klassifiziert. Danach werden die Ursachen erklärt, bei denen sowohl genetische, als auch psychosoziale Faktoren eine Rolle spielen. Anchließend werden drei mögliche Therapieansätze vorgestellt und eine Prognose erstellt. Durch ein Interview mit einer Betroffenen werden weitere Erkenntnisse gewonnen.
Ein abschließendes Fazit beendet die Arbeit.
Inhalt
Einleitung
Definition
Klassifizierung
DSM-5
DSM-5 Alternativ-Modell
ICD-10
Ursachen
Genetische Faktoren
Psychosoziale Faktoren
Therapie
Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT)
Übertragungs-fokussierte Psychotherapie (TFP)
Die Mentalisierungs-basierte Therapie (MBT)
Prognose
Interview
Anamnese
Jugend
Erwachsenenalter
Symptomatik
Selbstprognose
Fazit
Quellenangaben
Einleitung
Ursprünglich dachte ich, dass betroffene Menschen alle jünger sind. Darum schien mir diese Erkrankung im gerontopsychiatrischen Bereich als nicht sonderlich relevant. Jedoch zog vor kurzem eine 78-jährige Dame auf unserem Wohnbereich ein, die auffallende parallele Narben an den Unterarmen und den Flanken aufweist.
In der Patientenakte war keine diesbezügliche Diagnose beschrieben. Die Bewohnerin selbst leidet unter starker Demenz, hat keine Kinder und der Ehemann verstarb vor kurzem. Es ist also kaum möglich, ein detailliertes Biografiegespräch zwecks psychosozialer Anamnese zu führen.
In den letzten Wochen las ich Fachlektüre zur BPS (Borderline Persönlichkeitsstörung) und ertappte mich dabei, in meinem Umfeld (beruflich und privat) auf Schnittverletzungen/Narben zu achten. Und ich war erstaunt und irritiert, dass BPS gar nicht so selten ist und in puncto Lebensalter keine Prioritäten setzt. Wie bei vielen anderen psychischen Erkrankungen reden jüngere im Gegensatz zu älteren Menschen eher darüber. Dies mag mit zunehmender Aufgeklärtheit und verringertem Schamgefühl zu tun haben.
Umso wichtiger ist es, den Blick zu schärfen und zu erkennen, dass sich hinter Diagnosen wie Demenz, Suchterkrankung oder Depression nicht selten unerkannt gebliebene Persönlichkeitsstörungen verbergen.
Eine gute Freundin, die selbst an BPS leidet, erklärte sich bereit,mir in mehreren Sitzungen als Interviewpartner zur Verfügung zu stehen. Die hieraus gewonnen Erkenntnisse sind Bestandteil meiner Facharbeit.
Definition
Bei der Borderline-Störung handelt es sich um eine Persönlichkeitsstörung, die durch Impulsivität und Instabilität von Emotionen und Stimmung, der Identität sowie zwischenmenschlichen Beziehungen charakterisiert ist. Es handelt sich um ein schwerwiegendes psychiatrisches Krankheitsbild, das auch als emotional instabile Persönlichkeitsstörung des Borderline-Typs bezeichnet wird.
Betroffene erleben sich als Opfer ihrer eigenen heftigen Stimmungs- und Gefühlsschwankungen, was zu extremer innerlicher Anspannung führen kann, die dann als unerträglich und peinigend erlebt wird. Viele setzen selbstschädigende Verhaltensweisen ein, um diese Anspannung zu verringern. Vor allem Schmerz spüren viele während der extremen Spannungsphasen kaum oder nur sehr wenig. Selbstverletzungen, Drogeneinnahmen und hoch riskante Aktivitäten lindern die Anspannung sofort, werden dadurch jedoch rasch zu suchtartigem Problemverhalten. Menschen, die an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden, fühlen sich innerlich zerrissen, haben ein gestörtes Selbstbild und eine gestörte Körperwahrnehmung. Sie leiden unter massiven Ängsten vor dem Alleinsein und instabilen Beziehungen.
Die Bezeichnung Borderline-Persönlichkeitsstörungen (borderline: "Grenzlinie) hat ihren Ursprung daher, weil man Betroffene nach psychoanalytischem Verständnis in eine Art Übergangsbereich von neurotischen und psychotischen Störungen ansiedelte, da Symptome aus beiden Bereichen identifiziert wurden.1
Klassifizierung
Die moderne Diagnostik2 hat sich von theoretischen Konzepten weitgehend gelöst. Sie beschränkt sich heute ganz darauf, Erlebens- und Verhaltensmuster zu beschreiben, die das Störungsbild kennzeichnen. Das zeigt sich auch durch die Aufnahme des Borderline-Begriffs in den Diagnostischen und statistischen Leitfaden psychischer Störungen (DSM) und die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten (ICD).
DSM-5
In dem aktuellen DSM-5 (dem Klassifikationssystem der American Psychiatric Association) ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung im Kapitel Persönlichkeitsstörungen verzeichnet. Es handelt sich um ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und in den Affekten sowie von deutlicher Impulsivität. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter und das Muster zeigt sich in verschiedenen Situationen.
Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:
- Verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden. (Beachte: Hier wird kein suizidales oder selbstverletzendes Verhalten berücksichtigt, das in Kriterium 5 enthalten ist.)
- Ein Muster instabiler und intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen, das durch einen Wechsel zwischen den Extremen der Idealisierung und Entwertung gekennzeichnet ist.
- Störung der Identität: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung.
- Impulsivität in mindestens zwei potenziell selbstschädigenden Bereichen, z. B. Geldausgaben, Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, „Essanfälle“. (Beachte: Hier werden keine suizidalen oder selbstverletzenden Handlungen berücksichtigt, die in Kriterium 5 enthalten sind.)
- Wiederholtes suizidales Verhalten, Selbstmordandeutungen oder -drohungen oder Selbstverletzungsverhalten.
- Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung, z. B. hochgradige episodische Misslaunigkeit, Reizbarkeit oder Angst, wobei diese Verstimmungen gewöhnlich einige Stunden und nur selten mehr als einige Tage andauern.
- Chronische Gefühle von Leere.
- Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren, z. B. häufige Wutausbrüche, andauernde Wut, wiederholte körperliche Auseinandersetzungen.
- Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome.
DSM-5 Alternativ-Modell
Das Alternativ-Modell des DSM-5 in Sektion III schlägt folgende diagnostische Kriterien vor:
Mittelgradige oder stärkere Beeinträchtigung im Funktionsniveau der Persönlichkeit, die sich durch typische Schwierigkeiten in mindestens zwei der folgenden Bereiche manifestiert:
- Identität: Deutlich verarmtes, wenig entwickeltes oder instabiles Selbstbild, oft mit exzessiver Selbstkritik; chronische Gefühle von innerer Leere; durch Belastung ausgelöste dissoziative Symptome.
- Selbststeuerung: Instabilität in Zielsetzungen, Vorlieben, Wertvorstellungen und beruflichen Plänen.
- Empathie: Eingeschränkte Fähigkeit, die Gefühle und Bedürfnisse anderer Personen zu erkennen, verbunden mit zwischenmenschlicher Überempfindlichkeit (beispielsweise eine Neigung, sich geringgeschätzt oder beleidigt zu fühlen); die Wahrnehmung anderer fokussiert auf negative Eigenschaften oder Vulnerabilitäten.
- Nähe: Intensive, aber instabile und konfliktreiche enge zwischenmenschliche Beziehungen, die durch Misstrauen, Bedürftigkeit und ängstliche Beschäftigung mit tatsächlichem oder vermeintlichem Verlassenwerden gekennzeichnet sind; nahe Beziehungen werden oftmals in Extremen von Idealisierung und Abwertung erlebt und alternieren zwischen Überinvolviertheit und Rückzug.
Mindestens vier der folgenden sieben problematischen Persönlichkeitsmerkmale, wenigstens eines davon ist Impulsivität, Neigung zu riskantem Verhalten oder Feindseligkeit.
- Emotionale Labilität: Instabiles emotionales Erleben und häufige Stimmungswechsel; heftige Emotionen bzw. Affekte sind leicht stimulierbar, hochgradig intensiv und/oder unangemessen hinsichtlich situativer Auslöser und Umstände.
- Ängstlichkeit: Intensive Gefühle von Nervosität, Anspannung oder Panik, oft ausgelöst durch zwischenmenschliche Spannungen; häufige Sorge über negative Auswirkungen vergangener unangenehmer Erlebnisse und über mögliche negative Entwicklungen in der Zukunft; ängstliche Gefühle, Besorgnis oder Bedrohungsgefühl bei Unsicherheit; Angst vor psychischem Zerfall oder Verlust der Kontrolle.
- Trennungsangst: Angst vor Zurückweisung und/oder Trennung von wichtigen Bezugspersonen, begleitet von Furcht vor übermäßiger Abhängigkeit und komplettem Autonomieverlust.
- Depressivität: Häufige Niedergeschlagenheit, Sich-elend-Fühlen und/oder Hoffnungslosigkeit; Schwierigkeit, sich von solchen Stimmungen zu erholen; Pessimismus hinsichtlich der Zukunft; tiefgreifende Schamgefühle; Gefühl der Minderwertigkeit; Suizidgedanken und suizidales Verhalten.
- Impulsivität: Handlungen erfolgen Hals über Kopf als unmittelbare Reaktion auf einen Auslöser, sie sind vom Augenblick bestimmt, ohne Plan oder Berücksichtigung der Folgen; Schwierigkeiten, Pläne zu entwickeln und zu verfolgen; Druckgefühl und selbstschädigendes Verhalten unter emotionalem Stress.
- Neigung zu riskantem Verhalten: Ausübung gefährlicher, risikoreicher und potenziell selbstschädigender Handlungen ohne äußere Notwendigkeit und ohne Rücksicht auf mögliche Folgen; Mangel an Bewusstsein für die eigenen Grenzen und Verleugnung realer persönlicher Gefahr.
- Feindseligkeit: Anhaltende und häufige Gefühle von Ärger; Ärger oder Gereiztheit bereits bei geringfügigen Kränkungen oder Beleidigungen.
ICD-10
Im ICD-10 (dem Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation) wird die Borderline-Persönlichkeitsstörung als einer von zwei Subtypen der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung aufgeführt:
- Der impulsive Typus dieser Störung ist geprägt durch mangelnde Impulskontrolle und unberechenbare Handlungen.
- Beim Borderline-Typus sind zusätzlich das eigene Selbstbild und das Beziehungsverhalten noch stärker beeinträchtigt. Dieser Typus entspricht ungefähr der Definition der Borderline-Störung im DSM-5.
Ursachen
Bis heute wird in der Literatur kontrovers über die Frage der Entstehung der Borderline-Störung diskutiert. In verschiedenen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass sich die genetischen Faktoren, die psychosozialen Faktoren und die dysfunktionalen Verhaltens- und Interaktionsmuster gegenseitig beeinflussen. Im Folgenden werden die verschiedenen Faktoren näher erläutert.
Genetische Faktoren
Im Allgemeinen wird heute davon ausgegangen, dass ca. 50% der Störung auf eine eindeutige genetische Disposition zurückzuführen sind und die restlichen 50 % auf entwicklungsbedingte und psychosoziale Faktoren.3
Da der BPS jedoch bisher kein bestimmtes Gen zugeordnet werden kann, ist eine gesicherte Zuordnung zwischen genetischen Faktoren und einer späteren Borderline-Störung derzeit nicht gegeben.
Psychosoziale Faktoren
Bei der Entstehung einer Borderline-Persönlichkeitsstörung spielen außerdem Psychosoziale Faktoren eine große Rolle4. Zu den Psychosozialen Faktoren gehören beispielsweise traumatische Erfahrungen wie Vernachlässigung und/oder körperliche bis hin zu sexueller Gewalt. Circa 65% der Patienten waren Opfer sexueller Gewalt, 60% erlitten körperliche Gewalt und unter schwerer Vernachlässigung litten 40% der Patienten5. Zwischen dem Grad von traumatischen Erfahrungen und dem Grad der Borderline-Störung besteht ein deutlicher Zusammenhang. Umso schwerer der sexuelle Missbrauch in der Kindheit, umso schwerwiegender die Störungen in der Emotionsregulation, Impulsivität und dem psychosozialen Verhalten. Jedoch gibt es auch Patienten, die keine besonders traumatischen Ereignisse erlebten oder auch Gewaltopfer, ohne jegliche Persönlichkeitsstörung. Aus diesem Grund bleibt weiterhin unklar, was der Erkrankung genau zugrunde liegt6.
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1 Vgl.: https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org, Prof. Dr. med. Sabine C. Herpertz, Heidelberg (DGPPN), zuletzt besucht am 02.03.2021
2 Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Borderline-Persönlichkeitsstörung, div. Autoren, zuletzt besucht am 04.03.2021
3 Vgl.: Borderline-Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter, Fleischhaker/Schulz, ISBN 978-3-540-68287-5, erschienen 2011
4 Vgl.: Borderline-Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter, Fleischhaker/Schulz, ISBN 978-3-540-68287-5, erschienen 2011
5 Vgl.: Psychopathologie und Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung, Bohus/Schmahl, Deutsches Ärzteblatt, 12/2066
6 Vgl.: Ratgeber Borderline-Störung, Bohus/Reicherzer, ISBN 3801717909, erschienen 2012
- Arbeit zitieren
- Marco Malchow (Autor:in), 2021, Die Borderline-Persönlichkeitsstörung. Klassifizierung, Ursachen und Therapiemöglichkeiten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1041095
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