In dieser Arbeit geht es um die Frage, wie die soziale Herkunft der Schüler*innen ihre schulischen Leistungen sowie ihr Sozialverhalten im Klassenzimmer beeinflusst.
Eine Antwort auf die Frage „What really goes on in classrooms?" könnte sein: Ein Grundlegungskurs im Sozialverhalten. Festgelegte – zum Teil unausgesprochene – Regeln und Routinen sind in diesem Grundlegungskurs inbegriffen, um den (offensichtlichen) Ansprüchen der Gesellschaft gewappnet zu sein und ihnen zu „genügen“. Warum sonst hängen Belohnungen nicht selten weniger mit den Leistungen als viel mehr mit einem konformen Umgang des heimlichen Lehrplans zusammen? Warum sonst werden Schüler*innen dafür belohnt, dass sie es überhaupt versuchen? Wird dabei der Versuch belohnt, den Erwartungen der Institution an das Handeln nachzukommen? .
Trotz fehlenden guten Schulleistungen werden diese Schüler*innen nur in den seltensten Fällen genauso behandelt, wie Schüler*innen mit gleichen Schulleistungen und mangelndem Sozialverhalten. Auf dem ersten Blick scheinen diese Erwartungen auch nichts Umstrittenes zu sein, aber auffälliger als die gute Führung, die sich auszahlt, ist die Beziehung zwischen dem heimlichen Lehrplan und Schülerschwierigkeiten. Lehrer*in-Schüler*in-Beziehungen werden mehr durch die Verletzung von Regeln als durch geistige Fehlleistungen gefährdet.
In diesem Sinne lernen Schüler*innen in der Schule auch, wie sie mithilfe bürokratischer Ordnungen an ein Leistungsziel kommen, ohne den geforderten Leistungen des Lernziels zu genügen – sei es mit Bluffen oder dem Schmeicheln des Lehrpersonals. Schüler*innen wissen, dass sie nicht für das Leben lernen, sondern für die Gesetzmäßigkeiten der Institution Schule wie beispielsweise für einen Leistungstest. Ist dieses Korrelieren der beiden Lehrpläne miteinander ergänzend oder widersprechend? Ist es notwendig oder hemmend?
Inhaltsverzeichnis
1. „WHAT REALLY GOES ON IN CLASSROOMS”? (JACKSON) (ZINNECKER, 1975, S. 8)
2. DER HEIMLICHE LEHRPLAN: EIN VERSUCH ZUR REFLEXION FÜR DIE PÄDAGOGISCHE ARBEIT
2.1. Der heimliche Lehrplan: Es werden Minderwertigkeitsgefühle entwickelt
2.2. Der heimliche Lehrplan: Sozial schwache Schülerinnen haben auch schlechtere Schulleistungen
2.3. Der heimliche Lehrplan: Die Entstehung des Gefühls vom Anderssein
1. „What really goes on in classrooms”? (Jackson, zitiert nach Zinnecker, 1975, S. 8)
Eine Antwort auf die Frage ,was im Klassenraum eigentlich passierf, könnte1 sein: Ein Grundlegungskurs im Sozialverhalten. Festgelegte - zum Teil unausgesprochene - Regeln und Routinen sind in diesem Grundlegungskurs inbegriffen, um den (offensichtlichen) Ansprüchen der Gesellschaft gewappnet zu sein und ihnen zu „genügen“. Warum sonst hängen Belohnungen nicht selten weniger mit den Leistungen als viel mehr mit einem konformen Umgang des heimlichen Lehrplans2 zusammen? Warum sonst werden Schülerinnen dafür belohnt, dass sie es überhaupt versuchen? Wird dabei der Versuch belohnt, den Erwartungen der Institution an das Handeln nachzukommen? Hausaufgaben werden gemacht - und sind falsch, Schülerinnen arbeiten mit - aber geben falsche Antworten, Schülerinnen arbeiten still und augenscheinlich konzentriert mit dem Buch - können den Inhaltjedoch nicht wiedergeben und genügen somit den Leistungsanforderungen nicht. Die ebengenannten Beispiele scheinen - reduziert auf das Verhalten - ein Muster von Schülerinnen zu sein. Trotz fehlenden guten Schulleistungen werden diese Schülerinnen nur in den seltensten Fällen genauso behandelt, wie Schülerinnen mit gleichen Schulleistungen und mangelndem Sozialverhalten. Auf dem ersten Blick scheinen diese Erwartungen auch nichts Umstrittenes zu sein, aber auffälliger als die gute Führung, die sich auszahlt, ist die Beziehung zwischen dem heimlichen Lehrplan und Schülerschwierigkeiten3 4. Lehrerin-Schülerin-Beziehungen werden mehr durch die Verletzung von Regeln als durch geistige Fehlleistungen gefährdet (Zinnecker, 1975, S. 30)3.
In diesem Sinne lernen Schülerinnen in der Schule auch, wie sie mithilfe bürokratischer Ordnungen an ein Leistungsziel kommen, ohne den geforderten Leistungen des Lemziels zu genügen - sei es mit Bluffen oder dem Schmeicheln des Lehrpersonals. Schülerinnen wissen, dass sie nicht für das Leben lernen, sondern für die Gesetzmäßigkeiten der Institution Schule wie beispielsweise für einen Leistungstest (Veith, 2008, S. 46). Ist dieses Korrelieren der beiden Lehrpläne miteinander ergänzend oder widersprechend? Ist es notwendig oder hemmend?
2. Der heimliche Lehrplan: Ein Versuch zur Reflexion für die pädagogische Arbeit
Reflektiert auf die Bedeutung für die pädagogische Arbeit ist das Ineinander-Übergehen der beiden Lehrpläne und die gleichzeitige Tabuisierung des geheimen Lehrplans eher kritisch zu betrachten. Die Anforderungen an die geistige Leistungsfähigkeit werden nicht von den Anforderungen an die institutioneile Anpassungsfähigkeit getrennt, weshalb die Fairness nicht ausreichend gewährleistet werden kann. Gutes Verhalten und schlechte Schulleistungen kann auf dem Zeugnis eine gleiche oder ähnliche Note erzeugen wie schlechtes Verhalten und gute Schulleistungen. Was bringt einem Menschen die Fähigkeit, das Lehrpersonal zufriedenzustellen, aber den Alltag alleine nicht gestalten zu können? Außerdem gibt es noch die Möglichkeit sowohl konformes Verhalten als auch eine angemessene Entwicklung intellektueller Fähigkeiten zu zeigen. Diese Schülerinnen werden dann häufig als „Verräter“, „Lehrers Liebling“, „Streber“ oder „Spießer“ betitelt. Wie viele Schülerinnen existieren, die adäquates Verhalten und gute Schulleistungen vereinen könnten, aber lieber ein „gute Kumpel“ sein möchten, als den Schulautoritäten nachzukommen, um den Respekt einer Lehrperson zu erlangen, die gerade mal ein paar Stunden am Tag eine Rolle spielt? Wie sehr wirkt sich diese Bestätigung von außen auf das eigene Selbstbild und die Bildung von eigenen Werten aus? Die Aufgabe von Schülerinnen ist es, sich zu entscheiden, welcher Welt sie mehr angehören. Der Welt einer sozialen Ordnung oder der Welt geprägt von Geistreichem?
Das Reflektieren der Bedeutung für die pädagogische Arbeit wirft offensichtlich viele Fragen auf, die in diesem Rahmen unzureichend beantwortet werden können. Dennoch soll versucht werden, einige Anstöße darzustellen. Anhand konkreter Beispiele werden nun Folgen des geheimen Lehrplans aufgezeigt und Möglichkeiten dargelegt, diesen negativen Folgen entweder präventiv oder intervenierend entgegenzuwirken.
2.1. Der heimliche Lehrplan: Es werden Minderwertigkeitsgefühle entwickelt
Um diesem sogenannten geheimen Lehrplan Folge zu leisten, sollten Schülerinnen also zusammenfassend den Maßstäben von Schule einwilligen, wobei die eigene Entfremdung zur Lebensregel werden könnte. EswerdenMinderwertigkeitsgefühle entwickelt, da Schülerinnen mit ihren persönlichen Werten eventuell nicht an ihr Ziel kommen und sich dementsprechend den Werten der Institution fügen. Das Selbstwertgefühl wird durch Selbstentfremdung untergraben, aber durch die Haltung an gesetzte schulische Voraussetzungen stückweise wieder aufgebaut. Der geheime Lehrplan hält für Schülerinnen am Ende also wieder ein positives Selbstwertgefühl bereit, indem die Schule den Kindern eine Identität gibt, mit der sich im Unterricht arbeiten lässt. (Zinnecker, 1975, S. 42)
An dieser Stelle eignet sich der Hinweis aus das 4-Ohren-Modell von Schulz von Thun:
„Eine Lehrerin ruft zu Beginn der Mathematikstunde einen Schüler auf und stellt ihm eine sehr einfache Aufgabe mit den Worten: „Jetzt wollen wir doch mal sehen, ob die PISA-Befunde stimmen. Paul, geh’ mal an die Tafel und zeig’ uns, was Du kannst!“ Der Schüler wird in dieser Situation sprichwörtlich vor ein Sachproblem gestellt und muss gleichzeitig überlegen, was ihm die Lehrerin auf der Beziehungsebene mitteilt (SchulzvonThun, 2021)“ (Veith, 2008, S. 48).
Wie ist es machbar, dass sich diese Minderwertigkeitsgefühle bei Schülerinnen gar nicht erst entwickeln? Die Antwort liegt auf der Hand: Sie sollten persönliche Werte aufbauen und ihnen folgen, anstatt sich den Werten der Institution hinzugeben. Die Heranwachsenden werden zwar nicht gezwungen, den institutionell definierten Kriterien zu entsprechen, aber sollten sie es nicht tun, versagen sie und das möchte vermutlich niemand freiwillig.
Eine Lösungsmöglichkeit aus diesem Kreislauf heraus ist eine Arbeit nach dem Prinzip der Heterogenität und Inklusion. Dazu gehört nicht nur das Wissen über Vielfältigkeit in den Persönlichkeiten der Kinder, sondern dazu zählt vor allem ein gezielter Umgang und die Entwicklung von Ideen in Aus-, Fort- und Weiterbildungen. Ziel soll die Bereicherung von Diversität in der Praxis sein. Mit der Bildung für alle sollte auch die Möglichkeit der Selbstentfaltung - unabhängig von Geschlecht, Herkunft, sozialen und ökonomischen Voraussetzungen oder individueller Förderbedürfnisse - für alle zentral sein.
Lehrerinnen arbeiten als „moderne Diener der öffentlichen Hand“ (Veith, 2008, S. 69).
Wenn Lemziele immer mehr differenziert - und auf heterogene Gruppen abgestimmt - erarbeitet werden, bleiben Lehrerinnen somit ihren Aufgaben der Institution treu und schaffen eine Möglichkeit, Minderwertigkeitsgefühle von Kindern aufgrund von mangelndem Selbstwert entgegenzuwirken. Eine positive Einstellung zu Vielfalt kann eine produktive Ressource für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung sein, solange der Fokus in der Bildung auf die Inklusion gerichtet wird. Dieser Unterpunkt könnte thematisch hinsichtlich einer vielfältigen kulturellen und sozialen Gestaltung - wie beispielsweise Gender Mainstreaming5 oder Antidiskriminierung - weitergeführt werden, doch das soll nicht mehr Teil dieser Arbeit sein (Emstson & Meyer, 2013, S. 10).
2.2. Der heimliche Lehrplan: Sozial schwache Schülerinnen haben auch schlechtere Schulleistungen
Die fehlende soziale Anpassung, welche - wie eingangs erläutert - am heimlichen Lehrplan orientiert ist, bestätigt das möglicherweise gleichzeitige Fehlen schulischer Leistung. Schulischer Lernerfolg und die Leistungsentwicklung hängen nur bedingt von individueller Begabung ab (Veith, 2008, S. 44).
Präventiv können Lehrerinnen an dieser Stelle mit einer umfassenden Selbstreflexion arbeiten. Ist Lehrerinnen bewusst, dass die fehlende soziale Anpassungsfähigkeit von Schülerinnen auf das soziale Umfeld zurückzuführen ist, können gezielte Fördermöglichkeiten Abhilfe schaffen. Sind die Schulleistungen schon schlecht und Lehrerinnen stehen vor der Entscheidung, eine geeignete Wahl für den Schulübertritt zu treffen, sollte auch hier selbstreflektierend beurteilt werden, an welcher Schule - ein Stück weit unabhängig von den Schulleistungen - der*die Schülerin aufgehoben wäre.
Neben der fachlichen Qualifikation müssen sich Lehrerinnen stets in ihren sozialen und methodischen Kompetenzen üben. Dabei ist vor allem ein gelungener Umgang mit der Vielfalt und den individuellen Lebenswelten der Schülerinnen signifikant (Ernstson & Meyer, 2013, S. 10).
[...]
1 AUSBLICKSMÖGLICHKEITEN 6
2 bezeichnet schulische Sozialisationsprozesse, die in den curricularen Vorgaben nicht direkt beschrieben sind (Kandzora, 1996, S. 71).
3 Im Sinne einer flüssigen Lesbarkeit wird an dieser Stelle auf das Gendem verzichtet, obwohl das männliche als auch das
4 weibliche Geschlecht gleichermaßen angesprochen wird.
5 Die Gleichstellung von Mann und Frau
- Citar trabajo
- Charleen Krahl (Autor), 2020, Soziale Etikettierung und heimlicher Lehrplan. Reflexion und Aussicht im Hinblick auf die pädagogische Arbeit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1040613
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