Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es zu untersuchen, ob und wie die Beihilfe zum Suizid mit den rechtlichen, medizinischen und ethischen Grundsätzen vereinbart werden kann. Auch die Frage, ob die Suizidbeihilfe in Deutschland überhaupt notwendig ist und zu einer Selbstbestimmung oder Fremdbestimmung im Sterben führt, wird anhand unterschiedlicher Aspekte analysiert. Basis der Überlegungen sind eine umfassende Literaturarbeit und fünf geführte Experteninterviews, durch welche es möglich war, Kriterien und Voraussetzungen zur medizinischen und ethischen Vereinbarkeit zu definieren. Auch der Gefahr der Fremdbestimmung kann durch Vorgabe gewisser Anspruchsvoraussetzungen, die in der Ausarbeitung hinreichend dargelegt werden, und einer strengen Kontrolle begegnet werden. Natürlich ist es nicht möglich alle Bedenken und Missbrauchsgefahren in ihrer Gänze zu beseitigen, trotzdem hat sich gezeigt, dass es medizinische Situationen gibt, in denen die Beihilfe zum Suizid eine sinnvolle und humane Alternative für schwerkranke Menschen darstellen kann.
Das Bedürfnis selbstbestimmt über das eigene Leben und den eigenen Tod entscheiden zu können, ist ein zunehmendes Verlangen unserer heutigen Gesellschaft. Das Thema Sterbehilfe spielt hierbei eine zentrale Rolle und wird bereits seit mehreren Jahren in Deutschland thematisiert. Sterbehilfedebatten berufen sich immer wieder auf die Prinzipien der Menschenwürde und Autonomie, welche sogar im Grundgesetz fest verankert sind. Im Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht den § 217 StGB, der die geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid unter Strafe gestellt hat, für nichtig erklärt. Seither beschäftigt sich Deutschland mit der Suizidbeihilfe und versucht einen sinnvollen gesetzlichen Rahmen für die Inanspruchnahme zu definieren. Eine endgültige Gesetzeslage liegt derzeit noch nicht vor. Aus medizinischer und ethischer Sicht ist das Thema Beihilfe zum Suizid ein sehr umstrittenes Thema. Im Hinblick auf die Selbstbestimmung stellt sich die Frage, ob die Beihilfe zum Suizid wirklich zu einem selbstbestimmten Tod führt oder mit der Unfreiheit zum Leben einhergeht.
Inhaltsverzeichnis
Abstrakt
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Aufbau
2 Überblick zum Thema Sterbehilfe
2.1 Was ist Sterbehilfe?
2.2 Arten der Sterbehilfe
2.3 Euthanasie
3 Nichtigkeitserklärung des § 217 StGB
3.1 Gesetzeslage vor der Nichtigkeitserklärung
3.2 Gesetzeslage nach der Nichtigkeitserklärung
4 Freiheit zum Tod oder Unfreiheit zum Leben?
4.1 Selbstbestimmung am Lebensende
4.2 Patientenverfügung
4.3 Grundsätze ärztlichen Handelns
4.4 Prinzipien der Medizinethik
4.5 Kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Sterbehilfe
5 Vergleich mit den Nachbarländern
5.1 Sterbehilfe in den Niederlanden
5.2 Sterbehilfe in der Schweiz
5.3 Vergleich zu Deutschland
6 Versorgung schwerstkranker Menschen
6.1 Palliativversorgung
6.1.1 Begriffserklärung
6.1.2 Palliative Versorgungssettings
6.2 Hospiz
6.2.1 Begriffserklärung
6.2.2 Formen der Hospizarbeit
6.3 Finalversorgung von Tumorkranken
7 Methodik
7.1 Qualitatives Forschungsdesign
7.1.1 Allgemeines
7.1.2 Gütekriterien qualitativer Forschung
7.1.3 Erhebungsmethode- Experteninterview
7.1.4 Interviewpartner
7.1.5 Durchführung und Aufbereitung der Interviews
7.2 Methodisches Vorgehen- Qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz
8. Ergebnisse
8.1 Ergebnisdarstellung
8.2 Ergebnisinterpretation
9. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhangsverzeichnis
Anhang A
Anhang B
Anhang C
Abstrakt
Das Bedürfnis selbstbestimmt über das eigene Leben und den eigenen Tod entscheiden zu können, ist ein zunehmendes Verlangen unserer heutigen Gesellschaft. Das Thema Sterbehilfe spielt hierbei eine zentrale Rolle und wird bereits seit mehreren Jahren in Deutschland thematisiert. Sterbehilfedebatten berufen sich immer wieder auf die Prinzipien der Menschenwürde und Autonomie, welche sogar im Grundgesetz fest verankert sind. Im Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht den § 217 StGB, der die geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid unter Strafe gestellt hat, für nichtig erklärt. Seither beschäftigt sich Deutschland mit der Suizidbeihilfe und versucht einen sinnvollen gesetzlichen Rahmen für die Inanspruchnahme zu definieren. Eine endgültige Gesetzeslage liegt derzeit noch nicht vor. Aus medizinischer und ethischer Sicht ist das Thema Beihilfe zum Suizid ein sehr umstrittenes Thema. Im Hinblick auf die Selbstbestimmung stellt sich die Frage, ob die Beihilfe zum Suizid wirklich zu einem selbstbestimmten Tod führt oder mit der Unfreiheit zum Leben einhergeht.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es zu untersuchen, ob und wie die Beihilfe zum Suizid mit den rechtlichen, medizinischen und ethischen Grundsätzen vereinbart werden kann. Auch die Frage, ob die Suizidbeihilfe in Deutschland überhaupt notwendig ist und zu einer Selbstbestimmung oder Fremdbestimmung im Sterben führt, wird anhand unterschiedlicher Aspekte analysiert. Basis der Überlegungen sind eine umfassende Literaturarbeit und fünf geführte Experteninterviews, durch welche es möglich war, Kriterien und Voraussetzungen zur medizinischen und ethischen Vereinbarkeit zu definieren. Auch der Gefahr der Fremdbestimmung kann durch Vorgabe gewisser Anspruchsvoraussetzungen, die in der Ausarbeitung hinreichend dargelegt werden, und einer strengen Kontrolle begegnet werden. Natürlich ist es nicht möglich alle Bedenken und Missbrauchsgefahren in ihrer Gänze zu beseitigen, trotzdem hat sich gezeigt, dass es medizinische Situationen gibt, in denen die Beihilfe zum Suizid eine sinnvolle und humane Alternative für schwerkranke Menschen darstellen kann.
Schlüsselwörter: Selbstbestimmung, Medizin, Ethik, Fremdbestimmung, medizinische Kriterien, Anspruchsvoraussetzungen
The need to decide about one`s own life and death is an increasing demand in today's society. Euthanasia plays a central role and has been discussed in Germany for years. The most important basis for Euthanasia debates are the human dignity and autonomy, which are included in the German law. The Federal Constitutional Court declared § 217 StGB in February 2020, which prohibited assisted suicide. Since the decision of the Federal Constitutional Court, Germany is trying to define a reasonable legal framework for claiming the right for assisted suicide. So far, no final legislation has been passed yet on this subject.
From a medical and ethical point of view, assisted suicide is a rather controversial issue. The question is, whether assisted suicide really guarantees a self-determined death or whether it ends with heteronomy.
The ambition of the thesis is to investigate, whether and how assisted suicide can be reconciled with medical and ethical principles. Another question is, whether assisted suicide is even necessary in Germany and helps people to a more self-determined death or ends up with heteronomy. Based on literature review and five expert interviews, it was possible to define certain medical criteria and requirements for medical and ethical compatibility. For guaranteeing self- determination in death and avoiding heteronomy, it is necessary to define some eligibility requirements and control the act of assisted suicide. The investigation also showed, that assisted suicide can be a sensible alternative in certain situations.
Keywords: self-determination, medicine, ethics, heteronomy, medical criteria, eligibility requirements
Abkürzungsverzeichnis
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
GG Grundgesetz
StGB Strafgesetzbuch
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
Seit mehreren Jahren wird die Sterbehilfe in Deutschland thematisiert. Befürworter der Sterbehilfe berufen sich auf die Autonomie und Selbstbestimmung der Menschen und fordern das Recht auf einen selbstbestimmten Tod. In unseren Nachbarländern, der Niederlande und der Schweiz, ist die Sterbehilfe bereits seit einigen Jahren unter gewissen Voraussetzungen straffrei. Die steigenden Sterbehilfezahlen der Nachbarländer beweisen, dass die „Hilfe zur Selbsttötung“ mit einer zunehmenden Normalität im Alltag einhergeht. Auch Deutsche können die Sterbehilfe unter anderen über den Verein DIGNITAS der Schweiz in Anspruch nehmen. (Kreß, 2009, S. 268; Spaemann, Hohendorf, Oduncu & Lütz, 2016, S. 130; Pfaff, 2019)
Die Relevanz des Themas begründet sich dadurch, dass das Bundesverfassungsgericht nach zahlreichen Klagen und Verfassungsbeschwerden das Sterbehilfeverbot im Februar 2020 gekippt und den 2015 verabschiedeten § 217 StGB für nichtig erklärt hat. Seitdem steht die geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid nicht mehr unter Strafe. Bislang liegen noch keine abschließenden Regelungen vor. Der Gesetzgeber wird jedoch über kurz oder lang Richtlinien zur Regulierung und Beschränkung der Suizidbeihilfe definieren. (Grunert, 2019; Deutsches Ärzteblatt, 2020a)
Da das Thema Sterbehilfe ein hoch brisantes und sehr umstrittenes Thema ist, ist zu überprüfen, inwieweit die erlaubte Beihilfe zum Suizid überhaupt mit den ethischen und medizinischen Grundsätzen vereinbart werden kann. Auch stellt sich die Frage, ob die Nichtigkeitserklärung des § 217 StGB überhaupt ein selbstbestimmtes Sterben ermöglicht oder unfreiwillig zum Tod führt. Darauf aufbauend werden die bereits erlaubten Sterbehilfeformen und die Palliativversorgung in Deutschland dargelegt und die Notwendigkeit der Suizidbeihilfe diskutiert.
Um Irritationen hinsichtlich der verschiedenen Definitionsmöglichkeiten der „Beihilfe zum Suizid“ vorwegzunehmen, wird an dieser Stelle darauf verwiesen, dass die Begrifflichkeiten „Beihilfe zum Suizid“, „Suizidbeihilfe“ und „Beihilfe zur Selbsttötung“ stets den gleichen Inhalt haben. Der Begriff „geschäftsmäßig“ wird überwiegend nicht verwendet.
1.2 Zielsetzung und Aufbau
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Legalisierung der Suizidbeihilfe, welche aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und bewertet werden soll. Wegweisend hierzu wurden vier Forschungsfragen formuliert, die im Folgenden kurz vorgestellt werden. „Ist die Legalisierung der geschäftsmäßigen Beihilfe zum Suizid aus medizinischer und ethischer Sicht vertretbar“, „Unter welchen Grundsätzen und Bedingungen ist die Beihilfe zum Suizid aus ethischer, medizinischer und rechtlicher Sicht zu vertreten“, „Inwieweit ist selbstbestimmtes Sterben in Deutschland nach der Nichtigkeitserklärung des § 217 StGB möglich“, „Ist die Beihilfe zum Suizid in Deutschland überhaupt notwendig? Reicht die palliative Versorgung, die Patientenverfügung und die erlaubte passive und indirekte Sterbehilfe für einen selbstbestimmten Tod aus“.
Für die Beantwortung der Forschungsfragen wird relevante Literatur herangezogen, welche eine Übersicht über die Sterbehilfeformen ermöglicht, die Gesetzeslage vor und nach der Nichtigkeitserklärung des § 217 StGB darlegt, Grundsätze der Selbstbestimmung, ärztlichen Handelns und der Medizinethik beschreibt und sich außerdem kritisch mit diesem Thema auseinandersetzt. Da die Sterbehilfe in unseren Nachbarländern, den Niederlanden und der Schweiz, bereits seit vielen Jahren straffrei ist, wird die gesetzliche Lage vergleichend zu Deutschland kurz aufgezeigt. Anschließend wird die Versorgung schwerstkranker Menschen in Bezug auf die Palliativ- und Hospizversorgung in Deutschland behandelt. Um das Thema Beihilfe zum Suizid abzurunden und mit einer medizinischen Expertise zu versehen, wurden Experteninterviews mit Ärzten geführt und durch die qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet. Das Vorgehen zur Datenerhebung und Datenauswertung wird in der Methodik ausführlich beschrieben. Die aus den Interviews und aus der Auswertung gewonnenen Ergebnisse werden im Ergebnisteil dargestellt und kritisch analysiert. Ziel ist es die zu Beginn formulierten Forschungsfragen zu beantworten und die Relevanz der Suizidbeihilfe aus unterschiedlichen Aspekten aufzuzeigen.
Zur besseren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulinum verwendet, wobei beide Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.
2 Überblick zum Thema Sterbehilfe
2.1 Was ist Sterbehilfe?
Für den Begriff „Sterbehilfe“ existiert keine allgemeingültige Definition. Er beschreibt viele unterschiedliche medizinische Maßnahmen, die sich hinsichtlich ihrer Bedeutung unterscheiden. (Oduncu, 2008, S. 229) Insgesamt können vier Sterbehilfeformen unterschieden werden, die aktive Sterbehilfe, die passive Sterbehilfe, die Beihilfe zum Suizid und die indirekte Sterbehilfe. (Gerhard, 2015, S. 166)
Was alle vier Formen der Sterbehilfe gleichermaßen beschreiben, ist die Handlung einer dritten Person, die eine sterbewillige Person bei der Umsetzung des Todeswunsches unterstützt. Hierbei geht es einerseits darum, Schwerverletzte oder unheilbar erkrankte Menschen auf Verlangen von ihrem Leiden zu erlösen, andererseits umfasst der Begriff Sterbehilfe die Beendigung von lebenserhaltenden Maßnahmen und die Sterbebegleitung. (ZÖLLNER, 2015, S. 37; Preidel, 2016, S. 3)
2.2 Arten der Sterbehilfe
Wie bereits in Abschnitt 2.1 beschrieben, können insgesamt vier verschiedene Arten der Sterbehilfe unterschieden werden.
Die aktive Sterbehilfe ist ein Eingriff zur Lebensbeendigung eines Menschen, der direkt auf die Tötung abzielt. Für gewöhnlich werden dem Patienten giftige Stoffe oder überdosierte Medikamente verabreicht, welche unmittelbar zum Tod führen. Die Tatherrschaft liegt bei einer dritten Person, welche die Tötung vornimmt. Eine zwingende Einwilligung von Seiten des Patienten ist nicht erforderlich. (ZÖLLNER, 2015, S. 38; Gerhard, 2015, S. 166)
Im Gegensatz zur aktiven Sterbehilfe werden bei der passiven Sterbehilfe lebenserhaltende Maßnahmen auf Wunsch des Patienten eingestellt, wodurch das Sterben als natürlicher Prozess zugelassen werden soll. Durch die Beendigung der lebenserhaltenden Maßnahmen und dem Todeseintritt des Patienten, wird der Arzt zum „Sterbehelfer“. An dieser Stelle soll angemerkt werden, dass der Ausdruck „passive Sterbehilfe“ in der Literatur häufig als unglückliche Formulierung bezeichnet wird, da eine ärztliche Handlung nie passiv sein kann. Es geht vielmehr darum, durch die Einstellung der lebenserhaltenen Maßnahmen einen natürlichen Sterbeprozess in Gang zu setzen. Gleichzeitig ist eine Intensivierung der psychischen Betreuung, Schmerztherapie und Grundpflege erforderlich, um dem Patienten ein schmerzfreies Sterben zu ermöglichen. (Frieß, 2010, S. 16–17; Preidel, 2016, S. 37–38)
Als dritte Sterbehilfeform ist die Beihilfe zur Selbsttötung näher zu erläutern, welche auch unter der Bezeichnung Beihilfe zum Suizid bekannt ist. Im Unterschied zur aktiven Sterbehilfe beschränkt sich die Hilfestellung bei der Beilhilfe zum Suizid auf die Bereitstellung des Tötungsmittels. Der Tod wird vom Sterbewilligen selbst vollstreckt, wodurch die Tötungshandlung als Selbstmord zu werten ist. (Preidel, 2016, S. 3)
Die indirekte Sterbehilfe, als letzte Sterbehilfeform, ist eine medizinische Therapie, welche auf die Schmerzlinderung ausgerichtet ist. Durch die Gabe von hohen Schmerzmitteldosen kann der Todeseintritt des Patienten beschleunigt werden. Da die mögliche Lebensverkürzung der Patienten seitens des Behandlers in Kauf genommen wird, ist von einer indirekten Sterbehilfe die Rede. Der Tod des Patienten ist somit nicht ausschließlich die Folge der Grunderkrankung, sondern auch auf die medikamentöse Behandlung zurückzuführen. Im Gegensatz zur aktiven Sterbehilfe ist die Intention der Schmerzmittelgabe nicht, den Tod des Patienten herbeizuführen, sondern dem Patienten Schmerzfreiheit zu ermöglichen. Die Intention des Behandlers ist für die Abgrenzung zwischen der aktiven und indirekten Sterbehilfe von großer Bedeutung. (Frieß, 2010, S. 19; ZÖLLNER, 2015, S. 37)
2.3 Euthanasie
Der Begriff „Euthanasie“ taucht erstmals im 5. Jahrhundert vor Christus auf und wird in der Literatur immer wieder als Synonym für einen schönen Tod verwendet. Von einer Beihilfe zur Tötung ist in der älteren Literatur nichts beschrieben, es geht vielmehr um ein leichtes und schmerzloses Sterben. Die Bedeutung der Euthanasie hat sich in der Geschichte mehrfach gewandelt. Bereits im 16. Jahrhundert wurde mit diesem Begriff eine ärztliche Handlung zur Erleichterung des Sterbeprozesses in Zusammenhang gebracht. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts richtete sich der Fokus auf die Begleitung kranker und sterbender Menschen, welche die Schmerzlinderung, die Pflege und seelische Betreuung umfasste. Eine Lebensverkürzung war keine Intention der Behandlung und wurde seitens der Ärzte abgelehnt. Erst im 20. Jahrhundert wurde der Begriff Euthanasie erstmals mit einer gezielten Tötung auf Verlangen in Verbindung gebracht. Grund war die Erkenntnis, dass eine Lebensverlängerung bei einer schweren Krankheit auch eine Verlängerung des Leidens bedeutete. Zeitgleich tauchte das Verständnis der Ideologie der Rassenhygiene auf, welche als Ziel die Pflege des Erbgutes hatte. Eine Umsetzung der Rassenhygiene fand während des Nationalsozialismus statt und wurde mit der Vernichtung „lebensunwerter“ Menschen assoziiert. Aufgrund dieser Entwicklung wird der Begriff Euthanasie in Deutschland wenig verwendet. Als Synonym hat sich der Begriff Sterbehilfe etabliert. (ZÖLLNER, 2015, S. 36–37)
3 Nichtigkeitserklärung des § 217 StGB
3.1 Gesetzeslage vor der Nichtigkeitserklärung
Am 06.11.2015 wurde der § 217 Abs. 1 StGB vom Bundestag mit Wirkung zum 10.12.2015 beschlossen. Durch dieses Gesetz wurde die Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe gestellt. Primäres Ziel von § 217 StGB war es, organisierte Formen der Beihilfe zum Suizid, die auf Wiederholungstätigkeiten ausgelegt sind, zu verbieten. (Bodendieck et al., 2017, S. 334–335)
„§ 217 Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung
(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ (§ 217 Abs. 1 StGB)
Für die Feststellung der Strafbarkeit einer Suizidbeihilfe wurden damals drei Voraussetzungen zur Überprüfung definiert. Als Voraussetzungen wurden die Förderung der Selbsttötung, die Geschäftsmäßigkeit und die Absicht der Selbsttötung aufgeführt, welche für einen besseren Überblick kurz erläutert werden. Eine „Förderung zur Selbsttötung“ liegt immer dann vor, wenn die Selbsttötung einer anderen Person ermöglicht oder erleichtert wird. Bei der Definition der „Geschäftsmäßigkeit“ geht es nicht um die Gewinnerzielungsabsicht, sondern um die Wiederholungsbereitschaft des Sterbehelfers. Hierbei ist es unerheblich, ob es zu einer tatsächlichen Wiederholung kommt oder nicht. Die Definition der „Absicht“ fokussiert die angestrebte Zielerreichung des Sterbehelfers. Ziel darf es nicht sein, den Tod des Patienten „absichtlich“ herbeizuführen. (Bodendieck et al., 2017, S. 334–335)
Die neue gesetzliche Regelung im Jahr 2015 löste bei Ärzten und Mitarbeitern im Gesundheitswesen große Unsicherheit aus. Gerade in der Palliativversorgung gehört es zur Aufgabe des medizinischen Personals, sich mit Suizidwünschen respektvoll auseinanderzusetzen und nach einer sinnvollen Lösung für die Patienten und Angehörigen zu suchen. Auch die Verordnung hoch dosierter Schmerzmedikamente wurde angesichts ihrer Legalität seitens der Ärzte hinterfragt. (Tolmein & Radbruch, 2017, S. 304–306) Zahlreiche Debatten, Verfassungsbeschwerden und Klagen von Ärzten, Vereinen und Patienten wurden eingereicht. Immer wieder wurde thematisiert, dass ein selbstbestimmtes und würdiges Sterben durch den § 217 StGB nicht möglich sei. Mehrmals wurde der § 217 StGB vom Bundesverfassungsgericht überprüft und letztendlich im Februar 2020 für nichtig erklärt. (Grunert, 2019)
3.2 Gesetzeslage nach der Nichtigkeitserklärung
Als Begründung für die Nichtigkeitserklärung des Sterbehilfeparagrafen wurden vom Bundesverfassungsgericht das Recht der Selbstbestimmung, das Persönlichkeitsrecht und die Autonomie jedes Menschen angeführt. Eine gesetzliche Regelung durch den Gesetzgeber ist nach der Nichtigkeitserklärung trotzdem möglich. Sicherzustellen sind die Dauerhaftigkeit und Ernsthaftigkeit des Sterbewillens und die freie Entscheidung der betroffenen Personen. Auch die Aufklärungspflicht gegenüber Patienten ist in der Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts betont worden. Eine Verpflichtung des Arztes zur Suizidbeihilfe lässt sich aus der Nichtigkeitserklärung nicht ableiten, ein genereller Anspruch der Patienten besteht nicht. (Deutsches Ärzteblatt, 2020a)
Trotz Nichtigkeitserklärung des § 217 StGB ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber Normen zur Beschränkung und Regulierung der Suizidbeihilfe erlassen wird, wobei das Recht des Sterbens hierbei nicht verhindert oder unangemessen erschwert werden darf. Allerdings ist anzumerken, dass nicht für jede Art der Suizidbeihilfe im Voraus eine Straffreiheit garantiert werden kann. Wird ein potenzieller Suizident getäuscht und zum Suizid gedrängt, ist eine Verurteilung des Suizidhelfers wegen Totschlags in unmittelbarer Täterschaft nach § 212 StGB möglich. (Hennig & Paschke, 2020)
Aktuell gibt es noch keinen gültigen Gesetzesentwurf zur Suizidbeihilfe. Nach der Nichtigkeitserklärung des § 217 StGB ist die Beihilfe zum Suizid zwar straffrei, klare Regeln liegen bislang aber noch nicht vor, was dazu führt, dass ein rechtsfreier Raum rund um das Thema Beihilfe zum Suizid entstanden ist. Zuletzt wurden am 29.01.21 von verschiedenen Bundestagsabgeordneten zwei Gesetzesentwürfe vorgestellt. Der erste Gesetzesentwurf sieht vor, dass Sterbewillige zu einer Beratung verpflichtet werden sollen und gewisse Wartefristen eingehalten werden müssen.
Der zweite Entwurf fordert eine Differenzierung zwischen dem Suizidwunsch aufgrund einer schweren Erkrankung und dem Suizidwunsch aus anderen Gründen. Bei Patienten mit einer schweren Erkrankung ist der Sterbewille von einem Arzt zu überprüfen und zunächst eine Beratung über alternative Therapien durchzuführen. Ist sich der Patient seines Suizidwunsches weiterhin sicher, darf nach ärztlicher Zweitmeinung eine Verschreibung des tödlichen Medikaments erfolgen. Bei einem Suizidwunsch aus sonstigen Gründen sollen höhere Anforderungen definiert werden, um sicherzustellen, dass der Wunsch zur Lebensbeendigung dauerhaft und selbstbestimmt ist. Um eine selbstbestimmte und dauerhafte Entscheidung der Sterbewilligen gewährleisten zu können, sind laut Gesetzesentwurf, entsprechende Beratungsstellen öffentlich zu finanzieren und unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. (Deutsches Ärzteblatt, 2021; Fricke, 2021)
4 Freiheit zum Tod oder Unfreiheit zum Leben?
4.1 Selbstbestimmung am Lebensende
Die Selbstbestimmung in Bezug auf die Sterbehilfe ist das zunehmende Bedürfnis der Menschen, über das Lebensende und über medizinische Maßnahmen selbstständig und eigenverantwortlich entscheiden zu können. Die Beachtung und Aufrechterhaltung der Menschenwürde beim Sterben ist als Kennzeichen der Selbstbestimmung zu verstehen. (Borasio, 2014, S. 186)
Ein Streitpunkt in der Sterbehilfedebatte bezieht sich auf die Frage, wer über den Tod entscheiden darf. Sterbehilfebefürworter berufen sich auf das Selbstbestimmungsrecht und die Autonomie jedes Menschen und sehen diese beiden Grundrechte als ethische und rechtliche Grundlage für die Gewährung von Sterbehilfe. Es wird immer wieder betont, dass der Patient frei über das „Wann“ und „Wie“ seines Todes zu entscheiden hat und das Recht auf ärztliche Suizidbeihilfe niemandem verwehrt werden darf. (Spaemann, Hohendorf, Oduncu & Lütz, 2016, S. 130)
Im Grundgesetz gibt es verschiedene Artikel, die die Menschenwürde, das Recht auf Selbstbestimmung und die Autonomie der Menschen unterstreichen. Beginnend mit der freien Entfaltung steht im Grundgesetz geschrieben: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ (Art. 2 Abs. 1 GG) Bezogen auf die Suizidbeihilfe, kann aus Artikel 2 abgeleitet werden, dass der selbstbestimmte und wohlüberlegte Suizid durch das Recht auf die freie Entfaltung und Handlungsfreiheit gesichert wird. Angesichts dieser Betrachtung wäre eine Suizidbeihilfe, sofern diese aus der Selbstbestimmung heraus beschlossen wurde, kein Unrecht und sollte mit Straffreiheit für den Suizidhelfer einhergehen. (Bernert-Auerbach, 2012, S. 190)
Weiterhin heißt es: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden.“ (Art. 2 Abs. 2 GG) Das Selbstbestimmungsrecht ist ein grundlegender Bestandteil der Menschenwürde und umfasst das Recht jedes einzelnen über das eigene Leben zu bestimmen.
Es ist ein Gut, welches den höchsten Schutz der Verfassung besitzt. Schutzpflichten und Hilfeleistungspflichten des Staates dürfen das Selbstbestimmungsrecht nicht einschränken. Daraus ergibt sich, dass jeder Mensch ein Recht auf seinen eigenen Tod hat. An dieser Stelle ist allerdings zu betonen, dass die Selbstbestimmung mit der Selbstverantwortung jedes Menschen einhergeht, da ansonsten keine selbstbestimmten Entscheidungen getroffen werden können. (Taupitz, 2017, S. 78)
Auch die Menschenwürde ist eines der Hauptargumente in den Sterbehilfedebatten. Im Artikel 1 Grundgesetz heißt es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (Art. 1 Abs. 1 GG) In Bezug auf die Menschenwürde und den Artikel 1 im Grundgesetz kann abgeleitet werden, dass jeder Mensch ein Recht auf Suizid hat, falls ein Weiterleben mit einem menschenunwürdigen Leben verbunden wäre. Die Menschenwürde, die aus dem Gesetz heraus garantiert werden muss, beinhaltet auch das Recht auf ein menschenwürdiges Sterben. Daraus ergibt sich, dass es gleichsam untersagt ist, den Menschen zu einem willenlosen, passiven Objekt intensivmedizinischer Behandlungen herabzuwürdigen und ihm das Recht auf einen selbstbestimmten Tod durch eigene Hand zu ermöglichen. (Rudlof, 2018, S. 26–27) Gerade hier spielt zum Beispiel die Patientenverfügung eine elementare Rolle, da sie jedem Menschen die Möglichkeit gibt, im Falle einer Nichteinwilligungsfähigkeit bereits im Voraus über zukünftige Behandlungen zu entscheiden. (Gerhard, 2015, S. 154)
Auch der Nationale Ethikrat hat in seiner Stellungnahme von 2006 den Artikel 1 und 2 im Grundgesetz in Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht und die Autonomie untersucht. Der Ethikrat vertritt die Ansicht, dass der Staat dazu verpflichtet ist die Subjektqualität der Menschen zu bewahren und damit die Autonomie der Menschen zu schützen. Zudem ist es wichtig, dass Menschen bei Fragen rund um das Leben und in der Sterbephase nicht als Objekt abgestuft werden und von Entscheidungen Dritter abhängig sind. (Losinger, Radke & Schockenhoff, 2006, S. 57)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unter Berücksichtigung der Menschenwürde, Autonomie und Selbstbestimmung hervorgeht, dass prinzipiell jeder Mensch ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und auch einen selbstbestimmten Tod hat. Um die Selbstbestimmung sicherzustellen, ist auf die freie Entscheidung des Sterbewilligen abzustellen und die Fremdbestimmung durch Dritte auszuschließen.
4.2 Patientenverfügung
Der Begriff Patientenverfügung wurde bereits im Kapitel 4.1 kurz angeschnitten und erläutert. Aufbauend hierzu versucht Kapitel 4.2 einen vertiefenden Überblick über die Patientenverfügung zu ermöglichen.
Der Sinn einer „Patientenverfügung“ ist es, jedem Menschen die Möglichkeit zu geben, in guten Zeiten eine Willenserklärung für Zeiten mit schwerer Krankheit abzugeben. Sie ist damit eine Vorausverfügung, die im Fall einer Nichteinwilligungsfähigkeit zum Einsatz kommt.
Bereits 2009 ist eine gesetzliche Regelung zur Patientenverfügung im Bürgerlichen Gesetzbuch aufgenommen worden.1 § 1901a BGB ist unabhängig von der Art der Erkrankung und deren Stadium anzuwenden, eine Reichweitenbegrenzung existiert nicht. Im Falle der Nichteinwilligungsfähigkeit eines Patienten ist zunächst zu prüfen, ob die Patientenverfügung für die vorliegende Erkrankungssituation anwendbar ist. Falls dies nicht so ist, ist auf den mutmaßlichen Willen des Patienten abzustellen. Leider sind Patientenverfügungen oftmals nicht aussagekräftig oder nicht auf die vorliegende Krankheitssituation anwendbar. In den meisten Fällen wird die Patientenverfügung mit einer Vorsorgevollmacht ergänzt, durch welche bestimmte Personen bevollmächtigt werden, stellvertretend Entscheidungen für den Patienten zu treffen. Einerseits stärkt die Möglichkeit einer Patientenverfügung gewissermaßen die Autonomie eines jeden Menschen, andererseits kann eine Patientenverfügung aber nur dann berücksichtigt werden, wenn sie differenziert auf den Willen des Betroffenen abgestimmt ist. Häufig werden Standardformulare angewendet, welche kaum in der Lage sind, den Willen des Betroffenen ausreichend wiederzugeben. Weiterhin ist kritisch anzumerken, dass nur eine Minderheit der Bevölkerung eine Patientenverfügung verfasst. (Gerhard, 2015, S. 154–155)
4.3 Grundsätze ärztlichen Handelns
Die Bundesärztekammer veröffentlicht seit 1979 Richtlinien über die ärztlichen Grundsätze und die ärztliche Sterbebegleitung, welche entsprechend medizinischer Entwicklungen und Änderungen in der Rechtsprechung aktualisiert und bearbeitet werden. Laut Berufsordnung liegt die Aufgabe der Ärzte in dem Schutz und der Wiederherstellung der Gesundheit, der Erhaltung des Lebens, der Linderung von Leiden und der Leistung von Beistand für Sterbende. Das Selbstbestimmungsrecht ist als Grundlage für alle ärztlichen Entscheidungen heranzuziehen und stets im Sinne des Patienten auszulegen. Bei den ärztlichen Pflichten können Pflichten gegenüber sterbenden Patienten und Patienten mit infauster Prognose differenziert werden. (Hoppe, 2011, S. 346)
Da sich die vorliegende Arbeit überwiegend mit schwererkrankten Menschen beschäftigt, wird auf die Darstellung ärztlicher Pflichten gegenüber Sterbender und Patienten mit infauster Prognose abgestellt.
Ärzte sind verpflichtet sterbenden Menschen ein menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen. Sicherzustellen sind eine palliativmedizinische Versorgung und ärztliche Basisbetreuung. Primär steht die Linderung von Leiden bei der Behandlung sterbender Patienten im Vordergrund. Patienten und Angehörige sind über den Gesundheitszustand wahrheitsgemäß zu informieren, bestehende Ängste sind abzubauen und das Selbstbestimmungsrecht ist zu wahren. Ähnlich gestaltet sich die Behandlung von Patienten mit infauster Prognose. Bei Patienten, die in absehbarer Zeit aufgrund ihrer Erkrankung sterben, rückt die palliativmedizinische und pflegerische Versorgung in den Vordergrund. Der Sterbeprozess soll nicht durch lebensverlängernde Maßnahmen hinausgezögert werden, sondern ist als natürlicher Prozess zuzulassen. (Hoppe, 2011, S. 346–347)
Weitere grundlegende Handlungsempfehlungen für die ärztliche Berufsausübung finden sich im Hippokratischen Eid und der Deklaration von Genf, auch unter dem Namen Genfer Gelöbnis bekannt, wieder. Insbesondere die Genfer Deklaration spielt in der heutigen Medizin eine zentrale Rolle und steht sogar über der Berufsordnung der Ärzte. (Parsa-Parsi & Wiesing, 2017, S. 2023) Der Hippokratische Eid ist mehr als 2000 Jahre alt und bildet die Grundlage des Genfer Gelöbnisses aus dem Jahr 1948. Die Genfer Deklaration ist als moderne Fassung des Hippokratischen Eides zu verstehen und beschreibt in moderner Sprache die Grundsätze ärztlichen Handelns. Seit 1948 wird die Deklaration von Genf regelmäßig aktualisiert, letztmalig hat der Weltärztebund 2017 eine Modernisierung vorgenommen. Im Anhang A ist der Hippokratische Eid und die Modernisierung des Genfer Gelöbnis von 2017 zu finden. Die wichtigsten Neuerungen betreffen das Arzt- Patienten- Verhältnis, die Verpflichtung der Ärzte für die eigene Gesundheit und das Selbstbestimmungsrecht der Patienten. Noch heute hat das Genfer Gelöbnis für Ärzte auf der ganzen Welt einen hohen Stellenwert und ist in manchen Ländern sogar gesetzlich bindend. (Deutsches Ärzteblatt, 2017b, S. 1956; Rohac, 2018)
Die Kerninhalte der modernisierten Deklaration von Genf sind im Wesentlichen, die Gesundheit, Würde und Autonomie des Patienten zu wahren, die ärztliche Schweigepflicht zu beachten, die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit stets zum Wohle des Patienten auf höchstem Niveau zu gewährleisten und auch der eigenen Gesundheit Beachtung zu schenken. (Rohac, 2018)
Wird der Hippokratische Eid hinsichtlich der Sterbehilfe untersucht, ist feststellen, dass sich eine Vereinbarkeit als eher schwierig erweist. Zwar hat der Hippokratische Eid durch neue Forschungsergebnisse, durch die Modernisierung und durch die sich wandelnde Ethik an Gültigkeit verloren, dennoch fühlen sich viele Ärzte dem Eid immer noch verpflichtet. Gerade aus der älteren Version des Hippokratischen Eides, ergibt sich eine klare Ablehnung der aktiven Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid, wie aus nachfolgender Passage ersichtlich wird: „Ich will weder irgend jemandem ein tödliches Medikament geben, wenn ich darum gebeten werde, noch will ich in dieser Hinsicht einen Rat erteilen.“ (Eckart, 2009, S. 35; Roggendorf, 2011, S. 123)
Die Modernisierung der Genfer Deklaration ist angesichts der aktiven Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid etwas offener gestaltet. Es ergibt sich keine direkte Ablehnung aber auch keine ärztliche Pflicht zur Leistung der beiden Sterbehilfeformen. (Rohac, 2018)
Nach der Nichtigkeitserklärung des § 217 StGB im Februar 2020 wurde von mehreren Instanzen klargestellt, dass kein Arzt zur Beihilfe zum Suizid verpflichtet werden kann und die Suizidbeihilfe grundsätzlich nicht in den ärztlichen Tätigkeitsbereich gehört. Dementsprechend ist von jedem Arzt selbst zu entscheiden, ob die Suizidbeihilfe mit den ärztlichen Grundsätzen und dem eigenen Gewissen zu vereinbaren ist oder nicht. (Deutsches Ärzteblatt, 2020b)
4.4 Prinzipien der Medizinethik
Die Begründung der Prinzipienethik basiert auf dem Grundgedanken, Prinzipien zu benennen, die trotz unterschiedlicher Wertbegründungstheorien eine Einigung erzielen und universell angewendet werden können. Die amerikanischen Medizinethiker Beauchamp und Childress haben in Ihrem Buch „Principles of Medical Ethics“ vier Prinzipien definiert. (Maio, 2017, S. 157–158)
Ziel war es eine Grundlage für ethische Diskussionen herauszuarbeiten. Die Prinzipien werden auch „mittlere“ Prinzipien genannt und haben die Medizinethik nachhaltig beeinflusst. Zu unterscheiden sind Respekt vor der Autonomie, das Nicht- Schaden Prinzip, das Fürsorgeprinzip und die Gerechtigkeit. (Gerhard, 2015, S. 149)
Grundlage der Autonomie ist die Akzeptanz der Freiheit eines jeden Menschen. Auch der Respekt vor der Autonomie ist ein wichtiger Ansatzpunkt, wodurch sich in der Praxis etabliert hat, dass eine Einwilligung des Patienten nach erfolgter Aufklärung durch den Arzt als Bedingung für jeden Eingriff vorliegen muss. Beauchamp und Childress unterteilen das Autonomieprinzip in zwei Komponenten. Zum einen darf der Patient nicht daran gehindert werden selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen und zum anderen kann eine selbstbestimmte Entscheidung nur getroffen werden, wenn dem Patienten vorab alle notwendigen Informationen zur Verfügung stehen, er also zur Entscheidung „befähigt“ wird. Eine entsprechende Befähigung ist durch den behandelnden Arzt sicherzustellen. Im 19. Jahrhundert und bis zum frühen 20. Jahrhundert hatte der Arzt die Rolle als Alleinentscheider über medizinische Behandlungen. Ein Mitbestimmungsrecht der Patienten gab es nicht. Aufgrund unterschiedlicher Wertbegründungssysteme und der daraus resultierenden Uneinigkeit hinsichtlich der Definition eines guten Lebens und eines guten Sterbens, wurde das Autonomieprinzip als Garant für eine gerechte und akzeptable Ethik definiert. (Beauchamp & Childress, 20132 zitiert nach Maio, 2017, S. 158–159).
Da die Autonomie mit einer gewissen Komplexität einhergeht und sich die Frage stellt, wann genau eine Patientenentscheidung als autonom gewertet werden kann, haben Beauchamp und Childress drei Bedingungen aufgestellt. Als Bedingungen werden die Intentionalität3, das Fehlen von Druckfaktoren und das Verständnis des Patienten für die Handlung genannt. Um ein entsprechendes Verständnis und die notwendige Intentionalität der Patienten zu erreichen, ist dieser entsprechend aufzuklären und umfassend zu informieren. (Buchs, 2018, S. 328)
Das Nicht- Schaden Prinzip ist eines der ältesten Grundsätze der Medizin und spielt bereits beim Hippokratischen Eid eine zentrale Rolle. „Ich will diätetische Maßnahmen zum Vorteil der Kranken anwenden nach meinem Können und Urteil; ich will sie vor Schaden und Unrecht bewahren.“ (Eckart, 2009, S. 35) Wie aus der Passage herauszulesen ist, ist das Prinzip des Nicht- Schadens eng mit dem Fürsorgeprinzip verknüpft. Daraus ergibt sich, dass in der ärztlichen Praxis immer genau abgewogen werden muss, was dem Patienten hilft und was ihm schadet.
Klingt zunächst einfach, erweist sich in der Realität aber oftmals als schwierig. Um die Schwierigkeit zu verdeutlichen, ist als Beispiel die künstliche Ernährung zu nennen. Grundsätzlich ist die künstliche Ernährung bei Patienten, die kein Essen mehr aufnehmen können, eine „Wohltat“. Im Sterbeprozess kann sie aber zu einer Belastung für den Patienten werden. (Gerhard, 2015, S. 153)
Wie bereits festgestellt wurde, sind das Fürsorgeprinzip und das Nicht- Schaden Prinzip eng miteinander verknüpft. Da aber beide Prinzipien auf unterschiedlichen Pflichtarten basieren, haben Beauchamp und Childress darauf bestanden, die Prinzipien voneinander abzugrenzen. Bei dem Prinzip der Fürsorge handelt es sich um eine positive Tugendpflicht, wohingegen die Pflicht einem anderen nicht zu schaden auf einer negativen Unterlassungspflicht basiert. Primäres Ziel des Fürsorgeprinzips ist es, dass Wohl des Patienten sicherzustellen. (Gerhard, 2015, S. 153; Maio, 2017, S. 160–162)
Als letztes Prinzip der Medizinethik ist das Prinzip der Gerechtigkeit zu nennen. Aufgrund der sich immer weiter zuspitzenden Probleme im Hinblick auf die Allokation4 von Gesundheitsgütern und Spenderorganen hat das Prinzip der Gerechtigkeit in der Medizin in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Im Wesentlichen geht es um die gerechte Verteilung der vorhandenen Ressourcen. Die zuteilende Gerechtigkeit kann in vier Modelle unterteilt werden, welche für ein besseres Verständnis kurz erläutert werden. Das Gleichheitsmodell, als erstes Modell, besagt, dass Gerechtigkeit immer mit einer gewissen Gleichheit einhergeht. Bezogen auf die Medizin bedeutet das, dass Patienten mit einer gleichen Erkrankung, der gleiche Zugang zur entsprechenden Behandlung gewährt werden muss, um Ungerechtigkeit zu vermeiden. Das Freiheitsmodell zeigt eine andere Form auf, um Gerechtigkeit zu definieren. Hier wird die Gerechtigkeit dadurch erreicht, dass jedem Menschen die größtmögliche Wahlfreiheit eingeräumt wird. Das Effizienzmodell, als drittes Modell, gestaltet die gerechte Zuteilung der Güter unter dem Kriterium der Effizienz. Hierbei wird ein gutes Verhältnis von Kosten und Nutzen verstanden. Als letztes Modell wird das Fairnessmodell näher ausgeführt. Bei diesem Modell wird vorrangig auf die Bedürftigkeit abgestellt, was bedeutet, dass die Menschen, denen es am schlechtesten geht, bei der medizinischen Versorgung Vorrang haben. Das Fairnessmodell stellt damit ein Gegengewicht zu den anderen drei Modellen dar, da unter Umständen Effizienzeinbußen hingenommen werden müssen, um zuerst die Patienten zu versorgen, die den höchsten Bedarf aufweisen. (Gerhard, 2015, S. 153; Maio, 2017, S. 166–169)
4.5 Kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Sterbehilfe
In den Kapiteln 4.1- 4.4 wurde das Recht auf Selbstbestimmung der Menschen, die ärztlichen Grundsätze und die Prinzipien der Medizinethik nach Beauchamp und Childress ausführlich behandelt. Im Fokus dieses Kapitels steht die Beantwortung der Frage, ob und wie die Sterbehilfe mit der Selbstbestimmung und der Medizinethik vereinbar ist. Die Vereinbarkeit mit den ärztlichen Grundsätzen wird nicht näher dargelegt, da bereits festgestellt wurde, dass die ärztliche Suizidbeihilfe grundsätzlich keine ärztliche Aufgabe ist.
Beginnend mit der Selbstbestimmung ist zu untersuchen, ob die Möglichkeit der ärztlichen Suizidbeihilfe tatsächlich zur Selbstbestimmung oder zur Unfreiheit und zur Fremdbestimmung führt. Anschließend sind die Prinzipien der Medizinethik und die Stellungnahme des Ethikrats unter dem Aspekt der Sterbehilfe kritisch im Detail zu betrachten.
Wie wir bereits aus Kapitel 4.1 wissen, berufen sich Anhänger der Suizidbeihilfe auf das Selbstbestimmungsrecht der Menschen. Doch wie selbstbestimmt kann eine solche Entscheidung in Zeiten einer schweren und unheilbaren Krankheit überhaupt sein? Weiterhin stellt sich die Frage, wie sich das gesellschaftliche Klima und die Beziehung zu alten, pflegebedürftigen, kranken und sterbenden Menschen verändert, wenn die Suizidbeilhilfe und sogar die aktive Sterbehilfe eine Legitimation in Deutschland erhält und zur Normalität im ärztlichen Alltag wird. (Spaemann, Hohendorf, Oduncu & Lütz, 2016, S. 59)
Befürworter der Sterbehilfe versuchen den Todeswunsch mit Hilfe der Autonomie und der Definition von Zusatzkriterien zur Gewährung der Suizidbeihilfe zu begründen. Hierbei wird aber oftmals übersehen, dass das Autonomieprinzip der Menschen durch die Notwendigkeit bestimmter Zusatzkriterien eingeschränkt wird. Nicht allen Menschen wird der Todeswunsch erfüllt, sondern nur denjenigen, bei denen zusätzlich ein unerträgliches und unheilbares Leiden vorliegt. Das wiederrum setzt voraus, dass eine dritte Person, in der Regel ein Arzt, durch objektive Untersuchungen feststellt, ob ein solcher Leidenszustand vorliegt oder nicht. Der subjektive Todeswunsch und das subjektive Empfinden der Menschen finden hierbei keine Berücksichtigung. Die Beschränkung der Suizidbeihilfe auf vorgegebene Leidenszustände widerspricht dem Prinzip der Selbstbestimmung und Autonomie. Sinn der Definition von Zusatzkriterien ist die Rechtfertigung und Rationalisierung des Todeswunsches gegenüber Dritten, wodurch das Selbstbestimmungsrecht des Sterbewilligen bewusst beschnitten wird. (Spaemann, Hohendorf, Oduncu & Lütz, 2016, S. 130–131)
Die Darstellung der Suizid sei als Ausdruck der persönlichen Freiheit und Unabhängigkeit der Menschen zu verstehen, wird von der Kantischen Philosophie weitgehend widerlegt. Aus Sicht der Kantischen Philosophie ist die Selbsttötung eine Absage an die Freiheit, da diese die Grundlage der menschlichen Freiheit, nämlich das menschliche Leben, zerstört.
Wird die Suizidbeihilfe als wählbare, ärztliche Leistung angeboten und auch vom Gesetz erlaubt, könnte unter Umständen ein falsches Signal an schwache, alte, kranke und depressive Menschen gesendet werden. (Bruns, Blumenthal & Hohendorf, 2016, S. 25–26)
Die Folgen dieses „falsch verstandenen Signals“ zeigen sich bereits in den Niederlanden. Der assistierte Suizid gehört hier zum Alltag und ist bei Pflegebedürftigkeit und schwerer Krankheit eine gängige Option, wodurch die Menschen unter Rechtfertigungsdruck gesetzt werden, wenn sie sich gegen den assistierten Suizid entscheiden. Aus der Freiheit den Tod selbstbestimmt wählen zu können, geht damit eine Unfreiheit zum Leben einher. (Spaemann, Hohendorf, Oduncu & Lütz, 2016, S. 82)
Gegner der Sterbehilfe und insbesondere der aktiven Sterbehilfe, warnen vor einem gesellschaftlichen Wandel und einer Entsolidarisierung. Eine Ausweitung der Sterbehilfe kann zu Mitleidstötungen führen und geht immer mit einer gewissen Missbrauchsgefahr einher. (Thiele, 2010, S. 24–25)
In Abschnitt 4.4 wurden die Grundzüge der Medizinethik dargestellt und die vier Prinzipien nach Beauchamp und Childress vorgestellt. Die Prinzipien Autonomie, Nicht- Schaden, Fürsorge und Gerechtigkeit, werden als Grundlage für ethische Diskussionen herangezogen. (Gerhard, 2015, S. 149) Nachfolgend ist zu untersuchen, wie die Beihilfe zum Suizid aus ethischer Sicht eingeordnet werden kann.
Tatsächlich beschäftigt sich die Ethik bereits seit der Antike mit dem Thema Beihilfe zum Suizid und Selbsttötung. Die Patientenautonomie spielt in der Medizinethik zwar eine große Rolle, trotzdem sind auch die anderen Prinzipien ausreichend zu würdigen. Insbesondere das Nicht- Schaden Prinzip ist mit dem Autonomieprinzip unter Betrachtung der Suizidbeihilfe nur schwer in Einklang zu bringen. Ähnlich gestaltet sich die Vereinbarkeit mit dem Gerechtigkeitsprinzip. Voraussetzung der Suizidbeihilfe ist es, dass der Patient die Tötungshandlung selbst vollstreckt. Patienten, die aufgrund körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen dazu nicht mehr fähig sind, werden benachteiligt. Eine Vereinbarkeit der Suizidbeihilfe mit dem Gerechtigkeitsprinzip gestaltet sich insofern als eher schwierig. (Bruns, Blumenthal & Hohendorf, 2016, S. 25–26)
Das Autonomieprinzip ist das Hauptargument, welches Suizidorganisationen für die Suizidbeihilfe hervorbringen und ist auch der Hauptgrund für die in der Schweiz tätigen Ärzte, die Patienten bei der Selbsttötung zu unterstützen. (Buchs, 2018, S. 326) Doch wie sieht die Vereinbarkeit mit den anderen zwei Prinzipien aus? Hat ein Arzt einem kranken Patienten versprochen, ihm bis zum Schluss beizustehen, könnte laut Buchs (Buchs, 2018, S. 344–345) die Beihilfe zum Suizid als Bestandteil des Behandlungsplans gewertet werden, woraufhin keine Verletzung des Nicht- Schaden Prinzips vorliegt. Als Grundlage dieser Aussage wird das Autonomieprinzip herangezogen. Die Vereinbarkeit mit dem Nicht- Schaden Prinzip wird so ausgelegt, dass bei Respektierung der Selbstbestimmung des Patienten durch die Suizidbeihilfe kein Schaden verursacht wird.
Folglich entsteht ein Schaden, wenn der Arzt trotz Wunsch des Patienten, keine Suizidbeihilfe leisten möchte. Hieraus ergibt sich die Konsequenz, dass ein Arzt zwangsläufig zur Suizidbeihilfe verpflichtet werden kann. Eine Verweigerung verstößt demzufolge sowohl gegen das Autonomieprinzip als auch gegen das Nicht- Schaden Prinzip. Falls also einem Patienten das Recht auf Suizidbeihilfe zusteht und ein Arzt unfreiwillig zur Leistung der Beihilfe verpflichtet wird, so wird im Umkehrschluss die Autonomie des Arztes missachtet und ihm wird aufgrund der Verpflichtung Schaden zugefügt. Eine vollständige Vereinbarkeit des Autonomieprinzips und des Nicht- Schaden Prinzips ist demnach nicht möglich, da unter Umständen bei Wahrung der Prinzipien des Patienten, die Grundsätze des Arztes verletzt werden. (Buchs, 2018, S. 344–345)
Die Betrachtung des Fürsorgeprinzips in Bezug auf die Suizidbeihilfe erweist sich als etwas einfacher. Primär muss sichergestellt werden, dass die Suizidbeihilfe eine „Wohltat“ für den Suizidwilligen darstellt. Wichtig ist die Selbsteinschätzung des Patienten, die richtig verstandene Fürsorge des Arztes und die Begegnung von Arzt und Patient auf Augenhöhe. (Buchs, 2018, S. 347–348)
Als Fazit zur Vereinbarkeit der Prinzipien mit der Suizidbeihilfe kommt Buchs (2018, S. 371) zu dem Entschluss, dass keine der vier Prinzipien die Suizidbeihilfe begründen können. Alle Prinzipien können entweder für oder gegen die Suizidbeihilfe ausgelegt werden, eine eindeutige Auslegung ist nicht möglich.
Auch die nationale Ethikkommission hat bereits im Jahr 2005 Stellung zum Thema Beihilfe zum Suizid bezogen. In der Stellungnahme hat die Ethikkommission drei ethische Argumente nähert erörtert, die für die Beihilfe zum Suizid sprechen und bereits zum Teil behandelt wurden, und sprach sich sowohl für als auch gegen die Suizidbeihilfe aus. Als Pro Argumente werden die Selbstbestimmung, das Recht auf Sterben und die Fürsorge genannt. Im Fokus stehen auch bei der Ethikkommission das Autonomieprinzip und das Selbstbestimmungsprinzip. Da der Patient ein Recht hat bestimmte Behandlungen abzulehnen, kann es moralisch nicht richtig sein, die Suizidbeihilfe im Voraus zu verbieten. Wichtig ist immer der eindeutige Patientenwille. Das Argument Recht auf Sterben steht im direkten Zusammenhang mit dem Autonomie- und Selbstbestimmungsprinzip. Suizidbeihilfe bekräftigt die menschliche Freiheit und ist ein Ausdruck auf das Recht des Menschen, über den eigenen Körper zu verfügen. Das Prinzip der Fürsorge basiert auf der ärztlichen Verpflichtung, stets zum Wohle des Patienten zu handeln. Nach dem Verständnis utilitaristischer5 Philosophen ist die Lebensqualität das Hauptkriterium zur Entscheidung über Leben und Tod. Daraus ergibt sich, dass ein kranker Mensch seine Existenz nicht ertragen muss. Falls das Leben aus persönlicher Sicht nicht mehr lebenswert ist, ist der Todeswunsch zu respektieren. (Nationale Ethikkommission, 2005, S. 43–44)
Als Gegenargumente zur Suizidbeihilfe werden von der nationalen Ethikkommission die Helligkeit des Lebens, die berufliche Integrität und das Dammbruch- Argument aufgeführt. Beginnend mit dem Prinzip der Helligkeit des Lebens ist zunächst anzumerken, dass unterschiedliche theologische Interpretationen möglich sind. Nach der Interpretation des Judentums hat jeder Augenblick des menschlichen Lebens einen unendlichen Wert. Folglich ist es die ärztliche Aufgabe das Leben zu verlängern. Die zweite Interpretation basiert auf der Ansicht von Papst Johannes Paul II, dass das Tötungsverbot als absolut zu deuten ist und daher keinerlei Legitimationsgrundlage für die Suizidbeihilfe vorliegt. Nach der letzten Interpretation gilt das menschliche Leben als heilig, da es in Beziehung zu Gott steht. Eine Rechtfertigung der Suizidbeihilfe kann dementsprechend nicht befürwortet werden und ist nicht aus der Menschenwürde abzuleiten. (Nationale Ethikkommission, 2005, S. 44–45)
Das Gegenargument der beruflichen Integrität befasst sich mit den ärztlichen Aufgaben und dem gesellschaftlichen Stellenwert der Medizin. Die Suizidbeihilfe widerspricht der beruflichen, moralischen und gesellschaftlichen Rolle des Arztes, da die primäre Aufgabe eines Arztes darin liegen sollte, Patienten zu heilen. Die Medizin beruht auf moralischen Grundsätzen, die durch eigene innere Werte definiert werden und im Widerspruch zur Suizidbeihilfe stehen, wodurch keine Vereinbarkeit mit den ärztlichen Grundsätzen erreicht werden kann. (Nationale Ethikkommission, 2005, S. 45)
Das Dammbruch- Argument, als letztes Gegenargument, lässt sich in zwei Elemente unterteilen, dem logisch- begrifflichen Element und dem soziologisch- empirischen Element. Nach beiden Elementen geht eine Legalisierung der Suizidbeihilfe zwangsweise mit einem Zugeständnis einher, durch welches auch die aktive Sterbehilfe und andere kritische medizinische Bereiche legalisiert werden müssten. Weiterhin besteht immer die Missbrauchsgefahr, da die Menschen dazu veranlagt sind, den notwendigen Respekt für das menschliche Leben zu verlieren. Gerade im Hinblick auf die Gesellschaft besteht die Gefahr, den Tod in Kauf zu nehmen, um für andere Menschen keine Last darzustellen und die Kosten einer menschwürdigen Pflege zu sparen. (Nationale Ethikkommission, 2005, S. 46)
Wie sich im Verlauf der Ausarbeitung gezeigt hat, hat selbst die nationale Ethikkommission Schwierigkeiten, sich klar für oder gegen die Beihilfe zum Suizid zu positionieren. Sowohl die Pro- als auch die Kontraargumente haben eine ethische Bedeutung, die berücksichtigt werden muss. Das Ergebnis ist ein moralischer Zielkonflikt, dem zu begegnen ist. Laut Ethikkommission lässt sich die Suizidbeihilfe nicht durch eine einheitliche und generelle Regelung vereinbaren, da in der Praxis immer wieder ethische Dilemmata eintreten würden, die nur im Einzelfall gelöst werden können. (Nationale Ethikkommission, 2005, S. 48–49)
Um die aufgeführten Argumente miteinander zu vereinen, eine mögliche Handlungsempfehlung und einen ethischen Rahmen zu schaffen, hat die Ethikkommission versucht, verschiedene Kriterien für die Zulässigkeit der Suizidbeihilfe zu definieren. Als Kriterien werden die Urteilsfähigkeit, das Leiden, eine tödliche oder schwer beeinträchtigende Erkrankung, die Frist zwischen Beratung und Durchführung der Suizidbeihilfe, eine Zweitmeinung, ein psychiatrisches Gutachten, die tiefe und langjährige Vertrautheit zum Arzt, psychologische Unterstützung, pharmakologische Ausbildung und das Alter angegeben. Im Verlauf der Stellungnahme werden die Kriterien ausführlich dargelegt und sind zwecks Nachvollziehbarkeit auch hier näher zu erläutern.
Beginnend mit der Urteilsfähigkeit wird darauf verwiesen, dass die Entscheidung zur Inanspruchnahme einer Suizidbeihilfe auf autonomer Basis entschieden worden sein muss. Sie darf nicht Ergebnis fremdbestimmten Handelns sein. Die Definition des Leidens stellt ein weiteres grundlegendes Beurteilungskriterium dar. Wichtig ist, dass zunächst unter Einbeziehung der Palliativpflege alles für das körperliche und seelische Wohlbefinden des Patienten getan werden muss. Erst nach Ausschöpfung aller möglichen Behandlungen ist die Möglichkeit der Suizidbeihilfe in Erwägung zu ziehen. Passend hierzu ist das Kriterium der tödlichen Krankheit oder auch Erkrankung mit schwerer Beeinträchtigung zu nennen, in denen eine Vielzahl von Behandlungen ohne medizinische Lösung durchgeführt wurden. (Nationale Ethikkommission, 2005, S. 52–54)
Als Vorsichtsmaßnahme ist das Kriterium der Frist zwischen Beratung und Durchführung der Suizidbeihilfe sowie die notwendige Zweitmeinung definiert worden. Im Wesentlichen geht es um die Überprüfung des Patientenwillens, um sicherzugehen, dass der Wille nicht aus einer spontanen und unüberlegten Situation heraus entstanden ist. Ein notwendiges psychiatrisches Gutachten soll als weiteres Kriterium Klarheit darüber verschaffen, ob der Todeswunsch lediglich aufgrund einer psychischen Erkrankung geäußert wird. Eine psychische Erkrankung als primäre Motivation für die Selbsttötung ist hierbei auszuschließen. (Nationale Ethikkommission, 2005, S. 56–57)
Als weiterer wichtiger Punkt ist die langjährige und tiefe Vertrautheit zwischen Arzt und Patient zu nennen. Wobei das Kriterium der „langjährigen Beziehung“ zwar wünschenswert wäre, in der Realität aber kaum zu realisieren ist. Gerade bei schweren Krankheiten suchen Patienten oftmals eine höhere Anzahl von Spezialisten auf. Dementsprechend muss dieses Kriterium laut Ethikkommission als grundlegende Basis auf dem tiefen Vertrauen zwischen Arzt und Patient beruhen. Die genannten Kriterien der psychologischen Hilfe und der pharmakologischen Ausbildung sind selbsterklärend und werden daher nicht weiter erläutert. Als letztes Kriterium ist das Alter zu nennen, wobei sich dieses nicht am Alter, sondern an der Urteilsfähigkeit einer Person orientiert. Das Alter kann nur bei Kindern, als Grundlage herangezogen werden, da im Fall einer Unmündigkeit die Eltern medizinische Entscheidungen zu treffen haben. (Nationale Ethikkommission, 2005, S. 57–58)
Zusammenfassend kommen die Ergebnisse aus Kapitel 4.5 zu dem Entschluss, dass die Suizidbeihilfe niemals vollständig mit der Selbstbestimmung des Menschen, den ärztlichen Grundsätzen und der Medizinethik zu einem Konsens vereint werden kann. Zweifellos wird es immer Aspekte geben, die für oder gegen die Suizidbeihilfe sprechen. Die Erstellung bestimmter Kriterien zur Gewährung der Suizidbeihilfe können zwar die Wogen der Befürworter und Gegner glätten, eine vollständige Vereinbarkeit wird aber nie möglich sein, da weltweit zu viele unterschiedliche Auslegungen, Definitionen und Meinungen der Medizin und Ethik vorhanden sind.
5 Vergleich mit den Nachbarländern
5.1 Sterbehilfe in den Niederlanden
Bereits 1969 begann in den Niederlanden die Sterbehilfedebatte. Angestoßen wurde die Debatte durch den Wissenschaftler und Arzt Jan Hendrik van den Berg, der die Niederlande dazu aufforderte, über den Sinn und Unsinn medizinischer Behandlungen nachzudenken und die medizinische Technologie kritisierte. Das Thema „Tod“ sei zu enttabuisieren und Behandlungen sollten nicht um jeden Preis fortgeführt werden, nur um Patienten „künstlich“ am Leben zu erhalten. Noch heute wird van den Berg in den Niederlanden zitiert und sein Buch „Medizinische Macht und medizinische Ethik“ als Meilenstein für die niederländische Sterbehilfe bezeichnet. (van Loenen, 2014, S. 20–21)
Seit 1994 ist die aktive Sterbehilfe an Erwachsenen und Jugendlichen, unter Einhaltung bestimmter Bedingungen, in den Niederlanden straffrei. Ausgangspunkt der Duldung ist eine Entscheidung vom obersten Gerichtshof der Niederlande von 1984, in der festgelegt wurde, dass ein Arzt der Bitte eines Patienten entsprechen dürfe, wenn dieser unerträglich leidet und unheilbar erkrankt ist. Am 12.04.2001 wurde das Sterbehilfegesetz verabschiedet. Nach Artikel 293 Absatz 1 steht Sterbehilfe zwar weiterhin unter Strafe, in Artikel 293 Absatz 2 des niederländischen Strafgesetzbuches existiert aber ein so genannter „Strafausschließungsgrund“, der besagt, dass die Ausübung der Sterbehilfe unter Einhaltung bestimmter Bedingungen nicht bestraft wird. Insgesamt gibt es sieben Bedingungen der „äußersten Sorgfalt“, die dem Arzt bei Einhaltung Straffreiheit gewähren.
Folgende Bedingungen müssen erfüllt sein:
1. Die Bitte des Patienten nach Suizidbeihilfe muss freiwillig erfolgen und gut überlegt sein
2. Der Gesundheitszustand des Patienten muss aussichtlich und sein Leiden unerträglich sein
3. Es erfolgt eine umfassende ärztliche Aufklärung über die Heilungschancen und die aktuelle Gesundheitssituation
4. Der Arzt muss zusammen mit dem Erkrankten davon überzeugt sein, dass es keine andere Möglichkeit als die Beendigung des Lebens gibt
5. Es ist ein weiterer unabhängiger Arzt hinzuzuziehen
6. Der zweite Arzt untersucht den Patienten und gibt eine schriftliche Stellungnahme ab
7. Es erfolgt eine fachgerechte Durchführung der Hilfe zur Selbsttötung oder der aktiven Lebensbeendigung
Neben den Sorgfaltskriterien sind zusätzlich die Meldepflicht und die Reichweite des Gesetzes zu berücksichtigen. Im Rahmen der Meldepflicht ist nach jeder Sterbehilfe die regionale Kontrollkommission zu informieren. Diese prüft, ob die Sorgfaltskriterien eingehalten wurden und schaltet bei Bedarf die Justizbehörde ein. Zur Reichweite des Gesetzes ist anzumerken, dass das Gesetz auch für Minderjährige im Alter von 16 bis 17 Jahren unter Einbeziehung der Eltern angewendet werden kann. Bei Minderjährigen im Alter von 12 bis 15 Jahren ist die Zustimmung der Eltern erforderlich. (Kreß, 2009, S. 268–271)
In den Fällen in denen Patienten nicht mehr selbstständig ihren Willen äußern können, ist Sterbehilfe möglich, wenn eine schriftliche Bitte für die Lebensbeendigung vorliegt. Damit ist auch die aktive Sterbehilfe bei demenzerkrankten Menschen nicht strafbar, in der Praxis wird die Sterbehilfe bei diesen Patienten aber nur selten durchgeführt. (Deutsches Ärzteblatt, 2017a; DRZE Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften, 2021)
Nach unzählig vorangegangenen Kontroversen, ist seit Juni 2013 die Beschleunigung des Sterbeprozesses bei schwer kranken Neugeborenen mittels Muskelrelaxanzien erlaubt. Grundlage hierfür ist eine Erklärung der Ärzteorganisation für die Förderung der Gentechnik. Um die Sterbehilfe bei Neugeborenen stärker kontrollieren zu können, ist für jeden Fall eine Meldung an die Kommission „Central Committe of Express“ vorzunehmen. Die Kommission besteht aus einem Ethiker, einem Juristen und drei verschiedenen Ärzten. (DRZE Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften, 2021)
Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung der Sterbehilfefälle von 2002- 2019 in den Niederlanden.
Abb. 1. Sterbehilfefälle in den Niederlanden ab 2002
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: (Regionale Kontrollkommission für Sterbehilfe)
Die dargestellte Abbildung zeigt die der Kontrollkommission gemeldeten Sterbehilfefälle von 2002-2019. Wie in der Abbildung zu erkennen ist, ist seit 2002 ein stetiges Steigen der Sterbehilfefälle, also ein positiver Trend erkennbar. Nur im Jahr 2018 kam es im Vergleich zum Jahr 2017 zu einem Abfall der Fälle. Im Jahr 2019 sind die Fälle im Vergleich zum Jahr 2018 wieder angestiegen.
Die Kontrollkommission für Sterbehilfe in den Niederlanden veröffentlicht regelmäßig einen Jahresbericht, in dem die Anzahl der gemeldeten Sterbehilfefälle, die Erkrankungen und noch weitere Informationen zu finden sind. In Abbildung zwei wird schematisch dargestellt, welche Erkrankungsursachen 2019 bei der Sterbehilfe vorlagen.
Abb. 2. Vorliegende Erkrankungen bei Inanspruchnahme der Sterbehilfe 2019
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: (Regionale Kontrollkommission für Sterbehilfe, 2020, S. 12)
In dem dargestellten Kreisdiagramm werden die verschiedenen Erkrankungen, die bei der Inanspruchnahme der Sterbehilfe in den Niederlanden vorgelegen haben, in unterschiedlichen Farben dargestellt. Die angegebenen Zahlen im Diagramm stellen die Häufigkeit der jeweiligen Erkrankungsarten dar.
5.2 Sterbehilfe in der Schweiz
In der Schweiz wird die Suizidbeihilfe überwiegend durch nicht- ärztliche Sterbehilfeorganisationen durchgeführt. Für die Tätigkeit der Sterbehilfeorganisationen liegt keine gesetzliche Regelung vor. Die Tätigkeit wird von den Behörden geduldet und ist nach § 114 des Schweizerischen Strafgesetzbuches straffrei, solange keine „selbstsüchtigen Beweggründe“ zur Ausübung der Suizidbeihilfe vorliegen. (Spaemann, Hohendorf, Oduncu & Lütz, 2016, S. 72–73)
Nach dem Schweizerischen Gesetz ist nur die Beihilfe zum Suizid straffrei, die aktive Sterbehilfe ist weiterhin verboten. Trotz fehlender Gesetzesregelung hat sich in der Schweiz eine Sterbehilfe- Praxis entwickelt. Eine ärztliche Ausstellung des Rezeptes für das tödliche Mittel ist nur in den Fällen erlaubt, in denen das Lebensende des Patienten absehbar ist, also kurz bevorsteht. Außerdem muss die sterbewillige Person urteilsfähig sein und der Suizidwunsch muss dauerhaft und ohne äußeren Druck entstanden sein. Zur Umsetzung des Suizidwunsches gibt es in der Schweiz verschiedene Sterbehilfeorganisationen. Die größte und bekannteste Organisation ist unter dem Namen „EXIT“ bekannt und begleitet inländische Sterbewillige bei der Freitodhilfe. Die zweitgrößte Organisation ist unter dem Namen „DIGNITAS“ bekannt und ermöglicht auch Ausländern ein selbstbestimmtes Sterben. Laut einer Studie handelt es sich bei den meisten Ausländern, die die schweizerische Freitodhilfe ersuchen, um deutsche Staatsbürger. Auch in der Schweiz ist in den letzten Jahren ein positiver Trend der Sterbehilfefälle zu verzeichnen. Immer mehr Menschen nehmen die Freitodhilfe in Anspruch, allein aus dem Jahr 2017 sind mehr als 1000 Fälle bekannt. (Pfaff, 2019)
Da die Sterbehilfeorganisation „DIGNITAS“ auch für sterbewillige Deutsche eine entsprechende Sterbehilfeoption darstellt, werden die speziellen Regelungen hier im Detail näher betrachtet.
Der Verein DIGNITAS wurde 1998 gegründet und dient dem Zweck den Menschen ein menschenwürdiges Leben und Sterben zu ermöglichen. Um Beratungen rund um das Thema Sterbehilfe und die Freitodhilfe in Anspruch nehmen zu können, ist eine Mitgliedschaft bei DIGNITAS erforderlich. Eine Freitodbegleitung ist nur in Fällen erlaubt, in denen eine unheilbare Krankheit, unerträgliche Schmerzen oder eine schwere Behinderung nachgewiesen werden. Qualifizierte Mitarbeiter prüfen in Gesprächen, ob die Voraussetzungen der Freitodbegleitung vorliegen. Weiterhin ist zu sicherzustellen, dass der Sterbewillige urteilsfähig ist und der Sterbewunsch aus freiem und selbstbestimmtem Willen heraus, ohne Druck von außen, entstanden ist. Die Verordnung des tödlichen Medikaments erfolgt durch einen schweizerischen Arzt und wird von DIGNITAS bereitgestellt. (DIGNITAS – Menschenwürdig leben- Menschenwürdig sterben, 2019, S. 1–3)
Um auch deutschen Staatsbürgern die Freitodhilfe zu ermöglichen, wurde DIGNITAS- Deutschland im September 2005 in Hannover gegründet und ist seither ein eingetragener Verein nach deutschem Recht. Der Verein unterstützt seine Mitglieder in der Durchsetzung ihrer Rechte und steht auch Ärzten, Patienten, Krankenhäusern und weiteren Institutionen zur Beratung zur Verfügung. Voraussetzung für die Freitodbegleitung ist die bereits genannte Urteilsfähigkeit des Sterbewilligen und die körperliche Fähigkeit das tödliche Medikament selbst einzunehmen. Zur Überprüfung der Freitodbegleitung sind medizinische Unterlagen der Sterbewilligen einzureichen, die Informationen über die Diagnose, die Prognose und die bisherigen Behandlungen beinhalten. Die Unterlagen werden an einen schweizerischen Arzt weitergeleitet und geprüft. Ist die Freitodhilfe aus medizinischer Sicht und anhand der definierten Kriterien nachvollziehbar, erfolgt eine persönliche Konsultation und Untersuchung des Sterbewilligen. Bei Mitgliedern, mit Wohnsitz in der Schweiz, wird die Freitodbegleitung bei dem Mitglied zu Hause durchgeführt. Für Mitglieder die ihren Wohnort außerhalb der Schweiz haben, werden eingerichtete Räume zur Verfügung gestellt. Normalerweise wird das tödliche Medikament in einer Flüssigkeit vermischt und vom Sterbewilligen getrunken. Es ist aber auch möglich das Medikament über eine Magensonde oder über eine Infusion zuzuführen. Wichtig ist, dass der Sterbewillige selbst den letzten Schritt zur Einnahme des Medikaments vornimmt. (DIGNITAS – Menschenwürdig leben- Menschenwürdig sterben, 2019, S. 1–7)
5.3 Vergleich zu Deutschland
Um einen kurzen Vergleich zwischen Deutschland, der Niederlande und der Schweiz zu ermöglichen, ist abschließend zu Kapitel 5 festzuhalten, dass in unseren Nachbarländern bereits seit mehreren Jahren die Sterbehilfe als gängige Option für bestimmte Menschen zur Verfügung steht. In den Niederlanden ist sowohl die Beihilfe zum Suizid als auch die aktive Form der Sterbehilfe möglich. In der Schweiz ist bisher nur die Beihilfe zum Suizid straffrei. Die deutsche Bundesregierung debattiert derzeit lediglich über die Legalisierung der Suizidbeihilfe, eine aktive Sterbehilfe ist weiterhin verboten. Sowohl in den Niederlanden als auch in der Schweiz haben sich gewisse Regelungen und Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Suizidbeihilfe etabliert. Der Anspruch wird auf Patienten mit bestimmten Erkrankungen, Behinderungen und Leiden begrenzt. In Deutschland gibt es derzeit noch keine abschließende Gesetzesformulierung. Bestimmte Regularien und Anspruchsvoraussetzungen sind aber vorgesehen. Wie genau die Gesetzesformulierung und Sterbehilfepraxis in Deutschland aussehen wird bleibt abzuwarten. Ob die Suizidbeihilfe ausschließlich in ärztlicher Hand oder auch, wie in der Schweiz, durch Vereine organisiert wird, ist noch nicht bekannt. (Kreß, 2009, S. 268–271; DIGNITAS – Menschenwürdig leben- Menschenwürdig sterben, 2019, S. 6; Deutsches Ärzteblatt, 2021)
6 Versorgung schwerstkranker Menschen
Die Versorgung schwerstkranker Menschen gestaltet sich in der Praxis oftmals als sehr schwierig und bedarf in der Regel einer interdisziplinären Zusammenarbeit verschiedener Professionen. Zur Versorgung dieser Menschen hat sich in Deutschland die Palliativversorgung und Hospizversorgung entwickelt. Um einen besseren Überblick zur Versorgung schwerkranker Menschen zu ermöglichen, werden im Verlauf von Kapitel 6, die Palliativversorgung, Hospizarbeit und Finalversorgung von Tumorerkrankten dargestellt.
6.1 Palliativversorgung
6.1.1 Begriffserklärung
Die Bezeichnung „Palliativ“ stammt vom lateinischen Wort „Pallium“ und kann mit Mantel übersetzt werden. Um eine ganzheitliche und interdisziplinäre Versorgung zu ermöglichen, umfasst dieser „Mantel“ unterschiedliche Professionen und Disziplinen. (Husebø & Mathis, 2017, S. 4) In der Palliativmedizin existieren viele unterschiedliche Definitionen, welche im Grundsatz alle auf die Verbesserung der Lebensqualität der Patienten abzielen. Bei der Versorgung geht es primär um Patienten, die schwer chronisch oder unheilbar erkrankt sind. Für eine ganzheitliche Behandlung sind neben der Behandlung der Grunderkrankung und der damit eingehenden Symptome, auch soziale, psychische und existentielle Bedürfnisse der Patienten und Angehörigen zu berücksichtigen.
Um allen Bedürfnissen gleichermaßen gerecht werden zu können, ist die Zusammenarbeit eines interdisziplinären Teams aus Ärzten, Pflegern, Sozialarbeitern, Psychologen und anderer Therapeuten erforderlich. Gängige Begriffe im palliativen Alltag sind Palliativversorgung, Palliative Care und Palliativmedizin. Oftmals werden diese drei Begriffe als Synonyme verwendet und haben letztlich auch die gleiche Bedeutung. In Deutschland wird auf Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin überwiegend von Palliativversorgung gesprochen. (Oechsle, 2019, S. 1–5)
6.1.2 Palliative Versorgungssettings
Die Palliativversorgung kann in unterschiedlichen Versorgungssettings erfolgen. Zu unterscheiden sind die ambulante Palliativversorgung, die palliative Versorgung im Krankenhaus sowie im Pflegeheim. Die überwiegende Anzahl von Patienten hat den Wunsch in häuslicher Umgebung zu versterben. Um eine entsprechende medizinische Versorgung zu Hause ermöglichen zu können, hat sich die ambulante Palliativversorgung etabliert. Die medizinische Versorgung wird primär von Hausärzten und bei Bedarf von speziellen Pflegediensten sichergestellt. Für besonders schwer erkrankte Patienten, die einen hohen palliativen Versorgungsbedarf aufweisen, gibt es die Möglichkeit von einer spezialisierten ambulanten Palliativversorgung betreut zu werden. Diese wird von Ärzten mit einer Zusatzqualifikation in Palliativmedizin und von Pflegern, die über eine Zusatzausbildung in der Palliativpflege verfügen, erbracht. Anspruch auf die spezielle Versorgung haben Patienten, die eine unheilbare, weit fortgeschrittene Erkrankung mit einem hohen Bedarf an komplexer Versorgung haben, welche durch die klassische Versorgung nicht mehr gewährleistet werden kann. (Gerhard, 2015, S. 191)
Die palliative Versorgung im Krankenhaus wird durch multiprofessionelle Teams sichergestellt, die aus Palliativmedizinern, Pflegekräften, Seelsorgern und weiteren Therapeuten bestehen. Eine Betreuung der Patienten kann auf allen Stationen im Krankenhaus erfolgen. Für besonders schwer erkrankte Patienten gibt es die Möglichkeit, auf einer Palliativstation im Krankenhaus betreut zu werden. Palliativstationen sind eigene Einheiten, die auf die komplexen Versorgungsbedürfnisse schwer kranker Patienten ausgerichtet sind. (Gerhard, 2015, S. 194)
Das letzte Versorgungssetting ist die palliative Versorgung im Pflegeheim. Viele Heimbewohner sind hochbetagt und multimorbide, leiden also an vielen verschiedenen Erkrankungen. Kranke und sterbende Heimbewohner haben oft einen hohen Bedarf an palliativer Versorgung, was zur Entwicklung einer Vielzahl von Konzepten für die hospizliche Altenpflege geführt hat. Eine ambulante Palliativversorgung kann ebenfalls in Pflegeheimen erfolgen und wird dann, wie bereits beschrieben, durch einen ambulanten Pflegedienst durchgeführt. (Gerhard, 2015, S. 197)
6.2 Hospiz
6.2.1 Begriffserklärung
Unter dem Begriff „Hospiz“ wird ein ganzheitliches Konzept zur Unterstützung und Pflege schwerstkranker und sterbender Menschen, in einem eigenen Haus mit einer eigenen Infrastruktur verstanden. Der Ursprung der Hospizarbeit geht auf die Idee zurück, schwache und kranke Menschen in unserer Gesellschaft zu unterstützen. 1967 wurde das St. Christophers Hospice als erstes modernes Hospiz in London eröffnet. Seither hat sich die Hospizidee weltweit verbreitet. Bei der Hospizarbeit wird nicht allein die Symptombehandlung der Grunderkrankung fokussiert. Durch ein interdisziplinäres Team soll eine ganzheitliche Behandlung unter Einbeziehung aller psychischen, physischen, spirituellen und sozialen Leiden ermöglicht werden. Patienten sollen in der letzten Phase ihres Lebens zufrieden und schmerzfrei unter Wahrung ihrer Lebensqualität sterben können. Eine ärztliche Versorgung wird durch die Einbindung der Hausärzte und anderer niedergelassener Ärzte gewährleistet. Bei den Hospizformen lassen sich ambulante, teilstationäre und stationäre Hospize unterscheiden, die im nachfolgenden Abschnitt näher erläutert werden. (Klaschik, 2001, S. 37–40; Müller & Wistuba, 2014, S. 17–18)
6.2.2 Formen der Hospizarbeit
Ziel der ambulanten Hospizversorgung ist es, den Sterbenden die Möglichkeit zu geben, in ihrer vertrauten Umgebung versorgt werden zu können. Die Pflege der Patienten wird in der Regel durch die Angehörigen oder von einem Pflegedienst übernommen. Mittelpunkt der ambulanten Hospizarbeit ist es, die Patienten in ihren physischen, psychischen, spirituellen und sozialen Bedürfnissen zu unterstützen. Die Betreuung wird durch haupt- und nebenberufliche Mitarbeiter gewährleistet. (ZÖLLNER, 2015, S. 28)
Die teilstationäre Hospizversorgung wird in Hospizeinrichtungen erbracht. Der Patient wird tagsüber mehrere Stunden in einem Hospiz versorgt, wodurch die Angehörigen des Erkrankten entlastet werden können. Voraussetzung der teilstationären Versorgung ist die Kommunikationsfähigkeit und Transportfähigkeit des Patienten. (ZÖLLNER, 2015, S. 29)
Bei stationären Hospizen werden die Patienten über einen gewissen Zeitraum voll in die Infrastruktur der Einrichtung eingegliedert. Gründe zur stationären Aufnahme sind oftmals überforderte Angehörige oder die fehlende pflegerische und organisatorische Möglichkeit der Unterbringung. Mittelpunkt der Versorgung ist auch hier die physische, psychische, spirituelle und soziale Unterstützung, wobei das Hauptaugenmerk auf die palliative und psychosoziale Behandlung gelegt wird. (ZÖLLNER, 2015, S. 28–30)
6.3 Finalversorgung von Tumorkranken
Bei Patienten, die sich in der Finalphase einer bösartigen Tumorerkrankungen befinden, liegen alle Bestrebungen medizinischer Behandlungen darin, die Lebensqualität und Menschenwürde bis zum Tod aufrecht zu erhalten. In der Finalphase treten viele belastende Symptome wie Dyspnoe6, Obstruktion7 und neuropsychiatrische Symptome wie Delir8 auf, welche durch eine passende Medikation zu behandeln sind. Zu den häufigsten Symptomen zählen neben den bereits genannten Symptomen auch Übelkeit, Erbrechen, Schwäche, Schmerzen, Appetitlosigkeit und Schlafstörungen. Mit der passenden Schmerztherapie ist es möglich die Beschwerden auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Um den Zustand eines Patienten einschätzen zu können, sind vorab eine Patientenbefragung und eingehende körperliche Untersuchung notwendig. Tumorpatienten, die sich in der Finalphase ihrer Erkrankung befinden, benötigen in den meisten Fällen eine umfangreiche palliativmedizinische Behandlung. (Kloke & Trabach, 2001, S. 10–12; Jonen-Thielemann, 2008, S. 259–260)
Neben der medikamentösen Behandlung erfolgt oftmals zusätzlich eine palliative Operation und Strahlentherapie, um bestehende Symptome, durch zum Beispiel eine Tumorverkleinerung, lindern zu können. Art und Umfang der palliativen Behandlung hängt vom Zustand des Patienten ab. Die Palliativmedizin kann bei der Versorgung von Tumorpatienten in fünf unterschiedliche Phasen eingeteilt werden:
1. Rehabilitationsphase
2. Präterminalphase
3. Terminalphase
4. Final-/ Sterbephase
5. Trauerphase der Angehörigen
In der Rehabilitationsphase kann der Erkrankte ein noch weitgehend selbständiges gesellschaftliches Leben führen. Erst in der Präterminalphase wird die Lebensgestaltung des Patienten eingeschränkt. Oftmals leben die Patienten in dieser Phase nur noch mehrere Wochen bis Monate. Mit Eintritt der Terminalphase haben die Erkrankten meistens nur noch wenige Tage bis Wochen zu leben. In dieser Phase sind die Patienten häufig bettlägerig und ziehen sich zurück. Die Finalphase oder auch Sterbephase dauert in der Regel nur wenige Stunden bis hin zu einem Tag und endet mit dem Tod des Erkrankten. Größenteils sind die Patienten in dieser Phase nicht mehr ansprechbar. Die letzte Phase ist die Trauerphase der Angehörigen, die mit dem Tod des Erkrankten beginnt.
Gerade in der Terminal- und Finalphase ist eine regelmäßige Symptomkontrolle und Schmerzmittelanpassung erforderlich. In manchen Fällen werden sterbenden Patienten sedierende Medikamente verabreicht, welche das Bewusstsein schwächen oder sogar ausschalten. Sedierende Medikamente werden häufig bei Patienten eingesetzt, die sehr unruhig sind, unerträgliche Schmerzen erleiden oder große Angst haben. Eine terminale Sedierung, die das Bewusstsein weitgehend ausschaltet, sollte nur in Ausnahmefällen vorgenommen werden, da diese mit einer Lebensverkürzung des Patienten einhergehen kann. Durch die Möglichkeit der Lebensverkürzung wird oft die Frage aufgeworfen, ob es sich bei einer terminalen Sedierung um eine aktive, passive oder indirekte Form der Sterbehilfe handelt. Letztendlich hängt die Form der Sterbehilfe von der Intention des Behandlers ab. Da die Intention der Behandler in der Regel auf die Schmerzlinderung ausgerichtet ist, ist die terminale Sedierung in den Bereich der indirekten Sterbehilfe einzuordnen. (Jonen-Thielemann, 2008, S. 260–261; Gerhard, 2015, S. 101–103)
[...]
1 „Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden.“ (§1901a Abs. 1 BGB)
2 Beauchamp, T. L. & Childress, J. F. (2013). Principles of Biomedical Ethics (7. Auflage). Oxford: Oxford University Press.
3 Intentionalität ist das Bewusstsein für die Bedeutung einer Handlung. (Teubert, 2006, S. 316.)
4 Allokation bedeutet die gerechte Verteilung von Ressourcen.
5 Utilitarismus bedeutet Nutzen und beurteilt eine Handlung nach der Nützlichkeit ihrer Folgen. (Birnbacher, 2013, S. 153.)
6 Dyspnoe bedeutet Luftnot. (Kloke & Trabach, 2001, S. 11.)
7 Eine Obstruktion ist eine Kompression des Darmes. (Kloke & Trabach, 2001, S. 10.)
8 Delir ist eine Bewusstseinsstörung, die in Form einer Verwirrtheit, Desorientierung und Halluzination auftritt. (Kloke & Trabach, 2001, S. 11)
- Citation du texte
- Ines Schwan (Auteur), 2021, Sterbehilfe in Deutschland. Rechtliche, medizinische und ethische Aspekte der geschäftsmäßigen Beihilfe zum Suizid, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1039633
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