Ist Interkulturelle Kompetenz notwendig oder nur wünschenswert, um für Internationalisierte Arbeitsprozesse gewappnet zu sein? Zur Beantwortung muss der zugrundeliegende Begriff Kultur vorrangig thematisiert werden, denn ein globales Kultur-Verständnis besteht bisher noch nicht. Ziel dieser Arbeit ist es, einen Beitrag zum theoretischen Verständnis Interkultureller Kompetenz und deren Bedeutung für eine globalisierte Arbeitswelt beizusteuern.
Zur Beantwortung der Forschungsfrage baut diese Arbeit auf einer systematischen Literaturstudie auf. Deshalb folgt der Autor der Empfehlung von Neuman, wesentliche Literatur anhand von Schlagwörtern zu identifizieren. Relevante Schlagwörter ergeben sich aus den klassischen Kultur-Modellen sowie aus den Vorlesungsunterlagen zu Themen der Interkulturellen Psychologie an der Fachhochschule Westküste. Zur Gewährleistung wissenschaftlicher Integrität basiert die Literaturstudie größtenteils auf Publikationen, welche das Single und Double blind Peer-Review Verfahren erfolgreich durchlaufen haben. Für die Auswahl weiterer Publikationen hat sich der Autor den empirischen Ansatz des Schneeball-Samplings zu Nutze gemacht. Dabei wird ein erster Fall identifiziert der als reichhaltiger Informationsträger zur Beantwortung der Forschungsfrage gilt. Mithilfe literarischer Querverweise können dann weitere Publikationen zur Beantwortung der Forschungsfrage herangezogen werden. Zwar beschränkt eine Literaturstudie den Forschungsgegenstand auf bereits existierendes Analysematerial. Allerdings präsentiert diese Arbeit einen Überblick über das aktuelle Forschungswissen zu Interkultureller Kompetenz und leistet damit einen wissenschaftlichen Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
1 Einfluss der Globalisierung auf den modernen Arbeitsmarkt
2 Methodik
3 Kultur-Verständnis als Rahmenbedingung
3.1 Interkulturelle Kompetenz als Wegweiser für Kultur-Interaktionen
3.2 „Interaktionspartner Organisation": ein wirtschaftlich-rechtliches Kultursystem
3.3 Auswirkung von Kultur auf Organisationen anhand der GLOBE-Studie
4 Notwendigkeit Interkultureller Kompetenz in einer globalisierten Welt
5 Zusammenfassung
6 Anhang
7 Literaturverzeichnis
1 Einfluss der Globalisierung auf den modernen Arbeitsmarkt
Auslandsaufenthalte sind heutzutage im Trend. Besonders junge Erwachsene profitieren von vielzähligen Möglichkeiten um früh Erfahrungen in anderen Ländern zu sammeln (Genkova und Schubert 2020, 104f). Mit einem Blick auf den weltweiten Arbeitsmarkt wird das Vorweisen von Auslandserfahrung in vielen Positionen vorausgesetzt, denn es impliziert Interkulturelle Sozial-Kompetenz (Lüsebrink 2008, 220). Mitverantwortlich dafür ist die Globalisierung. Germann et al. (1999, 4f) konstatieren früh, dass Globalisierung sowohl ökonomische als auch soziale und politische Strukturen verändert. Thomas (2011a, 15) resümiert entsprechend, dass ganze Arbeitswelten in der Folge verschmelzen. Das fördert eine Internationalisierung von organisationalen Arbeitsabläufen (Barmeyer 2018, 17ff). Genkova und Schubert (2020, 113) vermuten folglich, dass, in einem beruflichen Kontext, zukünftig globalisierungsbedingte Interaktionen mit anderen Kulturen noch häufiger auftreten werden. Es ist somit davon auszugehen, dass Interkulturelle Kompetenz als Schlüsselqualifikation für Arbeitnehmende weiter an Bedeutung gewinnt (Bleis und Helpup 2016, 160ff).
Allerdings stellt sich dabei die Frage, ob Interkulturelle Kompetenz notwendig oder nur wünschenswert ist, um für Internationalisierte Arbeitsprozesse gewappnet zu sein. Zur Beantwortung muss der zugrundeliegende Begriff Kultur vorrangig thematisiert werden, denn ein globales Kultur-Verständnis besteht bisher noch nicht (Deardorff 2006, 242). Ziel dieser Arbeit ist es, einen Beitrag zum theoretischen Verständnis Interkultureller Kompetenz und deren Bedeutung für eine globalisierte Arbeitswelt beizusteuern.
2 Methodik
Zur Beantwortung der Forschungsfrage baut diese Arbeit auf einer systematischen Literaturstudie auf. Deshalb folgt der Autor der Empfehlung von Neuman (2014, 126), wesentliche Literatur anhand von Schlagwörtern zu identifizieren. Relevante Schlagwörter ergeben sich aus den klassischen Kultur-Modellen sowie aus den Vorlesungsunterlagen zu Themen der Interkulturellen Psychologie an der Fachhochschule Westküste. Zur Gewährleistung wissenschaftlicher Integrität basiert die Literaturstudie größtenteils auf Publikationen, welche das Single und Double blind Peer-Review Verfahren erfolgreich durchlaufen haben. Für die Auswahl weiterer Publikationen hat sich der Autor den empirischen Ansatz des SchneeballSamplings zu Nutze gemacht (Neuman 2014, 273). Dabei wird ein erster Fall identifiziert der als reichhaltiger Informationsträger zur Beantwortung der Forschungsfrage gilt. Mithilfe literarischer Querverweise können dann weitere Publikationen zur Beantwortung der Forschungsfrage herangezogen werden. Zwar beschränkt eine Literaturstudie den Forschungsgegenstand auf bereits existierendes Analysematerial. Allerdings präsentiert diese Arbeit einen Überblick über das aktuelle Forschungswissen zu Interkultureller Kompetenz und leistet damit einen wissenschaftlichen Beitrag.
3 Kultur-Verständnis als Rahmenbedingung
Die Beschäftigung mit dem Begriff Interkulturelle Kompetenz verlangt vorrangig eine Begriffs-Analyse des abstrakten Terminus Interkulturell. Er setzt sich aus dem Grundwort „Inter", aus dem Lateinischen für „zwischen", und dem Bestimmungswort „Kulturell", abgeleitet vom Nomen Kultur, zusammen (Straub et al. 2011, 1). Kultur beschreibt daher den Anwendungsrahmen. Eine genaue Abgrenzung des Begriffs Kultur ist schwierig (Deardorff 2006, 242). Wie Müller und Gelbrich (2014, 3ff) konstatieren, kennzeichnen hohe Komplexität und subjektive Interpretierbarkeit den Begriff Kultur. Im weitesten Sinne ist Kultur als etwas, dass vom Menschen bearbeitet, gepflegt und hervorgebracht wurde, zu verstehen (Saleh und Saleh 2020, 196). Attribuierte Zeichen, Symbole sowie Normen und Werte sind die daraus entstandenen, zeitlich überdauernden, gruppenspezifischen Praktiken und Eigenschaften, auf die sich ein hervorgebrachtes Kultur-System stützt. Sie entstammen den evolutorischen Rahmenbedingungen und lassen sich anhand lokaler Gegebenheiten differenzieren (Saleh und Saleh 2020, 197). Zeichen und Symbole stellen sichtbare Identifikationsmuster innerhalb einer spezifischen Kultur dar (Broszinsky-Schwabe 2017, 75). Kultur ist also ein erlerntes Gut. Damit bildet Kultur den Gegensatz zur Natur, welche bereits in ihrer Reinform vorhanden ist (Broszinsky-Schwabe 2017, 70).
Interessant ist die Rolle der Kommunikation für Kultur. Straub et al. (2011, 26f) beschreiben sie als Bühne „der Selbstdarstellung, der Rollenentfaltung und-wahrung des Verhaltens in der Öffentlichkeit [...]". Die Eigenschaften eines bestimmten Kulturraums werden also durch die Kommunikation der Anhänger dieses Kulturraums innerhalb und außerhalb vermittelt (Saleh und Saleh 2020, 196). Zum Großteil geschieht dies unbewusst durch indirekte Kommunikation von Rollenbildern, Werten und Normen. Aber auch die direkte Unterweisung informiert über Variablen des Kulturraums (Broszinsky-Schwabe 2017, 75). Ein wesentliches Merkmal von Kultur ist somit die Kommunikation. Ohne sie könnte sich Kultur weder behaupten noch verbreiten (McQuail 1994, 95).
Zusammengefasst kann Kultur als das Erlernen und Anwenden von Attributen eines hervorgebrachten, gesellschaftsspezifischen Systems verstanden werden. Nachdem der Begriff Kultur definiert ist, kann der kulturbedingte Forschungsgegenstand Interkulturelle Kompetenz im Folgenden eingeordnet werden.
3.1 Interkulturelle Kompetenz als Wegweiser für Kultur-Interaktionen
Auch der Begriff Interkulturelle Kompetenz ist nicht einwandfrei definierbar, sondern abhängig von der subjektiven Wahrnehmung (vgl. Deardorff 2006). Anschaulich ist die Schlussfolgerung von Thomas (2011a, 15) in seinem Buch über die Entwicklung Interkultureller Handlungskompetenz: Er beschreibt Interkulturelle Kompetenz als Fähigkeit, sich mit Überschneidungen und Unterschieden der Fremd- und Eigenkultur auseinanderzusetzen; diese zu akzeptieren; und effektiv nutzen zu können. Denn um in einem anderen Kulturraum erfolgreich agieren zu können, benötigt man Kenntnisse über die zu erwartenden Unterschiede (Straub et al. 2011, 39ff). Die Definition von Thomas gibt damit zwei zentrale Anhaltspunkte für den Forschungsgegenstand vor.
Erstens ist Interkulturelle Kompetenz als immaterielle Fähigkeit nicht direkt beobachtbar, sondern entspringt der Interpretation, inwieweit eine kulturelle Handlung anhand bestimmter Kriterien als gelungen eingestuft werden kann (Straub et al. 2011, 39ff). Somit kann Interkulturelle Kompetenz nicht als eine „Patentlösung" für alle kultur-diversen Situationen gesehen werden; stattdessen ist die erfolgreiche Anwendung abhängig von der eigenen Reflexionsfähigkeit (Thomas 2011a, 16f). Dies steht der zentralen Aussage der Einleitung insofern gegenüber, als dass Interkulturelle Kompetenz nicht zwangsläufig durch Auslandsaufenthalte entsteht. Erst wenn die Betroffenen das Erlebte sinnvoll reflektieren stellt sich ein Interkulturelles Verständnis ein. Das setzt voraus, die eigenen Kultur-Merkmale zu kennen, um Unterschiede festzustellen. Damit ist Interkulturelle Kompetenz von einem fortlaufenden Lern- und Entwicklungsprozess gekennzeichnet.
Zweitens ist die Interkulturelle Kompetenz notwendige Voraussetzung für eine adäquate und erfolgreiche Kommunikation und Kooperation mit Fremdkulturen. Besonders wird das in der globalisierten Welt deutlich, wo Kommunikation über Ländergrenzen hinweg alltäglich ist (Trost 2009, 75ff). Wie Traut-Mattausch und Frey (2005, 188) bestätigen, beschreibt Kommunikation den Austausch von Informationen zwischen einem Sender und einem Rezipienten. Das geschieht einerseits durch Rollenbilder, Werte und Normen und andererseits durch beobachtbare Symboliken. Im Umkehrschluss führen fehlende Antizipationen kultureller Besonderheiten meist schnell zu einer Verzerrung der übertragenen Information. In der Praxis kommt es dann zu Abweichungen von den Erwartungen. Somit zählen eine geeignete Kommunikationsweise und die Beherrschung angebrachter Kommunikationsmittel zur Grundausstattung von Interkultureller Kompetenz (Mergler 2011, 68).
In Anlehnung an den versierten Kulturforscher Thomas (2011b) versteht der Autor dieser Arbeit Interkulturelle Kompetenz pragmatisch als Fähigkeit, sich bei Interkationen mit Fremd-Kulturen so zu verhalten, dass man nicht in ein „Fettnäpfchen" tritt. Diese Aussage wird im Folgenden anhand von Organisationen erläutert (Brodbeck 2006, 21).
3.2 „Interaktionspartner Organisation": ein wirtschaftlich-rechtliches Kultursystem
Wie Bleis und Helpup (2016, 14) argumentieren, sind Organisationen ein durch Menschen hervorgebrachtes, wirtschaftlich-rechtlich organisiertes System. Im Kern reguliert dieses System die Beziehung zwischen einer definierten Menge an Elementen. .Ändern sich Beziehungen zwischen Elementen, zieht dies Veränderung bei vielen anderen Elementen nach sich (Schreyögg und Koch 2020, 586ff). Attribuierte Organisationswerte und -normen prägen somit die einzelnen Beziehungen zwischen den Elementen einer Organisation (Schreyögg und Koch 2020, 586ff). Gewissermaßen bildet jede Organisation im weitesten Sinne eine für sich alleinstehende, spezifische Kultur, welche erlernt werden muss: Das OrganisationsFundament besteht aus nicht beobachtbare Basis-Annahmen über das Wesen des Menschen und seiner sozialen Beziehungen. Darauf aufbauend existieren teilweise beobachtbare Normen und Standards, welche die Beziehung zwischen den Organisationsmitgliedern regulieren. Abschließend reflektieren beobachtbare Symboliken wie Rituale oder auch Kleidung den zugänglichsten Teil einer Organisation, welcher auch von Außenstehenden beobachtet werden kann (Schreyögg und Koch 2020, 586). Somit besitzt eine Organisation die gleichen Eigenschaften wie eine Kultur und spiegelt gewissermaßen deren wesentliche Merkmale. Um nun zu verstehen, wie die Beziehungs-Strukturen innerhalb einer Organisation geregelt sind, muss voranging die jeweilige Landeskultur betrachtet werden. Dadurch wird ein Tritt in das „Kultur-Fettnäpfchen" vermieden. Denn die spezifischen Praktiken und Werte der Kulturräume, in denen eine Organisation angesiedelt ist, korrespondieren mit den strukturellen Ausprägungen innerhalb einer Organisation (Bleis und Helpup 2016, 14f).
Hier greift die Interkulturelle Kompetenz, um die Bedeutung kulturellen Einflussfaktoren zu antizipieren und den Einfluss auf die jeweilige Organisation zu berücksichtigen und adäquat zu kommunizieren. Mithilfe der GLOBE-Studie (Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness Research Program) diskutiert das nächste Kapitel nun die Implikationen, welche sich aus der Verzahnung der nationalen Kultur und Organisationen ergeben.
3.3 Auswirkung von Kultur auf Organisationen anhand der GLOBE-Studie
Zwar hat der niederländischen Professor Geert Hofstede mit seiner Studie der IBM Organisationskultur den Begriff Kulturdimension geprägt (vgl. u.a. Hofstede 2001). Allerdings steht die Studie heute in dem Ruf, eine verzerrte Stichprobe zu repräsentieren, da sie nur ein einziges Unternehmen berücksichtigt (Jones 2007; Kutschker und Schmid 2011; Reimer 2005).
Deshalb setzt der Autor auf die Anfang der 90er Jahre initiierte GLOBE-Studie (House et al. 2004). Dabei wurden in 62 Ländern knapp 17.000 Manager der mittleren Führungsebene aus drei unterschiedlichen Branchen anhand eines Fragebogens befragt (Reimer 2005, 36). Im Unterschied zu Hofstede sowie anderen kulturvergleichenden Studien beinhaltet GLOBE einen praxisorientieren Ansatz mit einer umfangreichen und heterogenen Stichprobe von knapp 1.000 verschiedenen Unternehmen (Saleh und Saleh 2020, 216ff). Anhand der Dimensionen der GLOBE-Studie lässt sich skizzieren, inwiefern Organisationen sowie Führungsverhalten durch landestypische Kulturräume beeinflusst werden (Saleh und Saleh 2020, 217). Mithilfe der GLOBE-Studie lassen sich insgesamt neun Einflussgrößen identifizieren, welche sowohl die wahrgenommenen kulturellen Praktiken als auch die kulturellen Werten berücksichtigen (Brodbeck 2006, 19):
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