Mit dieser wissenschaftlichen Arbeit werden die Maßnahmen zur Therapie und Prävention des Typ-2-Diabetes mellitus dargestellt. Dabei soll zwischen nicht-medikamentösen (Ernährung und körperliche Aktivität) und medikamentösen Maßnahmen unterschieden werden. Insbesondere werden die Wirkungen und Nebenwirkungen der zahlreichen Medikamente beschrieben. Hierbei wird verständlich gemacht, welche große Relevanz die nicht-medikamentösen (Ernährung und körperliche Aktivität) Maßnahmen zur Therapie und Prävention des Typ-2-Diabetes mellitus sind.
Inhaltsverzeichnis
I. Abkürzungsverzeichnis
II. Abbildungsverzeichnis
III. Tabellenverzeichnis
1. Aufgabenstellung
2. Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus
3. Das Pankreas
3.1 Lage und Aufbau des Pankreas
3.2 Funktion des Pankreas
3.3 Aufgaben der Hormone Insulin und Glukagon
4. Diabetes mellitus Typ
4.1 Definition
4.2 Symptome
4.3 Diagnostik
4.4 Epidemiologie
4.5 Ätiologie und Pathogenese
4.6 Folgeerkrankungen der chronischen Hyperglykämie insbesondere der Mikroangiopathie
4.7 Therapieziele
4.8 Schwere Hypo- und Hyperglykämie
5. Nicht-medikamentöse Maßnahmen
5.1 Ernährung
5.1.1 Ernährungstherapie
5.1.2 Ernährungsprävention
5.2 Körperliche Bewegung
5.2.1 Körperliche Bewegungstherapie
5.2.2 Körperliche Bewegungsprävention
6. Medikamentöse Maßnahmen
6.1 Orale Antidiabetika
6.2 Inkretin-Analoga
6.3 Insulintherapie
7. Schulungsprogramme
8. Bedeutung der Diabetesprävention
9. Diskussion und Fazit
10. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Anhang
I. Abkürzungsverzeichnis
AkdÄ Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
BMI Body-Mass-Index
CSII Kontinuierliche subkutane Insulin-Infusion
CT Konventionelle Insulintherapie
DDG Deutsche Diabetes Gesellschaft
DDP-4 Dipeptidyl-Peptidase-4
DEGAM Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
DGE Deutsche Gesellschaft für Ernährung
DGIM Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V.
DIMDI Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information
DPP Diabetes Prevention Program
DPS Diabetes Prevention Study
EI Energieintake
EV Energieverbrauch
EW Eiweiß
FS Fettsäure
GI Glykämischer Index
GLP-1 Glucagon-like Peptid 1
HbA1c Glykohämoglobin
HDL High Density Lipoprotein
i.Tr. in der Trockenmasse
kcal Kilokalorien
KG Körpergewicht
KH Kohlenhydrate
LDL Low Density Lipoprotein
mmHg Millimeter Quecksilbersäule
MODY Maturity Onset Diabetes of the Young
n Anzahl
n-3 Omega-3-Fettsäuren
n-6 Omega-6-Fettsäuren
NVL Nationale VersorgungsLeitlinie
oGTT oraler Glukosetoleranztest
PAL Physical activity level
RCI Randomisierte kontrollierte Interventionsstudie
SGLT2 Natrium-Glucose-Cotransporter 2
SIT Supplementäre Insulintherapie
VLDL Very low density lipoprotein
WHO World Health Organization
II. Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: „Die Oberbauchorgane in der Vorderansicht“ 5
Abbildung 2: „Hormonsezernierende Zellen des Inselorgans im Pankreas“ [6a]
Abbildung 3: „Durchführung des oralen Glukosetoleranztest (oGTT) - nach WHO Richtlinien“ [8c]
Abbildung 4: "Differenzialdiagnostische Kriterien für Typ-1- und Typ-2- Diabetes (sowie MODYs) bei Diagnosestellung“ [8e]
Abbildung 5: Flussdiagramm zur Vorgehensweise der Diabetesdiagnose [8d]
Abbildung 6: "Altersspezifische Prävalenz des Typ-2-Diabetes bei männlichen und weiblichen Versicherten auf Grundlage von 65 Mio. Versichertendaten (DIMDI Daten) im Jahr 2010 " [13b]
Abbildung 7: "Pathogenese des Typ-2-Diabetes in schematischer Darstellung" [7c]
Abbildung 8: „Allgemeine Behandlungs- und Betreuungsziele bei Menschen mit Typ-2-Diabetes“ [1d]
Abbildung 9: Nahrungsmittelbeispiele mit jeweils 100 Kalorien 41
Abbildung 10: DGE-Ernährungskreis [24d]
Abbildung 11: DGE-Ernährungspyramide [24h]
Abbildung 12: "Der rehabilitierte und körperlich aktive Typ-2-Diabetiker" 27
Abbildung 13: NVL Flussdiagramm der Typ-2-Diabetes Therapie [1i]
Abbildung 14: "Schema der Evidenzgraduierung“, modifiziert nach SIGN, 1999 [19b]
Abbildung 15: Anerkannte Schulungsprogramme für erwachsene Typ-2-Diabetiker in Deutschland, modifiziert nach [30d]
Abbildung 16: Fertiggerichtbeispiel „Farmersalat“, eigene Darstellung
Abbildung 17: Nährwertangaben des Fertiggerichtes „Farmersalat“, eigene Darstellung
Abbildung 18: Bildausschnitt zum Diagnosealgorithmus des Typ-2-Diabetes mellitus, modifiziert nach [1k]
III. Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Wesentliche Formen des Diabetes mellitus, nach [2b]
Tabelle 2: Enzymgruppen und deren Verdauungsfunktion (des exokrinen Drüsensystems), abgebildet nach [6b]
Tabelle 3: Insulin- und Glukagonwirkungen auf den Stoffwechsel, modifiziert nach [7a]
Tabelle 4: Körpergewichtklassifikation anhand des BMI für Erwachsene, zitiert nach WHO 2000 [19a]
Tabelle 5: Beispiele für wasserreiche feste-, eiweißreiche-, stärkereiche-, fettreiche- und zuckerhaltige Lebensmittel (=100 kcal), modifiziert nach [20a, 24l]
Tabelle 6: Empfohlene tägliche Nährstoffzufuhr für Erwachsene der "vollwertigen Mischkost", zitiert nach DGE [16d, 21b, 24f]
Tabelle 7: "Vor- und Nachteile von Metformin", eigene Darstellung nach [16g]
Tabelle 8: Vor- und Nachteile von Sulfonylharnstoffe, eigene Darstellung nach [1h, 16f]
Tabelle 9: Vor- und Nachteile von Alpha-Glukosidasehemmer, eigene Darstellung nach [16j, 28b]
Tabelle 10: Vor- und Nachteile von Gliptine, eigene Darstellung nach [1h, 28b]
Tabelle 11: Vor- und Nachteile von Gliflozine, eigene Darstellung nach [1h]
Tabelle 12: Vor- und Nachteile von Glinide, eigene Darstellung nach [1h, 28b]
Tabelle 13: Vor- und Nachteile von Glitazon, eigene Darstellung nach [28c]
Tabelle 14: Vor- und Nachteile der BOT sowie der CT- und ICT Insulintherapie, modifiziert nach [1j, 10d, 28b]
Tabelle 15: " Orientierung zu Wirkkinetik von Insulinen und Insulinanaloga“, modifiziert nach [1j]
Tabelle 16: Arzneimittelempfehlungen gemäß Stiftung Warentest „Handbuch Medikamente“, modifiziert nach [28g]
1. Aufgabenstellung
Mit dieser Arbeit sollen die Maßnahmen zur Therapie und Prävention des Typ-2-Diabetes mellitus dargestellt werden. Dabei soll zwischen nicht-medikamentösen (Ernährung und körperliche Aktivität) und medikamentösen Maßnahmen unterschieden werden.
2. Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus
Als Diabetes mellitus wird eine Gruppe von Stoffwechselerkrankungen beschrieben, die alle mit einem erhöhten Blutzucker über dem Normwert gekennzeichnet sind. Ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel wird in der Fachsprache als chronische Hyperglykämie bezeichnet und ist die Auswirkung gestörter Insulinsekretion und/oder Insulinwirkung. Die chronische Hyperglykämie wird mit Langzeitschäden verschiedener Organe in Verbindung gesetzt. Aufgrund dessen sind häufig die Augen, Nieren, Nerven und das Herz-Kreislaufsystem von Funktionseinschränkungen und Funktionsstörungen betroffen [1a .
Diabetes mellitus wird in zwei wesentlichen Formen differenziert, der Typ-1-Diabetes sowie der Typ-2-Diabetes und die Unterschiede werden in Tabelle 1 dargestellt [2a].
Bei Typ-1-Diabetikern herrscht ein absoluter Insulinmangel, bedingt durch eine virale oder autoimmunologische Zerstörung der β-Zellen der Langerhans´schen Inseln des Pankreas [3a]. Häufig sind hagere, junge Menschen betroffen und müssen unmittelbar das lebenswichtige Hormon Insulin injizieren [2a].
Typ-2-Diabetiker sind häufig älter und übergewichtig jedoch auch junge, übergewichtige Menschen können an Typ-2-Diabetes erkranken. Das Pankreas produziert noch genügend Insulin, nimmt jedoch mit den Jahren stetig ab. Ist der Patient übergewichtig, kann er durch eine Gewichtsreduktion ohne Insulintherapie leben. Nachdem Gewicht abgebaut wurde und der Körper kein eigenes Insulin mehr produziert, muss ebenfalls mit Insulin behandelt werden [2a].
Tabelle 1: Wesentliche Formen des Diabetes mellitus, nach [2b]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Jahr 2014 lebten rund 422 Millionen Erwachsene weltweit mit der Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus, 2012 starben insgesamt 3,7 Millionen Menschen aufgrund von zu hohen Blutzuckerwerten und den daraus resultierenden Folgeerkrankungen. Verglichen mit 108 Millionen Diabetes Erkrankten im Jahr 1980, stieg die Diabetes Prävalenz von 4,7 Prozent auf 8,5 Prozent in der erwachsenen Bevölkerung 4.
In Deutschland haben zurzeit etwa 4,6 Millionen Menschen die Diagnose Diabetes mellitus, davon sind etwa 80 bis 90 Prozent an Typ-2-Diabetes erkrankt [1b].
Im nachfolgenden Kapitel wird das blutzuckerregulierende Organ Pankreas erläutert.
3. Das Pankreas
3.1 Lage und Aufbau des Pankreas
Das Pankreas wird im allgemeinen Sprachgebrauch als Bauchspeicheldrüse bezeichnet, liegt hinter dem Bauchfell und ist in etwa 15 bis 20 cm lang, 1,5 bis 3 cm dick und 80 g schwer. Das Pankreas wird in drei Abschnitten unterteilt, dem Kopf-, Körper- und Schwanzteil. Wie in Abbildung 1 dargestellt mündet der Pankreaskopf am C-förmigen Abschnitt des Duodenums und der Pankreasschwanz endet am Milzhilus1 5.
Abbildung 1: „Die Oberbauchorgane in der Vorderansicht“ 5
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Langerhans-Inseln bestehen aus 0,2 mm großen Verbänden und sind im Pankreas wie kleine Inseln verteilt. In den Inseln können mindestens drei Arten von Zellen differenziert werden (siehe Abb. 2). Die α-Zellen und die β-Zellen sind bedeutend für die Blutzuckerregulation, die δ-Zellen bilden Somatostatin, welches viele Verdauungsfunktionen hemmt 5.
Abbildung 2: „Hormonsezernierende Zellen des Inselorgans im Pankreas“ [6a]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.2 Funktion des Pankreas
Das Pankreas ist das Kernorgan für die Fett-, Eiweiß- und Kohlenhydratverdauung. Als exokrine Drüse (Drüse mit äußerer Sekretion) produziert das Pankreas täglich 2 Liter Pankreassaft, welches viele verschiedene Enzyme enthält. In Tabelle 2 werden die Enzymgruppen und die entsprechende Verdauungsfunktion dargestellt [6b].
Tabelle 2: Enzymgruppen und deren Verdauungsfunktion (des exokrinen Drüsensystems), abgebildet nach [6b]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Enzyme werden inaktiv (z. B. Trypsinogen) in das Duodenum geleitet und werden anschließend aktiviert. Zusätzlich neutralisiert der alkalische Pankreassaft das saure Milieu im Zwölffingerdarm [6b].
Als endokrine Drüse (Drüse mit innerer Sekretion) produziert das Pankreas mit den Langerhans-Inseln Hormone. Die Hormone Insulin und Glukagon sind für die Blutzuckerregulierung zuständig und werden in Kapitel 3.3 beschrieben [6b].
3.3 Aufgaben der Hormone Insulin und Glukagon
Die 1 bis 2 Millionen Zellen der Langerhans-Inseln produzieren etwa 60 Prozent Insulin, 25 Prozent Glukagon und 15 Prozent Somatostatin. Der Blutzuckerspiegel wird durch Insulin und Glukagon aufrecht gehalten, dabei wirken Insulin und Glukagon als Antagonist [6c]. Nachstehend werden die Regulationsvorgänge des Kohlenhydratstoffwechsels durch die „Schlüsselhormone“ Insulin und Glukagon beschrieben [6c]:
- Zugeführte Nahrung wird durch die Insulinsekretion der β-Zellen in Glykogen und Fett gespeichert
- In Hungerphasen oder Stresssituationen führt die Glukagonsekretion der α-Zellen dazu, dass Energiereserven freigesetzt werden
- Insulin und Glukagon halten die Blutglukosekonzentration möglichst mit 60 bis 100 mg Glukose / 100 ml Blut aufrecht
- Insulin senkt den Blutzuckerspiegel und begünstigt die Glykogensynthese in der Leber und lässt den Blutzucker einfacher in die Zellen aufnehmen
- Glukagon führt dazu, dass Glykogen in der Leber zu Glukose abgebaut wird und den Blutzuckerspiegel erhöht [6c].
In der anschließenden Tabelle 3 werden einige Insulin- und Glykogenwirkungen auf den Stoffwechsel dargestellt.
Tabelle 3: Insulin- und Glukagonwirkungen auf den Stoffwechsel, modifiziert nach [7a]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
↑ =Steigerung, ↓ = Hemmung
Ist die Blutzuckerregulation aufgrund von einem relativen Insulinmangel gestört, führt dies zu einer chronischen Hyperglykämie und wird als Typ-2-Diabetes bezeichnet, worauf in Kapitel 4 eingegangen wird [7a].
4. Diabetes mellitus Typ 2
4.1 Definition
„Diabetes mellitus ist der Sammelbegriff für heterogene Störungen des Stoffwechsels, deren Leitbefund die chronische Hyperglykämie ist. Ursache ist entweder eine gestörte Insulinsekretion oder eine gestörte Insulinwirkung oder meist beides.“ [8a]
„Klassifikation“ modifiziert, nach WHO2 1985 [8a, 9b]
Diabetes mellitus
1. Diabetes mellitus Typ 1 → Insulinpflichtig
2. Diabetes mellitus Typ 2 → nicht Insulinpflichtig
a) normalgewichtig
b) übergewichtig (BMI >24,99 kg/m²)
3. MODYs → genetische Defekte der β–Zell–Funktion
Verminderte Glukosetoleranz
a) übergewichtig
b) normalgewichtig
c) MODY Vorstadium
Weitere Diabetes mellitus Formen
1. Erkrankungen des Pankreas (z. B. Pankreatitis, zystische Fibrose)
2. Störungen des endokrinen Systems (z. B. Cushing-Syndrom)
3. Medikamentös induziert (z. B. Glukokortikoide, Neuroleptika)
4. Insulinrezeptorstörungen [8a, 9b]
Der Gestationsdiabetes entsteht erstmalig häufig bei gesunden Frauen während der 20. bis 23. Schwangerschaftswoche. Dieser geht mit einer Glukoseverwertungsstörung einher und reguliert sich nach der Geburt [8a, 9a].
4.2 Symptome
Die langsame progressive Entwicklung des Typ-2-Diabetes ist häufig jahrelang unentdeckt und bringt keine klare Symptomatik mit sich. Sogar im fortgeschrittenen Verlauf bleibt die chronische Hyperglykämie unentdeckt und die unspezifischen Krankheitsbeschwerden sind nicht so eindeutig wie beim Typ-1-Diabetes. Häufig wird der Typ-2-Diabetes zufällig bei anderen Untersuchungen oder bei kurzfristig stark gesteigertem Insulinbedarf z. B. bei einer Operation, in Stresssituationen, einem Herzinfarkt oder schneller Gewichtszunahme entdeckt. Die Folge von jahrelanger Hyperglykämie sind in der Regel irreversible Blutgefäß- und Organschäden. Infolgedessen ist es ratsam regelmäßige Blutzuckerkontrollen in einer Arztpraxis durchführen zu lassen [10a].
Hinweise für einen Diabetes mellitus können häufiges Urinieren und ein gesteigertes Durstempfinden, aufgrund von erhöhter Zuckerausscheidung der Nieren sein. Ein weiterer Hinweis könnten Schwäche, Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Konzentrationsschwäche sein, da infolge von Insulinmangel keine Glukose als Energie für die Körperzellen zur Verfügung steht. Ebenfalls können Hautbeschwerden auftreten, die Haut kann aufgrund von Flüssigkeitsmangel durch Polyurie trocken und rissig werden. Ferner können Pilzinfektionen im Genitalbereich entstehen, da der zuckerhaltige Urin das Wachstum für Pilze und Bakterien fördert und die Abwehrkräfte durch die chronische Hyperglykämie geschwächt ist. Ein weiteres Anzeichen für einen Diabetes mellitus können Sehbeschwerden sein, da sich ein erhöhter Blutzucker negativ auf die Augenlinse auswirken kann. Diese Beschwerden müssen nicht alle auftreten und können ein Indiz für einen Diabetes mellitus sein [10b].
Wenn Anzeichen für einen Diabetes mellitus vorhanden sind und/oder ein erhöhtes Risiko für Diabetes mellitus besteht, sollte eine jährliche Blutzuckerkontrolle erfolgen, um diesen frühzeitig zu diagnostizieren [10a].
Ein erhöhtes Diabetes mellitus Risiko besteht bei familiärer Vorbelastung, zurückliegender Gestationsdiabetes, einer Geburt, bei der das Neugeborene über 4 500 g wog, bei Übergewicht, Bewegungsmangel, Hypertonie (über 140/90 mmHg) sowie bei Hypercholesterinämie und Hypertriglyzeridämie (HDL-Cholesterin <40 mg/dl) und/oder Triglyceride (>200 mg/dl nüchtern). Wenn ein oder mehrere Kriterien vorliegen, besteht ein wahrscheinliches Risiko an Diabetes mellitus zu erkranken [10a].
4.3 Diagnostik
Zur Diabetes mellitus Diagnostik werden standardisierte Kriterien verwendet. Die Diagnosekriterien bestehen aus der Gelegenheits-Plasmaglukose von ≥200 mg/dl (≥11,1 mmol/l), der Nüchtern-Plasmaglukose von ≥126 mg/dl (≥7,0 mmol/l), dem oGTT-2-h-Wert im venösen Plasma ≥200 mg/dl (≥11,1 mmol/l) sowie dem HbA1c ≥6,5% (≥48 mmol/mol Hb) [8a].
Ist der Nüchternblutglukose-Wert im venösen Plasma zwischen 100 und 125 mg/dl (5,6 mmol und 6,9 mmol/l), wird dieser als abnormal erhöhte Nüchternglukose IFG („impaired fasting glucose“) bezeichnet [8a].
Eine gestörte Glukosetoleranz (IGT= „impaired glucose tolerance“) kann bei einem oralen Glukosetoleranztest (oGTT) (siehe Abb. 3) festgestellt werden. Eine Glukoseverwertungsstörung liegt vor, wenn der Plasmaglukosewert nach einem Glukosetoleranztest zwischen 140 und 199 mg/dl (7,8 und 11,0 mmol/l) und der Nüchternglukose-Wert <126 mg/dl (<7,0 mmol/l) ist [8b].
Abbildung 3: „Durchführung des oralen Glukosetoleranztest (oGTT) - nach WHO Richtlinien“ [8c]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Werden abnormal erhöhte Nüchternglukose-Werte (IFG) und/oder eine gestörte Glukosetoleranz (IGT) ermittelt, besteht ein Prädiabetes (siehe Abb. 5). Bei einem Prädiabetes empfiehlt die Nationale VersorgungsLeitlinie – Therapie des Typ-2-Diabetes (NVL)3 eine Diabetes Risikoaufklärung, eine Lebensstiländerung und die Behandlung von Risikofaktoren. Ebenfalls sollten spätestens nach einem Jahr erneute Blutzuckerkontrollen erfolgen, jedoch zeitnah bei Blutgefäß- und Nervenkomplikationen [8d].
Die differentialdiagnostischen Kriterien des Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 sowie des MODYs werden in Abbildung 4 dargestellt. Laut der Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung, ist die Messung von venöser Plasmaglukose und HbA1c zur Diabetes – Diagnostik, nur durch qualitätsgesicherte Labormethoden durchzuführen. Die venöse Plasmaglukosemessung ist zurzeit der geltende Goldstandard für die Diabetes – Diagnostik. Der alleinige HbA1c-Wert ist als Diagnosekriterium aktuell nicht zu empfehlen, da die zulässige Abweichung für die Qualitätskontrolle zu hoch ist. Wird ein Parameter zur Diabetesdiagnose herangezogen, sollte dieser unter standardisierten Bedingungen innerhalb von 2 Wochen in einer neuen Blutprobe wiederholt werden oder ein anderer Parameter, sollte zur Diagnosebestätigung des Diabetes mellitus bestimmt werden. Liegen zwei Messungen desselben Parameters zu weit auseinander, sollte ebenfalls ein anderer Parameter bestimmt werden. Bei grenzwertigen Befunden sollte ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) durchgeführt oder der Langzeitblutzucker (HbA1c) ermittelt werden. Wird der HbA1c herangezogen und befindet sich im Grenzbereich zwischen 5,7 und <6,5 Prozent (39 und <48 mmol/mol), sollte infolgedessen ebenfalls ein Glukosetoleranztest durchgeführt werden [8b].
Der empfohlene Diabetes – Diagnoseprozess wird in Abbildung 5 dargestellt.
Abbildung 4: "Differenzialdiagnostische Kriterien für Typ-1- und Typ-2- Diabetes (sowie MODYs) bei Diagnosestellung“ [8e]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Flussdiagramm zur Vorgehensweise der Diabetesdiagnose [8d]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.4 Epidemiologie
Laut dem Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2017 sind zurzeit etwa 6,7 Millionen Menschen in Deutschland an Diabetes mellitus erkrankt, darunter rund 95 Prozent Typ-2-Diabetiker. Jedes Jahr erhöht sich die Zahl der Diabetes Erkrankten um rund 300.000 Patienten. Deutschland ist der zweithäufigste Vertreter mit etwa 6,7 Millionen Diabetiker in Europa. Unter den 6,7 Millionen Menschen befindet sich eine Dunkelziffer von zirka zwei Millionen Menschen, die aufgrund von mangelnden und unspezifischen Symptomen, welches dem Typ-2-Diabetes entspricht, noch keine Diabetesdiagnose haben. Dabei führt ein unbehandelter Diabetes mellitus zu einer chronischen Hyperglykämie und daraus resultierenden Amputationen, Neuerblindungen, Nierenschädigungen sowie Herz- und Kreislaufkomplikationen. Infolgedessen sterben etwa dreiviertel aller Diabetiker frühzeitig an Herzinfarkt oder Schlaganfall [11, 12, 13a].
Geschätzt wird, das 7 bis 8 Prozent der erwachsenen Bevölkerung die Diagnose Diabetes mellitus Typ 2 haben. Diese Zahlen entstanden aus bevölkerungsbezogenen Surveys und einzelner Krankenkassen-Abrechnungsdaten. Die Inzidenz des Typ-2-Diabetes im Jahr 2010 war bei Männern und Frauen zwischen dem 80. und 85. Lebensjahr am höchsten. Die Prävalenz der über 80-Jährigen liegt bei 24 Prozent, das entspricht etwa einer Million über 80-Jähriger Typ-2-Diabetes Erkrankten. Abbildung 6 stellt die Typ-2-Diabetes Prävalenz von 65 Millionen Krankenversicherten unter Berücksichtigung des Alters und Geschlechtes im Jahr 2010 dar. Insgesamt hatten 2010 mindestens 5,8 Millionen Menschen Typ-2-Diabetes, die Prävalenz zwischen 2009 und 2010 belief sich auf 6,9 bzw. 7,1 Prozent [13b].
Ein Vergleich zweier Studien des Robert Koch-Institutes (2008 bis 2011) und dem methodengleichen Bundesgesundheitssurvey (1997 bis 1999) besagt, dass die Diabetesprävalenz in den vergangenen 14 Jahren von 5,6 auf 7,2 Prozent gestiegen ist. Bei Männern stieg die Diabetes Prävalenz absolut um 1,5 und bei den Frauen um 1,8 Prozent [13b].
Ein weiterer Grund der gesteigerten Diabetes Prävalenz erschließt sich durch die frühzeitige Diagnose anhand der Messmethode des HbA1c-Wertes sowie der Nutzung von Risiko-Scores, die in den Leitlinien seit 2010 empfohlen werden [13b].
Bei Kindern und Jugendlichen ist die Diabetes Prävalenz im Vergleich zu den Erwachsenen mit 0,03 Prozent bei den Jungen und 0,04 Prozent bei den Mädchen gering. Jedoch wird selbst bei Jugendlichen der Prädiabetes mit gestörter Glukosetoleranz und abnormale Nüchternglukose festgestellt [13c].
Zurzeit wird davon ausgegangen, dass Männer und Frauen, die an Typ-2-Diabetes erkrankt sind, eine verkürzte Lebenszeit von 4,5 bis 6,5 Jahren haben und dass diese durch Komplikationen zum Beispiel durch kardiovaskuläre Erkrankungen beeinflusst wird [13d].
Abbildung 6: "Altersspezifische Prävalenz des Typ-2-Diabetes bei männlichen und weiblichen Versicherten auf Grundlage von 65 Mio. Versichertendaten (DIMDI Daten) im Jahr 2010 " [13b]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Risikofaktoren und Prävalenz des Typ-2-Diabetes, stehen oftmals im Zusammenhang mit verhaltensbezogenen Faktoren, die Auswirkungen auf das Körpergewicht haben. Die Ernährung sowie die körperliche Aktivität haben einen zentralen Einfluss auf die Entstehung des Typ-2-Diabetes. Das Übergewicht- und Adipositasassoziierte Risiko des Typ-2-Diabetes kann über den Body-Mass-Index, dem Taille-Hüft-Verhältnis sowie dem Taillenumfang ermittelt werden. Ebenso erhöht sich das Risiko bei genetischer Prädisposition mit oder ohne verhaltensbedingten Risikofaktoren. Ebenso zeigt die MONICA- und die KORA-Studie, dass die Verwendung von mehr als 20 (Nikotin- und Teerhaltigen) Zigaretten das Diabetes Risiko gegenüber Nichtrauchern verdoppelt [13e, 14a].
Des Weiteren zeigen erhöhte Luftschadstoffe wie Feinstaub- und Stickstoffoxidbelastungen durch Kraftfahrzeuge und Industrie, einen Zusammenhang mit der Entstehung von neudiagnostizierten Diabetes Typ 2 mellitus. Somit könnte der Wohnort auch ein Risikoeinflussfaktor sein [13e].
Ebenfalls gibt es regionale Unterschiede in Bezug auf die Diabetes Prävalenz, diese ist in Nordostdeutschland rund doppelt so hoch wie in Süddeutschland. Vermutet werden auch strukturelle und sozioökonomische Benachteiligungen von Gemeinden, niedriger Bildungsgrad, hohe Belastungen am Arbeitsplatz, Stress, Lärm oder Umweltfaktoren wie Chemikalien in Plastikverpackungen (Bisphenol A), Pestizide sowie städtebauliche Lebensumstände wie zum Beispiel das Fehlen von Grünanlagen [13e].
4.5 Ätiologie und Pathogenese
Laut der NVL – Therapie des Typ-2-Diabetes, begünstigt eine familiäre Belastung (genetische Prädisposition), ein höheres Lebensalter, Lebensstilfaktoren wie der soziale Status, Bewegungsmangel, ballaststoffarme- und fettreiche Kost sowie das Rauchen die Manifestation des Typ-2-Diabetes. Ebenso fördert das Metabolische Syndrom, welches auch als Prä-Typ-2 Diabetes-Syndrom, tödliches Quartett oder Syndrom X bezeichnet wird, die Entstehung des Typ-2-Diabetes. Das Metabolische Syndrom wird durch abdominale Adipositas (Taillenumfang bei Männern ≥94 cm, bei Frauen ≥80 cm), Insulinresistenz, Hyperinsulinämie, gestörte Glukosetoleranz, Dyslipoproteinämie, Albuminurie und Hypertonie definiert. Des Weiteren begünstigen der Gestationsdiabetes, das Polyzystische Ovarsyndrom sowie andere endokrine Erkrankungen, die Erkrankung Typ-2-Diabetes. Ferner können Medikamente, die sich negativ auf den Kohlenhydratstoffwechsel auswirken, förderlich für die Krankheitsentstehung des Typ-2-Diabetes sein [1c].
Der wesentliche Hauptfaktor für die Manifestation des Typ-2-Diabetes ist die Adipositas, insbesondere bei einer viszeralen Fettverteilung mit Hepatosteatose. Die Insulinresistenz korreliert mit Adipositas, Bewegungsmangel und Dislipoproteinämie [1b].
Die primäre Hypertonie ohne Grunderkrankung, wird ebenfalls mit der Insulinresistenz in Verbindung gesetzt und lässt auf einen späteren Typ-2-Diabetes Manifestation vermuten, ist jedoch kein wirksamer pathogenetischer Faktor [1b].
Der Typ-2-Diabetes wird anhand des Körpergewichtes differenziert. Die Ätiologische Klassifikation des Typ-2-Diabetes mellitus ist definiert als „ Typ 2 a ohne Adipositas “ und „ Typ 2 b mit Adipositas “. Früher wurde dieser als Altersdiabetes, nicht insulinabhängiger Diabetes mellitus (NIDDM) bezeichnet [7b].
Der Typ-2-Diabetes wird durch einen relativen Insulinmangel, deren Ursache auf eine verminderte Insulinsekretion der β-Zellen und/oder einer unzureichenden Insulinwirkung in den Zellen, zurückgeführt. Infolgedessen wird die chronische Stoffwechselerkrankung Typ-2-Diabetes, aufgrund von gestörter Insulinsekretion sowie Insulinresistenz, mit Hypoglykämien begleitet [7b, 15a].
Der Krankheitsverlauf ist beim Typ-2-Diabetes weitaus langsamer als beim Typ-1-Diabetes. Die Insulinsekretion genügt zum Überleben und häufig ist keine Insulinsubstitution erforderlich [7b, 15a].
Die pathologische Ursache der β-Zellfehlfunktion ist auf „molekulare und pathobiochemischer Ebene“ noch unklar. Beim Typ-2-Diabetes ist die Insulinsekretion der β-Zellen sehr inhomogen, sodass tiefe bis hohe Nüchterninsulinkonzentrationen im Blut gemessen werden. Begründet wird dies durch weit zurückliegende Nahrungsaufnahme bzw. den Blutzucker. Ebenso sind die unschlüssigen Insulinkonzentrationen durch die schleichende Abnahme der β-Zellfunktionen beim Typ-2-Diabetes zu erklären. Auftretende Hyperglykämien im Fastenzustand bestätigen des Weiteren eine gestörte Glukagonsekretion beim Typ-2-Diabetiker. Folglich treten häufig zu hohe Glukagonkonzentrationen bei erhöhtem Nüchternblutzucker auf. Bei der Nahrungsaufnahme erhöht sich der Blutzucker weiter und lässt dabei die Glukagonkonzentration absinken, jedoch nicht so tief wie bei nicht Diabetiker. Ebenso wird vermutet, dass das mit dem Insulin abgegebene Hormon Amylin die Insulinresistenz erhöht. Diese Glukagonfehlsteuerung tritt meistens bei stark übergewichtigen Diabetikern mit vermuteter Insulinresistenz auf, diese können nach einer Gewichtsreduktion insulinempfindlicher werden und einen fast normalen Glukosestoffwechsel erlangen [9c, 7c].
Bei normalgewichtigen Typ-2-Diabetikern nimmt die β-Zellfunktion schneller ab. Sie ist unabhängig von der Ernährungssituation und eine Veränderung des Lebensstils kann diesen Prozess nicht verlangsamen. Für das Pankreas und die β-Zellen bedeuten chronische Hyperglykämien durch eine Regulationsstörung der Insulinsekretion, eine dauerhafte Beanspruchung und Produktion an Insulin. Ferner erfolgt bei schlanken Typ-2-Diabetikern ein schnelleres Erliegen der β-Zellfunktion und eine frühzeitige Insulin Behandlung ist notwendig, als bei übergewichtigen Typ-2-Diabetikern [9c].
Die Insulinresistenz wird auch verminderte Insulinsensitivität genannt, diverse Faktoren können zu einer Insulinresistenz führen. Die Insulinrezeptoren, die Glut4-Glukosetransportmoleküle können vermindert sein oder es besteht eine falsche Glut4-Verteilung intrazellulär. Ebenso führen Hyperglykämien, verstärkte Glukagon- und Wachstumshormonsekretion, erhöhte „Total-Triglyzerid– und VLDL-Triglyzeridwerte“ sowie erhöhte freie Fettsäuren zu einer Insulinresistenz [9c].
Die Leberzellen des Insulinresistenten Typ-2-Diabetikers, sprechen nicht mehr auf die hohen Blutzuckerwerte und dem Insulin an, folglich wird weiter Glukose aus der Leber abgegeben. Die hohen Glukagonkonzentrationen bei Typ-2-Diabetiker werden auch auf die abgeschwächten Leberzellen auf Insulin und Blutglukose zurückgeführt. Auch das periphere Gewebe wie Muskelgewebe und Fettgewebe ist relativ insulinresistent, da die Insulinrezeptorzahl vermindert und primär die Übermittlung des Insulinsignals intrazellulär fehlerhaft ist. Wobei ebenfalls die insulinsensitiven Glut4-Glukosetransportermoleküle beim Typ-2-Diabetiker vermindert sind [9c].
Die Abbildung 7 stellt die Pathogenese des Typ-2-Diabetes nochmals schematisch dar.
Abbildung 7: "Pathogenese des Typ-2-Diabetes in schematischer Darstellung" [7c]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.6 Folgeerkrankungen der chronischen Hyperglykämie insbesondere der Mikroangiopathie
Chronische Hyperglykämien führen zu Langzeitschäden der kleinen und großen Arterien sowie des Nervensystems [15b].
Aufgrund von chronischer Hyperglykämie können insbesondere mikrovaskuläre Komplikationen beim Typ-2-Diabetiker entstehen, welche die kleinen Arterien betreffen. Bei den mikrovaskulären Organschädigungen sind die Augen und die Nieren betroffen. Diabetische Augenerkrankungen werden als „diabetische Retinopathie“ bezeichnet. Es können Netzhautblutungen, Gefäßneubildungen und Exsudate auftreten. Des Weiteren kann es zu Sehstörungen oder sogar zur Erblindung führen [15b, 16a]. Diabetische Nierenerkrankungen werden als „diabetische Nephropathie“ bezeichnet und können zu Eiweißablagerungen in den Glomeruli, chronischen Nierenbeckenentzündungen und zu Nierenarteriosklerose führen [15b]. Nervenerkrankungen bei Diabetes werden als „diabetische Neuropathie“ bezeichnet und können zu diversen Störungen des peripheren und autonomen Nervensystems führen. Es werden sensorische Störungen wie Ameisenlaufen, Gefühlslosigkeit mit Taubheitsgefühl beschrieben. Auch motorische Nervenstörungen wie Muskelschwäche durch Muskelschwund können z. B. an der Wadenmuskulatur auftreten. Das Temperatur- und Schmerzempfinden lässt durch die Nervenschädigungen nach und führt dazu, das Schmerzen nicht rechtzeitig wahrgenommen werden und eine verminderte Wundheilung durch Durchblutungsstörungen auftritt. Fatal sind Infektionen z. B. an den Füßen mit Durchblutungsstörungen durch Arteriosklerose. Amputationen können die Folge einer unsachgemäßen Behandlung eines diabetischen Fußes sein und sollten sofort ärztlich behandelt werden [15b, 15c, 2c, 2d]. Um Verletzungen zu vermeiden, gibt es Spezialschuhe für Diabetiker mit Nervenstörungen, die nahtfrei sind und Druckstellen vermeiden. Des Weiteren ist eine angemessene Fußpflege von Wichtigkeit, um Verletzungen durch spitzes Werkzeug wie Scheren oder Hornhauthobel zu vermeiden. Um die Durchblutung der untersten Extremitäten zu fördern, kann eine regelmäßige Fußgymnastik hilfreich sein [2e]. Typ-2-Diabetiker können auch von makrovaskulären Komplikationen betroffen sein, welche die großen Arterien betreffen. Makrovaskuläre Arteriosklerose bei Diabetes wird als „diabetische Arteriopathie“ bezeichnet und betrifft das Herz, das Gehirn sowie das periphere und arterielle Gewebe. Dabei können Komplikationen wie Herzinfarkt, Hirnschlag und periphere sowie arterielle Gefäßverschlüsse der unteren Extremitäten auftreten. [15b, 16a] Des Weiteren können Folgeschäden des autonomen vegetativen Nervensystems entstehen und betreffen den Magen-Darm-Trakt, das Herz-Kreislauf-System, das Uro-Genitalsystem, die Schweißdrüsen und das Respirationssystem. Es können Beschwerden wie Durchfälle, Magenblähungen, Tachykardie, Impotenz, Hauttrockenheit oder Schweißausbrüche sowie verminderte Hustenreflexe aufkommen [15c].
Aufgrund der diversen Folgeerkrankungen sind jährliche Kontrolluntersuchungen durch Ärzte in den Bereichen der Retinopathie, Nephropathie, Neuropathie, Arteriosklerose sowie des diabetischen Fußes durchzuführen, um frühzeitig die Langzeitschäden aufzudecken, zu behandeln und um weitere Komplikationen zu vermeiden. Schlussfolgernd ist die wichtigste Maßnahme, um Folgeschäden des Diabetes mellitus zu verhüten, die regelmäßige Blutzuckerkontrolle und eine gute Blutzuckereinstellung, sodass Hyperglykämien vermieden werden [15c].
4.7 Therapieziele
Laut der aktuellen Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) - Therapie des Typ-2-Diabetes sind die obersten Therapieziele, dass Erlangen von möglichst gutem Wohlbefinden bezüglich der Lebensqualität sowie eine individuelle, optimale Behandlung des Typ-2-Diabetikers, um die Morbidität ggf. Mortalität zu verhüten [1d].
Im Vordergrund stehen der Mensch und sein Wohlbefinden. Infolgedessen werden Therapieziele individuell mit dem Diabetiker und dem behandelnden Arzt vereinbart. Allgemeine Zielwerte sind nicht weiter fix, sondern aufgrund von unterschiedlichsten Einflussfaktoren wie z. B. das Alter oder andere Erkrankungen des Patienten, bestehen Zielkorridore (Unter- und Obergrenzen von Zielwerten). Mit Hilfe von Zielkorridoren können individuelle Therapieziele bezüglich der Einflussfaktoren des Patienten festgelegt werden [1d].
In der anschließenden Abbildung 8 werden aus der Nationalen VersorgungsLeitlinie „Allgemeine Behandlungs- und Betreuungsziele bei Menschen mit Typ-2-Diabetes“, schlüssig dargestellt [1d].
Abbildung 8: „Allgemeine Behandlungs- und Betreuungsziele bei Menschen mit Typ-2-Diabetes“ [1d]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die NVL gibt zur Behandlung des Typ-2-Diabetes Orientierungswerte für Erwachsene bezüglich der Therapieziele an und diese lauten wie folgt:
- „Nüchtern-/präprandiale Plasmaglukose (venös):
100-125 mg/dl/ 5,6-6,9 mmol/l“ [1e]
- „Postprandiale Plasmaglukose (venös) 1 bis 2 Std. postprandial:
140-199 mg/dl/ 7,8-11,0 mmol/l“ [1e]
Die individuellen Therapieziele für die Indikatoren HbA1c, Lipide, Gewichtsabnahme bei Übergewicht und Blutdruck belaufen sich wie folgt:
- Der „HbA1c-Zielkorridor zur Primärprävention von Folgekomplikationen“ liegt bei 6,5 % bis 7,5 % (48 bis 58 mmol/mol) [1e]
Individuelle Zielkorridorfaktoren des HbA1c-Wertes werden bestimmt durch:
- „Patientenwille nach Aufklärung“ [1e]
- Alter und Komorbidität (je jünger und gesünder, desto näher am empfohlenen Ziel-HbA1c)„ [1e]
- „Abwägung von Nutzen und Risiken (Hypoglykämien, Gewichtszunahme) der Substanzen“ [1e]
- „Art der eingesetzten Substanz (mit Metformin um 7 %, ggf. bei guter Verträglichkeit auch darunter, mit Glibenclamid und Insulin maximale Senkung auf 7 %)“ [1e]
Individuelle Therapie mit dem Ziel, den Indikator „Lipide“ zu senken. Dabei werden zwei Vorgehensweisen diskutiert:
- „LDL-Cholesterin-Senkung auf Zielwert <100 mg/dl (<2,6 mmol/l) (DDG/DGIM)“ [1e]
- „Strategie der festen Statindosis (AkdÄ, DEGAM)“ [1e]
Individuelle Therapie mit dem Ziel, Körpergewicht bei Übergewicht abzubauen:
- „bei BMI von 27 bis 35 kg/m²: etwa 5 % Gewichtsabnahme“ [1e]
- „bei BMI >35 kg/m²: >10 % Gewichtsabnahme“ [1e]
Individuelle Therapie mit dem Ziel, den Indikator „Blutdruck“ zu senken:
- „systolischer Blutdruck: <140 mmHg“ [1e]
- „diastolischer Blutdruck: 80 mmHg“ [1e]
4.8 Schwere Hypo- und Hyperglykämie
Um das Wohlbefinden des Typ-2-Diabetikers zu steigern ist es wichtig, Stoffwechselentgleisungen der schweren Hypo- und Hyperglykämie zu vermeiden und zu kontrollieren.
Die Hypo glykämie beschreibt eine Blutunterzuckerung aufgrund von zu viel Insulin im Blut mit der Folge, dass der Blutzucker unter die Normwerte abfällt. Eine leichte Hypoglykämie kann durch verschiedene Anzeichen schnell wahrgenommen werden. Die Symptome wie Kopfschmerzen, weiche Knie, Schweißausbrüche, Heißhunger, Herzrasen, Nervosität, Konzentrationsschwäche sowie Schwächeanfälle können auf eine Unterzuckerung hindeuten und durch eine Blutzuckermessung bestätigt werden. Häufig entstehen hypoglykämische Beschwerden, wenn der Blutzucker unter 50 mg/dl absinkt 17. Sobald die Unterzuckerung durch Gegenmaßnahmen behandelt wird, hat die leichte Hypoglykämie keine Folgeschäden und ist unbedenklich. Unbehandelt führt die Hypoglykämie jedoch zur Bewusstlosigkeit, da dem Gehirn zu wenig Zucker als Energie zur Verfügung steht. Aufgrund dessen sollte immer schnellverfügbarer Zucker in Form eines Fruchtsaftgetränks oder Traubenzucker etc. in Reichweite sein. Die Gründe einer Hypoglykämie sind entscheidend, um zukünftige Unterzuckerungen zu vermeiden. Ursachen einer Hypoglykämie können zu viel injiziertes Insulin sein, zu große Zeitabstände zwischen der Insulinsubstitution und der Nahrungsaufnahme, zu wenig Kohlenhydrate, hohe körperliche Bewegung ohne entsprechende Vorsichtsmaßnahmen sowie große Mengen an Alkohol. Es ist wichtig, die tägliche Nahrungsaufnahme auf den Wirkungsverlauf des blutzuckersenkenden Insulins abzustimmen. Falls keine Ursache gefunden wird, sollte die Insulindosierung mit dem Arzt abgesprochen und gesenkt werden [2f].
Chronische Hyper glykämien beschreiben dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte aufgrund von Insulinmangel und einer Insulinresistenz. Ohne Hyperglykämien gibt es keine diabetischen Folgeschäden, die bereits in Kapitel 4.6 genannt wurden und vermieden werden sollten. Eine sehr starke Blutzuckererhöhung wird als nichtketoazidotisches (hyperosmolares) Koma bezeichnet und tritt primär beim Typ-2-Diabetes auf, da noch eine geringe Insulinsekretion besteht und es zu keiner Ketoazidose kommt. Ein diabetisches Koma wird beim Typ-2-Diabetes durch starke Blutzuckererhöhung über 330 mmol/l definiert und führt zur tiefen Bewusstlosigkeit, Dehydration und Harnzuckerausscheidung. Die ärztliche Behandlung erfolgt mit geringer kontinuierlicher Insulintherapie sowie Elektrolytsubstitution. Gründe einer starken Überzuckerung können eine zu niedrige Insulin Injektion, starke Kohlenhydratüberernährung, schwere Verbrennungen, kardiovaskuläre Schockzustände sowie wirkungslose blutzuckersenkende Tabletten oder andere Medikamente sein [9d, 16b].
5. Nicht-medikamentöse Maßnahmen
Nach der Diagnose des Typ-2-Diabetes und Festlegung der individuellen Therapieziele- beginnt die Therapie mit der ersten Stufe der Behandlung mit der Basistherapie. Die Basistherapie der Nationalen VersorgungsLeitlinie beinhaltet nicht-medikamentöse-, lebensstilmodifizierende Maßnahmen und beabsichtigt das Erreichen des individuellen HbA1c-Ziels, innerhalb von 3 bis 6 Monaten. Das individuelle HbA1c-Ziel befindet sich nach der NVL innerhalb des HbA1c-Zielkorridors zwischen 6,5 und 7,5 Prozent. Nicht-medikamentöse Maßnahmen der Basistherapie schließen die Schulung des Diabetikers, Ernährungstherapie, Steigerung der körperlichen Aktivität sowie, falls erforderlich, eine Raucher-Entwöhnung ein. Falls nötig, werden weitere indizierte Risikofaktoren behandelt. Die Basistherapie gilt gleichermaßen auch für weitere Therapiestufen. Im Vordergrund steht die Bestärkung und Motivation der Person mit Typ 2-Diabetes zu einem gesunden Lebensstil, welcher durch Ernährung, körperliche Bewegung, Rauchabstinenz und eingeschränktem Alkoholkonsum definiert wird. Die nachfolgenden Kapitel umfassen die Ernährung im Rahmen der Therapie sowie der Prävention des Typ-2-Diabetes [1f].
5.1 Ernährung
Die Ernährung dient primär der Bedarfsdeckung an essenziellen Nährstoffen und Energie. Der ernährungsphysiologische Bedarf an unentbehrlichen Nährstoffen der Makro- und Mikronährstoffe, Wasser und Energie ist individuell von vielen Faktoren wie z. B. dem Geschlecht, Alter und der physiologischen Situation abhängig. Die bedarfsgerechte Nährstoff- und Energiezufuhr ist für die Aufrechterhaltung aller Körperfunktionen zuständig. Nährstoff- und Energiezufuhr- Empfehlungen- und Schätzwerte können in den D-A-CH4 Referenzwerten eingesehen werden 18.
Ist die Energieaufnahme gleich dem Energieverbrauch (EI=EV), besteht eine ausgeglichene Energiebilanz, wodurch langfristig ein gesundheitliches, konstantes Körpergewicht erreicht wird. Der Body-Mass-Index (BMI5 ) klassifiziert das Körpergewicht und wird über das Körpergewicht dividiert durch die Körpergröße in Meter zum Quadrat definiert (siehe Tab. 4). Ein Normalgewicht besteht zwischen einem BMI von 18,5 kg/m² und 24,9 kg/m². Liegt ein Übergewicht vor (BMI ≥ 25,0 kg/m²), ist dies die Folge einer positiven Energiebilanz (EI>EV) und zeichnet sich durch erhöhte Depotfettbildung aus. Die Adipositas, (BMI ≥30 kg/m²) besonders mit viszeraler Fettverteilung wird mit der Insulinresistenz assoziiert und ist somit ein entscheidender manifestationsfördernder Faktor des Typ-2-Diabetes [1b]. Folglich erschließt sich der Zusammenhang zwischen der Ernährung und der Krankheitsentstehung des Typ-2-Diabetes und der Relevanz der Ernährungstherapie [3b, 19a].
[...]
1 Als Milzhilus wird der Gefäßstiel der Milz bezeichnet
2 Die World Health Organization (WHO) ist in Reichweite der Vereinten Nationen für die öffentliche Gesundheit zuständig
3 Die Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) ist ein Zusammenschluss von Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften zur Qualitätsförderung der Medizin. Sie ist eine Entscheidungshilfe für die angemessene ärztliche Behandlungsvorgehensweise bei speziellen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes.
4 Die Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr werden von den Gesellschaften für Ernährung in Deutschland (DGE), Österreich (ÖGE) und der Schweiz (SGE) gemeinsam herausgegeben. Die Kurzbezeichnung „D-A-CH-Referenzwerte“ lehnt sich an die international üblichen Länderkennzeichen für Deutschland (D), Österreich (A) und die Schweiz (CH) an.
5 Body-Mass-Index (BMI) = Körpergewicht (kg)/Größe (m) x Größe (m)
- Quote paper
- Stephanie Waaden (Author), 2018, Nicht-medikamentöse und medikamentöse Maßnahmen zur Prävention und Therapie des Typ 2-Diabetes mellitus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1039401
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