Rahmenbedingungen und Hintergründe des Palästinakonfliktes
Nach dem Untergang des Imperium Romanum herrschten Byzantiner, dann die Araber über Palästina. Im 12. Jahrhundert entstand auf seinem Boden als christlicher Kreuzfahrerstaat das Königreich Jerusalem. Vom 16. Jahrhundert an gehörte das einstige Israel zum Reich der Osmanen, unter dessen toleranter Herrschaft die Zahl der jüdischen Bevölkerung Palästinas wieder anstieg. Einwanderungen, vor allem von Osteuropa her, setzten dann im 18. Jahrhundert ein und erreichten ihren ersten Höhepunkt gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als Theodor Herzl beim ersten Zionistenkonkress in Basel einen jüdischen Staat auf palästinensischem Boden forderte. Als er dann am 15.05.1948 tatsächlich deklariert wurde, war sein Name in Erinnerung an die größte Epoche jüdischer Geschichte „Israel“.
Schon um 1914 hatte es in Palästina rund achzigtausend jüdische Einwohner gegeben, und zunächst schien noch das friedliche Nebeneinander mit der arabischen Bevölkerung möglich. Doch das soziale Gefälle schuf erste Spannungen. Die Neuankömmlinge brachten technische Fertigkeiten und materielle Mittel ins Land, die ihnen eine überlegene Rolle sicherten. Arabische Arbeiter wurden aus jüdischen Betrieben ausgeschlossen, arabische Waren wurden boykottiert. Denn Ziel der palästinensischen Einwanderung war nicht nur der neue Lebensraum, sondern der eigene jüdische Staat. Vor allem Großbritannien, im Krieg mit dem Osmanenreich, zu dem noch Palästina gehörte, befürwortete als weiteres Gegengewicht zur Türkenherrschaft diese Tendenz. 1917 deklarierte Außenminister Balfour die „Errichtung einer jüdisch- nationalen Heimstätte“, 1922 bestätigte der Völkerbund die Balfour- Deklaration. Zu dieser Zeit war Palästina britisches Mandat geworden, dessen künftige Teilung in einen arabischen und jüdischen Staat schon 1937 erwogen wurde, unter erbittertem Protest sowohl von arabischer wie jüdischer Seite. Ihre eigentliche Brisanz gewann erst diese Problematik durch die systematische Judenverfolgung durch das Deutschland des dritten Reiches. Hatten bis dahin gerade deutsche Juden dem Gedanken an einen eigenen Staat eher skeptisch gegenübergestanden, schien seine Notwendigkeit noch mehr ideeller Art, wurde er jetzt zur Alternative zum Holocaust in Europa: ein Staat Israel als Garantie, dass nie wieder ein Auschwitz möglich sein sollte. Dieser Gedanke bestimmte von nun an Israels Überlebenswillen.
1947 wurde von den Vereinten Nationen eine Teilung beschlossen, die den Juden 77 Prozent des bisherigen Palästina zusprach. Die Jewish Agency akzeptierte den Kompromiss, anders als die Arabische Liga, die im Jahr darauf, nach der Aufhebung des britischen Mandats, des Abzugs der britischen Truppen und der israelischen Unabhängigkeitserklärung, gegen die Grenzen des neuen Staates vorrückte. Dieser erste israelisch- arabische Krieg endete, wie alle drei weiteren, letztlich unentschieden. In den Waffenstillstandsabkommen von 1949 wahrte zwar Israel die ihm zugesprochenen Grenzen, aber Jerusalem blieb geteilt, Westjordanien wurde dem neu entstandenen Königreich Jordanien eingegliedert. Als schwerwiegendste Folge erwies sich jedoch die Flucht des Großteils der palästinensischen Bevölkerung, die zunächst noch auf einen arabischen Sieg und ihre baldige Rückkehr gehofft hatte.
Die fünfziger Jahre brachten einen verschärften arabischen Nationalsozialismus mit entsprechend wachsender Aggression gegenüber Israel, noch gesteigert durch dessen unübersehbaren wirtschaftlichen Erfolg und eine zunehmende Festigung im Inneren. Dieser permanenten Bedrohung begegnete Israel im Sinai- Feldzug von 1956, zog jedoch von der eroberten Sinai- Halbinsel wieder ab und akzeptierte ihre Besetzung durch UN- Truppen. Als diese Truppen zehn Jahre später wieder abgerufen wurden, schien der Zeitpunkt für den arabischen Vergeltungsakt gekommen, an dessen Ende die Vernichtung Israels stehen sollte. Tatsächlich hielt dann Israels Armee unter dem Verteidigungsminister Moshe Dajan der arabischen Übermacht nicht nur stand, sondern besetzte im Sechs- Tage- Feldzug von 1967 ein Gebiet von der dreifachen Größe seines ursprünglichen Territoriums, diesmal zu keinem Kompromiss bereit, auch nicht nach dem vierten, dem sogenannten Jom- Kippur- Krieg von 1973 und seinem unentschiedenen Ausgang. Die Folgen des Sechs- Tage- Feldzugs bestimmten von nun an Israels Position im Nahen Osten: Zum einen vollzog sich im israelischen Selbstverständnis ein grundlegender Wandel. Israel, in den 70er Jahren Atom- Macht geworden, war nun von der Defensive zur Offensive übergegangen. Die Palästinenser sahen sich um ihre Hoffnung eines siegreichen Frontalangriffs betrogen und gingen zu Terroraktionen im Hintergrund über, die von Israel entsprechend aggressiv beantwortet wurden. Zugleich spaltete sich das arabische Lager: Zunächst Jordanien und dann vor allem Ägypten suchten nach einem Ausgleich, für den der Besuch des ägyptischen Präsidenten Sadat in Jerusalem 1977 und einen Friedensvertrag 1979 zwischen Israel und Ägypten Marksteine waren. Doch den Frieden brachte diese bedingte Annäherung bis heute nicht. Vor allem das Schicksal der Palästinenser, die nun einen eigenen Staat fordern, blieb ungelöst. Und für Israel selbst steht hinter der Frage nach einem Ausgleich und einer dauerhaften Koexistenz mit der arabischen Welt das für die künftige Existenz Israels vielleicht noch größere Problem, wie dieser nun nach außen hin durch die Bedrohung an den Grenzen geeinte, im Innern durch so viele unterschiedliche Bevölkerungsgruppen bestimmte Staat nach allen außenpolitischen Anfechtungen die drohenden inneren Auseinandersetzungen überstehen wird.
- Citation du texte
- Anke BERGMANN (Auteur), 2001, Rahmenbedingungen und Hintergründe des Palästinakonfliktes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103853