Schon der Titel lässt ahnen, dass jede Auswahl aus einem solchen Komplex zwangsläufig rudimentär und subjektiv bleiben muss. Magie ist ein Phänomen, das sich durch sämtliche Bereiche des mittelalterlichen Lebens zieht und als solches in seiner Komplexität kaum zu erfassen ist. Als Schnittpunkt kultureller Linien von Religion und Wissenschaft, einfachem Volk und gelehrter, antiker und mittelalterlicher Welt, europäischer, arabischer, jüdischer, keltischer und germanischer Traditionen ist sie jedoch zentrale Kategorie für das Verständnis des mittelalterlichen Weltbildes sowie grundlegender sozialpolitischer und geistesgeschichtlicher Strömungen und Entwicklungen dieser Epoche.
So unerschöpflich das Material, so notwendig erscheint mir die Beschränkung auf einige wenige, nichtsdestoweniger zentrale Kategorien mittelalterlicher Magie: ihr Verhältnis zu Einflüssen klassischer Traditionen der griechisch-römischen Welt, zur Entwicklung des Christentums und der damit verbundenen Verfolgung von Nichtchristen unter dem Vorwurf der Häresie sowie dem Einzug arabischer Gelehrsamkeit ins geistige Leben und der daraus resultierenden Umgestaltung desselben hin zu einem grundlegenden Neuverständnis der Wissenschaft in der Renaissance. Bei meiner Darstellung bewege ich mich vorwiegend auf dem Feld des geistesgeschichtlichen Diskurses. Vernachlässigt habe ich u.a. die Praxis der Magie in der Volkstradition, Formen des Aberglaubens, die Protagonisten magischer Praktiken sowie kulturelle Einflüsse jüdischer, keltischer und germanischer Traditionen.
Als magisch definieren Menschen häufig Phänomene, die sie für unerklärlich halten. Dies dürfte im Mittelalter kaum anders gewesen sein als in unserer heutigen Zeit. Im Mittelalter spielte aber die wissenschaftliche Überprüfung von Aussagen, wie wir sie in der modernen Welt kennen, keine Rolle. Dies macht einerseits die zentrale Bedeutung der Magie im mittelalterlichen Leben erklärbar. Anderseits waren Dinge, die uns heute womöglich als abergläubisch, zumindest einer empirischen Überprüfung nicht standhaltend erscheinen, für den mittelalterlichen Menschen Teil eines durch Traditionen überliefertes, jahrhunderte- oder jahrtausende alten Konstruktes selbstverständlicher Erklärungen und nicht anzweifelbarer Theorien über die Welt. In der Wahrnehmung der Menschen waren alltägliche Erfahrung und Theorie, Realität und Fiktion Teil derselben Wirklichkeitsebene. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Klassisches Erbe
- Geschichte eines Diskurses: die Dämonologie
- Magische Praktiken der Antike
- Magie und Religion
- Wunder der Bibel
- Kriminalisierung der Magie
- Der Manichäismus und die Lehre des Augustinus
- Magie und Wissenschaft
- Wissenschaft im Mittelalter
- Einzug arabischer Gelehrsamkeit: Astrologie und Alchimie
- Trennung von „Weißer' und „Schwarzer Magie"
- Schlussbemerkung: Zur alltäglichen Magie des 20. Jahrhunderts
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Magie in der frühen Neuzeit und untersucht deren Verhältnis zu klassischen Traditionen, Religion und Wissenschaft. Die Arbeit analysiert den Einfluss der Dämonologie auf das magische Denken, die Rolle der Magie im christlichen Kontext und die Integration arabischer Gelehrsamkeit, insbesondere der Astrologie und Alchimie, in die mittelalterliche Welt.
- Die Entwicklung der Dämonologie und deren Einfluss auf das magische Denken
- Das Verhältnis von Magie und Religion, insbesondere im Kontext des Christentums
- Die Integration arabischer Gelehrsamkeit in die mittelalterliche Wissenschaft und die Entstehung neuer Disziplinen wie Astrologie und Alchimie
- Die Trennung von „Weißer" und „Schwarzer Magie" im mittelalterlichen Diskurs
- Die alltägliche Magie des 20. Jahrhunderts und deren Bedeutung für das Verständnis der modernen Welt
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einführung beleuchtet die Komplexität des Themas Magie und die Notwendigkeit, sich auf einige zentrale Kategorien zu beschränken. Die Arbeit konzentriert sich auf das Verhältnis der Magie zu klassischen Traditionen, dem Christentum und der arabischen Gelehrsamkeit.
Das Kapitel „Klassisches Erbe" untersucht die Geschichte der Dämonologie und deren Entwicklung von der Antike bis zur Renaissance. Es werden die Vorstellungen von Dämonen bei Homer, Empedokles, Demokritos und Hesiod sowie die dreiteilige Klassifikation von Dämonen durch Heinrich Cornelius Agrippa von Nettersheim vorgestellt.
Das Kapitel „Magische Praktiken der Antike" zeigt die Wurzeln magischer Praktiken im Römischen Reich, Ägypten und anderen antiken Kulturen. Es wird die Ambivalenz des Verhältnisses von Magie und Wissenschaft bei Autoren wie Seneca und Galenus dargestellt.
Das Kapitel „Wunder der Bibel" untersucht die Verdammung der Magie im Alten Testament und die Rolle des Motivs des Zauberwettkampfes. Es wird die Ähnlichkeit der Wirkung göttlicher und magischer Kräfte sowie die Kritik des Christentums durch Celsus beleuchtet.
Das Kapitel „Kriminalisierung der Magie" behandelt die Verfolgung von Magie im Kontext der ideologischen Machtkämpfe zwischen Christen und Heiden. Es werden die Verfolgungspraktiken des römischen Reichs und die Entwicklung des kanonischen Kirchenrechts dargestellt.
Das Kapitel „Der Manichäismus und die Lehre des Augustinus" analysiert die Religion des Propheten Mani und die Abgrenzung des christlichen Denkens durch Augustinus. Es werden die Unterschiede zwischen dem manichäischen Dualismus und der christlichen Theologie sowie die Bedeutung des Begriffs „falsa religio" erläutert.
Das Kapitel „Wissenschaft im Mittelalter" beschreibt die konservative Natur des mittelalterlichen Wissenschaftsverständnisses und die enge Verknüpfung von Magie und Wissenschaft. Es werden die Rolle der Heiligen Schrift und die Bedeutung der aristotelischen Theone von der Balance der Körpersäfte dargestellt.
Das Kapitel „Einzug arabischer Gelehrsamkeit: Astrologie und Alchimie" untersucht die Integration arabischer Gelehrsamkeit in die mittelalterliche Welt und die Entstehung neuer Disziplinen wie Astrologie und Alchimie. Es werden die Grundlagen des astrologischen Denkens bei Aristoteles und die Bedeutung der neuplatonischen Theorie des Mikrokosmos und Makrokosmos erläutert.
Das Kapitel „Trennung von „Weißer' und „Schwarzer Magie" beleuchtet die Entstehung der Unterscheidung zwischen „natürlicher" und „dämonischer Magie" im Kontext der arabischen Gelehrsamkeit. Es wird die Kritik an dieser Unterscheidung und die Rolle des Magievorwurfs in der gesellschaftlichen Repression dargestellt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Magie, Dämonologie, Religion, Wissenschaft, Christentum, arabische Gelehrsamkeit, Astrologie, Alchimie, „Weißer Magie", „Schwarzer Magie", mittelalterliches Weltbild, Renaissance, Interdisziplinarität, Bildmedien, Medienmanipulation.
- Citation du texte
- Clemens Grün (Auteur), 1998, Magie - Schnittpunkt kultureller Linien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10382
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