Die Thesis greift die Lieferantenbewertung als großen Teilaspekt des Themenbereichs Lieferantenmanagement auf. Das Ziel der Arbeit ist es, ein funktionierendes Bewertungsmodell zu entwickeln, welches sich aus den Zielen des Lieferantenmanagement ableitet. Dabei besteht der praktisch nutzbare Anspruch der Kaufland Stiftung darin, dass mit Hilfe der Bewertung von potentiellen Lieferanten und dem Vergleich dieser mit den aktuellen Partnern, eine Handlungsempfehlung zur Aufnahme eines neuen Lieferanten aufgestellt werden kann.
Das Bewertungsmodell soll alle Alternativlieferanten, mit denen Kaufland gemäß der Beurteilung einen Praxistest durchführen kann, aufzeigen. Bei erfolgreichem Abschluss der Testphase könnte dieser als möglicher Stammlieferant gelistet werden. Zum erweiterten Verständnis ist es unabdingbar einen theoretischen Exkurs zum Lieferantenmanagement und Lieferantenbewertungsmodellen in die Thesis zu integrieren.
Zielsetzung ist es, Beschaffungs- und Lieferantenmanagement in der Theorie vorzustellen und am Beispiel eines Handelsunternehmens durchzuführen. Im Anschluss werden theoretische und praktische Methoden der Bewertung betrachtet und bilden die theoretisch fachliche Grundlage der Thesis. Daraufhin wird ein Bewertungsmodell entworfen, welches den Ansprüchen eines global agierenden Handelsunternehmens entspricht und die Lieferantenauswahl für definierte Einkaufsgebiete der internationalen Beschaffung vereinfacht.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Motivation
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Lieferantenmanagement
2.1 Bedeutung der Beschaffung
2.2 Beschaffungspolitik
2.2.1 Ziele der Beschaffung
2.2.2 Beschaffungsstrategien
2.3 Aufgaben und Ziele des Lieferantenmanagements
2.3.1 Lieferantenauswahl
2.3.2 Lieferantenanalyse und Bewertung
3 Lieferantenbewertung
3.1 Grundlagen der Lieferantenbewertung
3.1.1 Anwendungsbereiche der Lieferantenbewertung
3.1.2 Ziele und Vorteile der Lieferantenbewertung
3.1.3 Nutzen der Lieferantenbewertung
3.2 Quantitative Bewertungsmethoden
3.2.1 Bilanzanalyse
3.2.2 Preis-Entscheidungsanalyse
3.2.3 Kosten-Entscheidungsanalyse
3.3 Qualitative Bewertungsmethoden
3.3.1 Grafische Darstellung
3.3.2 Verbale Darstellung
3.3.3 Numerische Darstellung
3.3.3.1 Notensysteme
3.3.3.2 Punktbewertungsmethoden
3.3.3.3 Matrix Approach
3.3.3.4 Nutzwertanalyse
3.4 Anforderungskriterien des Bewertungsmodells
3.5 Umsetzung der Lieferantenbewertung in der Praxis
4 Lieferantenmanagement in der Kaufland Beschaffung International
4.1 Vorstellung des Unternehmens
4.2 Systeme und Prozesse der Beschaffung International
4.2.1 Lieferantenbewertung durch die Hausleiter
4.2.2 Bewertungsdokument – Request for Information
4.3 Steuerung der Lieferanten-Abnehmer-Beziehung anhand des Einkaufsfeldes Reinigungstechnik
4.3.1 Grundlagen und Bedeutung der Reinigung
4.3.2 Strategie und Ziele der Beschaffung International im Themenfeld Reinigungstechnik
5 Entwicklung eines Lieferantenbewertungsmodells
5.1 Marktanalyse
5.2 Lieferantenselbstauskunft
5.2.1 Spezifikation des Unternehmens
5.2.2 Spezifikation von Service/ Wartung
5.2.3 Spezifikation der Maschinen
5.3 Auswahl und Funktionsweise der Bewertungsmethode
5.4 Ermittlung der Bewertungskriterien
5.5 Bewertung der Lieferanten
6 Fazit und Handlungsempfehlungen
Anlagen
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
BES INT Beschaffung International
bzw. beziehungsweise
bzgl. bezüglich
ca. circa
DMS Dokumentenmanagementsystem
ebdebenda
etc.et zetera
f. folgende
ff. fortfolgende
GBL Geschäftsbereichsleiter
GL Mitglied der Geschäftsleitung
KIS Kaufland Informationssysteme
KVP….Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
LB..Lieferantenbewertung
LBM...Lieferantenbewertungsmodell
LMLieferantenmanagement
OHB Organisationshandbuch
S. Seite
TQM…Total Quality Management
usw. und so weiter
vgl. vergleiche
www. world wide web
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Teilebereiche des Lieferantenmanagement für das Bewertungsverfahren (In Anlehnung an Irlinger 2005)
Abbildung 2 Selektionsprozess im Trichtermodell (In Anlehnung an Schneider/Müller, 1989, S.13)
Abbildung 3 Lieferanten-Gap-Analyse (In Anlehnung an Glantschnig, 1994, S.33)
Abbildung 4 Aufbau der Unternehmensgruppe Schwarz (In Anlehnung an Kaufland Intern)
Abbildung 5 Sinnerscher Kreis (In Anlehnung an Herbert Sinner)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Beschaffungsstrategien (In Anlehnung an Hirschsteiner 2003)
Tabelle 2 Geografische Beschaffungsstrategien (In Anlehnung an Hirschsteiner 2003)
Tabelle 3 Scoringmodell (In Anlehnung an Janker, 2004, S. 121)
1 Einleitung
„Nichts ist so beständig wie der Wandel.“1
Dieses Zitat von Heraklit von Ephesus findet in vielen Bereichen der Gesellschaft weitreichenden Anklang und beschreibt auf simple Art und Weise auch die Veränderungen in Wirtschaft und Technik. Dazu gehören vor allem die verstärkte Globalisierung, der schnelle technologische Wandel, verkürzte Produktlebenszyklen und zunehmender Wettbewerb.2 Zusätzliche Beeinflussung erfolgt durch das Aufkommen neuer Managementkonzepte wie dem Supply-Chain-Managament, der Fokussierung auf Kernkompetenzen, Shareholder-Value- und dem Lean-Management, welche den Material- und Informationsfluss im Unternehmen optimieren sollen. In der Summe stellen all diese Faktoren Unternehmen zahlreicher Branchen vor große Herausforderungen.3
Im Zuge dieser Veränderungen gewinnt der Beschaffungssektor immer mehr an Bedeutung, weil ein stetig steigender Anteil der Wertschöpfung von Zulieferern geleistet wird und damit mittlerweile zu den zentralen Entscheidungsinstanzen vieler Unternehmen gehört.4 Diese Lieferanten sollen sich dabei zu externen, aber engen Geschäftspartnern entwickeln, welche das Unternehmen mit Materialien, Maschinen, Dienstleistungen und Wissen bedienen.
Dabei zählt zu den Funktionen der Beschaffung nicht mehr nur der reine Einkauf von Rohstoffen, Betriebs- und Hilfsmitteln, sondern auch die Möglichkeit, durch die Reduktion der Einkaufspreise, das Finden von innovativen Lieferanten und den Aufbau von strategischen Zweitlieferanten bei „ Scheinmonopolen“ eigene Wettbewerbsvorteile zu generieren.5
Durch dieses Vorgehen wachsen allerdings gleichermaßen die Abhängigkeit und das Risiko der unternehmenseigenen Leistungserbringung. Denn der gesamte Prozess der Beschaffung, von der Situationsanalyse über die Lieferantenauswahl, die Bestellabwicklung, den Service und die Verwertung hat Auswirkungen auf den Kunden des Abnehmers.6 Dem zu Folge steigt die Bedeutung und Notwendigkeit einer professionellen, pro-aktiven und kontinuierlichen Bewertung aller Lieferanten hinsichtlich ihres Beitrages an der Wertschöpfung und der Wettbewerbsfähigkeit des abnehmenden Unternehmens.7
1.1 Problemstellung und Motivation
Das Interesse der Forschung innerhalb der letzten Jahre lag vor allem im Abbau des bemängelten Methodendefizits im Bereich der Lieferantenbewertung. So wurde im Sinne eines Werkzeugkastens eine Vielzahl statistischer Methoden in der Lieferantenbewertung theoretisch eingeführt und auf ihren praktischen Nutzen hin untersucht.8
Auf der anderen Seite waren die Beziehungen zu Lieferanten lange Zeit lose und kompetitiv. Der Zulieferer wurde oftmals als Widersacher betrachtet und durch Preisverhandlungen, welche meist die einzige Kommunikation der beiden Parteien darstellte, gegen andere Lieferanten ausgespielt. Die Folge waren negative Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit von Lieferanten und steigende Kosten für die Beschaffungsobjekte und den längeren Beschaffungsprozess im Unternehmen. In der Praxis wird dahingehend von vielen Unternehmen wahrgenommen, dass der Preis nur eines von vielen wichtigen Kriterien bei der Lieferantenbewertung und Auftragsvergabe ist und die Gesamtleistung der Zulieferer stärker in den Vordergrund rücken sollte.9
Die vorliegende Thesis greift die Lieferantenbewertung als großen Teilaspekt des Themenbereichs Lieferantenmanagement auf. Das Ziel der Arbeit ist es, ein funktionierendes Bewertungsmodell zu entwickeln, welches sich aus den Zielen des Lieferantenmanagement ableitet. Dabei besteht der praktisch nutzbare Anspruch der Kaufland Stiftung darin, dass mit Hilfe der Bewertung von potentiellen Lieferanten und dem Vergleich dieser mit den aktuellen Partnern eine Handlungsempfehlung zur Aufnahme eines neuen Lieferanten aufgestellt werden kann. Das Bewertungsmodell soll alle Alternativlieferanten, mit denen Kaufland gemäß der Beurteilung einen Praxistests durchführen kann, aufzeigen. Bei erfolgreichen Abschluss der Testphase könnte dieser als möglicher Stammlieferant gelistet werden. Zum erweiterten Verständnis ist es unabdingbar einen theoretischen Exkurs zum Lieferantenmanagement und Lieferantenbewertungsmodellen in die Thesis zu integrieren.
Zielsetzung und gleichzeitig die Motivation zur Erstellung dieser Arbeit ist es, Beschaffungs- und Lieferantenmanagement in der Theorie vorzustellen und am Beispiel eines Handelsunternehmens durchzuführen. Im Anschluss werden theoretische und praktische Methoden der Bewertung betrachtet und bilden die theoretisch fachliche Grundlage der Thesis. Daraufhin wird ein Bewertungsmodell entworfen, welches den Ansprüchen eines global agierenden Handelsunternehmens entspricht und die Lieferantenauswahl für definierte Einkaufsgebiete der internationalen Beschaffung vereinfacht.
1.2 Aufbau der Arbeit
Die Thesis ist in 6 Abschnitte unterteilt. Die Einführung in das Themengebiet des Lieferantenmanagements erfolgt im ersten Kapitel. Dabei wird vor allem Wert darauf gelegt, dass in einer sich so schnell verändernden Welt und Gesellschaft ein Management der Zulieferer-Abnehmer-Beziehung in hohem Maße notwendig ist und werden wird. Darüber hinaus erfolgt die Hinführung zu Lieferantenbewertungsverfahren am Beispiel eines Handelsunternehmens, welche für beide Parteien einen erfolgsversprechenden Prozess darstellen.
In Kapitel 2 wird der theoretische Rahmen der Arbeit aufgestellt und erläutert. Dabei wird die Beschaffung in das umfassende Themengebiet des Lieferantenmanagements eingeordnet und die Merkmale, Funktionen und Ziele dieses Bereiches dargelegt. Die Ziele der Beschaffung und relevante Beschaffungsstrategien nehmen in diesem Teil einen besonderen Stellenwert ein. Anschließend wird im Rahmen des Themengebietes eine erste Hinführung zum Hauptthema Lieferantenwertung aufgezeichnet, in dem die ersten Schritte eines Bewertungsprozesses, die Lieferantenauswahl und Lieferantenidentifikation interpretiert werden.
Kapitel 3 greift die theoretischen Grundlagen der Lieferantenbewertung auf, erläutert die Verfahren, prüft die Praxistauglichkeit und gibt einen Ausblick auf die Umsetzung und Entwicklung einer Verfahrensmischung für die Anforderungen eines Handelsunternehmens.
Die theoretischen Grundlagen des Lieferantenmanagements aus der ersten Hälfte der Arbeit werden am Beispiel der Beschaffung International bei Kaufland im vierten Kapitel angewendet und abgeleitet. Zusätzlich wird die derzeitige Situation dargestellt und Prozesse beschrieben, welche eventuell Handlungsbedarf erfordern. Im Vordergrund steht dabei das Einkaufsgebiet der Reinigungstechnik, welches im Verlauf der Arbeit einen Strategiewechsel unterliegen soll.
Im 5. Kapitel wird das Bewertungsmodell auf den zuvor erarbeiteten Grundlagen entwickelt. Zu Beginn, wird eine Marktrecherche durchgeführt, da die notwendige Transparenz für die Neulieferantenauswahl noch nicht gegeben ist. Daraufhin wird eine Methode aus dem Theorieteil gewählt und gemäß den Anforderungen spezifiziert und weiterentwickelt. Dazu gehört im Wesentlichen die Bestimmung der Bewertungskriterien, welche auf Grundlage von verschiedenen Instrumenten10 ausgewählt werden.
Im 6. und letzten Kapitel wird eine Schlussbetrachtung durchgeführt, welche die wesentlichen Ergebnisse zusammenfasst, einen Überblick über die erreichten Ziele gibt und Handlungsempfehlungen für die Beschaffung International formuliert.
2 Lieferantenmanagement
Das Lieferantenmanagement behandelt die Gestaltung und Verwaltung der Lieferanten-Abnehmer-Beziehung. Unternehmungen bauen sich einen zu erhaltenden Lieferantenstamm auf, dessen Mitglieder vorrangig die Eigenschaften Leistungsfähigkeit, Lieferbereitschaft und Kontinuität verinnerlichen.10 Da die Beziehungen zu Lieferanten möglichst langfristig und unterbrechungsfrei orientiert sein sollten, ist für den Erhalt der Geschäftsbeziehung ein Lieferantenmanagement durchzuführen.11 Dabei gilt es vor allem die Beziehung per se zu managen und nicht ausschließlich den Lieferanten selbst.12
In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen zum Lieferantenmanagement erläutert. Dazu gehören die Einordnung und die Bedeutung der Beschaffung im Unternehmen, Beschaffungspolitik, Ziele der Beschaffung und Beschaffungsstrategien.
2.1 Bedeutung der Beschaffung
Die Unternehmung ist eine menschliche Einrichtung der Schöpfung von Wert unter einer einheitlichen Leitung.13 Menschliche Schöpfung bedeutet Bestehendes zu verändern, aus Gegebenem Neues herzustellen, aus Geringwertigem Besseres zu schaffen. In jeder Unternehmung müssen aus diesem Grund Einsatzmittel verschiedenster Art beschafft werden, um die Funktion des Wertschöpfungsprozesses vollständig erfüllen zu können.14 An dieser Stelle passt die Definition von Arnold, so umfasst die betriebswirtschaftliche Funktion der Beschaffung „sämtliche unternehmens- und/oder marktbezogenen Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, einem Unternehmen die benötigten, aber nicht selbst hergestellten Objekte verfügbar zu machen.“15
Die Beschaffung bildet definitionsgemäß bis heute den Kernbereich des Versorgungsmanagements.16 Das Begriffsverständnis der Beschaffung im Hinblick auf die zu beschaffenden Objekte ist jedoch durchaus als heterogen zu betrachten. Einige Vertreter der Forschung haben eine komplexere Auffassung gegenüber der Beschaffung und zählen Personal, Kapital, Anlagen, Rechte, Material ebenfalls zu den Inputfaktoren.17 Im Rahmen dieser Thesis soll ein engeres Verständnis verwendet werden, das sich auf Dienstleistungen und reale Sachgüter (Material und Maschinen) begrenzt. Hierbei sei dazu angeführt, dass gemäß Piontek die Hauptaufgabe der Beschaffung die Versorgung des Unternehmens mit Material sei.18
Andererseits sieht beispielsweise Koppelmann (2000) die Beschaffung als einen Teil der Unternehmensfremdversorgung, deren Hauptaufgabe die zielgerichtete Planung und Realisation von Vertragsabschlüssen mit Zulieferern ist.19 Mit diesen Verträgen soll die Beschaffung stets eine kostengünstige und qualitativ hochwertige Versorgung des Unternehmens garantieren, da die Beschaffung der Einsatzgüter einen großen Anteil der Kosten einer Unternehmung verursacht. Zieht man zusätzlich in Betracht, dass die Qualität der Endprodukte in wesentlicher Anhängigkeit zu Qualität der beschafften Güter steht, so wird die hohe Bedeutung der Beschaffung für den Erfolg eines Unternehmens deutlich.20
2.2 Beschaffungspolitik
„Die Beschaffungspolitik formuliert und organisiert, ausgehend von der Unternehmenspolitik die Vorgaben und Aufgaben der Beschaffung, die Funktionen und Verantwortlichkeiten, die Regeln für Verhalten, Handlungsweisen und Beziehungen, sowie die Kontrollen und Bewertungsmaßstäbe.“21 Demnach regelt der Bereich der Beschaffungspolitik alle administrativen Aufgaben und koordiniert die Mitarbeiter der Beschaffung zur Unternehmenszielerreichung. In der Praxis umfasst die Gestaltung der Beschaffungspolitik die Konzeption des strategischen Beschaffungsprogramms, die Lieferantenpolitik, die Kontraktpolitik und die Bereitstellungsart/ Dispositionsart. Zusätzlich werden intern die Aufgaben und Kompetenzen verteilt, um die Geschäftsprozesse zu standardisieren.22 In vielen Unternehmen wird die Beschaffungspolitik in Einkaufshandbüchern festgelegt.23 Dies ist auch am Beispiel der Kaufland Stiftung feststellbar. Dort ist die Beschaffungspolitik in der Einkaufsrichtlinie und den Grundsätzen der Beschaffung festgehalten, die Teil des Organisationshandbuches (OHB) sind. Diese regelmäßig aktualisierten OHB beinhalten die wichtigsten Richtlinien der gesamten Unternehmensgruppe Kaufland und damit auch der Beschaffung.
Die Beschaffungspolitik bestimmt daher die Grundsätze und Mittel für die Realisierung der vorgegebenen Beschaffungsziele. Aus diesen werden planmäßige und zielgerichtete Strategien abgeleitet und formuliert.24
2.2.1 Ziele der Beschaffung
„Mit Zielen werden zukünftige Realitätszustände beschrieben, die man durch Aktionen erreichen, erhalten oder verhindern möchte.“25 Die Präzisierung der Ziele hat dabei grundsätzliche in drei Dimensionen zu erfolgen. Demnach müssen sie hinsichtlich des Inhaltes, des angestrebten Ausmaßes und des zeitlichen Bezuges für die einzelnen Bereiche spezifiziert werden.26 Die Beschaffung lässt sich als funktionales Subsystem eines Unternehmens betrachten und kann damit die Unternehmensleitsätze und Ziele ableiten und in die internen Zielvereinbarungen integrieren.27 Als eines der Hauptziele für die Beschaffung gilt jedoch stets, das benötigte Objekt oder die Dienstleistung in der erforderlichen Menge und Qualität zur vorgegebenen Zeit am rechten Ort bereitzustellen. Arnold benannte dieses Vorgehen als Erreichen eines „materialwirtschaftliche[n] Optimum[s]“.28
Jedoch erfüllen Ziele eine Vielzahl an Funktionen im Beschaffungsmanagement. Der Aspekt der Verhaltensorientierung steht dabei maßgeblich im Vordergrund. Demnach wird dem Handeln eine Vorgabe erteilt, an denen sich durch die Weitergabe der Ziele an die Mitarbeiter (Management by objectives) alle Beteiligten orientieren können und sollen. Diese Vorgaben wirken sich dabei nicht ausschließlich auf die Mitarbeiter der Beschaffung aus, sondern beeinflussen sowohl direkt als auch indirekt die Produktion, Konstruktion, Logistik, Vertrieb als auch die Lieferanten selbst, indem alle Betroffenen in die Zielvereinbarungen einbezogen werden. Ein Beispiel dafür wären verschiedene Qualitätssicherungsziele, welche das gesamte Unternehmen tangieren und gleichzeitig vereinzelt stark abhängig vom Lieferanten sind.
Bei Einbeziehung des Lieferanten in die Zielkonstruktion, kann dieser Rückschlüsse für sein Unternehmen ziehen und ebenfalls in der eigenen Zielbildung unterstützt als auch gesteuert werden (Lieferantencontrolling).29 Darüber hinaus ist die Existenz von Zielen auch die Grundvoraussetzung für Kontrollmaßnahmen. In diesem Fall bezieht sich die Kontrolle auf den Vergleich des SOLL- und IST- Zustandes spezieller Anforderungen und betriebswirtschaftlicher Prozesse im gesamten Unternehmen und insbesondere in der Beschaffung.30 Bei Abweichungen zu einem bestimmten Stichtag (Meilenstein) kann mit Hilfe der Ursachenforschung Prozessoptimierung und Nachbesserungsarbeit betrieben werden. Zur vereinfachten Kontrollfunktion sollten konkrete Aktivitäten aus den globalen Beschaffungszielen abgeleitet werden.31 Eine weitere Funktion von Zielen dient der Argumentation von Handlungen und Handlungsempfehlungen gegenüber Dritten. Auf diese Art und Weise kann man Bedarfsträgern anderer Unternehmensbereiche die Handlungen schildern und beispielsweise die Nichtbeauftragung eines Lieferanten rechtfertigen.32
Des Weiteren besteht in diesem Teilbereich des Lieferantenmanagements noch umfangreicherer Handlungsbedarf in den Bereichen Zielvoraussetzungen, Operationalität von Zielen, Zielausmaße und Zielbeziehungen.33
2.2.2 Beschaffungsstrategien
„Strategie wird definiert als die grundsätzliche, langfristige Verhaltensweise (Maßnahmenkombination) der Unternehmung und relevanter Teilbereiche gegenüber ihrer Umwelt zur Verwirklichung der langfristigen Ziele.“34
Die hauptsächlich verwendeten Strategien der Beschaffung beruhen auf den erarbeiteten Zielstellungen und beziehen sich auf Aufgabenkomplexe wie, Realisierung und Sicherung der Versorgung, Effizienzsteigerung der Administration, Prozessoptimierung, Kostenminimierung und die Beherrschung von Unsicherheiten und Risiken.35
Die Beschaffungsstrategien bestimmen sich nach dem Beschaffungsort (Quelle) und den Variablen der Zeit, Raum und des Verfahrens der Beschaffung.36
Im weiteren Verlauf der Arbeit hinsichtlich der Lieferantenbewertung und den Anforderungen des Handelsunternehmens wird es von Bedeutung sein, welche Anbieter man zur Verfügung hat und bei welchem eine Beschaffung wirtschaftlich sinnvoll ist. Aus diesem Grund bezieht sich dieses Kapitel vor allem auf die verschiedenen Sourcingstrategien, bei denen Anzahl und Lokalität der Lieferanten die bestimmenden Faktoren sind.
Bedarfspositionen werden schon seit geraumer Zeit auf mehrere Zulieferer aufgeteilt. Der Grund ist simpel, denn sollte es bei einem Geschäftspartner zu Schwierigkeiten kommen, dann sollte der Andere seine Lieferungen kurzfristig anpassen können. Durch dieses Vorgehen werden neben Versorgungssicherheit auch taktische Vorteile generiert. Bei einer unproportionalen Aufteilung des Bedarfes, beispielsweise bei Lieferant A zu 70% und bei Lieferant B zu 30%, ist A stets darauf bedacht seinen Anteil zu steigern und B, ihn möglichst nicht zu verringern. Diese Maßnahme ist ein klassisches Instrument des wettbewerbsförderlichen Marketings.37
Im Folgenden werden die Vor- und Nachteile der Sourcingstrategien tabellarisch erläutert, welche sich auf die Anzahl der beauftragten Zulieferer für einen definierten Bedarf beziehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1 Beschaffungsstrategien (In Anlehnung an Hirschsteiner 2003)
Sourcingstrategien können des Weiteren geografischen Gesichtspunkten unterliegen. Dabei ist einerseits die Haltung der Unternehmen als auch die Art und Bedeutung des Materials oder der Dienstleistung entscheidend für die Wahl des geografischen Bezugsstandortes. Die folgende Tabelle erläutert kurz die Vorzüge und Mängel der geografischen Beschaffungsstrategien.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2 Geografische Beschaffungsstrategien (In Anlehnung an Hirschsteiner 2003)
2.3 Aufgaben und Ziele des Lieferantenmanagements
Der Schwerpunkt des Lieferantenmanagements liegt im Bereich der Lieferantenanalyse und -auswahl, in der Lieferantenverhandlung, sowie auch in der allgemeinen Weiterentwicklung der Lieferanten.38 Eine konsequente Abgrenzung von den restlichen Beschaffungsbereichen (Situationsanalyse, Bedarfsanalyse, Beschaffungsmarktmarktanalyse und -auswahl, Beschaffungsabwicklung) ist allerdings nicht möglich, da die Marktauswahl und die Potentialanalyse einen starken Einfluss auf die Lieferantenauswahl haben.39
Lieferantenmanagement unterliegt in der Literatur diversen Definitionen. Im weitesten Sinne handelt es sich um ein immer komplexer werdendes System, welches sich vom reinen Beziehungsmanagement zum Supply Chain Management und Complex Networks Management der Lieferanten-Abnehmer-Beziehung wandelt.40
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Teilebereiche des Lieferantenmanagement für das Bewertungsverfahren (In Anlehnung an Irlinger 2005)
Die Aufgabenbereiche des Lieferantenmanagements sind aufgrund der komplexen Definition schwierig abzugrenzen und in eine Prozesskette einzuordnen. Die Abbildung 1 ist eine vereinfachte Darstellung der Aufgabenstellungen im Bereich des Lieferantenmanagement in Anlehnung an Irlinger. Diese gibt einen guten Überblick und umfasst einen Großteil der Aufgaben in einem typischen Beziehungskonzept.
Im Mittelpunkt befinden sich vier Prozesse, welchen sich jeder Stammlieferant unterziehen muss. Bei einer Neuprodukteinführung oder einem Strategiewechsel, beispielsweise zum Multiple Sourcing Prinzip hin, ist eine Lieferantenvorauswahl nötig. Dieser Prozess ist daher am oberen Ende abgebildet. Im linken Bereich findet man alle Instrumente zum spezifischen Beziehungsmanagement zwischen Lieferanten und Abnehmer. Dabei handelt es sich um die Lieferantenintegration, die Beziehungspflege, Erziehung und Förderung des Lieferanten und als letzte Instanz den Lieferantenausschluss.41
2.3.1 Lieferantenauswahl
Die Lieferantenvorauswahl beginnt damit, die potentiellen Zulieferer genau zu identifizieren, einzugrenzen und in Gruppen einzuteilen. Sollte das Unternehmen schon Lieferanten für den benötigten Bedarf im Portfolio haben, so überspringen diese die Vorauswahl. Im Falle das Neulieferanten benötigt werden, sind diese innerhalb der Beschaffungsmarktforschung ausfindig zu machen. Auf der Suche nach qualifizierten Lieferanten kann man sowohl primäre als auch sekundäre Quellen nutzen. Bei primären Quellen handelt es sich um Informationen, die direkt auf dem Beschaffungsmarkt akquiriert werden können. Dazu gehören beispielsweise die Lieferantenbefragung, die Lieferantenselbstauskunft, Messen, Fachtagungen und Marktforschungsinstitute. Bei sekundären Quellen auf der anderen Seite wurden die erhobenen Daten theoretisch für einen anderen Zweck gesammelt und veröffentlicht, sind aber dennoch eine sehr gute Informationsquelle. Dabei sind vor allem Fachpublikationen, Referenzen, Firmenverzeichnisse, das Internet und die Werbung zu erwähnen. Die Suche nach den geeigneten Lieferanten kann auch durch die Verwendung von Technologie- oder Lieferantendatenbanken unterstützt werden. Im Folgenden werden die beiden Teilbereich der Lieferantenauswahl (Lieferantenidentifikation und -eingrenzung) näher erläutert.42
Im Schritt der Lieferantenidentifikation sollten alle potentiellen Lieferanten verzeichnet werden, welche im Stande sind den geforderten Bedarf zu decken beziehungsweise das Material oder die Dienstleistung anbieten. Der Nachteil dieses Vorgehens ist, dass die Daten vergangenheitsorientiert sind.43 Nur in dem Fall, dass der Lieferant den Bedarf bei einem anderen Abnehmer bereits gedeckt hat, ist das benötigte Produkt bereits in seinem Lieferportfolio. Allerdings könnten einige andere Lieferanten in der Lage sein das entsprechende Produkt anzubieten. Folglich wäre es sinnvoll die gesamte Branche zu betrachten, da sich dort vielleicht ein expansionswilliger Branchenhersteller befindet, welcher sein Portfolio um das benötigte Produkt vergrößern möchte. Eine Suche nach ähnlichen Produkten kann ebenfalls erfolgreich sein, da es sich in diesem Schritt ausschließlich um die Identifikation von potentiellen Lieferanten handelt und die Vorauswahl erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt.44
Die Aufgabe der Lieferanteneingrenzung ist es, die identifizierten potentiellen Lieferanten auf ihre Eignung als Zulieferer für das beschaffende Unternehmen zu überprüfen. Dabei steht eine Reduktion der potentiellen Lieferantenanzahl im Vordergrund, da der Aufwand der Lieferantenanalyse und -bewertung aller identifizierten Zulieferer unwirtschaftlich und sehr zeitaufwändig wäre. Diese Eingrenzung ist der zweite Schritt des in Abbildung 1 dargestellten Selektionsprozesses zur Lieferantenauswahl. Dabei wird die Anzahl der potentiellen Lieferanten sukzessive reduziert und Informationen über die verbleibenden Kandidaten gesammelt.
Zur dargestellten Eingrenzung eignen sich die Lieferantenselbstauskunft, Zertifizierungen und K.O.-Kriterien.45
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 Selektionsprozess im Trichtermodell (In Anlehnung an Schneider/Müller, 1989, S.13)
Die Selbstauskunft der Lieferanten erfolgt über einen Merkmalkatalog, welcher von der Beschaffung erstellt wird. Dieser beinhaltet üblicherweise Fragen zur Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft in allen Geschäftsbereichen, zum Umsatz, Marktanteil und Kapazitäten und ist vom Lieferanten persönlich auszufüllen.46 Dies geschieht meist in Form einer Tabelle, welche systematisch die Bereiche Organisation, Fertigung, Finanzkraft, Qualitätssicherung, Logistik, Service, Nachhaltigkeit und das Produkt abdeckt. Mit Hilfe dieser Auskunft können aufschlussreiche Informationen über einen potentiellen Zulieferer erschlossen werden. Problematisch bei diesem Vorgehen ist die Subjektivität der Informationen. Unter Umständen stellt sich der Lieferant bei Aussicht auf einen großen Auftrag besser dar als es eine objektive Betrachtung ergeben hätte.47 Aus diesem Grund sollte die Selbstauskunft nicht die einzige Informationsquelle über einen Lieferanten sein, sondern um Informationen aus unabhängigen Quellen ergänzt werden.48
Zertifizierungen sind allein schon von Qualitätssicherungsaspekten her eine essentielle Auskunft über einen Lieferanten. Durch die Ansprüche an verschiedene Zertifikate bei Lieferanten ist dieser in der Pflicht, die gesamten Prozesse im Unternehmen zu verbessern und zur Zertifizierung offen zu legen.49 Eine der bedeutendsten Normen für den Aufbau eines QM-Systems ist die branchenunabhängige Reihe DIN EN ISO 9000. Innerhalb dieser Reihe an Zertifizierungen gelten Forderungen an den Lieferanten im Bereich des Ressourcenmanagements, Produktrealisierung, Analyseverfahren und Prozessoptimierung.50 Die Existenz dieser Zertifikate bei Lieferanten kann abhängig von den Auswahlkriterien der Beschaffung eine wichtige Eigenschaft im Selektionsprozess sein. Im weiteren Verlauf werden verschiedene Zertifikate und deren Auswirkungen im Bewertungsverfahren näher erläutert.
K.O.-Kriterien sind ebenfalls eine leicht realisierbare Art und Weise der Lieferanteneingrenzung.51 Bei diesem Verfahren können Zulieferer identifiziert werden, welche die notwendigen Mindestanforderungen nicht erfüllen.52 K.O.-Kriterien sind deshalb stark abhängig vom Beschaffungsobjekt und den Bedürfnissen des Abnehmers.53
2.3.2 Lieferantenanalyse und Bewertung
Als Prozessschritt nach der Lieferanteneingrenzung folgt die Analyse der gesammelten Daten. Die Informationen der potentiellen Lieferanten werden aufbereitet, verarbeitet und übersichtlich dargestellt. Durch diesen Vorgang wird eine Momentaufnahme der Leistungsfähigkeit erstellt, welche im Bewertungsverfahren ihre Anwendung findet.54 Zusätzlich werden die Daten der vergangenen Analysen hinzugefügt und zur Auswertung der Entwicklung der Leistungsfähigkeit über einen größeren Zeitraum verwendet. Dieser Vorgang wird auch als Lieferantenbeobachtung bezeichnet. Zusammenfassend werden in diesem Bereich alle Informationen der Beschaffungsmarktforschung, der Selbstauskunft, von jeglichen Auditierungen und der Beobachtungsmaßnahmen zusammengetragen und zum transparenten Kriterium der Lieferantenbewertung aufbereitet.55
Im Bewertungsverfahren erfolgt eine systematische Beurteilung der Leistungsfähigkeit aller potentiellen Lieferanten, welche nicht bei der Eingrenzung ausgesondert wurden. Dabei ist zu beachten, dass das Bewertungsverfahren, die Kriterien und das Vorgehen immer vorab festzulegen sind. Zur Generierung eines umfassenden Bildes der Lieferanten sollte jeder Fachbereich, welcher mit dem Beschaffungsobjekt in Berührung kommt, einen gewissen Einfluss auf die Bewertung haben, sodass für das gesamte Unternehmen ein transparentes und zufriedenstellendes Ergebnis ermittelt werden kann. Die Beschaffung hat im gesamten Bewertungsprozess den Koordinations- und Führungscharakter inne, da diese die Schnittstelle zu allen Lieferanten darstellt.56
Eine detailliertere Vorstellung der Lieferantenbewertung ist dem 3. Kapitel zu entnehmen.
3 Lieferantenbewertung
Die Voraussetzung eines erfolgreichen in Kapitel 2 vorgestellten Lieferantenmanagements ist ein äußerst leistungsfähiges und praxistaugliches Lieferantenbewertungsmodell.57
Die klassische Zuliefererbeziehung hat sich mit der Zeit und im Rahmen der Globalisierung in eine sehr viel komplexere Zusammenarbeit zwischen Beschaffung und Lieferant entwickelt. Trotz allem gilt den Lieferantenbeziehungen nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie den Kundenbeziehungen, obwohl im Falle einer ungünstigen Entwicklung ebenso ertragsschwächende und existenzbedrohende Konsequenzen entstehen könnten.58 Dabei ist die Bewertung der Lieferanten zu einem objektiven Instrument zur Sicherung und Steigerung der Leistungsfähigkeit der Lieferanten gereift. In diesem Bereich ist zu beachten, dass die Auswahl des richtigen Lieferanten der erste Schritt zu einem nachhaltigen Erfolg des Unternehmens ist.
Diese Denkweise übernehmen Unternehmungen aller Branchen und Größen. Mit Hilfe dieser Erkenntnis werden analytische Denk- und Handlungsweisen initiiert, welche die oberflächlichen und subjektiven Entscheidungen im Einkauf lange prägten.59
3.1 Grundlagen der Lieferantenbewertung
Das Lieferantenbewertungsmodell soll demnach im Bereich des Lieferantenmanagements Transparenz über Leistungsfähigkeit der Lieferanten und deren Lieferleistung generieren und damit ein zielorientiertes Controlling der Lieferanten ermöglichen.60 Diese Definition wurde von Hartmann in eine vereinfachte Formel umgewandelt, welche lautet:
Lieferantenqualität = Leistungsfähigkeit + Lieferleistung61
Diese Formel erklärt Hartmann mit anderen Worten folgendermaßen:
„Lieferantenqualität ist nicht nur eine Frage der Lieferleistung, obwohl dieser in der Praxis aufgrund der Notwendigkeit, die Versorgung des Unternehmens im operativen Bereich zu sichern, erhöhte Aufmerksamkeit beigemessen wird.
In der Lieferleistung spiegelt sich [allerdings auch] die „realisierte“ Leistungsfähigkeit wider, die mit der „potenziellen“ Leistungsfähigkeit nicht übereinstimmen muss.“62
Die Schlussfolgerung aus dieser schematisierten Definition ist eine Analyse des Soll- und Ist-Wertes der Lieferantenleistungsfähigkeit und die damit mögliche Steuerung des Lieferanten.63
3.1.1 Anwendungsbereiche der Lieferantenbewertung
An diesem Punkt der Arbeit wurde das Bedürfnis nach einer marktorientierten und strategischen Ausrichtung des Unternehmens in allen Bereichen bereits deutlich erörtert. Dabei ist ebenfalls erläutert wurden, dass in einer globalisierten Welt die Beschaffung/der Einkauf einen erhöhten Stellenwert in jedem Unternehmen einnehmen sollte.64 Die steigenden Anforderungen an diese Abteilung in Bezug auf das Management der Lieferanten-Abnehmer-Beziehung sind im stetigen Wandel und bedürfen genauer Kontrolle und Bewertung.
Als eines der Hauptinstrumente des LM ergeben sich daraus für die Lieferantenbewertung zwei Hauptaufgaben für Hartmann:
Zum ersten wird das Bewertungssystem zur Lieferantenauswahl verwendet. Hierbei ist die Anforderung, dass die Leistungsfähigkeit des Zulieferers erfasst und gemäß der zu erteilenden Aufgabe analysiert wird. Diese Aufgabe erstreckt sich sowohl über die Auswahl der Neulieferanten, als auch der Verwaltung der Stammlieferanten. Bei diesen kann die Historie der bereits erbrachten Lieferleistungen in die Bewertung mit einbezogen werden.
Zum zweiten wird durch die Betreibung eines Bewertungssystems gleichzeitig eine Beobachtung der Lieferanten veranlasst und verfolgt. Es werden Daten über die abgewickelten Aufträge und Veränderungen sowohl in der Lieferleistung als auch über die Unternehmen selbst dokumentiert und im Hinblick auf Auswirkungen der Leistungsfähigkeit analysiert.
Um diese Aufgaben realisieren zu können ist ein schneller und reibungsloser Informationsaustausch und ein partnerschaftliches Verhalten zu den Lieferanten unabdingbar.65
3.1.2 Ziele und Vorteile der Lieferantenbewertung
Die Lieferantenbewertung fördert alle global wichtigen Ziele der Beschaffung. Dazu gehören die Optimierung der Beschaffungskosten, die Sicherung der Materialversorgung und die Unterstützung aller anderen Unternehmensbereiche.66
Als operatives Instrument unterliegt die Lieferantenbewertung wie beinahe jedes andere Managementwerkzeug dem Hauptziel der Kostenminimierung. Das Preiskriterium war und ist in der Beschaffung zwar eines der schwerwiegendsten Auswahlkriterien, allerdings wurde bereits im Verlauf und wird zu einem späteren Zeitpunkt der Arbeit weiterhin drauf hingewiesen, dass der Preis nicht die alleinige Entscheidungsgrundlage darstellen darf.67
Speziell im Bereich der Beschaffung gilt die Versorgungssicherheit als oberste Priorität. Dieser Vorzug ist widerstandslos zu belegen, denn ohne Einsatzmittel und die damit verbundene Zuverlässigkeit der Zulieferer kann nicht die simpelste Leistung erbracht werden. Ein explizites Beispiel im Bereich Handel wären die Kassenbonrollen. Fehlen diese, so ist der Kassiervorgang nicht mehr durchführbar.
Aufgrund der Vielzahl an Literatur zu einem trotz allem noch eher jungen Thema sei im Folgenden noch eine Definition von Hartmann zu den Zielen der LB gegeben:
Insgesamt sollte ein Lieferantenbewertungsmodell eine Minimierung der Anschaffungskosten herbeiführen, die Risiken von bestehenden und potentiellen Lieferbeziehungen analysieren, die Fehlmengen- und Lagerhaltungskosten verringern sowie das Qualitätsmanagement und den Wareneingang entlasten.68
Zusätzlich zu den bereits angeführten Vorteilen birgt ein LBM noch weitere Ziele, welche in der folgenden Übersicht in Anlehnung an Disselkamp dargestellt werden:69
- Versorgungssicherheit
- Lieferantencontrolling
- Objektive Lieferantenauswahl
- Proaktives Lieferantenmanagement
- Kostenvorteile
- Rentabilitätsvorteile
- Qualitätsvorteile
Die genannten Ziele stehen natürlich in einigen Anwendungsbereichen und Unternehmen „in einem sich gegenseitig hemmenden, konträren Verhältnis zueinander“.70
Zum Verständnis ist der Kosten- und Qualitätszielkonflikt am einfachsten zu erläutern. In diesem Fall widerspricht der Wunsch nach einer signifikanten Kostenersparnis von beispielsweise Seiten der Beschaffung dem Wunsch einer Qualitätssteigerung von Seiten des Vertriebs oder der Qualitätssicherung. Diese Zielkonflikte haben aber nur einen äußerst geringen Einfluss auf die Lieferantenbewertung, da durch die Gewichtung der Bewertungskriterien eine Anpassung an die vorgegebene Unternehmenspolitik vorliegt.71 Beispielsweise ist für Unternehmen, welche Qualitätsvorteile generieren müssen ein besonderer Augenmerk auf Qualität, Service und Versorgungssicherheit zu legen und bei Preisführern sollte dem Kostenfaktor eine besondere Berücksichtigung zu Teil werden.72
Im Folgenden sollen aufgrund der Komplexität und des fachlichen Umdenkens innerhalb der Beschaffung (preisunabhängige Betrachtung) die ersten vier Vorteile/ Ziele eine nähere Betrachtung erfahren.73
Der vom Autor festgelegte Bezugsrahmen der Beschaffung beinhaltet die Versorgung (Versorgungssicherheit) der Unternehmen mit Materialien, Maschinen und Dienstleistungen. Damit gibt es eine große Bandbreite an zu beschaffenden Objekten, welche für die Leistungserbringung der Unternehmung notwendig sind. Um einen optimalen Ablauf des Geschäftsprozesses garantieren zu können, ist eine konstante Versorgung des Unternehmens lebenswichtig. Denn ohne die zeitliche, mengenmäßige und qualitativ korrekte Lieferung von Betriebsmitteln, Rohstoffen und Dienstleistungen kann nicht ein Unternehmen eine Leistung erbringen. In Folge der Nicht-Erbringung oder bei Leistungsmängeln kommen auf die Unternehmen finanzielle und emotionale (Image-)Verluste gegenüber den Kunden zu.74
Der Faktor der Versorgungssicherheit hat in Industrieunternehmen mit produktionssynchroner Fertigung (Just in time) natürlich einen noch höheren Stellenwert als in einem Handelsunternehmen, was in vielen Bereichen Lieferengpässe oder Ausfälle zumindest teilweise mit den Lagerbeständen kompensieren kann. Trotzdem ist eine Erhöhung der Lagerbestände wegen der erhöhten Kapitalbindung und dem logistischen Aufwand als Lösung zur erhöhten Versorgungssicherheit nicht zu befürworten.75
Eine regelmäßige Beurteilung der Lieferanten, wie sie in einem richtigen LBM anzusetzen ist, werden Leistungs- und Lieferqualität kontrolliert und damit unsichere oder unzuverlässige Lieferanten identifiziert und herausgefiltert. Hinzu kommt eine Sensibilisierung der Zulieferer, welche diesen deutlich zeigt, wie wichtig eine qualitativ hochwertige und mengenmäßig richtige Belieferung für dieses Unternehmen ist. An Hand dieses Beispiels erkennt man auch den Steuerungsfaktor, welchen jedes Lieferantenbewertungsmodell beinhaltet.76
Ein Zitat von Disselkamp gibt einen umfassenden Überblick über die Bedeutung der Versorgungssicherheit: „ Die richtige Leistungsqualität – gemäß der inhaltlichen und technischen Vorgaben – und die Lieferqualität – gemäß Just-in-Time und richtiger Menge – sind von einer viel höheren Bedeutung als der Einkaufspreis eines Lieferanten. Die Folgekosten durch schlechte Lieferqualität, administrativen Mehraufwand oder Leistungsschwächen vernichten schnell die einseitigen und kurzfristigen Vorteile aus Preisverhandlungen.“77
Das Lieferantencontrolling als Ziel und Teilbereich der Lieferantenbewertung, beinhaltet eine regelmäßige Überwachung der Lieferleistung, um frühzeitige Veränderungen in der Leistungsfähigkeit zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen.78 Dabei werden vor allem Termintreue, Qualität und die mengenmäßigen Abweichungen kontrolliert und ein Vergleich der ermittelten Leistungsfähigkeit und der realen Lieferfähigkeit angestellt.79
Das Controlling der Lieferanten sollte aber nicht als reines Kontrollinstrument der Lieferanten gelten und zur Abschreckung dienen. Von der ursprünglichen Bedeutung des Wortes „controlling“ also „steuern“ sollte es einen viel entschiedeneren Teil einnehmen. Demnach sollte es als Instrument verwendet werden die Lieferanten-Abnehmer-Beziehung zu steuern und zu verbessern. Durch die Kontrollmaßnahmen innerhalb des Lieferantencontrolling können sowohl Schwachstellen beim Lieferanten als auch im beschaffenden Unternehmen aufgedeckt werden. Es bildet demnach die Basis für eine partnerschaftliche Beziehung und pflegt durch regelmäßige Auswertungen den Kontakt zum Lieferanten. Somit entspricht das Controlling der Lieferanten dem Grundsatz des kontinuierlichen Verbesserungsprozess im Bereich des Lean Management.80
[...]
1 Heraklit von Ephesus (540 – 480 v.Chr.).
2 Vgl. Irlinger (2012, S. 1).
3 Vgl. Gienke/Kämpf (2007, S. 203) Disselkamp/ Schüller (2004, Vorwort).
4 Vgl. Einkaufsmanager online (2012)/ Irlinger (2012, S. 2).
5 Vgl. Disselkamp/ Schüller (2004, Vorwort).
6 Vgl. Irlinger (2012, S. 16).
7 Vgl. Disselkamp/ Schüller (2004, Vorwort).
8 Vgl. Irlinger (2012, S. 2-3).
9 Vgl. Disselkamp/ Schüller (2004, Vorwort).
10 Vgl. Irlinger (2012, S. 9).
11 Vgl. ebd.
12 Vgl. Hartmann (2004, S. 20).
13 Vgl. Large (1999, S. 2).
14 Vgl. ebd.
15 Arnold (1997a, S.3).
16 Vgl. Bedacht (1995, S. 9)/ Irlinger (2012, S. 10).
17 Vgl. Irlinger (2012, S.10-11).
18 Vgl. Piontek (1997, S. 1)/ Irlinger (2012, S. 11).
19 Vgl. Koppelmann (2000, S. 5).
20 Vgl. Large (1999, S. 3).
21 Hirschsteiner (2003, S. 53).
22 Vgl. Melzer-Ridinger (2008, S. 64).
23 Vgl. Hirschsteiner. (2003, S. 53).
24 Vgl. ebd. (2003, S. 54).
25 Koppelmann (2000, S. 102).
26 Vgl. Piontek (2004, S. 31).
27 Vgl. Arnold (1995, S. 8).
28 Arnold (1995, S. 8).
29 Vgl. Large (1999, S. 39).
30 Vgl. ebd.
31 Vgl. Piontek (2004, S. 32).
32 Vgl. Large (1999, S. 39).
33 Eine ausführliche Darstellung des Beschaffungsmanagement findet sich bei Rudolf Large (1999, S. 39-54).
34 Müller Stevens (Gabler Wirtschaftslexikon, Stand 2012: http://wirtschaftslexikon.gabler.de).
35 Vgl. Hirschsteiner (2003, S. 63).
36 Vgl. ebd.
37 Vgl. ebd. S.66.
38 Vgl. Irlinger (2012, S. 22).
39 Vgl. ebd. (S. 23).
40 Vgl. Janker (2004, S. 32).
41 Vgl. Irlinger (2012, S. 26).
42 Vgl. Gienke/Kämpf (2007, S. 206).
43 Vgl. Koppelmann (2000, S. 239).
44 Vgl. Irlinger (2012, S. 28).
45 Vgl. Janker (2008, S. 36).
46 Vgl. Irlinger (2012, S. 29)/ Glantschnig (1994, S. 134f.).
47 Vgl. Janker (2004, S. 37).
48 Vgl. Irlinger (2012, S. 29)/ Koppelmann (2000, S. 240-245)/ Janker (2004, S. 37f.).
49 Vgl. Irlinger (2012, S. 30).
50 DIN EN ISO 9001 www.din.de, Stand: 2012
51 Vgl. Irlinger (2012, S. 31)/ Hartmann/Pahl/Sporer (1992, S. 34).
52 Vgl. Glantschnig (1994, S. 134-136).
53 Vgl. Irlinger (2012, S. 31).
54 Vgl. Glantschnig (1994, S. 12).
55 Vgl. Irlinger (2012, S. 31).
56 Vgl. Irlinger (2012, S. 34)/ Janker (2004, S. 44).
57 Vgl. Hartmann (2008, S. 14/ Vorwort).
58 Vgl. Disselkamp/ Schüller (2004, Geleitwort).
59 Vgl. Hartmann (2008, S. 11/ Vorwort).
60 Vgl. ebd. (S. 16).
61 Vgl. ebd.
62 Hartmann (2008, S. 17).
63 Vgl. ebd.
64 Vgl. Abschnitt 2.1 Bedeutung der Beschaffung (S. 3).
65 Vgl. Herrmann (2006, S.5 ).
66 Vgl. Disselkamp/ Schüller (2004, S. 21)/ Arnold (1993, S. 295).
67 Vgl. ebd.
68 Vgl. Hartmann (2008, S. 20).
69 Vgl. Disselkamp/ Schüller (2004, S. 21).
70 Vgl. Disselkamp/ Schüller (2004, S. 21).
71 Vgl. Piontek (2004, S. 31).
72 Vgl. ebd.
73 Für eine komplexe Betrachtung aller Vorteile und Ziele eines LBMs wird auf Disselkamp/ Schüller (2004, S.21-39) verwiesen.
74 Vgl. Disselkamp/ Schüller (2004, S.22).
75 Vgl. Disselkamp/ Schüller (2004, S.22).
76 Vgl. ebd. (S. 24).
77 Vgl. ebd.
78 Vgl. Hartmann (1997, S. 17)/ Disselkamp/ Schüller (2004, S. 25).
79 Vgl. Disselkamp/ Schüller (2004, S. 25).
80 Vgl. Disselkamp/ Schüller (2004, S. 25).
- Quote paper
- Tom Kundlacz (Author), 2013, Die Lieferantenauswahl eines global agierenden Handelsunternehmens. Konzeption eines Bewertungsmodells, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1038034
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