Der 17. Juni 1953 - Volksaufstand oder Arbeiterrevolte?
Quellen:
- Ciesla, Burghard; Wirtschaft in beiden deutschen Staaten (Teil 2); http://www.bpb.de/info- franzis/html/body_i_256_5.html ; 13.04.01
- Kleßmann, Christoph; Aufbau eines sozialistischen Staates; http://www.bpb.de/info- franzis/html/body_i_256_3.html ; 13.04.01
- Neujahr, Doris; Vasallentreue und Wolkenschieberei - Wie der Schriftstellerverband der DDR auf den Volksaufstand am 17. Juni 1953 reagierte; http://www.jungefreiheit.de/archiv00/260yy44.htm ; 02.05.01
- Pahling, Karl-Heinz (Hrsg.); http://www.volksaufstand1953.de/deutsch/ereignisse001.html ; 13.04.01
- Leonhard, Paul; Der !7. Juni in Görlitz: Die unbekannte Seite des Aufstandes von 1953 - Stasi in den Hundezwinger ; www.jungefreiheit.de/archiv98/268aa16.htm ; 02.05.01
- Bundesministerium für Justiz (Hrsg.);17.Juni und Justiz ; http://www.bmj-bund.de/sed_5_22.htm ; 13.04.01
- Rempel, Prof. Gerhard; The Uprising of June 17, 1953; http://www.mars.wnec.edu/~grempel/courses/germany/lectures/38uprising.html ; 02.05.01
Die ereignisse im juni '53 sind das resultat mehrerer faktoren. industrie-demontagen und güterentnahmen als reperationsleistungen an die su aus einer schon vor dem krieg strukturschwachen region führte die ddr in eine schwierige wirtschaftliche lage. Entscheidungen der ddr-führung zum auf bzw. ausbau vorallem der schwerindustrie leiteten eine verknappung von konsumgütern ein. Der wirtschaftliche aufbau wurde außerdem durch fehlende rohstoffe und durch die abwanderung von facharbeitern erschwert.
Auf der 2.parteikonferenz vom 9. Bis 12. Juli '52 wird der planmäßige aufbau des sozialismus verkündet. Dieses vorhaben sah eine umgestaltung von wirtschaft, kultur und politik vor. die ddr-führung verschärfte den kampf gegen kirchen und vorallem gegen deren jugendorganisation.
der föderalismus sollte abgeschaft und die fünf länder durch 14 bezirke und 217 kreise ersetzt werden. Gleichzeitig wurde die rüstung gesteigert und mit der kasernierten vp eine vorstufe einer armee geschaffen. Wirtschaftlich sollte der aufbau der schwerindustrie und die kollektivierung der landwirtschaft vorangetrieben werden. Letzteres hatte eine verstärkte land- und republikflucht der bauern zur folge. Die einseitige ressourcenverteilung zugunsten der schwerindustrie führte nicht nur zu einer verknappung der konsumgüter sonder vielmehr auch zu einer verteuerung derselben. Als folge daraus kam es ende 1952 zu einer schweren krisensituation.
Am 24.2. 53 wird vom politbüro eine von den sowjets seit 52 geforderte normerhöhung beschloßen, sie sollte bis zum 30.6.53 umgesetzt werden.
Mit dem tod stalins wurde dessen nachfolgern schnell klar, daß eine kursänderung in der ddr unvermeidlich war. Aber erst im mai konnte moskau die durchsetzung des neuen kurses erzwingen. In dieser zeit kam es schon zu ersten unruhen unter den ostdeutschen arbeitern, die sich als kurze arbeitsniederlegungen und proteste manifestierten.
Das politbüro reagierte und beschloß am dienstag den 9.6.53 den neuen kurs. Zwei tage später wurde er der öffentlichkeit vorgestellt. Daß die rücknahme der normerhöhungen ausgeklammert blieb schürte den ärger der arbeiter nur noch mehr, obwohl der neue kurs eine politische lockerung und zugeständnisse an den mittelstand und die bauern vorsah. Das umschwenken der regierung wurde in der bevölkerung als politische bankrotterklärung angesehen.
Die arbeitsniederlegungen wurden am freitag den 12.6. teilweise fortgesetzt. die situation erfuhr bis zum 16.6. eine verschärfung und die forderungen nach einer rücknahme der normen wurde lauter.
So wurde am 15.6. von berliner bauarbeitern eine protestnote an die regierung verfasst und dem ministerpräsidenten grotewohl übergeben. In welcher eine stellungnahme bis zum mittag des 16. Gefordert wurde. Die bauarbeiter bekamen zu diesem termin lediglich eine rechtfertigung für die normerhöhungen worauf die arbeiter eine demonstration formierten und durch berlin zu verschiedenen administrationen zogen. Vor dem haus der ministerien übernahm ein bauarbeiter das wort und erklärte vor inzwischen etwa 10.000 demonstranten: " Wir wollen frei sein. Unsere demonstration richtet sich nicht nur gegen die normen. Wir kommen nicht nur von der stalinallee, sondern aus ganz berlin. Das hier ist eine volkserhebung. Wir fordern freie und geheime wahlen!". Danach wurde für den 17.juni der generalstreik ausgerufen.
Auf dem rückweg kaperten demonstranten einen lautsprecherwagen und skandierten ihre forderungen.
Außerdem sind bauarbeiter zur sendezentrale des rias - mit der bitte um ausstrahlung ihrer forderungen - gegangen. Sie wurden ab 19.30 mehrfach gesendet, mit ausnahme des aufrufs zum generalstreik
Der 17.6. in berlin
Ab 6.00 versammelten sich tausende auf dem strausberger platz in berlin und zogen zum regierungssitz. Bis 11.00 war die demonstration auf über 100.000 personen angewachsen.
In immer mehr betrieben wurde die arbeit niedergelegt und etliche resolutionen verfaßt. Sie artikulierten alle ähnliche forderungen: ablösung der regierung, auflösung des hauptamtlichen fdgb-apparates, freie wahlen, senkung der ho-preise um 40%
Ab den frühen mittagsstunden eskalierte die situation in berlin immer mehr. Es wurden propagandaschilder, fahnenmasten und sektorengrenzschilder zerstört, baracken und kioske in brand gesteckt und die vp-wache am potsdamer platz gestürmt. Gegen 11.00 wurde vom brandenburger tor die rote fahne geholt und zerrissen.
Ab mittag griff die rote armee ein. Das erste opfer war zu beklagen, als sowjetische panzer am zeughaus unter den linden in eine menschenmenge fahren.
Letztlich begannen sowjetische und deutsche truppen unter einsatz von schußwaffen die umgebung des regierungsviertels zu räumen - es kam zu verletzten und weiteren toten.
Um 13.00 uhr wurde von der sowjetischen administration in berlin der ausnahmezustand in der hauptstadt erklärt.
Demonstranten belagerten auch das haus der zk der sed, das karl liebknecht haus. Hier konnten sowjetische truppen, nicht wie bei dem gebäude des staatssicherheits ministeriums und dem verlagsgebäude des fdgb, die erstürmung verhindern.
Bis zum abend beruhigte sich das geschehen dann wieder - unter massivem einsatz von truppen. So waren am abend ca. 20.000 sowjetische soldaten und 15.000 angehörigen der kasernierten vp mit der kontrolle ostberlins und der zonengrenzen beschäftigt.
Damit nahm der aufstand sein ende. Westberlin gab an, daß die ereignisse im ostberliner sektor 64 verletzte und 8 tote forderten. Das ministerium für gesundheitswesen informierte lediglich über 44 verletzte und 1 toten.
Ungeklärt bleibt wieviele sowjetische soldaten wegen befehlsverweigerung erschossen oder verurteilt wurden. Die bild-zeitung spricht in ihrer deutschland chronik von 40 russischen soldaten die der tod ereilt hat (http://50jahre-deutschland.bild.de/50iger/53/politik/01/01.html).
Der 17.juni in der republik
Neben berlin waren nach rempel noch etwa 270 weitere ostdeutsche städte schauplatz des aufstandes (andere quellen sprechen von bis zu 570 orten). Mit etwa 300.000 bis 370.000 streikenden. Sie waren größtenteils arbeiter wurden in größeren städten aber durch mittelständler, intellektuelle und auch - aber nur vereinzelt - durch angehörige der vp ergänzt. Es waren vorallem jüngere menschen die protestierten. neben berlin waren die schwerpunkte des aufstandes halle, merseburg, bitterfeld, magdeburg und leipzig. Nennenswert sind auch brandenburg, görlitz und jena.
Den anfang des aufstandes machten vor allem die arbeiter großer industrieanlagen. Bemerkenswert ist, daß die zentren des aufstandes allesamt hochburgen der arbeiterbewegung waren. Obwohl die forderungen im einzelnen nicht einheitlich waren, ähnelten sie im kern denen die in berlin artikuliert wurden. "spitzbart, bauch und brille, sind nicht des volkes wille." - eine losung die in merseburg die politische forderung nach ablösung der regierung formulierte.
So ähnlich wie die forderungen waren so waren sich die vorgehensweisen ähnlich. Demonstrationen zogen durch die städte, zerstörten parteiplakate und fahnen, sie besetzten rathäuser und parteigebäude und sie versuchten politische gefangene zu befreien. Mit dem anschluß von anderen gruppen an die proteste, wechselte auch die stimmung. Es kam zu brandstiftungen und plünderungen. Teilweise wurden auch partei- und regierungsoffizielle zusammengeschlagen
Ebenso wie in berlin fuhren auch in der übrigen republik ab mittag die sowjetischen panzer auf und der ausnahmezustand wurde ausgerufen. Die aufstandsbewegung ebbte dann schnell ab. Trotzdem setzten sich arbeitsniederlegungen und proteste in den folgenden tagen fort, auch wenn lange nicht so heftig.
Folgen des aufstandes
Ein sowjetischer bericht besagt im herbst 53, daß nach dem aufstand 7663 personen verhaftet wurden. Davon wurden 1240 verurteilt, darunter waren 1090 arbeiter. Es kamen später aber noch mehrere hundert ermittlungsverfahren hinzu, so daß es insgesamt zu 1526 verurteilungen kam. Darunter waren zwei todesurteile, drei personen wurden zu lebenslänglicher und 13 personen zu 10- bis 15 -jährigen zuchthausstrafen verurteilt.
Am 14.juli 53 wird justizminister fechner per politbürobeschluß verhaftet und aus der partei ausgeschloßen. Er wird am 24.mai 55 zu 8 jahren zuchthaus verurteilt. Der grund dafür ist ein interview von ihm, in dem er sagt, daß die ddr-verfassung das streikrecht garantiert und niemand nur für die mitarbeit in einer streikleitung verurteilt werden darf.
Beenden möchte ich das referat mit einem gedicht über die folgen des 17.juni, daß bertholdt brecht schrieb.
Die lösung
Nach dem aufstand des 17. Juni
Ließ der sekretär des schriftstellerverbandes
In der stalinallee flugblätter verteilen
Auf denen zu lesen war, daß das volk
Das vertrauen der regierung verscherzt habe
Und es nur durch verdoppelte arbeit
Zurückerobern könne. Wäre es da
Nicht doch einfacher, die regierung
Löste das volk auf und
Wählte ein anderes?
- Citation du texte
- Carsten Schreinert (Auteur), 2001, Der 17. Juni 1953 - Volksaufstand oder Arbeiterrevolte?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103670