In Zeiten der Automatisierung und Digitalisierung verändert sich die Arbeitswelt unterschiedlichster Branchen rasant. Der Wandel des produzierenden Gewerbes birgt neben Chancen auch eine Reihe von Herausforderungen, die auch Auswirkungen auf die Dienstleistungsbranche, darunter Unternehmensberatungsgesellschaften haben. Mehr denn je müssen sich diese zukunftsorientiert an neue Gegebenheiten und die Erwartungen ihrer Klienten anpassen, sich neuen Themenfeldern widmen, sowie unternehmenseigene Strukturen hinterfragen. Da die Entwicklung der Unternehmensberatungsgesellschaften noch unvorhersehbar ist, bietet sich daher eine ganzheitliche Betrachtung an. Die relevanten Megatrends, auf die sich Unternehmensberatungen bis 2035 einstellen müssen, sowie damit einhergehende Anforderungen zur Veränderung, wurden in der vorliegenden Arbeit untersucht.
Inhaltsverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ANHANGSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Konzeptionelle Grundlagen zur Systemtheorie
2.1. Klärung zentraler Begriffe
2.1.1. Systeme
2.1.2. Systemtheorie
2.2. Arten von Systemen
2.3. Systemebenen
2.3.1. Interaktionssysteme
2.3.2. Organisationssysteme
2.3.3. Gesellschaftssysteme
2.4. Merkmale sozialer Systeme
2.4.1. Umwelt
2.4.2. Komplexität
2.4.3. Sinn
3. Konzeptionelle Grundlagen zur Unternehmensberatung
3.1. Klärung zentraler Begriffe
3.1.1. Beratung
3.1.2. Unternehmensberatung
3.1.3. Coaching
3.1.4. Supervision
3.2. Dimensionen
3.3. Orientierung
3.4. Systemische Unternehmensberatung
4. Grundlagen der Zukunft-, und Trendforschung
4.1. Entstehung und Definition
4.2. Zukunftsforschung als Wissenschaft
4.3. Methoden
4.4. Kategorien
4.5. Megatrend-Map
4.5.1. New Work
4.5.2. Mobilität
4.5.3. Konnektivität
4.5.4. Wissenskultur
4.5.5. Gender-Shift
4.5.6. Gesundheit
4.5.7. Silver Society
4.5.8. Neo-Ökologie
4.5.9. Globalisierung
4.5.10. Individualisierung
4.5.11. Sicherheit
4.5.12. Urbanisierung
5. Die Zukunft der Unternehmensberatung
5.1. Herausforderungen
5.2. Aktuelle Trends in der Unternehmensberatung
5.2.1. Künstliche Intelligenz
5.2.2. Digital Creatives
5.2.3. 24/7 Gesellschaft
5.2.4. Work-Life-Blending
5.2.5. Kollaboration
5.2.6. Achtsamkeit
5.2.7. Talentismus
5.2.8. Wir-Kultur
5.2.9. Sinn-Ökonomie
5.2.10. Nachhaltigkeit
5.2.11. Beziehungen
5.2.12. Dezentralisierung
6. Methodik
6.1. Forschungsansatz und Untersuchungsdesign
6.1.1. Auswahl der Methode
6.1.2. Datenerhebung
6.1.3. Leitfaden Experteninterview
6.1.4. Zielgruppe und Stichprobenbildung
6.2. Pretest und Durchführung
6.3. Datenqualität
6.4. Datenauswertung
6.5. Vorstellung und Interpretation der Ergebnisse
6.5.1. Einfluss der Megatrends auf Systeme
6.5.2. Klientensystem
6.5.3. Unternehmensberatungsgesellschaft
6.5.4. Corona Pandemie Einfluss auf die Entwicklung
7. Unternehmensberatung
7.1. Zukünftige Trends in der Unternehmensberatung
7.2. Handlungsempfehlung für die Unternehmensberatung
8. Fazit
Literaturverzeichnis
ANHANG
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Einteilung von Systemen, vgl. KISS, 1990, S. 30
Abbildung 2: Vorgehensmodell des Trendmanagements, vgl. FINK & SIEBE, 2006, S. 130
Abbildung 3: Die Megatrend-Map, vgl. Zukunftsinstitut, 2020
Abbildung 4: Die Aufstellung als Abfolge, vgl. MOHLE, 2005, S. 144
Abbildung 5: Sieben Phasen des Szenario-Managements, vgl. FINK, SCHLAKE, & SIEBE, Erfolg durch Szenario-Management, 2001, S. 67 und vgl. SPREY, 2003, S. 84
Abbildung 6: Modell der Systemebenen und Einflussbereiche mit einer Unternehmensberatungsgesellschaft als Kernbereich, vgl. FINK & SIEBE, Szenario Management, 2016, S. 73
Abbildung 7: Einfluss der Megatrends auf Wirtschaft und Unternehmen
Abbildung 8: Umwelteinflüsse auf die Arbeitswelt 2035 vgl. FINK & SIEBE, Szenario Management, 2016, S. 75
Abbildung 9: Systembild einer Unternehmensberatungsgesellschaft vgl. FINK & SIEBE, Szenario Management, 2016, S. 75
Abbildung 10: Assoziationen mit einer Unternehmensberatungsgesellschaft 2035
Abbildung 11: Handlungsempfehlungen für Unternehmensberatungsgesellschaften 2035
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Gesellschaftssysteme, vgl. KRAUSE, Luhmann-Lexikon, 2001, S. 43 ff.
Tabelle 2: 13 aktuelle Trends in der Unternehmensberatung als Teil der 12 Megatrends
Abkürzungsverzeichnis
ebd. ebenda
vgl. vergleiche
d.h. das heißt
z.B. zum Beispiel
o.Ä. oder ähnlich
vs. versus
bzw. beziehungsweise
ANHANGSVERZEICHNIS
ANHANG A LXXXVI
ANHANG B LXXXVII
ANHANG C LXXXIX
ANHANG D XCI
ANHANG E CI
ANHANG F CXI
ANHANG G CXIX
ANHANG H CXXXVI
ANHANG I CXLVII
ANHANG J CLVII
ANHANG K CLXXI
ANHANG L CLXXX
ANHANG M CXCII
ANHANG N CCIV
1. Einleitung
In Zeiten der Automatisierung und Digitalisierung verändert sich die Arbeitswelt unterschiedlichster Branchen rasant. Der Wandel des produzierenden Gewerbes birgt neben Chancen auch eine Reihe von Herausforderungen, die auch Auswirkungen auf die Dienstleistungsbranche, darunter Unternehmensberatungsgesellschaften haben.
„Während bisher Organisationserfolge Lernanreize abschwächten […] sind heute gerade erfolgreiche Organisationen gefährdet, weil sie nicht rechtzeitig erkennen, dass auch sie […] sich anpassen müssen“ (LUHMANN, Organisaion und Entscheidung, 2000, S. 360). Folglich ist es für Unternehmensberatungsgesellschaften essenziell, sich zukunftsorientiert an neue Gegebenheiten und die Erwartungen ihrer Klienten anzupassen. So ist es Aufgabe der Beratung „die Umwelt auf Veränderungen“ (ebd.) abzutasten und frühzeitig systemspezifische Potentiale für Klienten zu entdecken. Um Klienten auch in Zukunft erfolgreich zu unterstützen, muss sich die Beratung inhaltlich neuen Themenfeldern widmen, sowie unternehmenseigene Strukturen hinterfragen. Da die Entwicklung der Unternehmensberatungsgesellschaften noch unvorhersehbar ist, bietet sich eine ganzheitliche Analyse zur Untersuchung zukünftiger Potentiale an.
Aufgabenstellung dieser Arbeit ist die Entwicklung einer Zukunftsutopie für Unternehmensberatungsgesellschaften 2035 auf Basis der Systemtheorie. Daraus ergibt sich die Forschungsfrage: Was sind relevante Megatrends, auf die sich Unternehmensberatungen bis 2035 einstellen müssen und welche Anforderungen zur Veränderung ergeben sich hieraus?
Neben der Kreation einer Zukunftsutopie, ist es Ziel dieser Arbeit, die verschiedenen Zukunftstrends und ihren Einfluss auf Unternehmensberatungsgesellschaften zu verstehen. So ist herauszufinden, inwiefern neue Gegebenheiten im Klientensystem und dessen Umwelt auch neue Kernkompetenzen seitens der Unternehmensberatung fordern. Des Weiteren gilt es zu untersuchen, welche strukturellen Veränderungen in den Unternehmensberatungsgesellschaften notwendig sind, um sich auf die Arbeitswelt 2035 adäquat vorzubereiten.
Um die Forschungsfrage zu beantworten, wird im Folgenden eine Kombination von Primär-, und Sekundärquellen verwendet. Beginnend mit einer Literaturrecherche, bedarf es in Kapitel zwei, drei und vier einer Darstellung der Grundlagen in den Bereichen Systemtheorie, Trend-, und Zukunftsforschung sowie Unternehmensberatung.
So werden zunächst zentrale Begriffe der Systemtheorie erläutert, sowie Systeme, ihre Arten und Ebenen beschrieben. Aufgrund ihrer Relevanz für diese Arbeit wird explizit auf die Merkmale sozialer Systeme eingegangen. Auch wird im Hinblick auf die Systemtheorie der Ansatz Luhmanns besonders berücksichtigt.
Das darauffolgende Kapitel widmet sich den Grundlagen der Unternehmens-beratung und geht dabei auf die Klärung zentraler Begriffe, unterschiedliche Ausrichtungen, ihre Dimension und Orientierung ein. Besondere Beachtung erfährt, der für diese Arbeit relevante Ansatz der systemischen Unternehmensberatung.
Anschließend wird im vierten Kapitel auf die Entstehung von Zukunfts-, und Trendforschung eingegangen, sowie auf die Schwierigkeit, sie als Wissenschaft zu etablieren. Es folgt eine Darstellung ihrer Methoden und Unterscheidung in Trendkategorien. Aufgrund ihrer Dauer und systemübergreifender Einflussbereiche wird hier der Fokus auf die Kategorie der Megatrends gelegt.
Das fünfte Kapitel widmet sich anschließend dem aktuellen Forschungsstand von Trends in der Unternehmensberatung. Im Hinblick auf aktuelle Beratungsschwerpunkte, wird der Forschungsstand im Anschluss an die Experteninterviews vervollständigt.
Die in Kapitel sechs verwendete Primäranalyse beinhaltet die Durchführung und Auswertung von Experteninterviews. Diese Methode ermöglicht eine Ergänzung fehlender Daten, die für die Beantwortung der oben genannten Forschungsfrage bedeutsam sind. Auch gewährt die empirische Studie Einblicke in die Expertenvision von einer zukünftigen Unternehmensberatungsgesellschaft, die in einer qualitativen Inhaltsanalyse zusammengefasst werden.
Die Interpretation der Ergebnisse dient der Beschreibung einer Zukunftsutopie von Unternehmensberatungsgesellschaften 2035. Die Erkenntnisse angewandt, erfolgt eine konkrete Handlungsempfehlung für Unternehmensberatungsgesellschaften.
Anschließend werden die gewonnenen Erkenntnisse unter Berücksichtigung der Aufgabenstellung und Zielsetzung zusammengefasst und ein Fazit gezogen.
Es ist zu beachten, dass letzteres auf einer geringen Anzahl von Experteninterviews beruht. Um die Ergebnisse im Anschluss an diese Arbeit zu quantifizieren, bietet sich daher eine Fortsetzung des Forschungsprojektes in Form einer Delphi Studie oder vollständigen Szenario-Entwicklung an.
2. Konzeptionelle Grundlagen zur Systemtheorie
2.1. Klärung zentraler Begriffe
2.1.1. Systeme
Der systemtheoretische Ansatz Parsons, der ein System als übergreifendes, ganzheitliches Phänomen versteht, sieht Handlung und System, sowie Subjekt und Objekt nicht im Gegensatz zueinander. Vielmehr beschreibt Parsons, dass in einem System „beide Partner sich selbst in beiden Rollen erfahren: als Subjekt und als Objekt der Interaktion“ (PARSONS, 1968, S. 436). Die von Parsons beschriebenen Handlungen werden von Luhmann als Operationen beschrieben. Diese „Operationen der Gesellschaft finden in der Gesellschaft statt, und es gibt keine kommunikative Position außerhalb der Gesellschaft, von der aus man über die Gesellschaft reden könnte“ (HAGEN, 2011, S. 37).
Auch wenn neben Luhmann auch der Philosoph und Soziologe Habermas eine Erweiterung der Theorien des Soziologen Webers und Parsons verfolgt, weisen beide Auffassungen von Systemen gravierende Unterschiede auf. Zwar schreiben beide Wissenschaftler der Kommunikation eine große Bedeutung zu, doch bezieht Habermas „kommunikatives Handeln auf handelnde Subjekte, knüpft daran normative Forderungen und moralische Bewertungen“ (ebd., S. 20). Luhmann hingegen sieht davon ab, moralische Urteile zu fällen und beschreibt sich selbst als „Beobachter zweiter Ordnung (also als Beobachter von Beobachtern)“ (ebd., S. 20). Auch Habermas Beschreibung von Menschen als Subjekte im Kommunikations-prozess lehnt Luhmann ab und bezieht Kommunikation stattdessen auf soziale Systeme.
Folglich beschreibt Luhmann ein soziales System als „organisierte Komplexität, die durch die Selektion von Ordnung operiert“ (BERGHAUS, 2011, S. 38) und versteht dabei „jeden sozialen Kontakt“ (DIECKMANN, 2004, S. 21) und somit jede Form der Interaktion als ein soziales System. Bestandteil der Systeme bzw. die Elemente sind dabei keine miteinander kommunizierenden Personen, sondern die systeminternen Operationen, die Aktivitäten des Systems. Diese Elemente, „die kleinste Einheit in einem sozialen System ist die Kommunikation“ (KÖNIG & VOLMER, Handbuch Systemische Organisationsberatung, 2008, S. 35).
2.1.2. Systemtheorie
Systemtheorie versteht sich als eine Strömung „gegen die zunehmende Aufspaltung von Wissenschaft“ (ebd., S. 29), die Systeme als eine „Anzahl von in Wechselwirkung stehenden Elementen“ (ebd., S. 28) versteht, die einzelnen Systeme aber physikalischer, biologischer, psychologischer und sozialer Natur sein können (vgl. ebd.). So widmet sich der Systemansatz dem Erkennen von Zusammenhängen sowie komplexer Ursache-, und Wirkungsbeziehungen und eignet sich so auch zum Erfassen komplexer Unternehmensstrukturen.
Auch die Systemtheorie Luhmanns „erhebt für sich den Anspruch universell zu sein“ (BERGHAUS, 2011, S. 25) und ist so auf soziale, aber auch biologische und psychische Systeme anwendbar. Zudem weckt sie einen neuen, ungewohnten Denkansatz zur Definition von Systemen und deren Beziehung zur Umwelt, und fordert „vertraute Sachverhalte komplett neu zu durchdenken“ (HEIN, 2011, S. 2).
2.2. Arten von Systemen
„Lebende, neuronale, psychische und soziale Systeme sind nach Luhmann autopoietische Systeme“ (KNEER & NASSEHI, 1994, S. 58), was bedeutet, dass sie ihre systemspezifischen Elemente autonom reproduzieren und „im Netzwerk […] dieser Elemente selbst erzeugen. Die Elemente (und zeitlich gesehen sind das Operationen)“ (SEIBERT, 2004, S. 31) unterstützen das „Stattfinden von Ereignissen […] das heißt: die Reproduktion der Differenz von Systemen und Umwelt“ (BERGHAUS, 2011, S. 52). Die Produktion von systemspezifischen Elementen führt so zur Selbsterzeugung und Selbsterhaltung des Systems, ohne auf das Input der Umwelt angewiesen zu sein. Ein autopoietisches System erzeugt selbst die Elemente, aus denen es besteht. Trotzdem ist diese Selbsterhaltung des Systems auf die Umwelt angewiesen und nur in Verbindung mit einer strengen „Grenzerhaltung“ (LUHMANN, Soziale Systeme, 1994, S. 35) zur systemspezifischen Umwelt möglich, indem sich das System ausschließlich in seiner Differenz zur Umwelt definiert. Diese Art von selbstreproduzierenden Systemen werden als operativ geschlossen bezeichnet, was sie von allopoietischen Systemen und deren Offenheit unterscheidet. Letztere sind folglich auf „die Herstellung eines Produkts ausgerichtet, das etwas anderes ist als sie selbst“ (ebd., S. 30).
Die anschließende Abbildung zeigt die verschiedenen Arten der Systeme, namentlich Maschinen und Organismen. Aufgrund des Themenschwerpunktes dieser Arbeit wird im Folgenden lediglich auf Systeme als Organismen eingegangen, die sich weiter in psychische und soziale Systeme einteilen lassen. Erstere erzeugen dabei „sich selbst, indem sie Gedanken an Gedanken anschließen“ (KRAUSE, 2001, S. 21) und so
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Gedanken ihre Operation zur Selbsterhaltung darstellen.
In dieser Arbeit wird ein Fokus auf die sozialen Systeme gelegt, deren Operation als Kommunikation zu verstehen ist. Eine Erläuterung der verschiedenen Systemebenen folgt im Anschluss. Aufgrund des Themenschwerpunktes auf Unternehmensberatungs-gesellschaften wird insbesondere auf die Ebene der Organisation in Form eines Unternehmens eingegangen.
2.3. Systemebenen
Soziale Systeme können in die drei Ebenen Gesellschaftssysteme, Interaktions-, und Organisationssysteme unterteilt werden. Jede der drei Ebenen weist dabei unterschiedliche „Möglichkeitsspielräume, Zeithorizonte und konstitutionelle Restriktionen“ (KISS, 1990, S. 34) auf, die Unterschiede in der Dauer und dem formellen Rahmen darstellen. Gleichzeitig sind die drei Ebenen insofern miteinander verbunden, als dass Interaktionen als erste Ebene im Rahmen von Organisationen, der zweiten Ebene stattfinden, Organisationen wiederum in die Gesellschaft und folglich der dritten Ebene eingebettet sind. Von „Sozialität als Ganzes ist für Luhmann nur“ (STARK, 1994, S. 60) zu sprechen, wenn die Summe aller drei Ebenen gemeint ist, da die „unterschiedliche Rolle individueller Kommunikation“ (ebd.) auf den drei Ebenen gleichsam bedeutend für den Aufbau und Erhalt sozialer Systeme ist. Wichtig ist, dass die verschiedenen Ebenen nicht die Umwelt der anderen beiden Ebenen darstellen, sondern die einzelnen Systeme auf den drei Ebenen stets im Austausch mit ihrer eigenen, spezifischen Umwelt stehen.
2.3.1. Interaktionssysteme
Anders als Gesellschafts-, und Organisationssysteme existieren Interaktionssysteme durch die „räumliche Anwesenheit körpergebundener psychischer Systeme“ (KRAUSE, 2001, S. 49), „wenn sich Personen einander begegnen, das heißt, wahrnehmen, dass sie einander wahrnehmen“ (STARK, 1994, S. 61). So beschreiben Interaktionssysteme Systeme, die „entstehen, sobald mehrere Personen gemeinsam anwesend sind und einander erkennen“ (LUHMANN, 2017, S. 174). Das wahrgenommene Kommunikationsereignis wird dabei zu einem elementaren Element (vgl. ebd., S. 174-179). Der Sinn der wechselseitigen Kommunikation ist an die Erwartungshaltung der Anwesenden geknüpft und so kann der Fokus der Interaktion beispielhaft auf „Tausch, Kampf, Wette, […] Gruß“ (BLUMER, 1953, S. 195) ausgerichtet sein. Vorab definierte inhaltliche Themen und voraussehbare Rollen vereinfachen die Kommunikation für die Anwesenden, die ihre Handlung in Abstimmung mit der wahrgenommenen Interaktion und Erwartungshaltung Ihres Interaktionspartners wählen.
Auch wenn Interaktionssysteme unterbrochen und wiederholt werden können, sind sie anders als Organisationssysteme zeitlich an die Interaktion und Anwesenheit der Personen gebunden. Ihre Kommunikation findet über das Medium „des Körpers, der Sprache oder über beide Medien“ (KRAUSE, 2001, S. 50) statt und ist aufgrund der wechselseitigen Wahrnehmung der Interaktionspartner von hoher Instabilität geprägt. Die Anwesenheit von Personen führt auch dazu, dass ein „Handlungszwang […] und […] Rollendifferenzierungen“ (KISS, 1990, S. 35) entstehen. Ersteres beschreibt die Notwendigkeit einer Handlung in Gegenwart anderer Personen, das zweite eine interaktionsbedingte Übernahme von Rollen.
Auch wenn die Interaktion zur Bildung eines sozialen Systems führt, sind anders als bei Organisations-, und Gesellschaftssystemen „die Ziele, Funktionen und Inhalte“ (STARK, 1994, S. 61) des Systems weder vorab definiert noch vorhersehbar. Um die Komplexität der Kommunikation zu reduzieren, hängt „die inhaltliche Vielfalt“ (KRAUSE, 2001, S. 50) und Art der Kommunikation auf dieser Systemebene stark von dem Kontext, und somit dem Rahmen und Sinn der Interaktion ab. So unterscheidet sich ein wissenschaftlicher Vortrag, der wahre und falsche Aussagen unterscheidet, grundlegend von der Kommunikation einer Preisverhandlung, die im Rahmen der Wirtschaft der reinen Überzeugung dient, und sich nicht auf die Wahrheit berufen muss.
2.3.2. Organisationssysteme
Die für diese Arbeit relevanteste, mittlere Systemebene der Organisationssysteme grenzt sich von ihrer Umwelt durch Mitgliedschaft ab. Die Unterscheidung zwischen System und Umwelt ist hier durch Mitgliedschaft und Nicht-Mitgliedschaft definiert. Diese Mitgliedschaft beschreibt zum einen „systemspezifische Rollen, zum anderen definiert sie welche Themen […] den Mitgliedern des Systems auf Grund der Mitgliedschaft zugemutet werden können“ (KISS, 1990, S. 35) oder relevant sind.
Im Vergleich zu Interaktionssystemen besteht hier keine Erwartungshaltung bezüglich der Anwesenheit von Personen. Stattdessen wird eine Zugehörigkeit in Form einer Mitgliedschaft erwartet. „Die Mitgliedschaft wird als eine Beziehung einer Person zu einer Rolle begriffen“ (LUHMANN, 2017, S. 185), wodurch die Erwartungen stets rollenspezifisch sind und Interaktionen erwartbar und formal organisiert werden. Diese „Formalisierung von Mitgliedschaftsrollen ist das Strukturmerkmal“ (DREPPER, 2003, S. 97) sozialer Organisationssysteme und ermöglicht, unvorhersehbare „unwahrscheinliche Interaktionszusammenhänge wahrscheinlich“ (STARK, 1994, S. 62) zu machen und zu institutionalisieren, indem der Interaktion ein Rahmen geboten wird, der Antwort darauf gibt „wer, […] warum teilnehmen kann, wann und wo welche Personen anwesend sein müssen“ (ebd.), damit Interaktion stattfindet.
Versteht sich Kommunikation bei Interaktionssystemen, als Verhalten, so wird bei organisierten Sozialsystemen Kommunikation als Entscheidungen gedeutet (vgl. LUHMANN, 2017, S. 189). Es entsteht folglich eine Entscheidungsstruktur, die Komplexität reduziert und Interaktion strukturiert. Das System muss sich dann „im Verhältnis zu ihrer Umwelt als zweckorientiert operierend beobachten. Im Innenverhältnis strukturieren sich Organisationen durch Entscheidungen“ (KRAUSE, 2001, S. 51). Die Ebenen spezifische Kommunikation von Organisationen basiert somit auf Entscheidungen, die mithilfe von Regeln, Ablauf-, und Aufbauorganisation eine Systemstruktur definieren. Diese Systemstruktur führt zu einer „Einschränkung von Handlungsmöglichkeiten und […] spontanen […] Kommunikationsprozessen“ (KISS, 1990, S. 36).
Elemente des Organisationssystems sind dabei nicht die Mitglieder der Organisation, sondern die organisierten „Handlungen und Kommunikation“ (DREPPER, 2003, S. 97) der Mitglieder. Wenn folglich „soziale Systeme aus Handlungen bzw. aus Komplexen erwartbaren Handlungen (Rollen) – nicht aber aus Personen – bestehen, […] ist jede Person als andersartiges Aktionssystem Teil der Umwelt des Sozialsystems“ (ebd.) Organisation. Folglich und anders als häufig angenommen sind Organisationsmitglieder und ihre Probleme als Umweltphänomen zu beschreiben.
Auch ist die Formalisierung der Organisation nur begrenzt möglich. So stellt die Organisation stets ein Teilsystem eines größeren Systems da und folglich sind auch die Handlungen stets von „anderen Strukturen (Kultur, allgemeine Regeln, Person)“ (DREPPER, 2003, S. 99) geprägt. Diese Strukturen beschreibt Luhmann als generalisierte Verhaltenserwartungen. Sie „definieren Grenzen eines Systems und stabilisieren die Verhaltensordnung, die für Orientierungssicherheit, der am sozialen System Beteiligten sorgt“ (ebd.). Folglich festigen sich die Verhaltenserwartungen innerhalb des Systems, die Beteiligten verspüren Verhaltenssicherheit und das System als Ganzes grenzt sich von der Umwelt ab. Die Verhaltensweisen einzelner Rollen innerhalb des Systems basieren dabei auf unterschiedlichen Erwartungen und stellen so ein „Repertoire an Verhaltensweisen“ (ebd., S. 100) für eine spezifische Rolle dar. Um die Komplexität eines Organisationssystems zu reduzieren, können Untersysteme geschaffen werden. Während das Gesamtsystem so zu einer strukturierten Umwelt für die Untersysteme wird, erfüllen die integrierten Untersysteme „funktional differenzierte“ (ebd., S. 108) Aufgaben, die den Systemerhalt und Erhalt des Gesamtsystems stärken.
Zusammenfassend ist die Organisationsebene durch klar definierte „Programme, disponible Mitgliedschaft […], Strukturierung von Kommunikationsmöglichkeiten“ (KISS, 1990, S. 37) geprägt, die das Handeln und Erleben innerhalb des spezifischen Systems vorhersehbar machen. Konkret kann für eine Organisation in Form einer Firma „das Finanzamt oder andere Firmen, mit denen sie z.B. Verträge eingegangen ist […], aber auch die Personen, welche in der Firma arbeiten“ (BÜRSCHEL, 1990, S. 5) als Umwelt definiert werden. Die bisher beschriebenen Systemebenen der Interaktions-, und Organisationssysteme „sind einerseits in die Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Funktionen eingebunden, sei es in dynamisierender Hinsicht (Interaktionssysteme) oder sei es in integrativer Hinsicht (Organisationssysteme) oder nehmen andererseits sonstige spezielle Funktionen geringerer […] Reichweite in der Gesellschaft wahr“ (KRAUSE, 2001, S. 33).
2.3.3. Gesellschaftssysteme
Im Folgenden wird auf die dritte Ebene der Gesellschaftssysteme eingegangen, die von zwei grundlegend unterschiedlichen Definitionen charakterisiert ist. Nach Luhmann beschreibt der Gesellschaftsbegriff einerseits „Gesellschaft als ein soziales System unter anderen und gleichzeitig als ein besonderes, das als Einheit alle sinnhaften Handlungen und Kommunikationen“ (DREPPER, 2003, S. 51) zusammenfasst.
Zweiteres kann auch als Sozialität beschrieben werden, die alle sozialen Systeme, sowie „alle Interaktionen und Organisationen“ (STARK, 1994, S. 66) einschließt und ihre Funktion in der „der sinnhaften Anschlussfähigkeit von Kommunikation“ (ebd., S. 68) und Selektion von Möglichkeiten begreift. Grundlegende Operation dieser Systeme ist Kommunikation. Anders als Interaktionssysteme und organisierte Sozialsysteme, die sich auf situative Kommunikation oder Entscheidungsbewusstsein von Mitgliedern fokussieren, beinhalten Gesellschafts-systeme die reine Möglichkeit der Kommunikation. Als abstrakteste Ebene beschreiben Gesellschaftssysteme ihren Prozessbegriff als „sinnhafte Verarbeitung sozial möglicher, sei es aktueller, sei es bloß möglicher Kommunikation“ (ebd., S. 195-199). So spielt es für diese Art der Systeme keine Rolle, ob die Personen anwesend oder abwesend, Mitglieder oder Nicht-Mitglieder sind.
Die erste Definition von Gesellschaft als ein soziales System unter anderen beschreibt unterschiedliche, soziale Funktionssysteme, die sich in ihrer Art der Kommunikation, ihren Werten und Normen grundlegend unterscheiden. So nehmen beispielhaft die drei sozialen Gesellschaftssysteme Religion, Wirtschaft und Familie unterschiedliche Funktionen innerhalb der Gesellschaft ein und verfolgen unterschiedliche Ziele. Nimmt man sich dieser Gesellschaftsdefinition als soziales System an, und nicht als ganzheitliches System, kann auch Gesellschaft als Beispiel eines sozialen Systems genannt werden. So unterscheiden sich die verschiedenen sozialen Systeme im Hinblick auf ihr Medium, ihren Code und das verwendete Programm und sind in einem festen institutionellen Kern, einem Rahmen vorzufinden (vgl. KRAUSE, 2001, S. 43 ff.). So nimmt sich beispielhaft das System Wirtschaft der Funktion an, Knappheitsminderung zu gewährleisten und versteht sich als Teilsystem der Gesellschaft. Jedes System verfügt dabei über eine systemspezifische Kommunikation
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
und setzt sich so von seiner Umwelt, zu der eine Vielzahl an Systemen gehört ab.
Innerhalb eines jeden Systems gilt die Prämisse, dass die Umwelt komplexer ist als das System selbst, da die Elemente der Wirtschaft selbst weniger Verschiedenartigkeit aufweisen, als die Elemente in der systemspezifischen Umwelt. Im System Wirtschaft fokussiert sich die Codierung auf Gewinn und Verlust. Das Medium des operierenden Systems stellt in dem Fall Geld da. Für die im System kommunizierenden Personen sind Handlungen und Kommunikation verständlich aufgrund feststehender Kodierung, die sich in Form von Zahlung und Nichtzahlung zeigt. Verwendete Programme in der Wirtschaft stellen häufig Budgets dar, die eine Orientierung für Kosten und zu erreichenden Gewinn bieten. Das System Wirtschaft grenzt sich so klar von anderen Systemen, wie zum Beispiel Religion, Kunst oder Sport ab.
Jedes System ist stark von seiner Umwelt und den darin liegenden Teilsystemen abhängig, insbesondere der Politik. Kommunikation als Selektion von Information, Mitteilung und Verstehen kann hier beispielsweise im Hinblick auf Nachhaltigkeit geschehen. So verfügt die Politik über Informationen und Macht, um Nachhaltigkeit in bestimmten Regelungen und Gesetzen zu verankern und so in Form von Maßnahmen an die Wirtschaft weiterzugeben, die die Anforderungen umsetzt.
2.4. Merkmale sozialer Systeme
2.4.1. Umwelt
Auch wenn es bei dem Namen Systemtheorie zunächst irreführend erscheint, dass der „primäre Gegenstand der Systemtheorie nicht ein […] System ist, sondern die Differenz von System und Umwelt“ (BERGHAUS, 2011, S. 41), kann das System nur durch die Differenz existieren und sich selbst erhalten.
So steht das System in stetigem Austausch mit seiner Umwelt, die von Luhmann als „systemrelativer Sachverhalt“ (BÜRSCHEL, 1990, S. 7) beschrieben wird. Als systemrelativ wird sie beschrieben, da jedes System eine systemspezifische Umwelt besitzt und keine allgemein gültige Umwelt für verschiedene Systeme existiert. Wäre ein System „nicht geschlossen, nicht von seiner Umwelt abgrenzbar, wäre es kein System. Wäre es nicht offen, könnte es sich gegenüber seiner Umwelt nicht erhalten“ (KRAUSE, 2001, S. 11). Die Umwelt eines definierten Systems kann dabei „viele andere Systeme bilden, so dass die Umwelt immer komplexer als das Bezugssystem ist“ (KISS, 1990, S. 31). Umwelt und Bezugssystem stellen „zwei Seiten derselben Medaille“ (BERGHAUS, 2011, S. 41) dar und existieren auch nur durch die Existenz der anderen Seite. Dabei kommt die Differenz „System/ Umwelt […] zweimal vor. [1.] als durch das System produzierter Unterschied und [2.] als im System beobachteter Unterschied“ (ebd., S. 43). So muss das System zunächst operieren, im Fall sozialer Systeme somit kommunizieren, um eine Differenz zur Umwelt herzustellen, die dann vom System selbst beobachtet und als Differenz erkannt wird.
Als autonom wird das System beschrieben, „insofern es selbst entscheiden kann, von internen Bedingungen, vom eigenen Systemtyp abhängig machen kann, worauf es angewiesen ist […] und was es als Output […] an die Umwelt abgibt“ (LUHMANN, Einführung in die Systemtheorie, 2009, S. 47). Dabei ist die Umwelt „verschiedener Systeme nicht identisch“ (STARK, 1994, S. 44) und wird als „einfach alles andere“ (BERGHAUS, 2011, S. 42) „pro System definiert, genauer: vom System durch die systemeigenen Operationen erzeugt“ (ebd., S. 39). Der Austausch zwischen System und Umwelt führt dazu, dass die operationale Geschlossenheit „nicht als Gegensatz, sondern als Bedingung für Offenheit verstanden“ (KNEER & NASSEHI, 1994, S. 59) wird.
2.4.2. Komplexität
Die Welt weist für Luhmann eine hohe Komplexität auf, die es mithilfe von Differenzierung zu reduzieren bedarf. So versteht er Komplexität als Einheit, „die […] verschiedene Einheiten (Elemente) umfaßt“ (SEIBERT, 2004, S. 26). Diese Einheiten sind steigerbar in ihrer Komplexität und abhängig von der Verschiedenartigkeit der einzelnen Elemente.
Über ein System ist zusätzlich zu sagen, dass es stets eine „geringere Komplexität hat als die Umwelt“ (LUHMANN, 2017, S. 181). Nach Luhmann ist „ein System […] komplex, wenn das, was in ihm grundsätzlich möglich ist, nicht auf einmal tatsächlich umsetzbar ist“ (KRAUSE, 2001, S. 9), da die große Vielzahl an Elementen dazu führt, dass „nicht mehr jedes Element jederzeit mit jedem anderen verknüpft sein kann“ (MÄNNLE, 2007, S. 23). So impliziert der Begriff der Komplexität, „dass Bedingungen (und somit Grenzen) der Möglichkeit“ (LUHMANN, Vertrauen, 2000, S. 5) zu setzen sind, da der erlebten Welt stets eine komplexe Welt „anderer Möglichkeiten gegenübersteht“ (KISS, 1990, S. 11). Dabei ist „jede Art realer Systeme […] übermäßig komplex: sie enthält mehr Möglichkeiten als die, auf die das System […] reagieren kann“ (LUHMANN, Vertrauen, 2000, S. 5). Um Komplexität zu vermeiden „grenzt ein System einen jeweiligen Möglichkeitsbereich des Handelns und Erlebens ab“ (KRAUSE, 2001, S. 9) und reduziert so die Komplexität der Welt durch „unterscheidbare Systeme“ (MÄNNLE, 2007, S. 24). Mithilfe von Selektion als systemspezifische Operation wird Komplexität reduziert, indem sich das System für Möglichkeiten des Handelns entscheidet „und damit andere Möglichkeiten ausschließt […] aus dem unüberwindlichen Komplexitätsgefälle zwischen System und Umwelt“ (STARK, 1994, S. 46).
2.4.3. Sinn
Jedes soziale System unterscheidet sich von seiner Umwelt und anderen Systemen im Hinblick auf den Sinn. Dieser ermöglicht eine Reduktion der Komplexität und bietet eine „sinnhafte Welterfassung“ (MÄNNLE, 2007, S. 25), die „im Zentrum der Intention“ (LUHMANN, Soziale Systeme, 1994, S. 93) Handlungen maßgeblich prägt und „Selektionsmöglichkeiten einengt“ (KISS, 1990, S. 15). So kann nach Luhmann nur mithilfe von „Systembildung […] die Unendlichkeit des Sinns bearbeitet werden“ (STARK, 1994, S. 48) und eine Eingrenzung der systemspezifischen Funktion und Kommunikation stattfinden. Die Eingrenzung dieser sinnhaften Kommunikation hat eine Abgrenzung von der Umwelt zur Folge und ermöglicht sinnhafte Interaktion. Nicht nur ist das System selbst von Sinn bestimmt, auch die Systemgrenzen werden insbesondere durch die Grenze einer bestimmten Weltform, und folglich definierten „Sinngrenzen […] nach innen und nach außen“ (LUHMANN, Soziale Systeme, 1994, S. 95) strukturiert. „Die wechselseitige Undurchschaubarkeit menschlicher Gedankensysteme überbrücken“ (STARK, 1994, S. 50) zu können, trotz der Geschlossenheit der Systeme ist nur möglich, da die Sinnhaftigkeit systemspezifischer Kommunikation psychische Systeme einander verstehen lässt. Dabei gilt, dass die fortschreitende Differenzierung innerhalb eines Systems zur Reduktion eigener Komplexität verhilft. Steigern zwar „Unterscheidungen innerhalb von Systemen […] die systemische Komplexität“ (MÄNNLE, 2007, S. 29), so reduzieren sie gleichzeitig die Komplexität der jeweils einzelnen Systeme nach dem Leitsatz „nur Vielfalt kann Vielfalt zerstören“ (ebd.). Die Vielfalt an Systemen reduziert folglich systeminterne Vielfalt.
Außerdem lässt sich Sinn auf drei verschiedenen Dimensionen beschreiben, namentlich der Sachdimension-, Zeitdimension und Sozialdimension. Die erste Dimension widmet sich „Themen sinnhafter Kommunikation“ (KISS, 1990, S. 16) und beschäftigt sich so mit den sachlichen, inhaltlichen Sinngehalten der Kommunikation. Zweiteres, die Zeitdimension verweist auf den zeitlichen Rahmen von Sinn und differenziert zwischen Vergangenem, Zukünftigem und Distanziertem. Die Sozialdimension berücksichtigt die Perspektiven der Erlebenden und Handelnden, insbesondere im Vergleich zueinander (vgl. ebd.).
3. Konzeptionelle Grundlagen zur Unternehmensberatung
3.1. Klärung zentraler Begriffe
3.1.1. Beratung
Beratung im weitesten Sinne beschreibt jede Form eines „Interaktionsgeschehen zwischen Menschen, die sich – in unterschiedlichen Rollen – um die Beantwortung von Fragen und die Lösung von Problemen bemühen“ (SCHREYÖGG & SCHMIDT-LELLEK, 2007, S. 189). Das gegenseitige Verstehen der unterschiedlichen Rollen und ihrer Probleme ist dabei Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Beratung. Zudem ist „Beratung […] in die spezifischen Probleme ihrer Zeit eingebunden.
Die Themenschwerpunkte der Unternehmensberatungsgesellschaften werden vom Industriefortschritt und gesellschaftlichem Wandel geprägt. „Waren es in den Zeiten des Scientific Management […] Prozessverbesserungen und die Einführung von Zeitmanagement-Methoden, schloss sich ab den 1950ern die Phase der Strategie- und Organisationsberatung an, bis Anfang der 1980er IT-Themen groß im Kommen waren“ (VÄTH, 2019, S. 59). Fortan legte man den Fokus auf „Prozesse, Zeitmanagement, Strategie“ (ebd.) und der Unternehmensberater entwickelte sich zu einem externen Fachexperten. „Die Entwicklung des Facilitator-Modells war schließlich die logische Antwort auf das bisherige Experten-Modell“ (ebd.). So gewann die Funktion „to facilitate, […] ermöglichen, fördern“ einen höheren Stellenwert in der Beratung. Folglich konzentrieren sich Beratungen heute mehr darauf, Raum für Veränderung zu schaffen und die notwendigen Prozesse sowie „menschliche Zusammenarbeit im Projekt […] durch Workshops, Moderationen oder auch Coachings“ (ebd.) zu begleiten und dabei „die schon vorhandenen heimlichen Lösungsversuche zu entdecken, zu schützen und zu fördern“ (HUTMACHER & GERAMANIS, 2020, S. 199).
Im Zuge dieser Entwicklungen wurde Beratung zur zentralen Hilfe-, und Unterstützungsform in psychosozialen, sozialen, und gesundheitsberuflichen, psychologischen und pädagogischen Arbeitsfeldern mit geregelten Institutionalisierungs- und Professionalisierungsformen“ (NESTMANN, ENGEL, & SICKENDIECK, Das Handbuch der Beratung, 2007, S. 34). So stellt Beratung heutzutage ein weites Arbeitsfeld da, das zum einen von fachspezifischem Wissen des Beraters, zum anderen durch beratungsspezifische Methodik und Kommunikation geprägt ist, um das Vertrauen eines branchenspezifischen Kunden zu gewinnen und die Weiterentwicklung von Personen oder Organisationen zu unterstützen. Unabhängig von der „inhaltlich-fachlichen Kompetenz […] wird heute jenseits der psychosozialen Arbeitsfelder […] persönliche Beziehungen und echte Beteiligung an Problemlösungsprozessen“ (SCHREYÖGG & SCHMIDT-LELLEK, 2007, S. 190) zu einer Kernkompetenz von Beratern. Die dafür notwendige soziale Kompetenz beruht dabei auf Erfahrungen und Selbstreflexion und weniger erlerntem Fachwissen.
Laut der Organisationsforscher Bosetzky und Heinrich besteht eine Organisation vielmehr aus „Tränen und […] Lachen, […] Witz und Schlagfertigkeit, […] Mittagessen, […] Beförderungen, […] und Beerdigungen“ (KÜHL, 2008, S. 27), als in der Vergangenheit angenommen. Damit einher geht eine Formulierung Luhmanns, dass ein Mensch nie als Teil einer Organisation handeln kann „ohne selbst dabei zu sein“ (KÜHL, 2008, S. 28) und so täglich die Gefühle und Gedanken von Mitarbeitern in die Organisation Einzug halten.
In den folgenden drei Kapiteln werden die Unterschiede zwischen der klassischen Unternehmensberatung und personenorientierten Formaten wie Coaching und Supervision erläutert und ihre Gemeinsamkeiten aufgezeigt. Richten Organisations-berater „ihren Blick von Anbeginn auf das Gesamtsystem“ (SCHREYÖGG & SCHMIDT-LELLEK, 2007, S. 92), Strukturen und Aufgabenverteilungen, liegt das Augenmerk der Supervision und des Coachings auf dem Individuum. Supervision widmet sich dabei der „Klärung und Verbesserung aller Beziehungen“ (ebd.). Coaching als dritte Variante widmet sich in Einzelcoachings der Wahrnehmung und Einstellung einer Person. Die „steigende Nachfrage an persönlichen Beratungsangeboten“ (BÖHMER & KLAPPENBACH, 2007, S. 29) wird dabei als Folge der fortschreitenden Individualisierung, sowie als Folgeproblem „auf den zunehmenden Leistungsdruck“ (ebd.) in der Gesellschaft gedeutet.
3.1.2. Unternehmensberatung
Hauptaugenmerk der Beratung sind „die Strukturen und Abläufe von Unternehmen als Ganzes, mindestens aber von Abteilungen oder Geschäftsbereichen“ (WEYAND, 2008, S. 34), die es zu beraten gilt. Die Bereiche werden mithilfe des eigenen Fachwissens oder Erfahrungen analysiert und passende Lösungen angeboten. Bezüglich der zu beratenen Zielgruppe kann die Beratung einer Organisation als „Beratung einzelner Personen […] eines Teams […] einer komplexen Organisation“ (KÖNIG & VOLMER, Handbuch Systemische Organisationsberatung, 2008, S. 54) durchgeführt werden und von der Beratung von Führungskräften bis hin zur ganzheitlichen Veränderung einer Organisationskultur reichen. In den meisten Fällen findet die Beratung auf der Ebene des Top Managements statt und beinhaltet beispielweise Vorschläge zur „Betriebsplanung […], Produktionslogistik […] oder IT-Struktur“ “ (WEYAND, 2008, S. 37) Damit verbunden widmet sich die Beratung bestimmten Themen im Unternehmen des Klienten und spezialisiert sich meist auf Aufgaben in den Bereichen Strategieberatung, Personalwesen, Produktentwicklung, Technik, Marketing, sowie Finanz-, und Rechnungswesen (vgl. WEYAND, 2008, S. 39) und vielen anderen.
Als Experten sollen Unternehmensberater „Anregungen geben, oder […] Klienten unterstützen, selbst Lösungen zu finden“ (KÖNIG & VOLMER, Systemisch denken und handeln, 2005, S. 159), indem sie Optimierungspotentiale aufdecken, die notwendigen Voraussetzungen und „Räume schaffen für strategische Veränderung“ (KLEIN, 2002, S. 247) und die Implementierung maßgeblich begleiten. Der Berater unterstützt, indem er „auf Basis seines Wissens, oder seiner Erfahrung Vorschläge, Anregungen, Hinweise“ gibt (KÖNIG & VOLMER, Handbuch Systemische Organisationsberatung, 2008, S. 57). Einst wurde diese Form der Beratung insbesondere in der „Betriebswirtschaftslehre, aber auch Informatik und Ingenieurswissenschaften“ (ebd.) genutzt. Im Gegensatz zur Expertenberatung unterstützt Prozessberatung Klienten durch Fragen, Beobachtungen und Zuhören, um „herauszufinden, wo genau die Probleme […] liegen“ (ebd.). Diese Form der Beratung wurde zunächst in Bereichen der Pädagogik und Psychologie eingesetzt, bevor sie sich auch in der Wirtschaft etabliert hat.
Berater handeln dabei stets in Berücksichtigung der Aspekte „Kontakt, Präsenz und Intervention“ (NESTMANN, ENGEL, & SICKENDIEK, Das Handbuch der Beratung, 2007, S. 423). Ersteres beschreibt die Unterscheidung des Beraters und Klientensystems. Im Hinblick auf das „Modell des Organisations-Eisbergs heißt dies, dass Aspekte unterhalb des Wasserspiegels“ (ebd.), die dem Unternehmen selbst oft nicht bewusst sind, mithilfe der Perspektive und Distanz des Beraters aufgedeckt werden. Der zweite Aspekt der Präsenz des Beraters meint die Bedeutung seiner Rolle für das Unternehmen. Er muss sich bewusst sein, welche Wirkungen und „Übertragungen er auslöst“ (ebd.). Zu guter Letzt, stellt die Intervention der Beratung ein „Dazwischenkommen, eine Unterbrechung von ablaufenden […] sozialen Prozessen“ (ebd.) dar, die eine Störung im Klientensystem verursacht.
3.1.3. Coaching
Im Gegensatz zu der vorangegangenen Beschreibung von Unternehmensberatung widmet sich Coaching einer anderen Zielsetzung, Zielgruppe und Methodik. Ziel eines Coaches ist „die Lösung eines individuellen Problems – und zwar aus der gedanklichen Perspektive des Klienten“ (WEYAND, 2008, S. 36). Coaching kann so als eine Form des Beratungsprozesses definiert werden, „in dessen Mittelpunkt Klärung, Förderung und Vermittlung von Handlungskompetenz“ (FENGLER, 2001, S. 41) sowie „der persönliche Bezug im Nahkontakt mit einem oder mit wenigen Coaching-Partnern“ (ebd., S. 43) steht. Im Gegensatz zur allgemeinen Definition von Beratung, legt Coaching das Augenmerk auf „komplexe privatinterpersonelle, innerbetriebliche bzw. organisationsinterne Prozesse […], die […] mit äußeren Dynamiken in einer immer komplexer organisierten Gesellschaft und einer stärker globalisierten Welt vernetzt sind“ (KRIZ, 2016, S. 1). So widmet sich der Bereich Coaching den Interaktionsdynamiken sozialer Beziehungen und vermittelt zwischen den Betrachtungsebenen, um Kommunikationsstörungen aufzudecken und zu lösen.
Dabei steht nicht der Ausbau von fachlichen Kompetenzen im Vordergrund, sondern die Erfassung von „Einstellungen und unbewussten Verhaltensweisen“ (ebd.) sowie die Förderung von Kompetenzen der „Selbstreflexion und -wahrnehmung“ (ebd., S. 37). Coaching unterscheidet sich so durch „die Spezifität der Aufträge und die Zielrichtung am Schnittpunkt von Effektivität und Humanität“ (FENGLER, 2001, S. 37) zur Beratung und beschreibt eine „Begleitung oder Umsetzungskontrolle bei klar umschriebenen Rollen-, und Funktionsträgern“ (NESTMANN, ENGEL, & SICKENDIECK, Das Handbuch der Beratung, 2007, S. 430), die sich auf ein bestimmtes Individuum und seine Entwicklung fokussiert. Um „gemeinsam am vom Klienten vorgegebenen Ziel zu arbeiten“ (WEYAND, 2008, S. 140), begegnen sich Coach und Klient auf Augenhöhe. Zwar können die spezifischen Themen in Form von „Gruppen-, Team- und Interteam-Coaching“ (FENGLER, 2001, S. 37) angegangen werden, doch stellt eine „persönliche, oft auch […] private Einzelbuchung durch den Klienten“ (WEYAND, 2008, S. 34) die Regel dar. Coaches sind außerdem von Eigenschaften wie „Kontaktfähigkeit und Kontaktfreude, Auftragsklärung, […] Flexibilität und Ressourcen-Orientierung, Offenheit für Sach- und Beziehungslösungen, […] Transparenz und Authentizität, Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft, […] Feedback-Suche und Selbst-Evaluation“ (FENGLER, 2001, S. 37) geprägt.
Von Supervision unterscheidet sich Coaching „durch seinen Bezug zum Arbeitsleben außerhalb der Helfer-Berufe“. Zwischen Unternehmensberatung und Supervision, stellt Coaching „eine Mittlerstellung“ (SCHREYÖGG & SCHMIDT-LELLEK, 2007, S. 91) dar, die Elemente aus der Expertenberatung, Supervision „oder gar […] Psychotherapie“ (ebd.) zusammenfasst.
3.1.4. Supervision
Supervision beschäftigt sich mit „Zielsetzungen […] sozialaufklärerischer Natur“ (NESTMANN, ENGEL, & SICKENDIECK, Das Handbuch der Beratung, 2007, S. 430) innerhalb der Organisation und wird im Folgenden erläutert.
Ist die Organisationsberatung meist in „Unternehmen und Verwaltungssystemen beheimatet“ (SCHREYÖGG & SCHMIDT-LELLEK, 2007, S. 91) und widmet sich dort der Veränderung eines ganzen Systems, hat Supervision den Ursprung in klinischen und psychosozialen Feldern und widmet sich der „Veränderung einzelner Personen und ihrer emotionalen Bezüge“ (ebd.). Dabei impliziert der Begriff der Supervision ursprünglich eine Beaufsichtigung seitens eines Vorgesetzten (vgl. ebd., S. 191). Heutzutage beschreibt das Beratungsformat des Coachings und der Supervision keine Beratung „von oben […] sondern […] neben“ (ebd., S. 192) und beschreibt damit eine Form der Beratung, in der der Berater eine andere Perspektive einnimmt und gegenüber dem Klienten keine Belehrung „sondern der Dialog“ (ebd.) gefördert wird.
Betrachtet man die Beratungsanlässe des Coachings-, und Supervisionsformats wird deutlich, dass sich die beiden Formen der Beratung der Lebensgeschichte, Systeme, Konflikte und Ziele als Anlässe bedienen. Bietet das Coaching dabei eine Anleitung zur Erreichung von Zielen an, dient die Supervision einer Anleitung zur Selbstreflexion (vgl. BÖHMER & KLAPPENBACH, 2007, S. 29). Aufgrund der Überschneidung der Anlässe kommt es auch in der praktischen Umsetzung oftmals zu Überschneidungen der beiden Beratungsformate. Eine Gemeinsamkeit der beiden Formate liegt darin, „mitten in den beruflichen Alltagsabläufen Inseln der Reflexion“ (ebd., S. 33), der Ruhe und des Nachdenkens zu schaffen.
3.2. Dimensionen
Beratung kann in ihrer unterschiedlichen Schwerpunktsetzung den drei Dimensionen „Sachdimension, Sozialdimension und Zeitdimension“ (SIMON F. , 2014, S. 25) zugeordnet werden.
Der Fokus der Fachberatung, also Sachdimension liegt in dem Heranziehen von Expertenwissen, das dem Klienten selbst nicht vorliegt, wodurch eine „asymmetrische, komplementäre Beziehung“ (ebd., S. 25) entsteht. Ob der Klient das Wissen und den Rat des Beraters annimmt, ist jedoch stets von der Sozialebene abhängig. Auch die Zeitdimension kann in der Fachberatung, bei dem Abwägen von fachlich ermittelter Alternativen mitwirken. Auch der Grad an Objektivität beeinflusst die Zeitdimension der Beratung, indem je nach Grad der Personenorientierung strukturelle Veränderungen unterschiedlich viel Zeit in Anspruch nehmen (vgl. ebd., S. 25 ff.). Die unterschiedlichen sozialen Systeme, die es zu beraten gilt, unterscheiden sich folglich in ihrer Personenorientierung und Rationalität. Eine Familie oder Paarbeziehung stellt ein System mit hoher Personenorientierung da, in der Ursache und Wirkung oftmals mit emotionaler Bindung zu erklären sind. Anders ist es bei Organisationen, die als soziales System ihren Fokus auf die Erledigung von Aufgaben und Funktionen zur Überlebens-sicherung des Systems legen und Personenorientierung zweitrangig wird.
Auch die Zeitdimension weist Unterschiede auf, indem strukturelle Veränderungen in einer Organisation oft eine schnellere Umsetzung benötigen als persönliche Beziehungen. Zwar legt jede Form der Beratung ihren Fokus auf eine der drei Dimensionen, alle drei sind aber stets „implizit oder explizit Thema der Kommunikation“ (ebd., S. 33).
„Bei der Prozessberatung geht es um das Design und die Steuerung von Kommunikationsprozessen, z.B. im Rahmen von Veränderungsprozessen“ (ebd., S. 30), in der ein Berater mithilfe von Workshops, Projekten o.Ä. eine größere soziale Gruppe oder Organisation zu Fragestellungen miteinander ins Gespräch bringt und so stark auf die Sozialdimension eingeht. Wurde die Prozessberatung lange Zeit als Alternative zur Fachberatung gesehen, muss aus systemischer Sicht „systemische Beratung […] immer dreidimensional sein“ (ebd., S. 35).
Das Modell der systemischen Organisationsberatung orientiert sich an Kleingruppen und ihrer Kommunikation. „Die Übertragung […] auf einen organisationalen Kontext ist nur […] möglich […], wo es um sehr personennahe Fragestellungen (z.B. in Teams, Arbeitsgruppen o.Ä.) geht“ (ebd., S. 32). Für die Beratung sozialer Systeme ist eine wichtige Frage, „ob in einem konkreten Kundensystem […] die Kommunikationsmuster mehr von der Psychodynamik der Teilnehmer oder die Psychodynamik mehr von den Spielregeln der Kommunikation bestimmt wird“ (ebd., S. 53).
3.3. Orientierung
Beratungsprozesse lassen sich in „Problemorientierung vs. Lösungsorientierung oder […] Vergangenheitsorientierung vs. Zukunftsorientierung“ (ebd., S. 92) unterscheiden. Eine problemorientierte Beratung erkennt ein Problem und bewegt sich „von einem definierten Ist-Zustand zu einem undefinierten Soll-Zustand“ (ebd., S. 92). Die Lösungsorientierung verfolgt Lösungen, Ziele und Visionen indem sie sich „von einem undefinierten Ist-Zustand zu einem definierten Soll-Zustand“ (ebd., S. 94) bewegt. In diesem Fall entwickeln Berater „einen Möglichkeitsraum, in den sie ihre Kunden einladen und mit ihnen Visionen einer kraftvollen Zukunft entwerfen“ (VÄTH, 2019, S. 23). Unterscheidet man des Weiteren zwischen Zukunfts-, und Vergangenheitsorientierung kann letztere problem-, und lösungsorientiert ausgerichtet sein und sich mit der Ursache von Problemen oder mit konstruktiven Lösungen beschäftigen. Zukunftsorientierte Ansätze sind meist an lösungsorientierte Ansätze gebunden. „Wie muss sich wer verhalten, um […] Veränderungen zu verhindern“ (SIMON F. , 2014, S. 95) wäre ein Beispiel der Problemorientierung.
3.4. Systemische Unternehmensberatung
Systemische Beratung „gilt als Vorreiter der Überwindung mechanistischer Paradigmen in der Unternehmensberatung“ (MOHLE, 2005, S. 119) und kann als „ganzheitliche Beratung bzw. vernetzende Beratung“ (NESTMANN, ENGEL, & SICKENDIEK, 2004, S. 655) beschrieben werden. Dabei ist es nicht mehr so „wichtig, eine Kompetenz zur inhaltlichen Analyse eines Problems oder eines Interaktionsmusters zu haben. Zentral ist vielmehr, eine Kompetenz dafür zu haben, wie sie Prozesse der Veränderung moderieren können“ (KRIZ, 2016, S. 9). Theorie, Methodik und Praxis widmet sich folglich dem aus Teilen bestehenden Ganzen, um eine „Multi-Perspektivität“ (NESTMANN, ENGEL, & SICKENDIEK, 2004, S. 655) zu erfüllen. So verbindet sie unter anderem die Elemente, der im vorherigen beschriebenen Experten-, und Prozessberatung.
Anders als bei der klassischen Expertenberatung folgt der systemische Ansatz der Grundannahme, „dass diejenigen, die ein Problem haben, auch Experten für die Problemlösung sind“ (MOHLE, 2005, S. 126). Die systemischen Berater „begleiten und unterstützen die Entwicklung von Organisationen und Personen“ (ebd., S. 127) und betrachten „Personen innerhalb ihres Sozialen Systems […] als handelnde Personen“ (KÖNIG & VOLMER, Praxis der Systemischen Organisationsberatung, 2003, S. 84). Ihr Handeln ist dabei von Gedanken, persönlichen Zielen und Absichten geprägt und sie konstruieren ihre eigene Wirklichkeit. „In einem sozialen System bedeutet das, dass jeder […] eine eigene Perspektive hat und die […] Perspektiven zusammen so etwas wie ein umfassendes Gesamtbild des Systems ergeben“ (KÖNIG & VOLMER, Systemisch denken und handeln, 2005, S. 162). Der Berater assistiert dabei bei der Problemlösung und „kann […] Anregungen geben, oder […] den Klienten unterstützen, selbst Lösungen zu finden (ebd., S. 159). Dabei bieten Berater Unterstützung vor allem immer dort, wo sie durch „strukturierte Prozess-Architekturen […] Räume schaffen für strategische Veränderung“ (KLEIN, 2002, S. 247). Hinzu kommt eine große Bedeutung der Haltung im Feld systemischer Beratung sowie eine stark ausgeprägte „Abgrenzungsfähigkeit […], Allround-Beobachtungs-Blick […], Empathie […], Selbstreflexions-Fähigkeit […], Demut […], ehrlich-authentisch interessierte Neugier am Klienten (-System) (KUTZ, 2020, S. 41) sowie Kreativität.
So ist es Aufgabe des systemischen Beraters, dysfunktionale Verhaltensmuster, Prozesse und Blockaden aufzudecken, um eine Veränderung von „Wahrnehmungsweisen, […] Denkmustern und […] Wertvorstellungen, letztlich […] an der Haltung des Klientensystems“ (TOMASCHEK, 2006, S. 74) hervorzubringen. Um Einfluss auf die Haltung den Klientensystems zu haben, bedarf es auch auf Seiten der Beratung einer starken Werteorientierung und verinnerlichten Haltung, in Form einer definierten „Positionierung, Authentizität“ (ebd.) des Beraters. Eine bestimmte Haltung des Beraters bestimmt dabei, die Art und Weise, wie er das Klientensystem wahrnimmt, wie er sich mit seiner „Außen-, und Innenwelt auseinander“ (ebd., S. 75) setzt und in welchen Rastern er denkt und beobachtet. Von einer „passenden Haltung“ (ebd., S. 76) kann dabei gesprochen werden, wenn diese auf einem systemischen Weltbild geprägt ist und in ihrer Ganzheitlichkeit und Systemkomplexität auf „einem holistischen Prinzip“ (ebd.) beruht. So kann jedes Verhalten in einem bestehenden System zunächst sinnig erscheinen. Um mögliche Veränderungen hervorzurufen, bedarf es einem Verständnis für den systemrelevanten Kontext, die Zusammenhänge und für den Wandel benötigte Geduld und Zeit. Dabei ist es essenziell, nicht nur die offiziellen Strukturen wahrzunehmen, sondern auch „den jeweiligen Kontext […], welche Gesprächskultur […] des zwischenmenschlichen Umgangs“ (NESTMANN, ENGEL, & SICKENDIEK, 2004, S. 657) existiert, zu verstehen. Auch werden nicht „ausschließlich die Auftraggeber bzw. das Topmanagement“ (TOMASCHEK, 2006, S. 77) mit einbezogen, sondern das ganze System inklusive aller Mitarbeiter. Diese werden nicht mehr nur „auf der sachlichen Ebene miteinander“ (KÖNIG & VOLMER, Praxis der Systemischen Organisationsberatung, 2003, S. 63) in Verbindung gesetzt, „vielmehr bestehen unabhängig von den unterschiedlichen Aufgaben vielfältige Beziehungen“ (ebd.). Die einzelnen Abteilungen muss der Berater als soziale Systeme oder Teilsysteme verstehen, in denen „systemisches Denken sorgfältig etabliert werden muss“ (ebd., S. 65). Außerdem ist bei jeder Form systemischer Organisationsberatung ein wichtiges Kriterium die klar definierte Systemgrenze zwischen Beratern und Klienten (vgl. KÖNIG & VOLMER, Handbuch Systemische Organisationsberatung, 2008, S. 55), um das Klientensystem ganzheitlich wahrzunehmen und dem Klienten zu helfen, Probleme aus einer anderen Perspektive zu sehen und ihm somit „helfen, mit seinen […] Problemen selbst fertig zu werden“ (ebd., S. 56). Der permanente Spagat zwischen der „Distanz zur Situation bei gleichzeitig intensivem Sicheinlassen“ (TOMASCHEK, 2006, S. 77) bedarf einer ständigen Reflexion und Positionierung der eigenen Haltung des Beraters. Weitere Kriterien beinhalten die Neutralität des Beraters, seinem Fokus auf zukunftsorientiere „Potenziale und nicht die Defizite“ (ebd.) des Systems, sowie seiner „Suche nach Energieblockaden“ (ebd.), die es dem System unmöglich machen, Visionen zu verfolgen und gegenwärtige Probleme selbst zu lösen.
Im Gegensatz zur klassischen Strategieberatung, wird so im systemischen Ansatz vielmehr auf die ganzheitliche Wahrnehmung und systeminterne Potentiale eingegangen. Auch distanziert man sich von einer „plandeterminierten Unternehmenssteuerung“ (GÖTZ & WESSNER, 2010, S. 61) und begreift „die Umwelt als undurchschaubar […], die Zukunft als prinzipiell ungewiss und das Unternehmen als komplexes soziales Gefüge“ (ebd.).
4. Grundlagen der Zukunft-, und Trendforschung
4.1. Entstehung und Definition
Schaut man zurück in die Geschichte, gibt es in „der menschlichen Geschichte […] keine Kultur, die sich nicht mit der Zukunft“ (HORX, HUBER, STEINLE, & WENZEL, 2009, S. 11) auseinandergesetzt hat. Gab es einst „Schamanen, die Zukunft voraussahen“ (ebd.), wurden später von Propheten oder Orakeln (vgl. HORX M., Future Tools - Werkzeuge zum Zukunftsdenken, 2015, S. 12 ff.) Zukunftsprognosen geschaffen, die Einfluss auf die Gesellschaft und deren Entwicklung haben sollten. So versteht sich rückblickend „Zivilisation […] als Synchronisierung einer Zukunftsprognose mit dem“ (HORX, HUBER, STEINLE, & WENZEL, 2009, S. 11) Entwicklungsprozess einer Gesellschaft. In dem Prozess wird die Entwicklung der Gesellschaft auf bestehende Prognosen abgestimmt. Die Prognose stellt so unterbewusst eine Vision dar, die es von der Gesellschaft „aus dem Utopischen in die Gegenwart“ (HEITMANN, 2003, S. 3) zu erreichen bedarf.
Auch wenn heutzutage in Frankreich und den USA bereits akademische Laufbahnen zum Fachbereich der Zukunftsforschung etabliert wurden, ist die Entwicklung Deutscher Universitäten hier noch wenig fortgeschritten. In der Arbeitswelt hingegen kann jeder strategische „Managementprozess […] in seinem Wesen ein Zukunftsprozess“ (HORX, HUBER, STEINLE, & WENZEL, 2009, S. 26) beschrieben werden, indem sich die klassische Strategieberatung mit der Zukunft beschäftigt uns so Antworten auf Zukunftsfragen und Entwicklungen bietet.
Trend- und Zukunftsforschung kann als „systematische Beobachtung, Beschreibung und Bewertung neuer Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft“ (HORX, et al., 2018, S. 13) definiert werden und umfasst so „all diejenigen Aktivitäten, die auf die (Früh-) Erkennung, Benennung und Bewertung sozialer und kultureller Entwicklungen […] abzielen“ (HESCHEL, 2018, S. 21).
Aufgabe der Zukunftsforschung ist es, vorauszuschauen, um Vorsorge zu treffen, Ereignisse zu „planen und gestalten, bevor sie eintreten“ (POPP & SCHÜLL, 2009, S. 19). Diese Aufgabe kann in zwei verschiedene Bereiche eingeteilt werden, namentlich Agenda-Setting und Innovationsberatung. Ersteres beschreibt dabei die Analyse von Trends. Innovationsberatung hingegen meint den Auftrag des Forschungsgebiets „für Auftraggeber aus der Wirtschaft […], um in gesättigten Märkten neue Geschäftsfelder zu erschließen“ (STELTEMEIER, DICKEL, GAYCKEN, & KNOBLOCH, 2009, S. 61). Für beide Aufgabenbereiche ist es notwendig, Veränderungsprozesse zu analysieren und deren Konsequenzen für „Branchen, Unternehmen und Märkte, letztlich […] auf jeden Einzelnen“ (HORX, et al., 2018, S. 13), zu verstehen, „um konkrete Fragestellungen in Zukunftsstrategien zu übersetzen“ (ebd., S. 15). Nur so können Unternehmen dem steigenden Veränderungsdruck „vor allem in der Wirtschaft […], für Strategie- und Innovationsprozesse“ (ebd., S. 18) gerecht werden.
Da niemand vorhersehen kann, wie sich die Zukunft entwickeln wird, insbesondere dann nicht, wenn die Veränderungen in unterschiedlichen Lebensbereichen und Disziplinen auftreten. Doch beschäftigt sich die Zukunftsforschung damit, wie eine mögliche disziplinübergreifende Entwicklung „aussehen könnte […] wenn […] viele und ganz unterschiedliche technologische und ökonomische, gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen zusammenkommen“ (VON MUTIUS, 2020, S. 11). Dabei geht es weniger um die Veränderungen eines einzelnen Bereichs. Vielmehr kommt es auf das Zusammenwirken verschiedener Veränderungen an, das als Dreiklang definiert werden kann. So kommt es beispielhaft im Bereich der Technologie auf „das Zusammenwirken der digitalen Technologien untereinander, zweitens das Zusammenwirken mit […] Gegenständen oder […] Objekten der Natur, […] drittens das Zusammenwirken mit gesellschaftlichen Prozessen, Organisationen und Systemen“ (ebd., S. 18) an. Um das Zusammenwirken der verschiedenen Bereiche zu verstehen, bedarf es einem ganzheitlichen Ansatz und interdisziplinärem Austausch in der Forschung.
So liegt der Fokus nicht auf der Schaffung von Prognosen, sondern der Handlungsaufforderung gegenüber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und beschreibt den Prozess, „relevante Umfeldtrends zu identifizieren und zu bewerten, um […] geeignete Maßnahmen“ (FINK & SIEBE, Handbuch Zukunftsmanagement, 2006, S. 127) zu ergreifen. So wird mit den ansteigenden Veränderungen eine Alternative zu „klassischen, bereits etablierten Beratungsdienstleistungen“ (HEITMANN, 2003, S. 5) geschaffen. Zukunftsforschung unterscheidet sich so von dem Vorgehen der Management Beratungsfirmen, indem es den Schwerpunkt auf „Inspiration […], Irritation […], Integration“ (HORX, HUBER, STEINLE, & WENZEL, 2009, S. 26 ff.) setzt. Ersteres beschreibt die Notwendigkeit eines beseelenden, inspirierenden Geistes von Zukunftsarbeit, mit dessen Hilfe Ideen neue Denkanstöße bringen. Irritationen meint die kritische Auseinandersetzung mit dem bestehenden Mindset des Kunden, um dessen Status Quo herauszufordern. Letzteres beschreibt die Integration von neuen Erkenntnissen sowie eine Integration zukünftiger „Frühwarnung (Monitoring, Prozessbeobachtung)“ (ebd., S. 27).
4.2. Zukunftsforschung als Wissenschaft
Die Zukunft ist dabei „ungewiss, und trotzdem lässt sich etwas über sie wissen. Allerdings führt die Beschäftigung mit der Zukunft immer in Bereiche des Unsicheren“ (BÜHLER & WILLER, 2016, S. 9). So entsteht bei der Terminologie des Zukunftswissens der Eindruck, die Zukunft bereits hervorhersehen, gar wissen zu können. Verwandelt man den Begriff jedoch in „Wissen der Zukunft als […] zukünftiges Wissen“ (ebd.) wird deutlich, dass die erwartbaren Zukunftsentwicklungen sich aufgrund ihrer Zeitlichkeit auch erst in der Zukunft als Wissen bestätigen lassen. Zukunft als solches „verleiht Handlungen einen Horizont“ (ebd.), indem die imaginierten Erwartungen eine Orientierung und Planungsspielraum für zukünftige Handlungen bieten. „Dieser Prozess kann bewusst oder unbewusst verlaufen“ (HORX, HUBER, STEINLE, & WENZEL, 2009, S. 24), und die Entwicklungen deutlich prägen. Als Folge einer bestimmten, vorhergesagten Vorstellung der Zukunft kann eine „gewisse Verengung des Erkenntnisinteresses“ (BÜHLER & WILLER, 2016, S. 11) entstehen, die eine natürliche Entwicklung der Zukunft durch Zukunftsplanung verhindert und so Prognosen „unmittelbar in Zukünfte intervenieren“ (ebd., S. 14).
Als unabhängige Wissenschaft trifft die Zukunftsforschung auf zwei grundlegende Hindernisse. Zwar beschäftigt sich Zukunftsforschung mit der Zukunft, doch ist das Forschungsgebiet der Zukunft noch nicht existent (vgl. POPP & SCHÜLL, 2009, S. 26) und besitzt in Form von Entwicklungen und Befürchtungen nur das „Medium der Sprache“ (ebd.). So führt die Zeitlichkeit von Zukunftswissen, sowie ihre Abhängigkeit von verfügbarem, gegenwärtigem Wissen und davon abgeleiteten Zukunftsannahmen dazu, dass das Forschungsgebiet der Zukunftsforschung der Gegenwartsforschung angehörig ist (vgl. BÜHLER & WILLER, 2016, S. 14). Jede Form der Zukunftsprognose ist dabei auf das „selbstkritische Bild einer Gegenwart und […] als Selbstbeobachtungen der Gesellschaft“ (HORX, HUBER, STEINLE, & WENZEL, 2009, S. 23) zu verstehen.
Hinzu kommt, dass in der Wissenschaft geltende „Kriterium der Falsifizierbarkeit“ (POPP & SCHÜLL, 2009, S. 26), dass im Falle eines nicht erforschbaren Gegenstandsbereichs nicht an der Realität überprüft werden kann. Es entsteht ein Risiko der Beliebigkeit. Auch kommt hinzu, dass eine Spezialisierung auf bestimmte Fachgebiete der Wissenschaftler eine Projektion eigener Interessen und folglich „Einengung des Sichtwinkels“ (HORX, HUBER, STEINLE, & WENZEL, 2009, S. 20) erzeugt. So bedarf es einer Verknüpfung von Allgemeinwissen und ganzheitlichem Denken, um erfolgreiche Zukunftsprognosen aufzustellen.
4.3. Methoden
Die in der folgenden Abbildung dargestellten Phasen sind charakteristisch für den Prozess des Trendmanagements.
Beginnend mit der ersten Phase, werden Trends mithilfe von „Daten Quantität, Erfahrung und Intuition“ (FINK & SIEBE, Handbuch Zukunftsmanagement, 2006, S. 131) aufgespürt, indem Übereinstimmungen in verschiedenen Lebensbereichen erkannt und interpretiert werden. Trend-Scouting widmet sich der Früherkennung von Trends, indem „meist […] junge Menschen in die Szene geschickt“ (HORX, HUBER, STEINLE, & WENZEL, 2009, S. 29) werden und dort wiederkehrende Verhaltensmuster identifizieren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die aufgespürten Trends werden dann einer bestimmten Trendkategorie zugeordnet und im nächsten Schritt mit einem passenden Begriff versehen. Häufig haben die Trends ihren Ursprung in der Stilrichtung bestimmter Randgruppen, deren Verhalten oder Lebensstil als Teil des sogenannten „Bubble-Up-Effekts“ eine größere Personengruppe ansprechen und die Lebensformen imitiert werden. Ähnlich ist der „Triple-Down-Effekt“, bei dem, untere Gesellschaftsgruppen die Stile und Verhaltensweisen von Prominenten und oberer Gesellschaftsgruppen kopieren (vgl. FINK & SIEBE, 2006, S. 131).
In der zweiten Phase, der Trendbewertung wird der neu benannte Trend im Hinblick auf seine Auswirkungsstärke, Auswirkungsrichtung, seine Eintrittswahrscheinlichkeit und die damit verbundene Unsicherheit evaluiert. Oft wird hier die Delphi-Methode verwendet, die eine „anonyme und rückkoppelnde Befragung von Experten zu zukünftigen Entwicklungen eines bestimmten Themenbereichs […] in mehreren Befragungsrunden“ (ebd., S. 269) beschreibt. Den Experten wird eine Vielzahl an Thesen übermittelt, die im Hinblick auf ihre Realisierungsdauer, Eintrittswahrscheinlichkeit, Auswirkungen und damit einhergehende Maßnahmen betrachtet werden. Mithilfe dieser Methodik ist es zwar möglich, „ein größeres Expertensystem“ (HORX, HUBER, STEINLE, & WENZEL, 2009, S. 29) zu befragen, doch lässt die Spezialisierung auf einen bestimmten Fachbereich keine unterschiedlichen Perspektiven zu.
Die darauffolgende Phase der Trendanalyse beschäftigt sich mit der Erstellung eines Trendportfolios, das festlegt, ob der Trend sofort individuell angegangen, zunächst nur beobachtet oder in laufende Entwicklungen integriert werden soll. Letzteres führt dabei bereits zur vierten Trendmanagementphase, der Verknüpfung von Trends. Während dieser Phase wird das Zusammenspiel und die damit verbundene Wechselwirkung von Trends mithilfe von kreierten Themen-landschaften oder Szenarios untersucht. Szenarios schaffen, wie der Name bereits vermuten lässt „Langfristmodelle in alternativer Möglichkeitsform“ (ebd., S. 30) zu bestehenden Strukturen und Verhaltensmustern. Sie kreieren somit ein „umfassendes, konsistentes Bild einer möglichen Zukunft“ (FINK & SIEBE, Handbuch Zukunftsmanagement, 2006, S. 135) deren Eintrittsmöglichkeit und Entwicklung noch ungewiss ist. Themenlandschaften als weitere Methodik dieser Phase widmen sich einem „Weltausschnitt, […] verkörpern […] ein Cluster von Umfeldentwicklungen, die in den Vorstellungs- und Kommunikationswelten […] in einem […] Zusammenhang stehen“ (ebd.).
Die Trend Reporting Phase dient der Informationsüberlieferung an die Führungsebene und der Frage, wie neue Trends und davon abgeleitete Entscheidungen kommuniziert werden. Je nach Präferenz kann dies „regelmäßig oder situationsbedingt“ (ebd.) geschehen. In der sechsten und somit letzten Phase, namens Monitoring werden für kritisch angesehene Trends Beobachtungsaufträge an interne und externe Beobachter gegeben, die „einzelne Kennzahlen und Indikatoren“ (ebd., S. 137) kontinuierlich beobachten und vorab definierte Warnbereiche umgehend dem Trendmanagement Team melden. Der Teil des Monitorings, bei dem die „Häufung von schwachen Zeichen“ (HORX, HUBER, STEINLE, & WENZEL, 2009, S. 30) in verschiedenen Medien, sowie der Entwicklung von „Produkten, Strategien oder Firmenkonzepten“ (HEITMANN, 2003, S. 4) beobachtet und analysiert wird Kontextanalyse genannt. Auch die sogenannten Wild Cards wie Naturkatastrophen stellen mögliche Entwicklungen dar und sind von geringer „Eintrittswahrscheinlichkeit und […] Konsequenzen“ (FINK & SIEBE, Handbuch Zukunftsmanagement, 2006, S. 137), jedoch hoher Reichweite charakterisiert. Auch sie gilt es zu beobachten, um „die Reaktion von Unternehmen (Individuen/ System) darauf“ (HORX, HUBER, STEINLE, & WENZEL, 2009, S. 30) vorzubereiten und mögliche Strukturbrüche zu verhindern.
4.4. Kategorien
Allgemein können Trends „als die Komponente einer Zeitreihe, von der angenommen wird, dass sie evolutionär, längerfristig und nachhaltig wirkt“ (LIES, 2003, S. 64) verstanden werden. Sie gelten als „ökonomisch und sozial relevante Manifestationen des Neuen“ (HESCHEL, 2018, S. 23) und geben als „Indikatoren für Wertewandel“ (STELTEMEIER, DICKEL, GAYCKEN, & KNOBLOCH, 2009, S. 56) Richtungen für eine Entwicklung der „Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur“ (HORX, et al., 2018, S. 10) vor. Sie „entwickeln sich allmählich und sind oft Ausprägungen eines gesamtgesellschaftlichen Wandels“ (ebd., S. 15), was bedeutet, dass sie alle Lebensbereiche, „alle menschlichen Dimensionen umfassen“ (ebd., S. 10) können und in ihrer Geschwindigkeit variieren. Sie stellen eine Funktion der Zeit dar, die eine Grundausrichtung für langfristige Entwicklungen von Größen vorgibt und das Verhalten bestimmter Gruppen prägt. Trends in Organisationen können dabei internen oder externen Ursprungs sein. Externe Trends folgen, in der Gesellschaft wahrgenommenen Grundausrichtungen, wobei interne Trends beispielhaft ein innerhalb der Organisation entwickeltes „Bewusstsein […] ergonomischer Arbeitsverhältnisse“ (LIES, 2003, S. 66) oder die Ablehnung von Veränderungen beschreibt.
Trends können verschiedenen Trendkategorien zugeordnet werden, die sich in ihrer „Relevanz, Länge und Intensität“ (HORX, HUBER, STEINLE, & WENZEL, 2009, S. 30) maßgeblich unterscheiden. Die folgenden Kategorien sind anhand ihrer Kurzfristigkeit von kurzfristig zu langfristig sortiert.
Beginnend mit den Mikrotrends, umfasst diese kurzfristige Variante spezifische „Stil-Entwicklungen im Bereich des Designs, der Konsum- und Lebensweltphänomene“ (HORX, et al., 2018, S. 12).
Ähnlich kurzfristig und häufig saisonal variierend ist die zweite Kategorie, der „Zeitgeist- und Modetrends […]. Sie sind kurzfristige, flüchtige, oberflächliche und marketinggesteuerte Phänomene“ (ebd.), die beispielsweise mit den saisonalen Kollektionen und Trends der Modebranche einhergehen.
Die nächste Trendkategorie beschreibt Trends, die verschiedene Moden zusammenfassen, aber noch nicht die langfristige Gültigkeit von Megatrend Entwicklungen aufzeigen. Dazu gehören je nach Tätigkeitsfeld Konsumenten-, und Technologietrends (FINK & SIEBE, 2006, S. 128, ff.). Konsumententrends, die als „verbraucher- und marktbezogene Trendentwicklungen von rund fünf Jahren Dauer“ (HORX, et al., 2018, S. 12) beschrieben werden können, sind von medialem Einfluss geprägt, der das Konsumentenverhalten beeinflusst. Sie entstehen zunächst „in Szenekontexten, Subkulturen und Nischenmärkten“ (STELTEMEIER, DICKEL, GAYCKEN, & KNOBLOCH, 2009, S. 57) und stärken den inneren Zusammenhalt der spezifischen Gruppe, die sich nach Außen abgrenzt. Da die Grenzen der Nischen für die Trends durchlässig sind, treten diese aus der Kerngruppe aus und beeinflussen weitere Personen außerhalb der Gruppe.
Als mittelfristige Veränderungsprozesse von zehn bis 15 Jahren folgen „Technologietrends wie […] Digitalisierung“ (HORX, et al., 2018, S. 11) sowie „soziokulturelle Trends, die ihren Kern in sozialen Prozessen und Organisationsformen haben“ (ebd.). Oftmals weisen diese Trends Defizite einer Gesellschaft auf, indem sie von den „Lebensgefühlen und Sehnsüchten der Menschen“ (HORX, HUBER, STEINLE, & WENZEL, 2009, S. 31) handeln. So entsteht beispielhaft der Wunsch nach Entschleunigung nach einer Phase einer schnelllebigen Arbeitswelt.
Megatrends, als nächste und vorletzte Stufe der Trendkategorien beschreibt Trends, die, die Gesellschaft, Ökonomie und Technologie grundlegend prägen und die „Zusammenfassung verschiedener Trends zu einer […] Einwicklung“ (FINK & SIEBE, Handbuch Zukunftsmanagement, 2006, S. 129) darstellen. Sie beziehen sich auf eine „übergreifende, kollektive, gleichartige Wahrnehmung“ (LIES, 2003, S. 67) und geben Auskunft und Interpretationsansätze zu den Veränderungen eines Systems. Beispiele für die übergreifende Rolle dieser Trends sind die Megatrends „Globalisierung, Technologisierung oder Flexibilisierung“ (ebd.), die in verschiedenen Lebensbereichen einen Handlungsdruck hervorrufen. Charakteristisch für diese Trendkategorie ist die Dauer von dreißig bis fünfzig Jahren, die Relevanz für unterschiedliche Lebensbereiche, der globale Charakter, sowie ihre Standhaftigkeit bei ersten Rückschlägen (vgl. HORX, HUBER, STEINLE, & WENZEL, 2009, S. 31).
Aufgrund ihrer Relevanz für diese Arbeit wird im folgenden Kapitel insbesondere auf die Kategorie der Megatrends eingegangen.
Vollständigkeitshalber ist zuvor die letzte Trendkategorie der Metatrends zu nennen, die langfristige, fundamentale Evolutionsgesetzte beschreibt, die von einem Ewigkeitsgefühl charakterisiert sind. „Liebl nennt als Beispiel den visionären Konservatismus“ (FINK & SIEBE, Handbuch Zukunftsmanagement, 2006, S. 129), der eine Grundposition politischer Ordnung basierend auf mittelalterlichen und christlichen Werten umfasst.
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