Das vorliegende Essay behandelt die Frage, ob gute Erklärungen auch wahr sein müssen.
Die Wissensbereiche Naturwissenschaften und Religion werden hier als Gegenpole betrachtet, anhand derer die zentrale Erkenntnisfrage, inwieweit eine gute Erklärung auch wahr sein muss, entlang spezifischer Beispiele diskutiert wird. Dabei werde ich mich im Wissensbereich Religion an sozialpsychologischen Modellen orientieren und genauer auf die Erkenntniswege Intuition, Emotion und Glaube eingehen. Im Wissensbereich Naturwissenschaften werde ich mich auf den Erkenntnisweg Vernunft fokussierend an Karl Poppers Falsifikationsprinzip orientieren.
Die Untersuchungsergebnisse werden verglichen und für eine verallgemeinernde Schlussfolgerung genutzt.
Naturwissenschaftliche Erklarungen haben sich uber Jahrtausende hinweg immer weiterentwickelt und religiose Erklarungen oft falsifiziert, indem Versuche durchgefuhrt und Beweise gefunden wurden. Obwohl religiose Erklarungen vor ihrer Falsifizierung als wahr empfunden wurden, stellte sich oft heraus, dass sie es in „Wirklichkeit“ nicht waren. Reprasentiert eine als wahr empfundene Erklarung also nicht immer die Wirklichkeit? „Wie wirklich ist die Wirklichkeit?"1, wie Paul Watzlawick fragte. Von welcheroder wessen Wirklichkeit ist die Rede? In den Wissensbereichen Religion und Naturwissenschaften ist man nicht selten unterschiedlicherAuffassung.
Die Wissensbereiche Naturwissenschaften und Religion werden hier als Gegenpole betrachtet, anhand derer die zentrale Erkenntnisfrage, inwieweit eine gute Erklarung auch wahr sein muss, entlang spezifischer Beispiele diskutiert wird. Dabei werde ich mich im Wissensbereich Religion an sozialpsychologischen Modellen orientieren und genauer auf die Erkenntniswege Intuition, Emotion und Glaube eingehen. Im Wissensbereich Naturwissenschaften werde ich mich auf den Erkenntnisweg Vernunft fokussierend an Karl Poppers Falsifikationsprinzip orientieren. Die Untersuchungsergebnisse werden verglichen und fur eine verallgemeinernde Schlussfolgerung genutzt.
Paul Watzlawick postuliert, dass es „keine absolute Wirklichkeit gibt, sondern nur subjektive, zum Teil widerspruchliche Wirklichkeitsauffassungen, von denen naiv angenommen wird, dass sie der »wirklichen« Wirklichkeit entsprechen."2 Durch die Duden-Definition des Wortes Wahrheit, „die Ubereinstimmung einer Aussage mit der Sache, uber die sie gemacht wird"3, kann man sagen, dass etwas fur ein Individuum wahr ist, wenn eine Aussage mit dem ubereinstimmt (nicht in Widerspruch dazu steht), was dieses Individuum uber die Sache, auf die sich die Aussage bezieht, weift. Dies kann aber von Person zu Person variieren, was zeigt, dass die wirkliche Wirklichkeit bzw. Wahrheit nicht genau definiert werden kann. Man kann nicht wissen, wann absolutes Wissen und somit die absolute Wahrheit erreicht wird, somit ist die Sicherheit, dass unser derzeitiges Wissen richtig ist, relativ. Zu einem gegebenen Zeitpunkt ist also alles richtig, was nicht widerlegt wurde.
Eine Erklarung ist eine kommunikative Handlung, mittels derer ein Sender eine Information an einen Empfanger sendet. Dieser Empfanger entscheidet daruber, ob er sie als „gut“ erachtet. Dies hangt sowohl von der Erklarung selbst, als auch vom Empfangerkreis ab. Im Elaboration-Likelihood-Model (ELM) der Sozialpsychologie ist eine Erklarung gut, wenn sie den Empfanger uberzeugte. Das Model sieht einen zentralen Weg vor, bei welchem ein Empfanger durch Inhalte uberzeugt wird. Der Erkenntnisweg Vernunft spielt also eine hervorgehobene Rolle. Die Uberzeugung gelingt besonders gut, wenn die Aussagen des Senders mit dem Vorwissen des Empfangers ubereinstimmen. 1st der Empfanger zurVerarbeitung der ubermittelten Inhalte nicht motiviert Oder nur begrenzt fahig (oder beides), kann er nicht auf zentralem Wege uberzeugt werden. Fur diesen Fall sieht das ELM einen peripheren Weg vor, bei dem die Uberzeugung durch periphere Reize, wie etwa Attraktivitat Oder Autoritat des Senders erreicht wird. Die Erklarung wird als gut erachtet, wenn der Sender besondere Merkmale wie sympathisches Erscheinungsbild, angenehme Stimmlage, etc. aufweist. Hier liegt der Schwerpunkt also bei den Erkenntniswegen Emotion, Intuition, und Glaube. Diese Uberzeugungen sind jedoch weniger stabil, weil ihnen kaum eine inhaltliche Auseinandersetzung zugrunde liegt. Das Wissen wird daher schlecht mit bereits vorhandenem Wissen vernetzt. Ein Empfanger kann dementsprechend von der Erklarung eines Senders uberzeugt sein und als „gut“ erachten, obwohl sie Widerspruche zu seinem eigenen Vorwissen aufweist.
Wenn ein Empfanger eine Erklarung als „gut“ erachtet und von ihr uberzeugt ist - egal auf welchem Wege, geht dies regelma&ig damit einher, dass er sie fur „wahr“ halt. Das hei&t aber nicht automatisch, dass die Erklarung auch „wirklich“ wahr ist.4
Um auf den ersten Wissensbereich Religion einzugehen, konzentriere ich mich vorerst auf die griechische Mythologie. Zwar ist diese keine Religion, die noch praktiziert wird, jedoch bot sie den alten Griechen eine religiose Moglichkeit, die Welt zu erklaren. Als Beispiel wird hier die Entstehung der Jahreszeiten gewahlt. Demeter, die Gottin der Erde war fur das Gleichgewicht der Erde verantwortlich. Hades, der Gott der Unterwelt, und Demeters Tochter Persephone verliebten sich ineinander, woraufhin Persephone Hades in die Unterwelt folgte. Demeter vermisste ihre Tochter sehr und vernachlassigte ihre Pflichten auf der Erde. Diese geriet ins Ungleichgewicht. Daraufhin lieft Zeus Demeter, Persephone und Hades eine Vereinbarung treffen. Demnach musste Persephone sechs Monate bei Hades und sechs Monate bei ihrer Mutter auf der Erde bleiben - daraus resultierten die Jahreszeiten: Wenn Persephone bei Hades lebte war Demeter sehr traurig - es war Winter. Im Fruhling freute sich Demeter langsam auf ihre Tochter und alles bluhte wieder. Im Sommer, als Persephone ihre Mutter besuchte war die Erde wieder farbenfroh und im Herbst wurde Demeter langsam wieder traurig, da ihre Tochter sie bald verlassen wurde.5
Kann man in diesem Beispiel von einer guten Erklarung sprechen? Die Griechen hatten nur beschrankte Moglichkeiten und konnten daher nicht wissen, dass ihre Erklarung ungenugend war. Sie wussten nicht, dass sie eine Erklarung fur einen Tatbestand suchten, den sie nur zur Halfte betrachten konnten. Hatten die Griechen gewusst, dass es auf der Sudhalbkugel kalt war, wenn es bei ihnen warm war, hatte die Erklarung keinen Bestand gehabt. Da diese religiosen Mythen zumeist von Geistlichen (Autoritatspersonen) vertreten und erklart wurden, erfolgte die Uberzeugung auf peripherem Wege. Bei der heutigen wissenschaftlichen Erklarung der Jahreszeiten, die auf viele Details im Zusammenhang mit Umlaufbahn und Neigung der Erde basiert, ist eine Widerlegung nicht bekannt. Daher ist sie als gute Erklarung zu betrachten, die solange gultig ist, bis sie durch eine neue Erkenntnis widerlegt wird. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es sich bei der griechischen Erklarung zum gegebenen Zeitpunkt urn eine gute Erklarung handelte, die spater widerlegt wurde. Das Beispiel zeigt, dass eine gute Erklarung nicht automatisch wahr sein muss.
Die griechische Mythologie stellt jedoch nur einen kleinen, und nicht mehr praktizierten Teil des Wissensbereichs Religion dar. Die Bibel Oder der Koran enthalten Erklarungen, die wissenschaftliche Tatbestande religios erklaren. Viele dieser Erklarungen, wie zum Beispiel die uber das Meer, das sich teilte, werden wissenschaftlich angezweifelt6 - trotzdem glauben noch sehr viele Menschen daran. Eine Ursache dafur kann sein, dass die Frage ,,Gibt es einen Gott?" nicht beantwortet werden kann. So hat ein Wissenschaftler einem Religiosen gegenuber kaum uberzeugende Beweise, die ihn vom Gegenteil uberzeugen konnen.
Wirklichkeitsauffassungen religioser Extremisten weichen in der Regel stark von denen aufgeklarter Naturwissenschaftler ab. Je nachdem, wo und wie jemand sozialisiert wurde, ist damit zu rechnen, dass sehr unterschiedliche Wirklichkeitsauffassungen vorherrschen.
Wissenschaftler streben Erklarungen an, die moglichst unanfechtbar sind. Nach Karl Popper mussen „wissenschaftliche Satze“ und damit Erklarungen „nachprufbar sein“.7 Gute Erklarungen zeichnen sich demnach dadurch aus, dass ihre Widerlegung - also ihre Falsifizierung - misslingt.
Im Wissensbereich Naturwissenschaften werden der Lamarckismus und der Darwinismus verglichen. Lamarck war einer der ersten Wissenschaftler, mit einer vom religiosen Erkenntnismodel abweichenden Erklarung fur die Evolution. Seine Theorie wird zwar nicht mehr als wahr Oder gultig erachtet, bildete jedoch das Fundament fur die heute bekannte Evolutionstheorie. Lamarck meinte, dass Giraffen ihre Haise lange streckten, urn an die Blatter hoher Baume zu gelangen. Dadurch modifizierte sich der Giraffenhals, was sich mit der Zeit auf das Genmaterial uberschrieb.8 Lamarck vermutete, dass sich ein Wesen in eine bestimmte Richtung entwickelt, wenn diese genug Vorteile bietet. Diese Erklarung ist gut, da sie damals als die erste Erklarung ihrer Art eine Moglichkeit bot, die Welt anders bzw. neu zu verstehen. Wie bei den Griechen konnte zu diesem Zeitpunkt keiner wissen, dass diese Erklarung falsch ist. Genau wie wir heute nicht wissen konnen, ob manche der heutzutage als wahr bzw. gultig erachteten Erklarungen in der Zukunft falsifiziert werden. Lamarcks Erklarung war die bestmogliche ihrer Zeit.
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1 Watzlawick, P. (2010 1976)
2 Ebd.
3 Duden: Wahrheit
4 Petty, R. R. und Cacioppo, J. T. (1986)
5 Unbekannt (15.12.2018)
6 Ludecke, Christine (06.03.2018)
7 Popper, Karl (1989)
8 Chesutt, Betsy (2003-2018)
- Arbeit zitieren
- Sara Issguhi Reisyan (Autor:in), 2019, Theory of Knowledge: Müssen gute Erklärungen wahr sein?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1034486
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