Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung S.
2. Judentum und Prostitution
2.1 Prostitution und Mädchenhandel im 19. und 20. Jahrhundert: Allgemeine S.
2.2 Die Migration in der Ära derwhite slaveryS.
3. Judentum und Prostitution
3.1 Die Ostjuden S.
3.2 Die jüdische Beteiligung an Prostitution und Mädchenhandel S.
3.3 Psychosoziale Aspekte jüdischer Prostitution S.
4. Schluß S.
Anhang: Bibliographie
1. Einleitung
Prostitution besetzt eine bedeutende Position in den feministischen Debatten über das Verhältnis zwischen Macht, Geschlecht und Sexualität. Auch in der Geschichtswissen- schaft - nicht nur der feministischen - ist das Thema der sich prostituierenden Frau m- mer wieder in den den verschiedenen Disziplinen erforscht und hinterfragt worden. Die vorliegende Arbeit nähert sich dem Thema unter einem speziell konfessionellen Aspekt, indem ein direkter Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zum Judentum und ei- ner Tätigkeit in der Prostitution hergestellt wird. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Zeit um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. In diesem Zeitraum wurde die Prosti- tution zu einem extrem wichtigen Teilaspekt der öffentlichen Debatten über Emanzipa- tion, Sexualität und Fragen der Sittlichkeit, die sich im Zusammenhang mit dem Sach- verhalt der starken Migrationsbewegungen in dieser Epoche internationalisierten: die neuen Möglichkeiten des technischen Zeitalters schufen die Voraussetzungen für eine Prostitution über nationale Grenzen hinweg: den weltweiten Mädchenhandel.
Verunsichert durch die einschneidenden sozialen Veränderungen durch Migration, Urbanisierung und Industrialisierung, schufen viele Gesellschaften einen kulturellen Mythos: das Paradigma der „weißen Sklavin“.
Die Rolle des ihr gegenüberstehenden Sklaven- oder Mädchenhändlers wurde dabei auf jene übertragen, die im Zuge der Migration zu Tausenden nach Westeuropa und in die Neue Welt strömten. Besonders geeignet für die Rolle des Sündenbockes waren die jüdischen Einwanderer.
Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit diesem Prozeß der Mythisierung und Schuldübertragung auf die ethnische Minderheit der Juden- sie fragt aber auch nach der Existenz jüdischer Prostituierter. Daß es eine aktive Beteiligung jüdischer Frauen an der Prostitution in dieser Zeit gegeben hat, kann nicht angezweifelt werden. Wie aber war ihre Stellung innerhalb der jüdischen Gemeinschaft? Basierte ihre Tätigkeit auf einer freiwilligen Ausübung der Prostitution oder auf Gewalt, Zwang und Unfreiwilligkeit - wie es der Mythos um diewhite slaveryimpliziert?
Die historische Relevanz des Themas scheint bisher von der Geschichtswissenschaft unterschätzt worden zu sein. Auffallend oft wird die Problematik der jüdischen Beteili- gung - sowohl auf Seiten der „Täter“, also der Zuhälter und Mädchenhändler, wie auch der „Opfer“, der Prostituierten - bei Untersuchungen etwa über die jüdische Frauenbe- wegung oder diewhite slaverygenerell, ausgeklammert. Bedauerlich ist ebenso, daß bei den wenigen Forschungen, die sich dem Thema ohne falsche Scham und/oder der Angst vor dem Vorwurf einer Diffamierung des jüdischen Volkes widmen, der Aspekt des Juden als Kunden, also als Konsument von käuflichem Sex, keinerlei Erwähnung findet und deshalb bei der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt werden konnte. Von großem Nutzen war trotz dieses Mangels das Werk von Bristow, der durch seine äußerst detaillierte und fundierte Darstellung Grundlegendes geleistet hat. Nora Glick- man hat seine Forschung in einem erst im letzten Jahr erschienenen Buch auf dem Ge- biet der Verhältnisse in Argentinien vertieft und erweitert. Erwähnen möchte ich auch den im Internet zu findenden bemerkenswerten Aufsatz von Jo Doezema, dem diese Arbeit den signifikanten Aspekt des kulturellen Mythos derwhite slaveryverdankt.
2. Judentum und Prostitution
2.1 Prostitution und Mädchenhandel im 19. und 20. Jahrhundert: Allgeme ines
Im Jahre 1849 schrieb der berühmte englische Schriftsteller Charles Dickens einen Text, der als gedruckter Handzettel an Frauen in Polizeigewahrsam verteilt werden sollte.
„...I address it to a women [...] who was born to be happy and has lived miserably; who has no prospect before her but sorrow, or behind her but a wasted youth; who, if she has ever been a mother, has felt shame instead of pride in her own unhappy child.“1
Ohne daß Dickens es zu diesem frühen Zeitpunkt wissen konnte, charakterisierte er die Adressatinnen seines „Appeal to Fallen Women“ mit genau jenen Worten, mit denen noch ein halbes Jahrhundert später weibliche Delinquenten der kommerziellen Prostitution umschrieben werden sollten.
Natürlich waren das „älteste Gewerbe der Welt“ und die damit einhergehenden Proble- me sozialer, kultureller, politischer und ökonomischer Natur zwar auch vor Mitte des
19. Jahrhunderts - und früher - ein Thema, das Phänomen erhielt jedoch erst gegen En- de des Jahrhunderts durch die Kombination ineinander verflochtener Faktoren eine be- sondere Brisanz, durch die nicht nur eine Massenpanik ausgelöst, sondern auch ein kul- tureller Mythos geschaffen wurde.2 Weitverbreitete bittere Armut, massive Migration Hunderttausender vom Land in die Städte und von den Städten in andere Länder (vor allem in die USA) und die Schwächung traditioneller, religiöser, sozialer und elterlicher Kontrolle in den überlaufenen urbanen Zentren bildeten ein kausales Konglomerat, das Frauen vor allem in den ärmeren europäischen Ländern in die Prostitution trieb. Die Schätzungen hinsichtlich genauer Zahlen differieren jedoch extrem. Für London im Jahr 1839 liegen sie zwischen 7000 und 80 000, für Paris in den 1860ern zwischen 3000 und 120 000 Prostituierten. Als Orientierung mag die Daumenregel Bristows herhalten: auf eine Prostituierte kam in den Großstädten jener Zeit zwölf sexuell aktive Männer.3
Mit dem Wachstum der Städte im Zuge von Industrialisierung und Urbanisierung hielt die Prostitution Schritt: der wachsenden Nachfrage stand auf der Angebotsseite die zunehmende Zahl von Prostituierten, Bordellen und anderen Vergnügungsbetrieben gegenüber, die bald immer mehr zu uniformen und vertrauten Elementen der urbanen Landschaften wurden.4Lokale Kernpunkte waren dabei neben den Städten jene Orte, die als Garnisonen dienten oder an denen Truppen stationiert waren, sowie Marinehäfen, die von Schiffen in größerer Zahl angelaufen wurden.5
Die Bordelle spielten eine wichtige Schlüsselrolle. Friedrich Bohn, Generalsekretär des "Deutschen Nationalkomitees zur Bekämpfung des Mädchenhandels“ erläuterte dies 1906 so:
„Die große Freizügigkeit der Mädchen [...] wird durch das [...] Bordellsystem unterstützt, ferner durch den Umstand, daß dieselben Besitzer oder Gesellschaften in verschiedenen Städten Deutschlands sowie des Auslands Bordelle unterhalten [...] und dasselbe Mädchen, das von Bordell zu Bordell geschoben wird, ausnutzen.“6
Motor des Gewerbes waren die Zuhälter, die in der Lage waren, Mädchen zur Verfü- gung zu stellen, wo und wann immer diese verlangt wurden, und die Dynamik der kon- stanten Bewegung - das Hin- und Herpendeln der Mädchen und Frauen zwischen den Bordellen - gewährleisteten. Diese Dynamik war zum einen deshalb nötig, weil die männliche Klientel, wenn es sich um Stammkundschaft handelte, nach Abwechslung verlangte, zum anderen, weil die Prostituierten wegen der hohen Rate der Geschlechts- krankheiten oft gezwungen waren, zu pausieren. Ließ man die Prostituierten umherzie- hen, war es zudem einfacher, größtmögliche Macht über sie auszuüben, und es war all- gemeine Praxis sicherzustellen, daß ein Mädchen hohe Schulden durch Ausgaben für Kosmetik, Wäsche und ähnliches hatte, um sie abhängig zu machen.7Den Zuhältern fiel aber auch eine weitere wichtige Funktion zu: sie schützten die für sie arbeitenden Frau- en nicht nur vor ungebärdigen Kunden, sondern auch vor der Polizei und dienten ihnen darüber hinaus in vielen Fällen als emotionale Stütze. Dies war deshalb wichtig, weil viele Frauen ob ihrer Tätigkeit als von der Gesellschaft Ausgestoßene galten und abge- schnitten waren von der Unterstützung der Gemeinschaft ihrer Klasse. In dieser für die Frau schwierigen Situation konnte die emotionale Bindung zwischen Zuhälter und Pros- tituierter sehr stark sein.8Dies galt vor allem für jene Mädchen und Frauen, die im Zuge der großen Auswanderungswellen ihr Heimatland verließen und in den urbanen Gegen- den Abenteuer oder Arbeit suchten. In erster Linie sorgten sich die in der Heimat zu- rückgebliebenen Eltern um ihre Töchter - aber allgemein wurde die Kontrolle der Sexu- alität junger, unverheirateter weiblicher Jugendlicher in dieser Periode ein bedeutsames soziales Thema.9
Für beide Seiten - Prostituierte und Zuhälter - stellten die Großstädte sowohl mit ihren Möglichkeiten (Arbeitsplätze, Abwechslung) als auch ihren Gefahren (Fremde, Verbre- chen, Krankheiten, Lärm, Dreck, Überfüllung) das ideale Pflaster für kommerzialisierte Prostitution dar - nicht nur wegen der großen Nachfrage nach „leichten Mädchen“, son- dern auch aufgrund ihrer Anonymität, die es dem Einzelnen ermöglichte, leichter von festgeschriebenen Verhaltensnormen abzuweichen, deren Etablierung und/oder Auf- rechterhaltung durch Immigration und ethnische Diversität bedeutend erschwert wur- de.10
2.2 Die Migration in der Ära derwhite slavery
Immigration und Auswanderung schufen im 19. Jahrhundert neue Möglichkeiten für die Prostitution. In den Einwandererregionen in Übersee eröffneten sich neue Absatzmärk- te; die zunehmende Mobilität führte zur Ausbildung eines professionellen Mädchen- und Frauenhandels. Eisenbahnen und Dampfschiffe, die neuen technischen Errungen- schaften, spülten Männer und Frauen in die Städte. Waren diese zuvor voll in das länd- liche Leben ihrer Heimat integriert gewesen und lebten sie dort nach den moralischen Normen ihrer Gemeinschaft, so stellten sie nun das neue städtische Proletariat und da- mit die Hauptquelle im Geschäft der Prostitution.11In den Regionen in Übersee, wo sich weiße Siedler niederließen, war auf diese Weise das Gleichgewicht im sexuellen Ver- hältnis innerhalb der Bevölkerung gestört. Es gab einen chronischen Mangel an Frauen in den Grenzregionen, Minenarbeiterlagern und den Städten, der durch Prostitution aus- geglichen wurde.12War der innereuropäische Mädchenhandel schon vor den Immigrati- onswellen üblich gewesen, entstanden nun spezielle Versorgungsrouten und Praktiken für den multinationalen Handel - der „weißen Sklaverei“.
Der Begriffwhite slaverywurde nach der Abschaffung der schwarzen Sklaverei im Bri- tischen Empire 1833 als eine adäquate Metapher für den Handel mit weißen europäi- schen Frauen in die Kolonialgebiete und andere Teile der Welt betrachtet.13Eine strikte Definition des Begriffs ist jedoch schwierig, da er verschiedene Bedeutungen für ver- schiedene soziale Akteure hatte - je nach ihrer geographischen und ideologischen Posi- tion.14 Brauchbar, wenigstens für den angelsächsischen Sprachraum, ist die Definition Grittners:
„The enslavement of white women or girls by means of coercion, tricks or drugs by a non-white or nonAnglosaxon man for purposes of sexual exploitation.“15
Allgemeiner formuliert Doezema:
„White Slavery became to mean the procurement, by force, by deceit, or drugs, of a white woman or girl, against her will, for prostitution.“16
Die in dieser Definition enthaltene Bedeutung erhielt der Begriff jedoch erst ab etwa 1870 im Zuge der Reformbewegungen und Kampagnen gegen den Mädchenhandel. Diese entstanden vermehrt in dem Maße, wie der soziale Konfliktstoff rund um das Thema Prostitution und Mädchenhandel an Brisanz zunahm. Immigration und Prostitu- tion standen dabei in engem, direkten Zusammenhang. Zwischen 1907 und 1910 unter- suchte dieUnited States Immigration Commissiondie Auswirkungen der Massenein- wanderungen und konzentrierte sich dabei vor allem auf das Schicksal der weiblichen Einwanderer, vor allem derjenigen, die allein reisten. Die Ergebnisse der Kommission waren symptomatisch für das gesamte Phänomen: einige emigrierende Frauen kamen schon als Prostituierte an, während andere im Gewerbe Zuflucht nahmen, um ihre Exis- tenz zu sichern. Andere wurden zu Prostituierten, weil sie in Europa mit falschen Hei- ratsversprechen zur Auswanderung überredet17 und schließlich gegen ihren Willen ge- zwungen wurden, sich zu prostituieren.18
Vor allem in Amerika löste die Masse der Emigranten sowie die heikle Verknüpfung von Immigration und Prostitution Angst und Hysterie aus. Die Angst vor Fremden mp- lizierte die irrationale Furcht vor abweichendem sexuellen Verhalten über den Rahmen der Prostitution hinaus.19Die Übertragung der Schuld auf alles nicht-amerikanische und „Fremde“ ermöglichte es, die eigene Weste weiß zu halten. Hauptleidtragende dieses psychologischen Prozesses waren die Juden, die einen großen prozentualen Anteil unter und internationalem Handel (Mädchenhandel). Siehe Alain Corbin, Women for Hire: Prostitution and Sexuality in France after 1850, Cambridge 1990.
den Einwanderern ausmachten und von Anfang an als maßgebliche Begründer und Organisatoren des Mädchenhandels galten.20
3. Judentum und Prostitution
3.1 Die Ostjuden
Im 19. Jahrhundert lebten die Juden in Osteuropa unter bedrückenden wirtschaftlichen Bedingungen. Die meisten „Ostjuden“ waren seit einem Dekret Zar Nikolaus‘ I. aus dem Jahr 1835 im sogenannten „Ansiedlungsrayon“ seßhaft, einem Gebiet, das 15 Pro- vinzen im nordwestlichen und südwestlichen Teil des Russischen Reiches umfaßte.21 Die jüdische Bevölkerung wuchs gerade zu dem Zeitpunkt an, als die Beschäftigungs- möglichkeiten zurückgingen. Viele der traditionell von Juden ausgeführten Funktionen wie Fuhrunternehmen, Kleinhandel oder das Hausieren in den ländlichen Gebieten wur- den durch den Ausbau der Schienennetze und der Emanzipierung der russischen Bauern nach 1861 überflüssig.22Auch der Status der Juden in den Städten wurde immer mehr in Frage gestellt. Hatte Katharina II. sie noch als konstruktives Element des urbanen Wachstums begrüßt, weil sie die Entwicklung städtischer merkantiler Zentren im bäuer- lich dominierten Russischen Reich zu fördern suchte, so wurden sie in den folgenden Jahrzehnten immer weniger als Angehörige jener rein städtischen Kaufmannsklasse wahrgenommen, in der sich zu registrieren sie nach 1780 angewiesen worden waren.23 Sie wurden im Zuge der ansteigenden Ressentiments seitens der christlichen Stadtbe- völkerungen vielmehr beschuldigt, unproduktiven, „parasitären“ und „ausbeuterischen“ Aktivitäten nachzugehen, auf Kosten der Bauern zu leben und diesen - speziell durch ihr Monopol bei der Destillation und dem Vertrieb von Alkohol24- großen Schaden zuzufügen. Das Bestreben, die Juden zu „produktiveren“ Tätigkeiten zu motivieren, führte zur Ausbildung einer speziellen Rechtsprechung noch unter Katharina II., die ihnen zunächst untersagte, aus ihren Gegenden - speziell den Gebieten des geteilten Polens - wegzuziehen und schließlich zur Einrichtung des Ansiedlungsrayon.
Russische Offizielle und Bürokraten versuchten aber nicht nur, die jüdische Wirtschaft nachhaltig zu ändern und zu beeinflussen, sondern übernahmen auch westliche Vorstel- lungen, denen zufolge der Talmud und die jüdischen Lehren verantwortlich waren für die Probleme zwischen christlicher Bevölkerung und jüdischer Minderheit in Rußland. Man glaubte, der Talmud lehre ewige, unüberwindbare Feindschaft zwischen Juden und Nichtjuden und ermuntere die Juden dazu, Andersgläubigen wo immer es gehe Schaden zuzufügen. Im Licht dieser Auffassung waren viele russische Reformer überzeugt, daß es nicht nur nötig sei, die jüdische Wirtschaft zu steuern, sondern auch die religiösen Überzeugungen zu modifizieren. Nur durch eine „Purifizierung“ des jüdischen Glau- bens, so die Überzeugung, könne das Judentum seinen antisozialen, separatistischen Charakter verlieren, in der Folge die christlichen Tugenden annehmen und damit zu einem besseren Zusammenleben mit der nativen Bevölkerung gelangen.25
Vor, aber vor allem nach den Pogromen von 1881 versuchten viele Juden, der lähmen- den antisemitischen Gesetzgebung und den wirtschaftlichen wie sozialen Diskriminie- rungen zu entfliehen. Fast vier Millionen emigrierten nach Argentinien, Amerika, Paläs- tina, Südafrika oder Australien. Unter denen im Ansiedlungsrayon verbliebenen Juden stieg als ein Nebeneffekt der dort auftretenden unerwünschten sozialen und wirtschaftli- chen Anomalitäten die Kriminalität an26- auch wenn sie prozentual immer noch gerin- ger als bei der nichtjüdischen Bevölkerung war.27Eine ihrer Hauptzweige war die Pros- titution - so gab es beispielsweise in Warschau zwei maßgebliche kriminelle Banden, die eine jüdisch, die andere polnisch, deren Existenz auf der Kontrolle der lokalen Pros- titution basierte.28
Die Aktivitäten der Warschauer Zuhälter, „Alphonsen“ genannt, waren sogar so auffäl- lig, daß im Revolutionsjahr 1905, als sich das gesamte Russische Reich in einem politi- schen Aufruhr befand, jüdische Arbeiter einen blutigen Angriff gegen die Bordelle, Ka- schemmen und Cafés ihrer Glaubensbrüder führten.29Dieses „Alphonsenpogrom“ fand weithin Erwähnung in der europäischen Presse und trug dazu bei, Prostitution und Judentum fester zu einer stereotypen Einheit zu verschmelzen.
Eine offizielle Zählung von Prostituierten im Jahr 1889, die auf Befragungen von Bor- dellbetreibern und Prostituierten basierte, zeigt, daß im gesamten Ansiedlungsrayon 203 der 289 lizenzierten Häuser von Juden betrieben wurden.30Unbeachtet bei dieser Erhe- bung blieben die illegalen Häuser sowie die nicht registrierten Prostituierten außerhalb der polizeilichen Überwachung - wir können jedoch annehmen, daß Juden hier etwa gleich stark repräsentiert waren.31Es war gerade die Möglichkeit, sich als Prostituierte oder als Bordellbetreiber registrieren zu lassen, die es Juden erlaubte, auch außerhalb des Rayons, mit dem berüchtigten „gelben Paß“ ausgestattet, zu leben.32Jüdische Frau- en versuchten daher mittels dieses Freischeins die Chance zu ergreifen, an den Universi- täten außerhalb des Rayons zu studieren, wobei die wenigsten den Beruf der Prostituier- ten dann auch ausübten.33Dieser Vorgang ist einfach zu erklären:
Die Lage der jüdischen Frauen im Gebiet desPale of Settlementwar nicht nur aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen besonders heikel. Jüdische Frauen wurden in einer Kultur erzogen, welche die Beteiligung an der intellektuellen Tradition des Judentums hoch schätzte, sie gleichzeitig aber von dieser Tradition ausschloß. Während die Jungen spezielle Schulen, die sogenanntenyeshivas34, besuchten, wurde von den Mädchen er- wartet, daß sie sich mit einer häuslichen Ausbildung zufriedengaben.35Als die russische Regierung in den 1860er und 1870er Jahren die Universitäten und Schulen für Juden - und Frauen - öffnete, strömte daher eine relativ große Zahl jüdischer Frauen der oberen Mittelklasse durch die Pforten der Bildungseinrichtungen.36
Bertha Pappenheim kritisierte immer wieder die Stellung der Frau innerhalb des Juden- tums:
„Und die jüdische Frau? Seit Jahrhunderten genoß sie innerhalb des jüdischen Gemeindelebens [...] noch nicht einmal die Rechte eines dreizehnjährigen Knaben. [...] Sie zählt nicht mit, sie gilt nichts, sie lernt nichts, ihr Geist braucht keine Kraft und Anmut...“37
Und:
„...vor dem jüdischen Gesetz ist die Frau kein Individuum, keine Persönlichkeit, nur als Gattin und Mutter wird sie gewertet und beurteilt.“38
Für Pappenheim lag in diesen Umständen eine der Hauptursachen für die Existenz jüdi- scher Prostituierter. Die Tatsache, daß diese Aspekte von einer in den jüdischen Traditi- onen verwurzelten Frau nicht nur erkannt, sondern auch immer wieder deutlich an die Öffentlichkeit getragen wurden, zeugt vom Mut und bemerkenswerten Engagement Pappenheims.
3.2 Die jüdische Beteiligung an Prostitution und Mädchenhandel
Die Bedingungen, unter denen viele Juden lebten, und ebenso der unmittelbare Zusam- menhang zwischen diesen Lebensumständen und Prostitution erklärt ein Phänomen, das auf den ersten Blick als Gegensatz par excellence erscheint: Juden und Prostitution - Zuhälterei - Bordellbetrieb - Mädchenhandel. Auch wenn die Juden nur eine Gruppe unter vielen waren, die sich an diesen Unternehmungen beteiligten und keineswegs ein Monopol bei irgendeinem Aspekt des kommerziellen Lasters innehatten, liegt zunächst ein scheinbares Paradoxon vor - die Kombination von Juden und einem Geschäft, das heute wie gestern als zweifelhaft, schmutzig und mehr oder weniger anstößig gilt, scheint undenkbar. Gerade deshalb rief die tatsächliche Rolle, die Juden im Rahmen derwhite slaveryspielten, unproportional viel Aufmerksamkeit hervor.39Um die Relationen zu wahren, ist es jedoch wichtig zu erwähnen, daß es mehr französischstämmige Prostituierte in Pariser Bordellen gab als jüdische Prostituierte auf der ganzen Welt. Die „Unreinen“ und „Unsauberen“, wie letztere bisweilen in Bezug auf die jüdischen Gesetze der rituellen Reinheit stigmatisiert wurden, bildeten eine Minderheit innerhalb der jüdischen Gemeinschaft - ihre Existenz indes ist unangefochten.40
Erst Anfang des letzten Jahrhunderts wurde unter den Juden selbst bekannt, welche Rolle Angehörige ihrer Religion beim Mädchenhandel spielten. Diese Erkenntnis stieß deshalb zunächst auf Unglauben und Hilflosigkeit, weil sexuelle Reinheit mit der Betonung von Zurückhaltung, Einschränkung und familiärer Integrität einen zentralen Faktor der jüdischen Identität und des Selbstbildes bildeten.41 Zwar wurde sexuelles Vergnügen durchaus als gesund und normal angesehen, dies galt aber nur innerhalb der Grenzen der Ehe. Bertha Pappenheim wies immer wieder darauf hin, daß das jüdische Sittlichlichkeitsgesetz (sexuelle Zurückhaltung, kein Konsum von Alkohol..) den „eisernen Bestand“ im jüdischen Volks- und Familienleben bildete:
„Diesem weltbekannten Schatze verdanken wir das, was wir an spärlicher Anerkennung unter den Völkern genießen und was [...] uns jene zähe Widerstandskraft gewährte, die trotz Inquisition, Verfolgungen, Knechtungen und Pogromen die Existenz unseres Volkes wie ein Wunder erscheinen läßt.“42
Aufgrund der Glorifizierung der Mutter und Ehefrau im Judaismus, seiner strengen Verurteilung sexueller Immoralität und der Idealisierung der Frau als Symbol sexueller Reinheit, waren die meisten Juden davon überzeugt, daß eine jüdische Prostitution nicht existierte.43Ein Aspekt dieses Sich-Verschließens gegenüber den Realitäten basierte auf der Annahme, den Antisemitismus eindämmen zu können, indem Juden, die in irgendeiner Form an der Prostitution beteiligt waren, geächtet und aus der Gemeinschaft ausgestoßen wurden.44 Zudem resultierte die Ablehnung gegenüber einer Diskussion von für Juden heiklen oder anstößigen Themen auf der Tradition des chillul hashem[etwa: Entweihung des Namens], die vorschrieb, Handlungen zu vermeiden, die eine Bedrohung oder Beschädigung der jüdischen Gemeinschaft darstellen konnten.45
Dementsprechend blieb die Prostitution in den kleinen, sozial enggestrickten und tradi- tionell geprägtenshtetlekin Osteuropa mit einigen tausend Einwohnern auch im 19. und 20. Jahrhundert durch die strenge Kontrolle der orthodoxen Gemeindeführer weitgehend unbedeutend. Die moralische Ordnung der Gemeinschaft, aufrechterhalten durch die immense Wichtigkeit der öffentlichen Meinung, blieb von Säkularisierung und Urbani- sierung relativ unangefochten, wenn auch der Faktor Armut auch hier vorherrschend war.46
Anders lagen die Dinge in den wachsenden Städten Osteuropas wie Odessa, Lodz oder Warschau. Die Migration vieler Juden in diese urbanen Zentren und die damit einherge- henden Prozesse der Verarmung und des Verlustes von religiöser Tradition und sozialer Kontrolle bereiteten hier in den 1860ern den Boden für die jüdische Beteiligung an der Prostitution, die gegen Ende des Jahrhunderts ihren vollen Umfang erreichte.47 Das Phänomen bestand dabei aus zwei Elementen: der „lokalen“, also der auf das Ge- biet des Ansiedlungsrayon beschränkten oder innerhalb der großen Städte stattfindenden Prostitution und dem Handel mit Mädchen über die Grenzen hinweg. Hauptsächliches Ziel für den „Export“ war Argentinien.48In Buenos Aires und seiner Umgebung gab es eine Vielzahl von Bordellen und die Mädchenhändler genossen zahlreiche Privilegien.49 Die meisten der ankommenden Immigranten wurden von derJewish Colonization Asso- innerjüdischen Aufruhr, an dem sich über die jüdische Presse hinaus Orthodoxe, Liberale, Zionisten und Unabhängige gleichermaßen beteiligten. DasFrankfurter Israelitische Gemeindeblattfragte etwa in Re- aktion auf ein Referat Pappenheims auf der 2. Delegiertentagung desJüdischen Frauenbundesim Okto- ber 1907 ob „nicht die moralische Schädigung, welche diese philanthropischen Damen dem Judentum“ durch ihr Engagement zufügten, „ihre Verdienste um die materielle Besserstellung bei weitem“ überwie- ge. Zitiert in: Pappenheim, S. 116.
ciation (ICA) Baron Hirschfelds vor diesen Umständen gewarnt. Hirschfeld, der sich auch in Galizien engagierte und dort unter anderem ein Schulsystem errichtete50, ver- suchte, osteuropäische jüdische Siedler nach Südamerika zu bringen, um sie vor den antisemitischen Pogromen in ihrer Heimat zu schützen. Die Bemühungen der ICA konnten jedoch nicht verhindern, daß Argentinien zum Hauptziel jüdischer Mädchen- händler wurde und um 1910 als „kontaminiertes Land“ galt.51Auch hier griff ab den späten 1880ern das schon beschriebene Phänomen: Disproportion im Verhältnis zwi- schen männlichem und weiblichem Anteil der Bevölkerung schuf den Markt und die Nachfrage nach käuflichen Frauen.
Das Anwerben von potentiellen Prostituierten spielte sich im übrigen sowohl in Argen- tinien oder anderen Einwandererländern als auch in den osteuropäischen Städten und in den Verschiffungshäfen Hamburg oder London mehr oder weniger nach dem gleichen Muster ab und war sicherlich keine exklusiv jüdische Praxis: man näherte sich alleinrei- senden Mädchen und Frauen auf Bahnhöfen oder in den Abfertigungshallen der Dampf- schiffe, wo die potentiellen Opfer, die aus den ländlichen Gebieten kamen, leicht zu identifizieren waren und mit dem Versprechen von Unterkunft und Verpflegung gekö- dert wurden.52Eine andere Vorgehensweise versuchte, die Frauen über Zeitungsartikel, in denen Jobs angeboten wurden, zu erreichen.53Sehr viel häufiger jedoch fand die „Rekrutierung“ erst später nach der Ankunft statt und basierte zum größeren Teil dann auf dem Einverständnis des Mädchens, nicht auf ihrer gewaltsamen Verschleppung.54 Nora Glickman zitiert einen der landwirtschaftlichen Pioniere, die im Rahmen des Hirschfeld-Programms nach Argentinien kamen:
„.near the gates of the immigration house [they] met a few dozen elegantly dressed women and fat men in top hats. Through the gates the [procurers] were talking with the [immigrants‘] wives and gave chocolate to the children.“55
Bertha Pappenheim beobachtete während ihrer Galizien-Reise sogar die Annäherung während ärztlicher Besuche:
„In dem Hospital einer russischen Stadt kommen auf die Abteilung für Hautkrankheiten während der Besuchsstunden Mädchenhändler und Zuhälter, um dort Ware auszusuchen und Abschlüsse und Vereinbarungen zu treffen.“56
In Argentinien wurden die jüdischen ProstituiertenPolacasgenannt. Diese Bezeichnung entstand ab den 1890er Jahren, als mit den riesigen Einwandererwellen nach Südamerika der Mädchenhandel in großem Stil Frauen vor allem aus Polen und Ungarn ins Land holte. Verletzungen der Gesetze, weitgehend von korrupten Angehörigen der Zollbehörden toleriert57, erleichterten ihren illegalen Eintritt nach Argentinien und ihre Ausbreitung innerhalb von Buenos Aires.58
Der Vorgang wurde bis etwa 1910 als vor allem moralisches Problem diskutiert. Als Gegenmaßnahme wurden Gesetze verabschiedet, gemäß derer potentielle Einwanderer einer strengen Überprüfung unterzogen wurden und nachweisen mußten, daß sie inner- halb der zehn vorangegangenen Jahre nicht straffällig geworden waren. Mädchen unter 22 Jahren durften zudem das Land nicht mehr allein betreten.59
Die zwei namhaftesten jüdischen Gruppen, die quasi in Koexistenz Mädchenhandel betrieben, waren die „Reinen“ und die „t’meyim“ [hebräisch für „unsauber“]. Die Grup- pen selbst insistierten sowohl auf ihrer Zugehörigkeit zum Judentum als auch auf die Legitimierung ihres Glaubens durch die entsprechenden Bräuche und Gepflogenhei- ten.60Diese Tatsache irritierte die unbescholten lebende jüdische Gemeinde zutiefst, da sie fürchtete, daß Außenstehende zwischen ihr und jenen kriminellen Gruppen keinen Unterschied machen würden.61Abgelehnt und geächtet von ihrer Gemeinschaft, errich-
teten die Mädchenhändler ihre eigene Synagoge und einen eigenen Friedhof. Die Tatsa- che, daß dietraffickersin Buenos Aires immer mächtiger wurden und einen relativ gro- ßen wirtschaftlichen Einfluß ausübten, änderte nichts an der ihnen gegenüber gleich- bleibend negativen und mißbilligenden Haltung der jüdischen Institutionen. Berühmt-berüchtigt war daneben die Zwi Migdal, die 1906 unter dem NamenWarsaw Society gegründet wurde, diesen Namen aber nach Intervention durch den polnischen Botschafter im Jahr 1926 ändern mußte. Obwohl die Mitgliederzahl schwankte, geht man davon aus, daßZwi Migdalum 1929 etwa 500 Mitglieder hatte und 2000 Bordelle, beziehungsweise 30 000 Prostituierte, kontrollierte. Eine andere jüdische Vereinigung, die mit Prostitution und Mädchenhandel in Verbindung gebracht wurde, war dieAsh-quenazim Society, die hauptsächlich von russischen und rumänischen Juden unterhalten wurde und, wie auchZwi Migdal, ihre illegalen Aktivitäten unter dem Deckmäntelchen einer Organisation zur „gegenseitigen Hilfe“ verbarg.62
Auf eine wie immer geartete „Hilfe“ konnten jene, die in die Fänge einer dieser Grup- pen geraten waren, jedoch selten hoffen. Hatten diePolacasin ihrer osteuropäischen Heimat Armut und Sanktionen zurückgelassen, trafen sie in Argentinien auf neue und andere Schwierigkeiten, die es ihnen von vornherein unmöglich machten, sich dem Land anzupassen und sich einzuleben. Auf diese Weise blieb ihnen keine andere soziale Zuflucht als die Gemeinschaft der Zuhälter und Prostituierten in Buenos Aires.63
Der zwischen Roman und Dokumentation angesiedelte Bericht des französischen Schriftstellers Albert Londres aus dem Jahr 1923 zeigt, wie gering allgemein Prostitu- ierte in Argentinien geschätzt wurden und welchen jammervollen Ruf sie genossen. Jüdische Prostituierte rangierten auf der „Beliebtheitsskala“ unter den „Aristokratinnen“ des Gewerbes, den Französinnen, und über der niedrigsten sozialen Gruppe der Kreo- linnen. Londres zitiert das Muster, nach dem die Kunden zu verfahren schienen, so: „Throw over the Creole, sharpen our claws on the Pollack, and try for the Franchucha.“64
Londres berichtet auch von der menschenverachtenden Terminologie der Branche, die ebenfalls den niedrigen Wert der Frauen und ihren Status als reine Ware widerspiegelt. Die jeweilige Mädchenhändler-Organisation wurde „das Zentrum“ genannt, während Mirelman, The Jews of Argentina (1830-1930): Assimilation and Particularism, Phil. Diss., Columbia University 1973, S. 351.
die Frauen mit „remount“ bezeichnet wurden, einem Begriff, der im Deutschen am e- hesten mit „frisches Reitpferd“ wiedergegeben werden kann. Minderjährige Mädchen firmierten unter dem Begriff „Leichtgewicht“; jene, die in Buenos Aires ohne Papiere eintrafen, waren als „falsche Gewichte“ bekannt.65
Die heimische „Infrastruktur“ war für die weltweit operierenden Mädchenhändler höchst nützlich. Londres berichtet, daß in den verarmten Städten Polens alte Frauen dafür bezahlt wurden, die Mädchenhändler über potentielle Kandidatinnen für einen Transport nach Argentinien zu informieren.
„Such and such a house is no good: the girls are sickly. Avoid such and such a family: the father and mother mean to ask a high price. But there, and there, you will find exactly what you want...“ [...] The younger is the best, the older is lazy. There’s only a grandmother in that house and she won’t last long. Take the child, she’s the best bargain in the district. I’ve watched her for you like a peach on a wall. You need only pick it!“66
Eine häufig angewandte und effektive Vorgehensweise für das Anwerben von jüdischen Mädchen und Frauen für die Prostitution war die vorgetäuschte Heirat, die stillah chup- pah. Die Opfer wurden mit dem Versprechen einer Heirat und damit einhergehenden besseren Lebensbedingungen gelockt. Die religiöse Zeremonie derstillah chuppah war dabei zwar legal, durch die Abwesenheit eines Rabbis bestand aber keinerlei rechtsstaat- licher Anspruch auf Gültigkeit. Da die so vollzogene Heirat in den meisten Ländern nicht offiziell registriert wurde, hatte eine auf diese Weise gebundene Frau keine recht- liche Handhabe. Das war für ein jüdisches Mädchen deswegen besonders fatal, weil sexueller Verkehr mit jemand anderem als dem eigenen Ehemann nicht nur seine eige- ne, sondern auch die Entehrung seiner Eltern zur Folge hatte. Es war für den jüdischen Händler als vermeintlichem Ehemann dadurch relativ einfach, dem Mädchen mit einem Skandal zu drohen und sie so zur Prostitution zu zwingen.
Und noch ein anderer auf den jüdischen Gebräuchen basierender Umstand machte eine Jüdin völlig von ihrem „Ehemann“ abhängig: zur Auflösung einer Ehe benötigte sie die sogenannte get, eine religiöse Scheidungsurkunde, bevor sie wieder heiraten konnte. Diegetkonnte aber nur durch den Mann initiiert werden - starb er oder verließ er die Frau, wurde sie zuragunahohne Aussicht auf eine Wiederheirat.67
Bertha Pappenheim schätzte, daß um 1929 etwa 20 000 Frauen den Status eineragunahinnehatten. Trotz ihrer und der Bemühungen von Organisationen wie der 1885 gegründetenJewish Association for the Protection of Girls and Womenzögerten jüdische Orthodoxe, durch den Ausschluß der betreffenden Männer aus den jeweiligen Gemeinden bei der Abschaffung dieser Praxis zu helfen.68
3.3 Psychosoziale Aspekte jüdischer Prostitution
Bertha Pappenheim war es auch, die im Rahmen ihres Engagements immer wieder auf die ihrer Meinung nach zum Mädchenhandel wesentlich beitragenden psychosozialen Aspekte der jüdischen Traditionen hinwies. Für sie lag das Kernproblem in der Unterdrückung der Frau im Judentum. Um diese Kardinalfrage herum gruppierte sie die verschiedenen zur Prostitution führenden Motive: Langeweile, Neugierde, Trägheit, Putzsucht, Phantasie und heißes Blut einerseits - Unbildung, Unerfahrenheit, Verlockung und raffiniertes Verbrechertum andererseits.69
All diesen Faktoren begegnete sie auf ihrer Reise nach Galizien, die sie im Jahr 1903 im Auftrag des Frankfurter Israelitischen Hilfsvereins und des Hamburger Jüdischen Zweigkomitees zur Bekämpfung des Mädchenhandelszusammen mit der Volkswirtin Sara Rabinowitsch unternahm.70Die zum Habsburgischen Reich gehörende und darum außerhalb des russischen Ansiedlungsrayon liegende Provinz Galizien galt unter Exper- ten als optimales Anschauungsobjekt für die Zusammenhänge zwischen Judentum und Prostitution, weil sich hier quasi wie durch ein Prisma die Faktoren und Ursachen für die jüdische Beteiligung an Zuhälterei, Bordellbetrieb und Mädchenhandel zu bündeln und zu potenzieren schienen.
Eine dieser Faktoren war die offizielle Politik in der Provinz: nach der Revolution von 1848 benutzten die Autoritäten in Budapest die gleiche Strategie wie ihre russischen Kollegen in Warschau - die Prostitution wurde als Mittel zur Ablenkung vom politischen Tagesgeschehen und zur Zerstreuung der Bevölkerung forciert.71
Die jüdische Bevölkerung wuchs im Habsburgischen Reich zwischen 1840 und 1910 von etwa 10 000 auf 204 000 an. 1842 wurde die staatliche Regulierung der Prostitution eingeführt, und ab diesem Zeitpunkt nahm die Zahl der lizenzierten Häuser stetig zu. Die jüdischen Beobachter waren sich jedoch darüber einig, daß das Problem am östli- chen Ende der Provinz, in Galizien, am schlimmsten war. Hier konzentrierte sich Drei- viertel des galizischen Judentums. Zentren von Bordellbetrieb, Zuhälterei und Mäd- chenhandel waren Lemberg72und Czernowitz. Pappenheim beobachtete hier wie in der ganzen Provinz eine erschreckend hohe Quote an Analphabeten, die sie auf die jammer- vollen Zustände in den Schulen zurückführte.73In ihrer Absicht, die Mißstände scho- nungslos offenzulegen, beschrieb sie in ihrem Aufsatz „Die Immoralität der Galizierin- nen“ auch das für sie besonders offenkundige übertriebene Bedürfnis der galizischen Jüdinnen nach einem ansprechendem Äußeren:
„Scharen junger Mädchen ziehen, übertrieben modisch geputzt, mit Offizieren und Gymnasiasten kokettierend, durch die Hauptstraßen und die öffentlichen Gärten der Städtchen.“74
Pappenheim brachte diesen Sachverhalt mit zwei Aspekten in Verbindung: Zum einen basierte die Putzsucht ihrer Meinung nach auf der bewußten Einführung von Schundwaren in die Provinz, die Gewohnheiten „schleuderischen Einkaufs, Verkaufs und Gebrauchs“ und „eine Verführung zum Luxus im verderblichen Sinne“75 hervorbrachte. Zum anderen war die Putzsucht einer der möglichen Gründe dafür, warum (nicht nur) galizische Frauen potentiell für eine Tätigkeit als Prostituierte offen waren, weil sie das Verlangen nach Konsum unter den jungen Frauen, vor allem jener, die als Tänzerinnen, Kellnerinnen oder ähnlichem arbeiteten, schürte.76Dazu Pappenheim:
selbst und im Habsburgischen Reich befürworteten, laut Bristow, die Offiziellen immer wieder die kommerzielle Prostitution als eine Art friedvoller Konterrevolution. Vgl. Bristow, S. 54.
„Das ganze Elend des Kellnerinnenberufes [...] ist in Arbeitsbedingungen begründet, die ein Auskommen ohne sogenannten „unanständigen Nebenverdienst“ so gut wie unmöglich machen.“77
Die Annahme, daß junge Frauen in bestimmten exponierten Berufen besonders anfällig waren für ein Abrutschen in die Prostitution, war eine in der Ära derwhite slaveryweit- verbreitete Annahme.78 Man glaubte, daß Frauen, die sich prostituierten, eine höhere materielle Erwartung und eine niedrigere Toleranzschwelle für Arbeiten hatten, bei de- nen sie sich unterordnen mußten. George Kibbe Turner beispielsweise hielt in einem Artikel des Skandalblattes des amerikanischenProgressive Movement,„McClure“, aus dem Jahr 1907, die „low-paid employees of department stores and factories“ für beson- ders anfällig für eine mögliche Anwerbung zur Prostitution.79Bristow berichtet sogar, daß viele Komitees gegen den Mädchenhandel in ständigem Kontakt mit den Direktoren der großen Kaufhäuser in New York und dengrands magasinsin Paris standen.80
Hinter diesen Theorien und Auffassungen stand ein Phänomen, das im Zusammenhang mit dem Mädchenhandel für die Reaktion der Öffentlichkeit signifikant war: eine fast an Hysterie grenzende Panik dominierte in den meisten Ländern, vor allem England und den USA, den Umgang der Bevölkerung mit der Thematik.
Zumindest in England war einer der Hauptauslöser ein Artikel des Journalisten W.T. Stead aus dem Jahr 1885 über Kinderprostitution und Mädchenhandel, der dem Vorur- teil Nahrung gab, jüdische Immigranten aus Osteuropa seien weltweit die maßgebliche Quelle der white slavery. Diese Anschuldigungen erzürnten eine britische Öffentlich- keit, die schon allgemein durch die Propagierung von Moralreformen im Sinne des Puri- tanismus sensibilisiert worden war. Steads „Maiden Tribute to Babylon“ brachte eine Vielzahl von Anti-Prostitutions-Kampagnen, sozialen Reformorganisationen wie auch offiziellen Studien, Kommissionen und Gesetzen hervor, die sich allesamt die Ausmer- zung des „großen sozialen Bösen“ auf die Fahnen geschrieben hatten. Bereitwillige Un- terstützung fanden solche Strömungen in der englischen Arbeiterschaft, die die jüdi- schen Immigranten beschuldigte, an zunehmender Arbeitslosigkeit, Überbevölkerung und unhygienischen Lebensbedingungen Schuld zu sein. Auf Steads Artikel folgte eine Welle antisemitischer Zeitungsartikel, die reißerisch, dabei überwiegend fiktional, mit Halbwahrheiten durchsetzt und ostentativ mit jüdischen Namen gespickt, über die Schicksale unschuldig in die Prostitution geratener englischer Frauen und Mädchen be- richteten.81
Hier fanden die Ängste, die angesichts des tiefgreifenden sozialen Wandels, der im spä- ten 19. Jahrhundert in der westlichen Welt mit Urbanisierung, Industrialisierung und der Umformung der Gesellschaft nicht zuletzt durch die Migrationswellen bei vielen Men- schen Platz griffen, ein willkommenes Ventil. Die Angst vor dem Mädchenhandel traf mit einer großen Verunsicherung hinsichtlich potentieller Veränderungen der sexuellen Sitten - vor allem der junger alleinstehender Mädchen in großen Städten - zusammen und verdichtete sich in einer machtvollen sozialen Konstruktion möglicher Gefahren und Bedrohungen.82
Die Darstellung der in der white slavery lauernden Gefahren in unzähligen Artikeln, Monographien, Theaterstücken und Filmen diente zudem in erzieherischer Absicht da- zu, in einer Zeit, in der die Frau sich immer mehr zu emanzipieren begann, die weibli- che Sexualität als Kern von „Sein, Bewußtsein und Handlung“83zu regulieren und zu kontrollieren.84
Dementsprechend wurde, wie Jo Doezema überzeugend ausführt, ein kultureller Mythos konstruiert, dessen Mittelpunkt - das Paradigma der „weißen Sklavin“ - in das kollektive Bewußtsein vieler Gesellschaften Eingang fand.85
Dabei wurde die Frau als Opfer konstruiert, indem ihr jegliche Eigenverantwortung für ihr Handeln abgesprochen und ihre Unschuld als wichtigstes Attribut systematisch be- tont wurde: man unterstrich ihre Jugendlichkeit86 und/oder Jungfräulichkeit, ihre weiße Hautfarbe und ihre Unwilligkeit, eine Prostituierte zu sein.87Ihr gegenüber stand das Bild des bösen Mädchenhändlers, der, nur auf den eigenen Profit bedacht, gewissenlos auch nicht davor zurückschreckt, Jungfrauen zu versklaven. Notwendigerweise war er, um den perfekten Gegensatz zur „weißen Sklavin“ zu bilden, nicht weiß, beziehungs- weise nicht christlich. Sowohl in Amerika wie auch in Europa lag es so auf der Hand, Fremde und Ausländer, beziehungsweise speziell die Gruppe der Einwanderer, für den Mädchenhandel verantwortlich zu machen. Dadurch war es möglich, die jeweils eigene Nation von irgendeiner möglichen Schuld an den Vorgängen zumindest in der öffentli- chen Meinung reinzuwaschen.88
Hauptleidtragende dieser dualen Konstruktion des Mädchenhandels - Übertragung des „Bösen“ auf alles Fremde einerseits, Instrumentalisierung zur sozialen Kontrolle weibli- cher Sexualität andererseits - waren die Juden, die mit dem Stigma des Mädchenhänd- lers besonders behaftet waren. Im Rahmen der allgemeinen Verunsicherung und Hilflo- sigkeit gegenüber des Phänomens der Prostitution, vor allem in seiner Verknüpfung mit den Problemen der Masseneinwanderung, wurden sie zum universellen Sündenbock gemacht.89
4. Schluß
Die jüdische Beteiligung an Prostitution und Mädchenhandel ist eine historische Reali- tät. Die Auffälligkeit ihrer Rolle innerhalb der white slaverybasiert gerade auf dem Pa- radoxon, das die Formel Judentum-Prostitution auf den ersten Blick darzustellen scheint.
Wie dargestellt worden ist, wurde der schwere Vorwurf, daß ausländische Unternehmer Mädchenändlerringe unterhielten, zu einer populären Rechtfertigung für anti- immigratorische und antisemitische Strömungen. Der Versuch vieler Gesellschaften, die massiven sozialen Veränderungen in ein zweckmäßiges Erklärungsmuster einzuordnen und dadurch die Kontrolle über Kräfte, die eine potentielle Gefahr der eigenen Kultur mit ihren traditionellen Werten darstellten, wiederzuerlangen, führte dabei zur Bildung des kulturellen Mythos rund um Mädchenhandel und Prostitution und damit zur subjek- tiven Verzerrung der eigentlichen Ursachen des Phänomens. In diesem Prozeß kam dem Verhalten junger Frauen durch den Beginn der Emanzipation erhöhte Aufmerksamkeit zu. Die weitgreifenden sozialen und gesellschaftlichen Veränderungen eröffneten ihnen durch die Aufweichung elterlicher und gesellschaftlicher Kontrolle neue Möglichkeiten individueller Freiheit - und boten damit auch jenen neue Chancen, die diesen Sachver- halt auszunutzen bereit waren.
Die Tatsache, daß dieser Prozeß auch vor konfessionellen Schranken und besonders hohen moralischen Traditionen nicht halt machte, ist in der vorliegenden Arbeit gezeigt worden. Die Zugehörigkeit zum Judentum mit seinen strengen Sittlichkeitsgeboten und seiner autoritären sozialen Kontrolle durch die Gemeinschaft, war weder eine Gewähr für den Schutz vor sexueller Ausbeutung, noch ein Hemmnis für diejenigen Juden, die sich aktiv auf der Täterseite als Bordellbetreiber, Zuhälter und Mädchenhändler an der kommerziellen Prostitution beteiligten. Eine Differenzierung zwischen dieser tatsächli- chen Beteiligung an derwhite slavery, bei der Juden nur eine kleine Gruppe unter vielen ausmachten und der antisemitisch motivierten Übertreibung bis hin zur Unterstellung eines „Monopols“, muß jedoch bei der Beschäftigung mit der Thematik im Vordergrund stehen.
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[...]
1 Charles Dickens, An Appeal to Fallen Women, in: http://staff.albion.edu/engl/Diedrick/fall.htm, English Department at Albion College, Albion, 18. Februar 2001.
2Siehe Kapitel 3.3 „Psychosoziale Aspekte der jüdischen Prostitution“.
3Es ist problematisch, genaue Zahlen zu bestimmen, da eingrenzende Faktoren schwer festzulegen sind: zählt eine Halbtagsbeschäftigung als Prostituierte voll mit? Was ist mit geheimen, nicht registrierten Pros- tituierten - vor allem in Gegenden, wo die Polizei Registrierungen festschrieb? Vgl. Edward J. Bristow, Prostitution and Prejudice. The Jewish Fight against White Slavery 1870-1939, Oxford 1982, S. 23.
4Ebd.
5Dies gilt beispielsweise für Warschau, wo die russische Armee stark präsent war oder für Trembowla in Galizien, einem Ort, an dem eine kleinere Truppe österreichischer Kavallerie stationiert war. Vgl. Bristow, S. 51 f.
6 Friedrich Bohn, Prostitution und Mädchenhandel. Referat erstattet in der Sitzung des „Deutschen Nationalkomitees zur Bekämpfung des Mädchenhandels“, am 5. Mai 1906, Berlin 1906.
7Bristow, S. 29.
8Vgl. Bristow, S. 32. Dies galt vor allem für jüdische Prostituierte, die oftmals durch die Praxis der rituel- len Heirat völlig von ihrem Zuhälter abhängig waren. Siehe auch S. 16 zum Aspekt derstillah chuppah.
9Vgl. Constance A. Nathanson, Dangerous Passage: The Social Control of Sexuality in Women’s Adolescence, Philadelphia 1991, S. 31. Siehe auch Kapitel 3.3 „Psychosoziale Aspekte der jüdischen Prostitution“.
10 Vgl. M. Joan McDermott, Sarah J. Blackstone, White Slavery Plays of the 1910s: Fear of Victimization and the Social Control of Sexuality, in: Theatre History Studies 16, Juni 1996, S. 141-156, S. 142.
11Bristow, S. 27.
12Dieses Problem wurde zwar abgefedert durch die relativ liberale Haltung der Arbeiterklasse im allgemeinen bezüglich Sex vor der Ehe, in den überseeischen Siedlungsgebieten Nordamerikas oder Südafrikas fanden die Siedler in diesem Umstand aufgrund des Frauenmangels jedoch wenig Trost. Für Männer der Mittelklasse wurde das Problem durch die Tabuisierung unverheirateter Frauen der eigenen Klasse noch verschärft. Durch diese Tabuisierung - basierend auf der Trennung zwischen Sex, Liebe und Mutterschaft - wurde die Frau der Mittelschicht idealisiert, sexuell ästhetisiert und jegliche Erotik auf Prostituierte der Arbeiterklasse übertragen. Vgl. Bristow, S. 28.
13Verwendet wurde er, nach Bristow, zum ersten Mal in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Vgl.
Bristow, S. 35. Der Londoner Reformer Michael Ryan bezog sich mit ihm - in einem klar antisemitischen Kontext - auf eine lokale Kampagne gegen die kommerzielle Prostitution: „...that the infernal traffic in question is carried out to a great extent, principally by Jews. These white-slave dealers trepan young girls into their dens of iniquity, sell them to vile debaucheries...“ Micheal Ryan, Philosophy of Marriage, London 1839, S. 28.
14 Die offiziellen deutschen und französischen Übersetzungen „Mädchenhandel“ und „Traites des Blan- ches“ implizieren wiederum Unterschiedliches und geben die Konnotation „Sklave“ oder „Sklaventum“ nicht wie der englische Begriff wieder. Vgl.: Jo Doezema, Loose Women or Lost Women? The Re- emergence of the Myth of „White Slavery“ in Contemporary Discourses of „Trafficking in Women“, in: http://www.walnet.org/csis/papers/doezema-loose.html, Commercial Sex Information Service, Vancouver, 18. Februar 2001. Für einige Reformer der Zeit bedeutete „white slavery“ jegliche Prostituti- on, andere sahen Prostitution und Mädchenhandel als zwei verschiedene, aber miteinander verwandte Phänomene an. Andere unterschieden zwischen Bewegung innerhalb eines Landes (kein Mädchenhandel)
15Frederick K. Grittner, White Slavery: Myth, Ideology and American Law“, New York; London 1990,
S. 5.
16Doezema.
17Siehe S. 16.
18McDermott, Blackstone, S. 150.
19 „It was not enough of an evil that the prostitutes, pimps and owners of brothels were foreigners. It was thought that they were introducing special forms of perversions and depravity, which generated the slang „French“ for oral sex and „Greek“ for anal sex, and that these practices would corrupt the youth of America.“ David J. Langum, Crossing Over the Line: Legislating Morality and the Mann Act, Chicago 1994, S. 18.
20Siehe Kapitel 3.3 „Psychosoziale Aspekte der jüdischen Prostitution“.
21DasPale of Jewish Settlementbeheimatete während seines Bestehens von 1835 bis 1917 nach einer Volkszählung im Jahr 1897 knapp fünf Millionen Juden, die 11,6 % der Gesamtbevölkerung stellten. Siehe The Jewish Student Online Research Center (JSOURCE), The Jewish Pale of Settlement, in: http://www.israeltour.org/jsource/History/Pale.html, , 18. Februar 2001.
22Eine detaillierte Beschreibung dieser Vorgänge in Rußland würde den Umfang dieser Arbeit sprengen. Eine gute und profunde Darstellung bietet z.b. Klier. Vgl. John D. Klier, Russian Jewry on the Eve of the Pogroms, in: John Klier (Hrg.), Pogroms: Anti-Jewish Violence in modern Russian History, Cambridge 1992, S. 3-13.
23 Klier, S. 4.
24Dieses Monopol basierte ursprünglich auf der Pacht feudaler Privilegien der polnischen Landherren.
25Dieser Abschnitt vgl. Klier, S. 7 f.
26Bristow vertritt die These, daß ohne die Mißstände in der Region die jüdische Beteiligung am multinationalen Mädchenhandel weit geringer ausgefallen wäre. Vgl. Bristow, S. 48.
27Ein Blick auf die Kriminalstatistik relativiert jedoch den potentiellen Eindruck des sich in kriminelle
Machenschaften flüchtenden Juden: für Warschau im Zeitraum 1842 bis 1853 liegen jeweils folgende
Zahlen für den Anteil der inhaftierten Juden bei einschlägigen Vergehen vor: Beihilfe zur Desertion
(52,3%), Zuwiderhandlung gegen Polizeiverordnungen (30,4%), Betrug (49,8%), Schmuggel (74,7%)
und Raub (54,9%). Gar nicht vertreten sind Juden bei Mord, Falschmünzerei und Amtsmißbrauch. Die
Zahlen verdeutlichen also, daß die einschränkenden Gesetzesmaßnahmen und die verheerende wirtschaft- liche Lage direkt zu hohen Kriminalitätszahlen im Vergleich zu beispielsweise Deutschland führten. Vgl. Andrea Ehrlich, Das Schtetl. Wirtschaftliche und soziale Strukturen der ostjüdischen Lebensweise, Teil IV, in: http://hagalil.com/galluth/au3.htm, Judentum in Europa, 18.Februar 2001.
28 Stephen D. Corrsin, Warsaw before the First World War: Poles and Jews in the Third City of the Russian Empire 1880-1914, New York 1989, S. 16.
29Die Vorgänge waren Ausdruck eines Prozesses, den Bristow als „Klassenkampf“ bezeichnet: die jüdische Arbeiterschicht war nicht länger bereit, die gut organisierte, mächtige und von unter anderem der Polizei unterstützte Unterwelt einfach so zu akzeptieren. Ein Mittel, um sich zur Wehr zu setzen, war die Gründung desJüdischen Bundesim Jahr 1897, dessen Ziel nicht nur der Kampf gegen Pogromisten, sondern auch gegen Kriminelle aus den eigenen Reihen war. Vgl. Bristow, S. 58 f.
30Statistique de L’Empire de Russie. XIII. La Prostitution à la date du 13 Août 1889, ed. A. Doubrowsky, Publication du Comté Central de Statistique, Ministère de L’Intérieur, St. Petersburg 1980.
31Bristow, S. 55.
32„Since prostitutes were given permission to live in the big cities regardless of their nationality, Jewish girls wanting to gain a resident’s licence in a city where they could enrol in a university could obtain this privilege through the acquisition of the so called Yellow Ticket.“ Joachim Schoenfeld, Shtetl Memoirs. Jews in Galicia under Austria and in the Reborn Poland 1898-1939, Hoboken 1985, S. 71.
33Ebd. Bristow merkt an, daß die jungen Frauen in diesen Fällen bisweilen gezwungen wurden, als Prostituierte zu arbeiten, liefert allerdings keine Beweise für diese Aussage.
34Klier, S.9
35 Sie sollten „learning the prayer over the candles or studying secular objects at home with an indulgent and ,enlightened` father.“ Naomi Shepherd, A Price Below Rubies: Jewish Women as Rebels and Radicals, reviewed by Ellen Rifkin, in: http://www.pond.net/~ckinberg/bridges/backissues/rubies.html, Bridges. A Journal for Jewish Feminists and Our Friends, Bd. 4, Nr. 2 (1994), Eugene 18. Februar Januar 2001.
36Shepherd zeigt weiterhin auf, daß aufgrund dieser Verhältnisse, in denen der Wissensdurst gleichzeitig stimuliert und unterdrückt wurde, jüdische Frauen besonders zugänglich für revolutionäres Gedankengut waren und sich im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung überdurchschnittlich stark in radikalen Bewegungen engagierten. Das Verbot, den Talmud zu studieren, wurde durch die Verinnerli- chung revolutionärer Doktrinen kompensiert. Vgl. Shepherd. Auch Bristow unterstützt diese These, be- legt mit ihr aber nicht die Disposition für radikale Umtriebe, sondern die Offenheit für weltliche Einflüs- se, also die Anfälligkeit für Anwerbungen von Zuhältern, Bordellbetreibern oder Mädchenhändlern. Vgl. Bristow, S. 51.
37Bertha Pappenheim, Die Anna O., Sisyphus: gegen den Mädchenhandel - Galizien. Auswahl von Re- den, Aufsätzen und Schriften zur Bekämpfung des Mädchenhandels, hrg. v. Helga Heubach, Freiburg i. Br. 1992, S. 111.
38 Pappenheim, S. 112.
39Linda Gordon Kuzmack, Women’s Cause. The Jewish Movement in England and the United States, 1881-1933, o.O. 1990, S. 58.
40Bristow, S. 3.
41Jüdische Gemeindeführer behaupteten, daß es keine jüdischen Prostituierten gäbe, trotzdem riskierte jeder, der diese angeblich nichtexistenten Frauen kontaktierte, die Ächtung der gesamten Gemeinde. Vgl. Kuzmack, S. 57.
42Bertha Pappenheim, S. 109.
43 Kuzmack, S. 55 f. Die Weigerung der überwiegenden Zahl der jüdischen Gemeinden, Prostitution als auch jüdisches Problem anzuerkennen, erschwerte die Arbeit jener Juden, die sich diesbezüglich enga- gierten. Das Problem betraf vor allem jüdische Frauen, wie zum Beispiel die Gründerin der Jewish Asso- ciation for the Protection of Girls and Women, Constance Rothschild Battersea, weil das traditionelle Judentum intensiv dagegen Widerstand leistete, einer Frau einen Platz im öffentlichen Leben zuzugeste- hen. Vgl. Kuzmack, S. 62. Folgerichtig verursachte auch so mancher Vortrag Bertha Pappenheims einen
44Bristow, S. 5.
45Bristow, S. 7.
46Bristow, S. 19.
47Ebd.
48Dies basierte auf einem Programm der ICA, das Mitte des 19. Jahrhunderts Juden aus Osteuropa ins Land zu bringen suchte. Die Mehrzahl der dadurch ins Land strömenden Einwanderer waren unverheiratete Männer „who were leaving their families in their native countries with the hope of gathering sufficient funds to send for them soon after.“ Nora Glickman, The Jewish White Slave Trade and the Untold Story of Raquel Liberman, New York; London 2000, S. 4.
49 „They had free access to the ports, could climb aboard the arriving boats, and even remove by force those girls who offered any resistance, without facing any struggle from the authorities.“ Glickman, S. 3.
50Pappenheim, S. 106.
51Glickman, S. 4.
52Michael Gold führt für Amerika aus, daß auch einheimische Mädchen potentielle Kandidatinnen für
nach Opfern suchende Mädchenhändler und Zuhälter waren: „...the pimps were hunters. A pretty girl
grwoing up on the East Side was marked by them. They watched her fill out, grow tall, take on the sex
bloom. When she was fifteen, they schemed to trap her...Pimps infested the dance halls. Here they picked up the romantic factory girls who came after the day’s work.“ Michael Ryan, Jews Without Money, New York 1932, S. 92. Unterschwellig spricht Gold hier die Notion einer potentiellen Gefahr für junge Frauen, die zweifelhafte öffentlichen Orte aufsuchen, an. Diese Praxis des versteckten moralischen Zeigefingers wurde immer wieder in dem Versuch verwendet, weibliche Sexualität und sittliches Verhalten zu steuern und zu kontrollieren. Siehe auch S. 22.
53McDermott, Blackstone, S. 144.
54 Vgl. Bristow, S. 25.
55Mordechai Alpersohn, Dreissig Jahre in Argentina, Bd.1, Berlin 1932, zitiert in: Glickman, S. 4.
56Pappenheim, S. 123.
57Das Problem korrupter, bestechlicher und laxer Offizieller war weit verbreitet und leistete nicht nur in Buenos Aires den Mädchenhändlern Vorschub, sondern war vielmehr den Systemen staatlich regulierter Prostitution in den meisten Ländern inhärent. Die Korruption war ein solch fester Bestandteil des Komplexes Prostitution und Mädchenhandel, daß er nicht selten in Theaterstücken thematisiert wurde und der korrupte Inhaber eines öffentlichen Amtes häufig auf den Besetzungslisten auftauchte. McDermott und Blackstone weisen darauf hin, daß auch hinter dieser Form der Korruption meistens finanzielle Interessen standen. Vgl. McDermott, Blackstone, S. 151.
58Glickman, S. 7.
59Donna Guy, Sex and Danger in Buenos Aires, Lincoln 1991, S. 104.
60Bristow spricht von gelegentlichen Fällen, in denen der Bordellbesitzer den Talmud studierte. Vgl. S.
51.
61Mirelman beschreibt in seinem Werk den ostentativ luxuriösen Lebensstil dieser Gruppen so: „They
wear enormous diamonds, they attend the theatre or the opera daily. They hold their own clubs, were the „merchandise“ is classified, auctioned and sold. [...] They feel comfortable in the Jewish neighbourhood knowing that many of the tailors, shop-keepers, and jewellers depend on them as clients.“ Victor
62Glickman, S. 7.
63Glickman, S. 8.
64 Albert Londres, The Road to Buenos Ayres, New York 1928, S. 241.
65Londres, S. 170.
66Londres, S. 171.
67 Kuzmack, S. 57.
68Ebd.
69Pappenheim, S. 114.
70Der von ihr im Anschluß an diese Reise verfaßte Bericht „Zur Lage der jüdischen Bevölkerung in Galizien“ von 1904 war die erste Darstellung des jüdischen Mädchenhandels in Galizien sowie seiner Ursachen aus der Sicht einer Jüdin. Vgl. Pappenheim, S. 106.
71 Bristow, S. 67. Bristow führt für diese Praxis vor allem den russischen Generalgouverneur Fedor Berg an, der die Einrichtung von Bordellen unterstützte, um dadurch Warschau zu befrieden. Auch in Rußland
72In Lemberg, der Hauptstadt Ostgaliziens, fand 1892 der größte, längste und bekannteste Mädchenhandelprozess statt. 27 Mädchenhändler wurden angeklagt, von denen 22 wegen Handel und Zuhälterei von mindesten 29 Frauen verurteilt wurden. Bristow berichtet vom immensen Zuschauerinteresse des als „the dreadful white-slavery trial“ bekanntgewordenen Prozesses und interpretiert den Prozeß als Wendepunkt im Gebrauch der Thematik durch den Antisemitismus. Vgl. Bristow, S. 73 f.
73„In engen, nie gelüfteten Räumen, zusammengedrängt wie die Schafe in einem Pferch, sitzen, stehen oder kauern die Kinder, sechzig, achtzig, hundert an der Zahl, auf oder zwischen den Bänken.“ Pappen- heim, S. 50.
74Pappenheim, S. 48.
75Ebd.
76 Ein britischer Arzt äußerte sich in den 1870ern so zu diesem Thema: „I will give my opinion as to what encourages prostitution: idleness and the love of finery.“ Zitiert in Bristow, S. 24.
77Pappenheim, S. 32. In diesem Zusammenhang wies Pappenheim auch darauf hin, daß jeweils dreißig Prozent der unehelichen Kinder von Dienstboten und Kellnerinnen stammten. Das Problem der zunehmenden Zahl unehelich geborener jüdischer Kinder berührte sie aufgrund ihrer Tätigkeit als Leiterin derIsraelischen Waisenanstaltin Frankfurt am Main besonders. Pappenheim, S.23.
78Gertraud Zull hat dieses Phänomen in einem aufschlußreichen Werk untersucht. Demnach glaubte man um die Jahrhundertwende, daß bei Dienstmädchen durch die äußeren Bedingungen eine besondere „psy- chische Disposition“ zu einem „sexuellen Fehlverhalten“ geschaffen würde. Die beständige Unterdrü- ckung der Persönlichkeit unterminiere, so der Glaube, das Selbstbewußtsein der Dienenden systematisch und schwäche die sittliche Widerstandskraft in hohem Maße. Vgl. Gertraud Zull, Das Bild des Dienst- mädchen um die Jahrhundertwende. Eine Untersuchung der stereotypen Vorstellungen über den Chara k- ter und die soziale Lage des städtischen weiblichen Hauspersonals, tuduv-Studien, Reihe Kulturwissen- schaften, Bd. 11, München 1984, S. 179.
79 Turner sprach auch von einer „loosely organized association [...],largely composed of Russian Jews“, die angeblich die Bordelle in Chicago unterhielt und dabei von der lokalen Stadtverwaltung unterstützt wurde. George Kibbe Turner, The City of Chicago: A Study of the Great Immoralities, in: McClure’s Magazine 28 (April 1907), S. 581-582.
80Bristow, S. 26.
81Auf den Aspekt des sich als unmittelbare Reaktion auf den Mädchenhandel verstärkenden Antisemi- tismus kann hier nicht näher eingegangen werden. Er bildet innerhalb der Thematik, wie auch die Anti- Prostitutions- und Frauenbewegungen sowie der jüdische Feminismus, eine komplexe Forschungseinheit für sich.
82Mark Thomas Connelly erweitert diesen Aspekt um die These der - vor allem amerikanischen - Angst vor einem Verlust individueller Freiheit und vor diesbezüglichen Konspirationen, die sich in der Furcht vor derwhite slaveryund ihrem Konzept eines internationalen Handels konzentrierten. Siehe Mark Thomas Connelly, The Response to Prostitution in the Progressive Era, Chapel Hill 1990. Auch David Langum verweist auf diesen Aspekt: „Worst yet, playing on the Progressive’s fear of large enterprise, the whole thing [der Mädchenhandel] was thought controlled by an far-flung, evil syndicate running the evil as a business.“ Langum, S. 27.
83Kathy Peiss, Christina Simmons, Passion and Power: Sexuality in History, Philadelphia 1989, S. 4.
84 Foucault weist darauf hin, daß soziale und politische Kräfte von jeher bemüht darum waren und sind, den Ausdruck von Sexualität zu kontrollieren. Vgl. Michel Foucault, The History of Sexuality, Bd. 1, New York 1978, S. 53.
85Doezema, S. 4. Grittner spricht in diesem Zusammenhang die rhetorisch-soziale Kraft dieses Mythos an, den die verschiedenen Reformbewegungen von Abolitionisten über die Feministen um Josephine Butler bis hin zu den „Regulationists“ bald für sich entdeckten und in der Folge instrumentalisierten, um ihre jeweiligen Zielgruppen zu beeinflussen, indem er zum Bestandteil ihrer Kampagnen wurde. Vgl. Grittner, S. 41.
86Dieser äußerst zugkräftige Faktor des geringen Alters und der Unmündigkeit der Opfers wurde von
Anfang an gebraucht: Steads „Maiden Tribute to Babylon“ etwa bediente sich, wie erwähnt, des extremen Motivs der Kinderprostitution. Corbin bringt es auf den Punkt: „[It was] the martyrdom of virginity... not the fact of women being sold, but the idea of the virgin ravished that aroused its rather salacious disapproval.“ Corbin, S. 291.
87McDermott, Blackstone, S. 146.
88Doezema, S. 8.
89 Bristow, S. 45.
- Quote paper
- Katharina Kleppe (Author), 2000, Judentum und Prostitution in der Ära der "white slavery", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103440
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