Welche Handlungsmaßnahmen stehen den Schulen zur Verfügung, um Übergewicht und Adipositas entgegenzuwirken? Wie wirksam sind diese Maßnahmen? Dies soll im Rahmen dieser Hausarbeit erläutert werden.
Um eine theoretische Ausgangsbasis für die weiteren Ausführungen zu schaffen, werden im ersten Kapitel die beiden Phänomene Übergewicht und Adipositas begrifflich erschlossen und verschiedene Klassifikationsmöglichkeiten aufgezeigt. An die „Definition und Klassifikation“ schließt sich in Kapitel 2 die „Prävalenz“ an. Hierbei wird ein Überblick über die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas in Deutschland sowie weltweit gegeben. Die Frage nach wirksamen Präventions- und Interventionsmaßnahmen lässt sich nur nach Klärung der Folgen und Ursachen der Adipositas bei Kindern und Jugendlichen beantworten.
In Kapitel 3 werden die körperlichen und psychosozialen Auswirkungen, die Übergewicht und Adipositas zur Folge haben, dargestellt und erörtert. Die Folgen zeigen deutlich auf, dass eine Prävention unabdingbar ist. Nach Erläuterung der körperlichen und psychosozialen Folgen werden im vierten Kapitel die Ursachen vorgestellt. Hier spielen neben genetischen Faktoren auch fehlerhafte Faktoren des Lebensstils wie z.B. Bewegungsmangel eine entscheidende Rolle. Auch sie unterstreichen die Notwendigkeit der Prävention.
In Deutschland existieren zahlreiche Präventionsmaßnahmen. Sie alle vorzustellen, würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit überschreiten. Das fünfte Kapitel umfasst deshalb eine Auswahl an präventiven Interventionsmaßnahmen, mit der Übergewicht und Adipositas in der Schule präventiv begegnet wer den kann. Die exemplarisch ausgewählten Präventionsmaßnahmen werden durch Erläuterung der Grundlagen, der Inhalte und Ziele sowie der Wirksamkeit erkundet.
Eine Zusammenfassung und ein Ausblick beschließen die Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Einleitung
1 Definition und Klassifikation
1.1 Abgrenzung der Adipositas von Ubergewicht
1.1.1 Der Korperfettanteil
1.1.2 Der Body-Mass-Index
1.1.3 Perzentile und BMI - Referenzwerte fur Kinder und Jugendliche
1.2 Formen der Adipositas
1.2.1 Primare und sekundare Adipositas
1.2.2 Gynoide und abdominale Adipositas
2 Pravalenz
2.1 Die Datenlage in Deutschland
2.1.1 Ergebnisse der KiGGS-Studie
2.1.2 Schuleingangsuntersuchungen
2.1.3 Korpergewicht von Einschulungskindern in Kassel
2.2 Internationale Pravalenzzahlen
3 Folgen
3.1 Korperliche Folgeerkrankungen
3.2 Psychosoziale Belastungen
3.2.1 Soziale Diskriminierung und Hanseleien
3.2.2 Selbstkonzept und Selbstwertgefuhl
3.2.3 Lebensqualitat
3.2.4 Psychische Storungen
4 Ursachen
4.1 Genetische Faktoren
4.2 Lebensbedingungen und Lebensstil
4.2.1 Verlust der sozialen Funktion von Essen
4.2.2 Standige Verfugbarkeit von Nahrung
4.2.3 Bewegungsmangel
4.2.4 Soziale Lage der Familie
4.2.5 Werbung fur ungesunde Lebensmittel
4.2.6 Weitere Risikofaktoren
5 Preventions- und InterventionsmaBnahmen in der Schule
5.1 Begriffserklarung und Klassifikation praventiver MaBnahmen
5.1.1 Pravention
5.1.1.1 Primare Pravention
5.1.1.2 Sekundare Pravention
5.1.1.3 Tertiare Pravention
5.1.1.4 Verhaltnispravention
5.1.1.5 Verhaltenspravention
5.2 Exemplarisch ausgewahlte schulbasierte Praventionsprogramme
5.2.1 Das CHILT Proj ekt - Children s Health InterventionaL Trial
5.2.1.1 CHILT I
5.2.1.1.1 Interventionsinhalte
5.2.1.1.2 Interventionsteilnehmer und Studiendesign
5.2.1.1.3 Erhebung der anthropometrischen Daten
5.2.1.1.4 Motorische Testverfahren
5.2.1.1.5 Ergebnisse
5.2.1.1.6 Diskussion
5.2.2 CHILT II
5.2.2.1 Interventionsinhalte
5.2.2.2 Interventionsteilnehmer und Studiendesign
5.2.2.3 Erhebung der Daten
5.2.2.4 Ergebnisse
5.2.2.5 Diskussion
5.2.3 Teenager ohne pfundige Probleme (TOPP)
5.2.3.1 Interventionsinhalte
5.2.3.2 Interventionsteilnehmer und Studiendesign
5.2.3.3 Erhebung der Daten
5.2.3.4 Ergebnisse
5.2.3.5 Diskussion
Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Formel Body-Mass-Index
Abbildung 2: Beispiel
Abbildung 3: Perzentilkurve fur Madchen
Abbildung 4: Perzentilkurve fur Jungen
Abbildung 5: Erscheinungsbild der abdominalen und gynoiden Adipositas ... 18 Abbildung 6: Teufelskreis zwischen Ablehnung, Isolation und immer mehr Essen als Trost
Abbildung 7: Gewichtsentwicklung in Abhangigkeit von Energieaufnahme und Energieverbrauch
Abbildung 8: BMI und Intrapaar-Korrelation bei ein- und zweieiigen Zwillingen, die gentrennt und gemeinsam aufgewachsen sind
Abbildung 9: Phanotyp einer obese-Maus (links)
Abbildung 10: Formel zur Berechnung des SDS
Abbildung 11: Ablauf und Inhalte des Programms TOPP
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: BMI-Grenzwerte fur Erwachsene
Tabelle 2: Ubergewicht und Adipositas in verschiedenen Altersgruppen.
Tabelle 3: Adipositas und Ubergewicht bei Schuleingangsuntersuchungen 2004/05-2006/
Tabelle 4: Pravalenz von Adipositas und Ubergewicht bei 15-jahrigen Jungen und Madchen im internationalen Vergleich 2001/
Tabelle 5: Daten der Eingangsuntersuchung, Unterschiede in den anthropometrischen Daten zwischen den Interventionsschulen (IS) und Kontrollschulen (KS)
Tabelle 6: Veranderungen beim BMI und bei den motorischen Testergebnissen in den verschiedenen BMI-Klassifikationen zu Studienbeginn
Tabelle 7: Anstieg des BMI und der Ergebnisse der motorischen Tests nach Engagement der Interventionsschulen
Einleitung
„Leon fuhlt sich in seiner Haut nicht wohl. Er weifi zwar nicht genau, womit das zusammenhangt, aber immer wieder hort er von seinen Mitschulern Satze wie „Da kommt ja das Walross! oder „Mein Gott bist du fett! “ Aufier- dem sitzt Leons Kleidung immer eng, gerne mochte er auch so eine schicke Jeans haben, aber da passt er nicht rein. Diese ganzen Hanseleien bringen ihn ganz durchei- nander. Oft ist er auch wutend daruber und manchmal auch traurig. Wenn es in der Schule wieder besonders schlimm war, kommt er nach Hause und will nur seine Ruhe haben und entspannen. Am besten geht das vor dem Computer oder Fernseher. Dann holt er sich erst mal Chips oder Schokolade und isst sie nebenbei. Nach einiger Zeit fuhlt er sich besser. Und mit den anderen Kindern spielen oder sich treffen mag Leon auch nicht mehr. Die konnten ja wieder gemeine Dinge sagen. Aufierdem hat Leon gemerkt, dass er nicht so schnell rennen kann wie die anderen, er kommt schnell aus der Puste. Und dann lastern die anderen noch mehr. Also bleibt er lieber allein fur sich. Oft ist ihm langweilig. Leon hat gemerkt, dass wenn er wutend oder traurig ist oder Langeweile hat, Essen eine gute Beschaftigung ist. Das scheint ihm gut zu tun, es lenkt ihn ab und entspannt ihn“ (Petermann & Warschburger, 2007, S. 7f.).
So oder ahnlich wie Leon ergeht es heute vielen ubergewichtigen und adiposen Kindern und Jugendlichen. Sie erfahren bereits im Kindergarten die ersten Diskriminierungen. Hier werden sie gehanselt und durchleben die ersten Aus- grenzungen. Sie bekommen zu spuren, dass etwas mit ihrem Aussehen nicht stimmt. Damit nimmt dann auch das groBe Leid seinen Anfang. Zu bemerken, nicht gemocht und ausgegrenzt zu werden, ist eine negative und schmerzhafte Erfahrung. Mit dem Eintritt in die Schule bleibt die Diskriminierung nicht nur bestehen, sie erlangt auch an Intensitat. Je groBer und alter die Kinder werden, umso verletzender und rucksichtsloser werden sie wegen des Ubergewichts von ihren Klassenkameraden gehanselt (vgl. Dinges, Worm & Grau, 2003, S. 7).
In meiner spateren Berufspraxis werde ich als angehende Lehrkraft mit groBer Wahrscheinlichkeit auch ubergewichtige und adipose Schulerinnen und Schuler in meinen Klassen vorfinden. Dabei werde ich mit schwierigen padagogi- schen Problemen konfrontiert werden. Der Umgang mit Hanseleien stellt nur eins von zahlreichen Beispielen dar (vgl. Mohn, Zollner & Muller, 2007, S. 9). Die Institution Schule wird das Problem allein nicht meistern konnen. Es be- darf ausgebildeter Fachkrafte und der Zusammenarbeit mit den Eltern der be- troffenen Kinder und Jugendlichen. Doch welche HandlungsmaBnahmen ste- hen den Schulen zur Verfugung, um Ubergewicht und Adipositas entgegenzu- wirken? Wie wirksam sind diese MaBnahmen? Dies soll im Rahmen meiner wissenschaftlichen Hausarbeit „Ubergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen - Wie wirksam sind Praventions- und InterventionsmaBnahmen in der Schule?“ erlautert werden. Daruber hinaus mochte ich beim Leser Ver- standnis fur die Schwierigkeiten der von Adipositas und Ubergewicht Betrof- fenen erzeugen und so bewirken, dass Stigmatisierungen und Vorurteile ver- mindert werden.
Um eine theoretische Ausgangsbasis fur die weiteren Ausfuhrungen zu schaf- fen, werden im ersten Kapitel die beiden Phanomene Ubergewicht und Adipo- sitas begrifflich erschlossen und verschiedene Klassifikationsmoglichkeiten aufgezeigt.
An die „Definition und Klassifikation“ schlieBt sich in Kapitel 2 die „Prava- lenz“ an. Hierbei wird ein Uberblick uber die Verbreitung von Ubergewicht und Adipositas in Deutschland sowie weltweit gegeben.
Die Frage nach wirksamen Praventions- und InterventionsmaBnahmen lasst sich nur nach Klarung der Folgen und Ursachen der Adipositas bei Kindern und Jugendlichen beantworten. In Kapitel 3 werden die korperlichen und psy- chosozialen Auswirkungen, die Ubergewicht und Adipositas zur Folge haben, dargestellt und erortert. Die Folgen zeigen deutlich auf, dass eine Pravention unabdingbar ist.
Nach Erlauterung der korperlichen und psychosozialen Folgen werden im vier- ten Kapitel die Ursachen vorgestellt. Hier spielen neben genetischen Faktoren auch fehlerhafte Faktoren des Lebensstils wie z.B. Bewegungsmangel eine entscheidende Rolle. Auch sie unterstreichen die Notwendigkeit der Praventi- on.
In Deutschland existieren zahlreiche PraventionsmaBnahmen. Sie alle vorzu- stellen, wurde jedoch den Rahmen dieser Arbeit uberschreiten. Das funfte Ka- pitel umfasst deshalb eine Auswahl an praventiven InterventionsmaBnahmen, mit der Ubergewicht und Adipositas in der Schule praventiv begegnet werden kann. Die exemplarisch ausgewahlten PraventionsmaBnahmen werden durch Erlauterung der Grundlagen, der Inhalte und Ziele sowie der Wirksamkeit er- kundet.
Eine Zusammenfassung und ein Ausblick beschlieBen die Arbeit.
1 Definition und Klassifikation
1.1 Abgrenzung der Adipositas von Ubergewicht
Die Begriffe Adipositas und Ubergewicht werden im deutschen Sprachge- brauch sowie in der Fachliteratur trotz ihrer unterschiedlichen Bedeutung hau- fig synonym gebraucht. Die fruher verwendeten Begriffe „Fettsucht“ und „Fettleibigkeit“ haben heute einen stark diskriminierenden Charakter und sind aufgrund des nicht bestatigten Zusammenhangs mit den „Suchten“ zu vermei- den (vgl. Warschburger & Petermann, 2008a, S. 1).
Im Folgenden wird eine Differenzierung der Begrifflichkeiten „Adipositas“ und „Ubergewicht“ vorgenommen. Es werden verschiedene Moglichkeiten zur Abgrenzung der beiden Begriffe dargestellt.
1.1.1 Der Korperfettanteil
Eine Moglichkeit zur Unterscheidung von Adipositas und Ubergewicht ergibt sich hinsichtlich des Korperfettanteils. So spricht man von Adipositas, wenn das Ubergewicht mit einem erhohten Anteil an Fettmasse einhergeht und negative Folgen fur die Gesundheit hat. Ubergewicht wird hingegen durch ein ober- halb der Alters- und Geschlechtsnormen liegendes Korpergewicht definiert (vgl. Warschburger & Petermann, 2008b, S. 535). „Diese relative Gewichtszu- nahme ist zwar zumeist, jedoch nicht notwendigerweise auf einen erhohten Korperfettanteil zuruckzufuhren“ (Kopczynski, 2008, S. 25). Im Unterschied zu Adipositas kann Ubergewicht auch durch einen hohen Anteil an Muskelge- webe zustande kommen. Dies zeigt sich deutlich am Beispiel von Bodybuil- dern, die eine erhohte Korpermasse, aber nicht zu viel Korperfett haben (vgl. Warschburger, Petermann & Fromme, 2005, S. 12). Demzufolge kann gesagt werden, dass Adipositas in den meisten Fallen mit Ubergewicht verbunden ist, aber Ubergewichtige nicht unbedingt adipos sein mussen, da das Korperge- wicht ebenso durch einen hohen Anteil an Muskelgewebe zustande kommen kann (vgl. Kromeyer-Hauschild, 2005, S. 4).
1.1.2 Der Body-Mass-Index
Eine weitere Form zur Differenzierung von Adipositas und Ubergewicht be- steht in der Verwendung der einfach messbaren Parameter „K6rpergroBe“ und „Korpergewicht“ und des daraus abgeleiteten Body-Mass-Index (BMI), der sich zur Abschatzung des Korperfettanteils weltweit durchgesetzt hat (vgl. Wabitsch, 2006, S. 7). Der Body-Mass-Index wird berechnet, indem man das Korpergewicht (in kg) durch das Quadrat der KorpergroBe (in m2) dividiert (vgl. Lehrke & Laessle, 2009, S. 3). Abbildung 1 veranschaulicht die Formel:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Formel Body-Mass-Index (erstellt nach Petermann & Warschburger, 2007, S. 9).
Erklart an einem Beispiel: Der zehnjahrige Tom hat eine KorpergroBe von 1,57 m und ein Korpergewicht von 65 kg. Setzt man diese Angaben in die BMI- Formel ein, so kommt man auf einen BMI von 26,42 (s. Abbildung 2) (vgl. Petermann & Warschburger, 2007, S. 10).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Beispiel (erstellt nach Petermann & Warschburger, 2007, S. 10).
Doch was genau bedeutet dieser errechnete BMI-Wert? Bei Erwachsenen ist die Beurteilung etwas einfacher als bei Kindern und Jugendlichen (vgl. Peter- mann & Warschburger, 2007, S. 10). Zur Einteilung in Untergewicht, Normal- gewicht, Ubergewicht und verschiedene Grade der Adipositas gelten fur den Erwachsenenbereich feste BMI-Grenzwerte, die von der WHO (Weltgesund- heitsorganisation) 1997 definiert wurden. Nach dieser Klassifikation sind Er- wachsene bis zu einem BMI von 24.9 normalgewichtig und ab einem Wert von 25 ubergewichtig. Bei einem BMI von 30 wird von Adipositas gesprochen, wobei hier noch einmal zwischen verschiedenen Klassen (Adipositas Grad I, II und III) differenziert wird (vgl. Goldschmidt, 2006, S. 230). Eine Trennung nach dem Geschlecht ist nicht notwendig (vgl. Hauner, 2003, S. 538). Die fol- gende Tabelle listet die unterschiedlichen Gewichtsklassen auf.
Tabelle 1: BMI-Grenzwerte fur Erwachsene (erstellt nach Warschburger & Petermann, 2007, S. 10).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1.1.3 Perzentile und BMI - Referenzwerte fur Kinder und Ju- gendliche
Auch im Kindes- und Jugendalter wird die Adipositas durch den BMI definiert. Dabei erfolgt die Berechnung des BMI zwar genauso wie bei Erwachsenen, allerdings wird der ermittelte Wert anders interpretiert (vgl. Warschburger & Petermann, 2007, S. 10). Durch die Pubertatsentwicklung und das Wachstum und den damit verbundenen Anderungen der Korperzusammensetzung unter- liegt der BMI bei Kindern und Jugendlichen typischen alters- und geschlechts- spezifischen Veranderungen (vgl. Kromeyer-Hauschild, 2005, S. 4f.). Der BMI liefert zwar einen ersten Anhaltspunkt, als alleiniges MaB reicht er jedoch nicht aus: Der genaue BMI-Wert eines Kindes bzw. Jugendlichen muss noch mit den Durchschnittswerten seiner Altersgruppe in Beziehung gesetzt werden (vgl. Warschburger & Petermann, 2007, S. 10).
Damit man einen Vergleich mit der Altersgruppe ziehen kann, hat Kromeyer- Hauschild et al. 17147 Jungen und 17275 Madchen im Alter von 0-18 Jahren aus 17 Untersuchungen in verschiedenen Regionen Deutschlands „vermessen“ und daraus reprasentative Werte, die Norm, abgeleitet (vgl. Kromeyer- Hauschild, 2005, S. 5). Die BMI-Werte sind in 100 feine Abschnitte unterteilt worden, den sogenannten Perzentilen (vgl. Warschburger & Petermann, 2007, S. 11). „Das jeweilige Perzentil gibt an, wie viel Prozent der gleichaltrigen Kinder gleichen Geschlechts einen niedrigeren BMI-Wert aufweisen (z.B. ha- ben bei P3 3%, bei P97 97% der Kinder einen kleineren BMI)“ (Kromeyer- Hauschild, 2005, S. 5). Die Perzentilkurven liegen fur Madchen und fur Jungen gesondert vor, da sich die Geschlechter hinsichtlich des Wachstums differen- zieren. Abbildung 3 und 4 zeigen diese Perzentilkurven (vgl. Warschburger & Petermann, 2007, S. 11).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Perzentilkurve fur Madchen (Warschburger & Petermann, 2007, S. 11).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Perzentilkurve fur Jungen (Warschburger & Petermann, 2007, S. 12).
Auf den senkrechten Achsen dieser Abbildungen sieht man den BMI, auf den waagerechten Achsen das Alter. Ziehen wir unser Beispiel von oben heran. Tom ist 1,57 groB und wiegt 65 kg. Wir ermittelten einen BMI von 26,42 (s. S. 13). Nun sucht man in der Kurve fur Jungen das Alter (Tom ist zehn Jahre) und geht die Skala hoch bis man den BMI von 26 erreicht (s. Abbildung 4). Man erkennt dann, dass der BMI von Tom weit oberhalb der 97. Perzentile liegt (s. Markierung). Das heiBt, Tom bewegt sich mit seinem Gewicht (BMI) im Ver- gleich zu seiner Altersgruppe deutlich im oberen Bereich. Tom ist stark uber- gewichtig: Weniger als 3% der Kinder dieser Altersgruppe besitzen einen noch hoheren BMI (vgl. Warschburger & Petermann, 2007, S. 11).
Ob ein Kind als untergewichtig, ubergewichtig oder adipos eingestuft wird, hangt aber nicht allein von seinem Alter, seinem Geschlecht, seiner Korpergro- Be und seinem Korpergewicht ab, sondern auch davon, wo es geboren wurde. Es existieren diverse landerspezifische und einige internationale Referenzwer- te, um Ubergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen zu klassifi- zieren (vgl. Schorb & Helmert, 2011, S. 36). Um in Deutschland eine einheitli- che Definition von Ubergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen zu ermoglichen, hat sich die deutsche Adipositasgemeinschaft Adipositas (AGA) entsprechend den Empfehlungen einer Expertengruppe der IOTF (International Task Force of Obesity) und den Vorgaben der European Childhood Obesity Group (ECOG) darauf geeinigt, dass man ab der 90. Perzentile von Ubergewicht und ab der 97. Perzentile von Adipositas spricht (vgl. Wabitsch, 2006, S. 10). Mit dieser Festlegung ist ein nahezu kontinuierlicher Ubergang zu den entsprechenden Grenzwerten im Erwachsenenalter gegeben, die von der WHO festgelegt wurden (vgl. Lehrke & Laessle, 2009, S. 4). Zur Deutsch- landweiten Nutzung empfiehlt die AGA daruber hinaus die Referenzwerte nach Kromeyer-Hauschild et al. (s. Abbildung 3 und 4).
In den USA wurden die Grenzwerte anders gewahlt. So gelten Heranwachsen- de dort bereits ab der 95. Perzentile als adipos. Der Unterschied zwischen der amerikanischen und europaischen Einteilung erklart sich durch eine hohere Pravalenz (Haufigkeit) fur Adipositas in den USA verglichen mit Europa (vgl. Barnstorf & Jager, 2005, S. 16).
Bei Erwachsenen sowie bei Kindern und Jugendlichen kann die Berechnung und diagnostische Bewertung des BMI auch im Internet, z.B. unter http://www.mybmi.de durchgefuhrt werden (vgl. Lehrke & Laessle, 2009, S. 4).
1.2 Formen der Adipositas
Innerhalb des Adipositasbegriffs unterscheidet man zwischen der primaren und sekundaren sowie zwischen der gynoiden und abdominalen Adipositas.
1.2.1 Primare und sekundare Adipositas
Bei der sekundaren Form handelt es sich um eine Adipositas, die einer geneti- schen (z.B. Prader-Willi-Syndrom) oder endokrinen Grunderkrankung (z.B. Hypothalamische Storungen) zugrunde liegt. Sie kann auch iatrogen entstanden sein. Diese Form bleibt im weiteren Verlauf der Arbeit unberucksichtigt, da es sich hierbei um ein Phanomen handelt, welches nur in 5% der Falle vorkommt (vgl. Warschburger & Petermann, 2008b, S. 535). In den meisten Fallen kann keine ursachliche Grunderkrankung festgestellt werden. Man spricht dann von einer primaren Adipositas (vgl. Wabitsch, 2008, S. 36). Grundsatzlich liegt die primare Ursache der Adipositas in einem Ungleichgewicht zwischen Energie- aufnahme und Energieverbrauch. Zahlreiche Faktoren konnen zu einer solchen positiven Energiebilanz fuhren. Neben genetischen Faktoren spielen insbeson- dere fehlerhafte Faktoren des Lebensstils wie Uber- oder fettreiche Ernahrung und/ oder Bewegungsmangel sowie psychische Faktoren wie Frustration, Stress oder Einsamkeit eine Rolle (vgl. Wonisch, 2009, S. 89).
Die Ursachen der primaren Adipositas sind sehr umfangreich und komplex. Diese werden in Kapitel 4 genauer erlautert.
1.2.2 Gynoide und abdominale Adipositas
Fur die medizinischen Folgebelastungen der Adipositas ist es relevant bei der Klassifikation nicht nur die erhohte Fettmasse zu betrachten, sondern auch das Fettverteilungsmuster zu berucksichtigen. Das Fettverteilungsmuster manifes- tiert sich erst am Ende der Pubertat. Im Wesentlichen unterscheidet man zwi- schen einer gynoiden (huftbetonten) Fettansammlung („Birnen- oder GesaBtyp“), die haufiger bei Frauen zu beobachten ist, und einer abdominalen (stammbetonten oder androiden) Form („Apfeltyp“), die meist Manner aufwei- sen (vgl. Lehrke & Laessle, 2003, S. 501f.). Beide Formen treten jedoch so- 17 wohl bei Mannern als auch bei Frauen auf (vgl. Wirth, 2008, S. 11). Die fol- gende Abbildung stellt die beiden Fettverteilungsmuster grafisch dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Erscheinungsbild der abdominalen und gynoiden Adipositas (Wirth, 2008, S. 11).
Bei abdominaler Fettverteilung liegt das Risiko fur Folgekrankheiten wesent- lich hoher. Durch die Bestimmung des Verhaltnisses zwischen Taillen- und Huftumfang (WHR: „Waist-to-hip-Ratio“ = Taillenumfang/Huftumfang) kann eine grobe Einschatzung des Fettverteilungsmusters erfolgen. Ein abdominales Fettverteilungsmuster besteht bei Frauen mit einem WHR > 0,85 sowie bei Mannern mit einem WHR > 1,00. Ein gynoides Fettverteilungsmuster liegt bei Frauen mit einem WHR < 0,85, bei Mannern mit einem WHR < 1,0 vor (vgl. Lehrke & Laessle, 2003, S. 501f.).
Wie bereits dargestellt wurde, existieren zahlreiche Klassifizierungssysteme fur Adipositas und Ubergewicht. Eine mogliche Form der Differenzierung bildet der Faktor Korperzusammensetzung. Eine andere Moglichkeit besteht in der Anwendung des Body-Mass-Index bzw. der Perzentilwerte bei Kindern und Jugendlichen. Ferner werden verschiedene Formen von Adipositas unterschie- den. Dennoch erscheint die Abgrenzung der Begriffe Adipositas und Uberge- wicht in der Literatur nicht eindeutig. Adipositas und Ubergewicht werden vorwiegend als synonyme Begriffe gebraucht. So wird haufig von Adipositas gesprochen, wenn ein betrachtliches Ubergewicht vorliegt (vgl. Pudel & Wes- tenhofer, 1991, S. 93).
Aufgrund der Tatsache, dass es zwischen den beiden Begrifflichkeiten Adipo- sitas und Ubergewicht in der Fachliteratur definitorisch flieBende Ubergange gibt, werde ich innerhalb der vorliegenden Arbeit keine explizite Trennung der beiden Termini vornehmen. Lediglich im nachfolgenden Kapitel, wo es um die Pravalenz von Ubergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen geht, wird nochmals strikt zwischen den beiden Begrifflichkeiten unterschieden.
2 Pravalenz
Das Ziel dieses Kapitels ist die Darstellung der Pravalenz von Ubergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen. „Die Pravalenz beschreibt die Verteilung von Krankheit und Risikofaktoren innerhalb einer Population“ (Helmert, Schorb, Fecht & Zwick, 2011, S. 55).
Seit mehreren Jahren wird in den Massenmedien, haufig ohne ausreichende empirische Belege, der Anschein vermittelt, dass der Anteil ubergewichtiger und adiposer Kinder und Jugendlicher kontinuierlich ansteigt (vgl. Helmert et al., 2011, S. 49).
Zur Einschatzung von Adipositas und Ubergewicht liegen in Deutschland un- terschiedliche Datenquellen vor. Davon konnen nicht alle den Anspruch erhe- ben reprasentativ zu sein. RegelmaBig durchgefuhrte Erhebungen mit verglei- chender Methodik und definierter Grundpopulation sind in Deutschland fur die Epidemiologie von Ubergewicht und Adipositas von groBer Bedeutung (vgl. Kurth & Schaffrath Rosario, 2010, S. 646). Zu den zuverlassigen Datenquellen gehoren neben den Schuleingangsuntersuchungen, die aus nahezu allen Bun- deslandern zur Verfugung stehen, der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) des Robert-Koch-Institutes (vgl. Helmert et al., 2011, S. 50). Nach- folgend wird auf beide Datenquellen eingegangen.
2.1 Die Datenlage in Deutschland
2.1.1 Ergebnisse der KiGGS-Studie
Der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) wurde vom 15. Mai 2003 bis 6. Mai 2006 vom Robert-Koch-Institut durchgefuhrt und stellt in Deutschland die derzeit aktuellste und beste Datenbasis fur Pravalenzaussagen zu Adi- positas und Ubergewicht bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 0-17 Jah- ren dar (vgl. Kurth & Schaffrath Rosario, 2010, S. 646). Insgesamt nahmen an der Studie 17.641 Kinder und Jugendliche (8656 Madchen und 8985 Jungen) gemeinsam mit ihren Eltern aus 167 fur die Bundesrepublik reprasentativen Stadten und Gemeinden teil, darunter 14.836 Kinder und Jugendli che ab 3 Jah- ren (vgl. Kurth & Schaffrath Rosario, 2007, S. 736).
Korpergewicht und KorpergroBe der Probanden wurden mit Hilfe eines kalib- rierten Stadiometers und einer kalibrierten Waage auf 0,1 kg bzw. 0,1 cm ge- nau gemessen. Mit Hilfe der Ergebnisse der Gewichts- und GroBenmessung wurde der jeweilige BMI des Probanden ermittelt. Die Auswertungen der KiGGS-Studie wurden anhand eines Vergleichs mit den Referenzwerten nach Kromeyer-Hauschild et al. vorgenommen, welche im vorherigen Kapitel vor- gestellt wurden (s. S. 14 ff.) (vgl. Kurth & Schaffrath Rosario, 2007, S. 737).
Aufgrund einiger methodischer Schwierigkeiten bei der Datenerhebung von Kindern unter drei Jahren wurden diese nicht in die Erhebung mit einbezogen (vgl. Kurth & Schaffrath Rosario, 2010, S. 647).
Die KiGGS-Ergebnisse zeigen, dass in Deutschland insgesamt 15% der Kinder und Jugendlichen im Alter von drei bis 17 Jahren einen BMI oberhalb des 90. Perzentils der Referenzdaten haben und demnach an Ubergewichtig leiden. Mehr als ein Drittel davon, d.h. 6,3% sind sogar von Adipositas betroffen, da ihr BMI oberhalb des 97. Perzentils der Referenzdaten liegt. Diese Werte ent- sprechen etwa einer Zahl von 1,9 Millionen ubergewichtigen Kindern und Jugendlichen, darunter 800.000 mit Adipositas. Betrachtet man diese Resultate vor dem Hintergrund der Referenzpopulation aus den 1980er- und 1990er- Jahren, so hat sich in der Gruppe der Kinder und Jugendlichen der Anteil der Ubergewichtigen um 50% erhoht und bei den Adiposen hat eine Verdopplung stattgefunden (vgl. Kurth & Schaffrath Rosario, 2007, S. 737). Zudem wird deutlich, dass die Zahl ubergewichtiger Kinder und Jugendlicher mit zuneh- mendem Alter ansteigt. Wahrend 9% der 3- bis 6-Jahrigen zu viel Gewicht besitzen, sind es bei den 7- bis 10-Jahrigen schon 15% und bei den 14- bis 17- Jahrigen letztendlich 17% (vgl. Kurth & Schaffrath Rosario, 2007, S. 737f.). Am deutlichsten nimmt der Anteil ubergewichtiger Kinder gegenuber Jungeren im Grundschulalter von 7 bis 10 Jahren zu (vgl. Hempel et al., 2006, S. 29). „Dies lasst darauf schlieBen, dass sich in dieser Zeit eine Kombination mehre- rer Risikofaktoren (weniger Bewegung mit Schuleintritt, falsche Ernahrung) besonders nachteilig auswirkt“ (Hempel et al., 2006, S. 29).
Bei Adipositas ist die Situation noch extremer: Hier zeigt sich eine Verdreifa- chung des Anteils adiposer Jugendlicher zwischen 14 und 17 Jahren (vgl. Kurth & Schaffrath Rosario, 2007, S. 737). Wahrend der Anteil an Adiposen bei den 3- bis 6-Jahrigen noch 3% betragt, steigt dieser bei den 7- bis 10- Jahrigen uber 6%. Bei den 14- bis 17-Jahrigen betragt der Anteil an Adiposen schlieBlich 9% (vgl. Hempel et al., 2006, S. 29).
In Tabelle 2 sind die Pravalenzen fur die einzelnen Altersgruppen zusammen- getragen. Dabei treten nennenswerte Unterschiede zwischen Madchen und Jungen nicht auf (vgl. Warschburger & Petermann, 2008b, S. 536).
Tabelle 2: Ubergewicht und Adipositas in verschiedenen Altersgruppen (Warschburger & Petermann, 2008b, S. 536).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Um die Risikogruppen fur Ubergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen noch genauer zu bestimmen, wurden die Auswertungen weiter dif- ferenziert nach Sozialstatuszugehorigkeit und Migrationshintergrund (vgl. Kurth & Schaffrath Rosario, 2007, S. 737). Anhand von Bildungsstand, beruf- licher Stellung und Einkommen der Eltern wurde der Sozialstatus der Familien ermittelt (vgl. Kurth & Schaffrath Rosario, 2010, S. 646). Die Differenzierung nach dem Sozialstatus fuhrte zu folgenden Ergebnissen: Kinder und Jugendli- che aus Familien mit niedrigem Sozialstatus haben ein hoheres Risiko fur Adi- positas und Ubergewicht. Dies zeigt sich insbesondere bei Madchen im Alter von 14 bis 17 Jahren aus sozial benachteiligten Familien: Die Adipositasrate betragt hier fast das Funffache des als „normal“ anzusehenden Wertes. Auch fur Jungen des entsprechenden Alters finden sich ahnliche Verhaltnisse (vgl. Kurth & Schaffrath Rosario, 2010, S. 648).
Die Differenzierung nach dem Migrationshintergrund ergab, dass Madchen und Jungen aus der Turkei, Madchen aus Mittel- und Sudeuropa sowie Jungen aus Polen am haufigsten an Ubergewicht leiden. Kinder von Aussiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion wiesen hingegen leicht geringere Raten auf als die deutschen Kinder aus Familien ohne Migrationshintergrund. Aber auch bei diesen Migranten steigen die Pravalenzen mit langerer Aufenthaltsdauer in Deutschland (vgl. Kurth & Schaffrath Rosario, 2010, S. 648).
Neben Kindern aus Familien mit niedrigem Sozialstatus und Kindern mit Mig- rationshintergrund, tritt Adipositas auch verstarkt unter Kindern auf, deren Mutter ebenfalls unter Ubergewicht oder Adipositas leiden. Dies lasst sich zum einen durch eine erbliche Veranlagung erklaren, die Kind und Mutter gemein- sam haben, zum anderen dadurch, dass Familienmitglieder ahnlichen Lebens- bedingungen ausgesetzt sind und gesundheitsrelevante Verhaltensweisen (z.B. Essverhalten und korperliche Aktivitat) innerhalb der Familie vorleben und weitergeben (vgl. Kurth & Schaffrath Rosario, 2007, S. 740; Hempel et al., 2006, S. 29).
2.1.2 Schuleingangsuntersuchungen
Neben der KiGGS-Studie stellen die Schuleingangsuntersuchungen zuverlassi- ge Quellen mit Messdaten dar. Diese wurden als wichtige Quellen ausgewahlt, weil sie als Messdaten mit einer Beteiligungsrate nahe 100% genaue und valide Aussagen zur Adipositasproblematik bei Schulanfangern geben. Zahlen uber die Ubergewichts- und Adipositaspravalenz stehen mit Ausnahme von Thurin- gen und Sachsen-Anhalt aus allen Bundeslandern zur Verfugung. Die aufge- fuhrten Daten aus den Schuleingangsuntersuchungen stammen aus den Jahren 2004/05 bis 2006/07. Das Referenzsystem von Kromeyer-Hauschild et al. wur- de auch hier als Grundlage genutzt (vgl. Helmert et al., 2011, S. 50f.).
In Tabelle 3 sind zum Vergleich die Pravalenzen von Adipositas und Uberge- wicht nach Bundesland abgebildet. Der Tabelle ist zu entnehmen, dass Mecklenburg-Vorpommern mit 6,0% Adipositas und 12,8% Ubergewicht die hochs- ten Werte bei den Funf- bis Sechsjahrigen liefert. Die niedrigsten Werte wur- den mit 3,8% in Rheinland-Pfalz und fur Ubergewicht inklusive Adipositas mit 8,8% fur Bayern ermittelt. Aufgrund der Daten ist insgesamt kein Ost-West Unterschied festzustellen. So finden sich beispielsweise niedrigere Werte in 23
Brandenburg und Sachsen als in Baden-Wurttemberg. Allenfalls kann von ei- nem geringen Nord-Sud-Gefalle gesprochen werden (vgl. Helmert et al., 2011, S. 51).
Tabelle 3: Adipositas und Ubergewicht bei Schuleingangsuntersuchungen 2004/05-2006/07 (Helmert et al., 2011, S. 51).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.1.3 Korpergewicht von Einschulungskindern in Kassel
An dieser Stelle werden ausgewahlte Ergebnisse der Schuleingangsuntersu- chung 2012 der Stadt Kassel vorgestellt.
Im Bundesland Hessen ist die Schuleingangsuntersuchung fur alle Kinder, die zum 30. Juni eines Jahres das 6. Lebensjahr vollendet haben, durch das hessi- sche Schulgesetz verbindlich. Im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung er- mittelt das Gesundheitsamt Region Kassel neben anderen relevanten Daten auch die KorpergroBe und das Korpergewicht der Einschulungskinder und kann so die Pravalenz fur Adipositas und Ubergewicht zum Zeitpunkt der Ein- schulung in den Schulen der Stadt und des Landkreises Kassel fur jeden Jahr- gang untersuchen (vgl. Gesundheitsamt Region Kassel, 2012).
Infolge der Schuleingangsuntersuchung in Kassel wurden im Jahre 2012 insge- samt 1.597 Kinder untersucht, wobei die meisten Kinder aus den Stadtteilen Nord Holland (138 Kinder), Oberzwehren (136 Kinder) und Vorderer Westen (129 Kinder) stammten. Nordhausen war mit 16 Kindern der Stadtteil mit den wenigsten Einschulungskindern. Die Schuleingangsuntersuchung erbrachte folgende Ergebnisse: Von den 1.597 untersuchten Einschulungskindern waren 1.439 normal- oder untergewichtig, 110 Kinder waren ubergewichtig (7,0%) und 95 waren adipos (6,0%). Die Stadtteile Rothenditmold, Oberzwehren und Wesertor lagen mit 11% uber dem stadtischen Durchschnitt fur Ubergewicht von 7,0%. Sudstadt und Fasanenhof lagen mit 2% sowie Brasselberg, Wehlheiden und Niederzwehren mit 3% deutlich darunter. Der groBte Anteil an Kindern, die zum Zeitpunkt der Schuleingangsuntersuchung adipos waren, kommt aus dem Stadtteil Nord Holland (14%). Den geringsten Anteil hatten die Stadtteile Vorderer Westen und Wolfsanger (1%). In den Stadtteilen Brasselberg, Jungfernkopf und Sudstadt lag der Anteil sogar bei 0% (vgl. Gesundheitsamt Region Kassel, 2012).
Alles in allem zeigen die Zahlen der Schuleingangsuntersuchung 2012 bei Kasseler Kindern eine erfreuliche Entwicklung. So kann man laut dem Gesund- heitsamt Region Kassel im Vergleich zu den Vorjahren (2009, 2010, 2011) einen leichten Ruckgang von Ubergewicht und Adipositas feststellen. Ein an- deres Bild zeigt sich allerdings in den Gemeinden des Landkreises Kassel. Hier ist insgesamt der Anteil der Kinder, die von Ubergewicht oder Adipositas be- troffen sind, in den vergangen drei Jahren (2010, 2011, 2012) nahezu unveran- dert geblieben (vgl. Gesundheitsamt Region Kassel, 2012).
2.2 Internationale Pravalenzzahlen
AbschlieBend soll noch ein Blick auf das AusmaB der Adipositasproblematik bei Kindern und Jugendlichen im internationalen MaBstab geworfen werden.
Ein internationaler Vergleich der Pravalenz von Adipositas und Ubergewicht von Kindern und Jugendlichen gestaltet sich aus verschiedenen Grunden als schwierig. Die Erhebungszeitraume- und -methoden fallen je nach Nation un- terschiedlich aus. Zudem verwenden die meisten Lander unterschiedliche Refe- renzwerte (vgl. Helmert et al., 2011, S. 65). Die „Health Behaviour in Schoolaged Children (HBSC)“ ist eine der wenigen vergleichenden Studien, die eine standardisierte Erhebungsmethode anwendet (vgl. Helmert et al., 2011, S. 65). An der HBSC-Studie beteiligen sich mehr als 40 Lander aus Nordamerika, Europa und Israel. Die Zielpopulation umfasst Schulkinder aus den funften, siebten und neunten Klassen. Die deutsche Stichprobe ergibt sich jeweils aus einer Zufallsstichprobe von Schulklassen aller offentlichen Schulen der funf- ten, siebten und neunten Klassenstufe (vgl. Kurth & Schaffrath Rosario, 2010, S. 646). Neben gesundheitsrelevanten Themen wie z.B. Alkohol - und Nikotin- konsum werden die Teilnehmer auch nach ihrem Korpergewicht und ihrer KorpergroBe abgefragt (vgl. Helmert et al., 2011, S. 65). Diese subjektiven Angaben sind von den objektiven Messungen zu unterscheiden (vgl. Kurth & Schaffrath Rosario, 2010, S. 646).
Die in Tabelle 4 dargestellten Daten (in Prozent) stammen aus dem Erhebungs- zeitraum 2001 bzw. 2002 und wurden nach der Summe der Ubergewichts- und Adipositaspravalenz beider Geschlechter sortiert (vgl. Helmert et al., 2011, S. 66f.).
Tabelle 4: Pravalenz von Adipositas und Ubergewicht bei 15-jahrigen Jungen und Madchen im internati- onalen Vergleich 2001/2002 (Helmert et al., 2011, S. 66 auf Basis von HBSC 2002).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im internationalen Vergleich aller an der HBSC-Studie beteiligten Lander wird ersichtlich, dass die Liste mit deutlichem Abstand von den USA, angefuhrt wird. An zweiter Stelle steht Gronland. Im oberen Drittel befinden sich neben einer Vielzahl angelsachsischer bzw. unter angelsachsischem Einfluss stehen- der Lander - England, Schottland, Wales, Malta -, auffallend zahlreiche sudeu- ropaische Mittelmeerlander wie Spanien, Portugal, Griechenland oder Italien. Viele der modernen, mitteleuropaischen Gesellschaften, darunter Deutschland, liegen im Mittelfeld. Die niedrigsten Pravalenzzahlen haben diejenigen Lander, die einen geringeren soziookonomischen Entwicklungsstand aufweisen. Dazu gehoren Estland, Polen, die Ukraine, Russland und Litauen (vgl. Helmert et al., 2011, S. 67).
Sowohl bei den Jungen als auch bei den Madchen betragt die Spannweite der Pravalenzen fur Adipositas und Ubergewicht zusammen genommen zwischen den starksten und am geringsten betroffenen Landern ca. 30%Punkte. Daruber hinaus zeigt sich, dass Adipositas und Ubergewicht bei Kindern und Jugendlichen in den verschiedenen Landern in erheblichem MaBe durch den Moderni- sierungsgrad bzw. den soziookonomischen Entwicklungsstand eines Landes beeinflusst werden: Insbesondere Lebensbedingungen in „Uberflussgesell- schaften“ scheinen der Entstehung von Adipositas und Ubergewicht im jungen Lebensalter zutraglich zu sein, nicht zuletzt deshalb, weil sie die Freizeit- und Ernahrungsgewohnheiten vieler Menschen uberformen (vgl. Helmert et al., 2011, S. 67).
Festzuhalten bleibt, dass in den klassischen Industrielandern wie Deutschland, aber auch in den Schwellenlandern, vor allem soziookonomisch benachteiligte Gruppen etwas starker von Adipositas und Ubergewicht betroffen sind. In Deutschland gilt dies insbesondere fur Zuwanderer aus dem Orient und Men- schen mit turkischem Migrationshintergrund (vgl. Helmert et al., 2011, S. 68).
Fur die Schulen sind die Daten uber die Pravalenz von Adipositas und Uber- gewicht bei Kindern und Jugendlichen aus den Schuleingangsuntersuchungen von besonderem Interesse. Uber diese Daten konnen namlich in Kooperation mit den Lehrkraften Befunde weitergegeben oder Risikogruppen fruhzeitig identifiziert werden (vgl. Mohn et al., 2007, S. 23).
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