Epoche: Exilliteratur (1930 - 1945)
- „Machtergreifung“ Hitlers 1933 ? Änderung des Geistesleben in Deutschland
- Nationalsozialistisches Gleichschaltungsprogramm (Medien, Künste)
- Meinungsfreiheit = Gefahr ? Beseitigung
- Neuerschaffung des Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda ? Kon- trolle: Rundfunk, Film, Literatur, Pressewesen
- Umdichtung der Literaturgeschichte durch willfährige Germanisten
- Lied der Lorelei von Heinrich Heine (Jude) ? Deklaration zum Volkslied ? Verban- nung aus der Literaturgeschichte und der Bibliothek
- 10.05.1933 Bücherverbrennung = Warnzeichen an alle Autoren ? Flucht ins Exil (z.B. Frankreich, Österreich, Schweiz, Belgien, Dänemark, usw.) ? Stillstand des literarischen Lebens in Deutschland
- Einige Autoren in Dtl. ? anfangs keine völlige Ablehnung des Nationalsozialismus (z.B. Gottfried Benn); unterschiedliche Skrupel und Überlegungen (z.B. Erich Käst- ner) ? Einstellung der literarischen Arbeit
- Politikferne Themen und Genre oder verschlüsselte Botschaften
- Entwicklung eines vielgestalteten Erscheinungsbild: zerstreute Erscheinungsgebiete, kein muttersprachliches Zentrum ? Schmuggelware
- Verbundenheit der Autoren durch Abscheu
- Trotz Verbundenheit Stückwerke (Grund: künstlerische Temperamente, politische Po- sition)
- Unter Schwierigkeiten ? Fortsetzung des Lebenswerkes ? Erhaltung der Kontinuität in der deutschen Literatur
Merkmale der Exilliteratur
- Verfassung von Autobiographien oder fiktiven Emigrantendramen
- Politisch engagierte Themen
- Exilerfahrungen
- Ohne aktuelle Bezüge ? Charakterisierung durch das Gefühl äußerer Bedrohung und innerer Isolation
Probleme der Exilschriftsteller
- Warten auf Ende der Naziherrschaft
- Je länger, desto schwieriger das Schreiben ( Mangel an Themen)
- Sozialkritische Literatur ? Hervorrufen einer unangenehmen Gegenreaktion für das Gastgeberland
- Schwerfallen des kritischen Schreibens durch Nichtanwesenheit im Heimatland
- 1938 Ansammlung von Exilanten ? für Gastgeberland: besitzergreifend ? Schikanen ? zweite Emigrationswelle
- 1940 Exilanten in England, Amerika, Mexiko, Südamerika ? körperliche und seeli- sche Belastung
- Nichtertragen der Situation ? Selbstmord (z.B. Stefan Zweig, Kurt Tucholsky)
- Beraubter Lebensmut und Existenzgrundlage ? Grund: Verlust der deutschen Spra- che & gezwungene Anpassung an die neuen, fremden Lebensumstände
- Schwierigkeiten der Etablierung
- Empfindung des enormen Kulturverlustes durch Abwesenheit vom Heimatland
Wichtige Werke und Autoren
- Bertholt Brecht „Leben des Galilei“, „Schweyk im Zweiten Weltkrieg“
- Thomas Mann „Joseph und seine Brüder“
- Anna Seghers „Das siebte Kreuz“
Anna Seghers „Das siebte Kreuz“
- Name: Anna Seghers = Pseudonym
- Richtiger Name: Netty Reiling (jüdischer Abstammung)
- 1933 Flucht ins frz. Exil
- 1937 Beginn mit dem Romans „Das siebte Kreuz“
- Gespräche mit Flüchtlingen
- Informationen von Organisationen der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands)
- Ortskenntnisse aus eigener Erinnerung
- 1939 Fertigstellung
- Ersterscheinung in Amerika
- 1942 Ersterscheinung in Dtl.
- 1944 Erste Verfilmung
- einer der wichtigsten Romane der deutschen Exilliteratur und Anna Seghers berühm- testes Werk
- Roman = Denkmal in ihrer rheinhessischen Heimat
- Carl Zuckmayer: „Es ist das einzige epische Werk der gesamten deutschen Exillitera- tur, in dem nicht nur mit gerechtem Zorn Partei genommen wird, sondern - aus der Ferne - ein menschlich glaubhaftes Bild des verfinsterten Deutschland gelungen ist.“1
- „Das siebte Kreuz“ ? Zahl: sieben ? 7 Flüchtlinge, 7 Kapitel = 7 Tage der Flucht, 7 Kreuze
Inhaltsangabe
„Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers spielt in Deutschland im Jahr 1937, während des Nationalsozialismus. Der Roman handelt von der Flucht von sieben Häftlingen aus dem Konzentrationslager und deren Verfolgung durch die SS und die Gestapo.
An einem Montag morgen wird der Alarm im KZ Westhofen ausgelöst, da sieben Häftlinge, Georg Heisler, Wallau, Beutler, Pelzer, Belloni, Füllgrabe und Aldinger, ausgebrochen sind. Schon nach wenigen Minuten wird Beutler wieder gefangengenommen.
Die Hauptperson Georg Heisler, der Erschöpfung und die Schmerzen seiner verletzten Hand ertragen muß, schlägt sich zwei Tage lang auf eigene Faust durch.
Als Franz Marnet, ein ehemaliger Freund von Georg, von der Flucht erfährt, überlegt, wie er seinem Freund aus vergangener Zeit unterstützen kann. Er zieht vertrauenswürdige Bekannte zu Rat und versucht, hilfreiche Kontakte zu knüpfen. Seine Bemühungen führen allerdings zu keinem Erfolg, da Gestapo und SS2 sehr wachsam sind. Mittlerweile werden die Häuser, von denen vermutet wird, dass Georg hier auftauchen könnte, überwacht. Angehörige und Be- kannte, darunter auch Georgs Frau Elli, werden sowohl bespitzelt als auch zu Verhören vorge- laden.
Während Georg versucht, mit diversen Bekannten und Verwandten Kontakt aufzunehmen, lässt der Lagerkommandant Fahrenberg sieben Kreuze aus sieben Bäumen (Platanen) herrichten, an denen die Flüchtlinge zur Peinigung angebunden werden sollen.
Heisler schlägt sich mit Glück zu seiner Ex-Freundin Leni durch, doch da sie nun verheiratet ist und Angst hat, will sie ihn nicht erkennen.
Am nächsten Tag erfährt er durch die Zeitung, daß man schon vier Häftlinge wieder gefan- gengenommen hat. Daraufhin trifft er Füllgrabe, ein Flüchtling, der sich freiwillig der Gesta- po stellen will, da er keine Kraft mehr hat und glaubt dadurch dem Tod zu entgehen. Füllgra- be versucht Georg davon zu überzeugen, mit ihm zu gehen, doch dieser erklärt ihn für ver- rückt und lässt ihn gehen.
Nach weiteren Strapazen kommt Heisler der Gedanke an einen Jugendfreund namens Paul Röder, der in der Vergangenheit sehr hilfsbereit und sozial eingestellt war. Dieser nimmt ihn sofort auf, hat aber Bedenken, als Georg ihm von seiner Flucht erzählt. Röder sorgt sich um seine Familie. Doch er erkennt bald, dass sein alter Bekannter verloren ist, wenn er ihm keine Zuflucht bietet.
Mittlerweile wurden alle lebenden Flüchtlinge, bis auf Georg, eingefangen und zurück ins KZ gebracht. Belloni und Aldinger sind während der Flucht gestorben. Unter den Lebenden ist auch Wallau, Georgs großes Vorbild und bester Freund im KZ. Er wird nach einigen erfolglosen Verhören von Lagerkommandant Fahrenberg zu Tode geprügelt.
Paul erkundigt sich bei Arbeitskollegen, wie er seinem geflüchteten Freund helfen könne. Er erhält von einem Mann namens Fiedler, der sich früher an zahlreichen Protestaktionen gegen die Nazis beteiligt hat, einen gefälschten Pass und Geld. Georg wird mitgeteilt, dass am mor- gigen Tag ein holländischer Kahn ausläuft, auf dem er mitfahren könne. Zwischenzeitlich wechselt Georg noch einmal die Unterkunft. Dann besteigt er das Schiff. Georg Heisler ist der einzige, der die Flucht aus dem KZ Westhofen überlebt hat, denn das siebte Kreuz bleibt un- besetzt.
Leseprobe1
Georg sah zwischen den welken Stauden über den Grabenrand. So nah stand der Posten - wo der Weg über dem Gurkenfeld in die Landstraße mündete -, so bestürzend nah, daß Georg gar nicht erschrak, sondern in Wut geriet. So greifbar nah stand er da auf seinen zwei Beinen ge- gen die Ziegelmauer, daß es die größte Qual war, sich zu verstecken, anstatt gegen ihn anzu- springen. Langsam ging der Posten den Weg ab, an der Fabrik vorbei zur Liebacher Au - in seinem Rücken, in der grauen und braunen Unendlichkeit zwei glühende Augenpunkte. Georg dachte, der Posten müßte sich umdrehn nach dem mühlenartigen Geklapper, das sein Herz jetzt machte, wo es doch selbst in der Todesangst noch viel stiller schlug als ein Vogelflügel. Georg rutschte im Graben weiter, fast bis zur Wegstelle, wo der Posten noch eben gestanden hatte. Wallau hatte ihm noch erklärt, daß dort der Graben unter dem Weg durchführte. Ob und wie der Graben dann weiterlief, das hatte Wallau selbst nicht gewußt. An dieser Stelle hatte auch seine Voraussicht aufgehört. Georg kam sich erst jetzt vollkommen verlassen vor. Ruhig - nur noch das Wort blieb ihm im Ohr, der bloße Klang, ein Amulett aus Stimme. Dieser Graben, sagte er sich, läuft unter der Fabrik durch, wird den Abfluß aufnehmen. Er mußte abwarten, bis der Posten gedreht hatte. Jetzt blieb der Posten am Ufer stehn, pfiff. Von der Liebacher Au pfiff es zurück. Georg begriff jetzt den Abstand zwischen den Pfiffen, über- haupt begriff er jetzt viel. Jeder Punkt in seinem Gehirn war besetzt, jeder Muskel war ange- strengt, jede Sekunde war ausgefüllt, ungemein dicht war das ganze Leben, atemlos und eng. Wie er dann in dem stinkigen, scharf riechenden Abfluß steckte, wurde ihm plötzlich flau, weil dieser Graben ja gar nichts war zum Durchkriechen, sondern bloß um darin zu ersticken. Und er wurde zugleich ganz rasend, weil er doch keine Ratte war und das kein Ort für ihn zum Abgehn. Da war es aber vor ihm schon nicht mehr pechschwarz, sondern ein Gewitter von Wasserkringelchen. Zum Glück war das Fabrikgelände nicht groß, vielleicht vierzig Me- ter breit. Wie er herauskam, jenseits der Mauer, stieg das Feld etwas an zur Landstraße, und ein Weg führte schräg hinauf. In dem Winkel zwischen Mauer und Feldweg gab es einen Ab- fallhaufen. Georg konnte nicht weiter, er mußte sich hinhocken und auskotzen.
Persönliche Wertung zum Werk
- Beschäftigung mit dem Thema Nationalsozialismus = außergewöhnliche Art ? keine Verfluchung der Nationalsozialisten
- Leser ? rationale Sicht zum Geschehen
- Erzählstil ? keine Wiederspiegelung von Hass ? außerordentliche Leistung
- Beeindruckende Beschreibung der Gefühle und Gedanken der handelnden Personen ? mitfühlende und mitleidende Leser
- Siebte Kreuz = Symbol für Hoffnung und Gerechtigkeit
Nachweis für die Epoche
- Realitätsbezogen
- Wiederspiegelung von historischen und gesellschaftlichen Vorgängen
- Beschreibung der Situation in Dtl.
- Flüchtlingsdrama
[...]
1 Seghers, Anna: Das siebte Kreuz. Aufbau Taschenbuch Verlag GmbH, Berlin, 16. Auflage 2001
2 Schutzstaffel der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei)
1 Seghers, Anna: Das siebte Kreuz. S. 34-35. Aufbau Taschenbuch Verlag GmbH, Berlin, 16. Auflage 2001
- Citar trabajo
- Kristin Wydmuch (Autor), 2001, Seghers, Anna - Das siebte Kreuz- Exilliteratur + Buchvorstellung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103300